Kapitel 24
Die Tage vergingen, und mit jeder Stunde, die ich hier gefangen war, wuchs mein Hass auf Tanjiro. Ich wusste nicht, wie lange ich bereits im Ewigkeitsschloss war – Zeit schien hier keine Bedeutung zu haben. Es war ein endloser Albtraum aus endlosen Hallen und sich ständig verändernden Räumen.
Tanjiro ließ mich nie aus den Augen. Immer wieder sprach er mit mir, versuchte mich mit süßen Worten zu locken, mich mit seinem Blut zu verführen. Doch ich blieb standhaft. Ich würde mich ihm nicht unterwerfen. Ich war ein Dämon, ja... aber ich war kein Werkzeug.
Ich wartete auf den richtigen Moment. Ich wusste, dass er mich beobachtete – immer. Doch selbst er musste sich um andere Dinge kümmern.
Dann kam die Gelegenheit.
Tanjiro war abgelenkt.
Ein anderer Dämon hatte es gewagt, sich gegen ihn aufzulehnen. Ich hörte das Echo eines Kampfes durch die Korridore hallen, das Krachen von zertrümmerten Mauern und das Splittern von Knochen.
Das war meine Chance.
Ohne zu zögern stürzte ich durch die Flure. Ich wusste nicht genau, wohin ich lief, aber das war egal. Ich musste nur weg! Türen öffneten sich und verschwanden wieder, Wände bewegten sich, als wollten sie mich in die Irre führen.
„Verdammt! Wo ist der Ausgang?!" fluchte ich, als ich in einer Sackgasse landete.
Plötzlich spürte ich eine kalte Präsenz hinter mir. Mein Körper erstarrte. Ich kannte diese Aura.
Langsam drehte ich mich um.
Tanjiro stand da. Unversehrt. Seine roten Augen funkelten in der Dunkelheit, ein schiefes, beinahe trauriges Lächeln auf den Lippen.
„Muichiro..." Seine Stimme war weich, fast enttäuscht. „Warum versuchst du wegzulaufen? Ich dachte, du würdest irgendwann verstehen, dass du hierhergehörst."
Mein Herz raste, doch ich zeigte keine Angst. „Ich gehöre nirgendwohin. Schon gar nicht zu dir!"
Er seufzte leise und trat näher. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so stur bist..."
Plötzlich war er vor mir. Seine Hand packte mein Kinn und zwang mich, ihn anzusehen. „Aber wenn du nicht hören willst, dann muss ich dich eben bestrafen."
Ich riss mich los und spuckte ihm vor die Füße. „Mach doch! Ich werde mich dir nicht beugen!"
Tanjiros Blick wurde kälter. Dann drehte er sich langsam um.
„Gut."
Seine Stimme war ruhig, aber in ihr lag eine unausweichliche Härte. „Dann sehen wir, wie lange du ohne Blut auskommst."
Mein Atem stockte.
„Du wirst nichts bekommen. Kein Tropfen. Nicht, bis du auf Knien um mich bittest."
Ich biss die Zähne zusammen, ließ mir meine Unsicherheit nicht anmerken. „Dann werde ich eben verhungern."
Tanjiro lachte leise. „Dämonen können nicht verhungern, Muichiro. Aber der Durst... der wird dich zerreißen. Warten wir mal ab, wie lange du es aushältst."
Mit diesen Worten ließ er mich zurück.
Ich blieb stehen, regungslos, doch innerlich tobte ich.
Ich würde mich nicht brechen lassen.
Ich lag auf dem kalten Boden eines der unzähligen Räume im Ewigkeitsschloss. Mein Körper fühlte sich schwer an, meine Glieder brannten vor Schmerz, als würde mein eigenes Fleisch mich von innen heraus zerreißen. Mein Magen zog sich zusammen, als wäre darin nichts als Leere – eine unstillbare Gier, die mich von innen auffraß.
Zwei Tage ohne Blut. Zwei Tage voller Qual.
Ich hatte es unterschätzt. Ich dachte, ich könnte es ertragen. Ich dachte, ich wäre stark genug, um Tanjiro zu trotzen. Doch mein Körper wollte nicht mehr gehorchen.
Mein Blick verschwamm. Ich atmete schwer, mein Hals war ausgetrocknet. Meine Lippen waren aufgesprungen, obwohl ich wusste, dass es unmöglich war – Dämonen heilten normalerweise schnell. Aber ohne Blut... war ich schwach. Zu schwach.
Ich biss mir auf die Lippe, bis der metallische Geschmack meines eigenen Blutes meine Zunge berührte. Es war wertlos. Ich brauchte das Blut anderer.
Ich presste meine Stirn gegen den kalten Boden.
„Verdammt...", flüsterte ich mit rauer Stimme.
Ich schloss die Augen. Hätte ich doch gegen Kokushibo sterben können... Hätte ich doch mein Leben als Mensch beenden können, ehrenhaft, an der Seite meiner Kameraden... an der Seite von Genya.
Genya.
Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Ich hatte ihn zurückgelassen. Er wusste nicht, wo ich war. Ich wusste nicht einmal, ob er mich noch suchte.
War er in Sicherheit? Hatte er Angst um mich?
Ein bitteres Lächeln zuckte über meine spröden Lippen. Vielleicht war es besser so. Vielleicht war es gut, dass ich ihn nie wiedersehen würde.
Ich zuckte zusammen, als eine Tür aufgeschoben wurde. Ich wusste, wer es war, noch bevor ich die Schritte hörte.
Tanjiro.
„Muichiro..." Seine Stimme war sanft, fast schon fürsorglich. Doch ich wusste, was sich dahinter verbarg.
Ich sah nicht auf. Ich wollte ihn nicht ansehen.
Er seufzte leise. „Zwei Tage ohne Blut... Du hast dich gut gehalten."
Ich presste die Lippen aufeinander, antwortete nicht.
„Aber wie lange noch?" Er kniete sich neben mich, seine Finger glitten sanft über meine Wange. Ich war zu schwach, um mich dagegen zu wehren.
„Du zitterst", stellte er fest. „Deine Haut ist eiskalt."
Ich schloss die Augen und versuchte, seine Stimme zu ignorieren.
„Es wäre so einfach, Muichiro..." Er senkte seine Stimme zu einem Flüstern. „Du musst nur nachgeben. Ein einziges Wort. Nur ein leises ‚Bitte'... und ich gebe dir, was du brauchst."
Mein Körper schrie danach, seinen Worten nachzugeben. Aber mein Verstand weigerte sich. Ich wollte nicht. Ich würde nicht.
„Fass mich nicht an", krächzte ich, meine Stimme war kaum noch hörbar.
Tanjiro seufzte wieder. „Immer noch so stur..."
Dann spürte ich es. Den süßen, unwiderstehlichen Duft von Blut.
Ich riss die Augen auf.
Tanjiro hatte sich in die Fingerkuppe geschnitten, nur eine kleine Wunde – aber der Duft war betörend. Mein Körper spannte sich an. Mein Mund wurde trocken, mein Verstand nebelte ein.
Nein.
Ich durfte nicht.
Er hielt mir die blutige Fingerspitze vor die Lippen.
„Du brauchst es doch...", murmelte er sanft. „Du willst es."
Meine Kehle brannte. Mein Körper zuckte vor Verlangen.
„Sag es einfach, Muichiro..."
Meine Lippen bebten.
Nein! Ich darf nicht!
Ich biss die Zähne zusammen, presste meine Nägel in meine Handflächen.
Tanjiro lächelte – dieses falsche, sanfte Lächeln.
„Dann warte ich eben noch. Ich bin geduldig."
Er zog die Hand zurück, steckte den blutigen Finger in seinen Mund, leckte ihn ab – und mit ihm verschwand die einzige Rettung, die ich hatte.
Ich stöhnte schmerzerfüllt auf und vergrub mein Gesicht in meinen Armen.
Tanjiro erhob sich.
„Ich komme wieder, wenn du bereit bist."
Dann verschwand er.
Ich blieb allein zurück. Zitternd. Schwach. Verloren.
Und ich wusste nicht, wie lange ich das noch durchhalten konnte.
Ich lag auf dem kalten Boden, unfähig, mich zu bewegen. Mein Körper fühlte sich an, als wäre er nur noch eine leere Hülle, ausgetrocknet, schwach, nutzlos. Mein Atem ging flach, jeder einzelne Zug war eine Qual.
Eine Woche.
Eine ganze Woche ohne Blut.
Ich hätte nicht einmal gedacht, dass ein Dämon so lange ohne Nahrung überleben konnte. Aber vielleicht war das Tanjiros Absicht. Er wollte mich brechen, mich an den Rand des Wahnsinns treiben, bis ich bettelnd zu ihm kroch.
Ich hasste ihn.
Ich hasste ihn dafür, dass er mich in diese Lage gebracht hatte. Dafür, dass er wusste, wie sehr mein Körper nach seinem Blut schrie.
Und ich hasste mich selbst noch mehr dafür, dass ich es wollte.
Mein Kopf fühlte sich an, als wäre er in einen dichten Nebel gehüllt. Ich konnte nicht mehr klar denken. Selbst wenn ich wollte, ich konnte nicht mehr sprechen. Mein Mund war so trocken, dass meine Lippen rissig und blutig waren.
Blut.
Ich brauchte es.
SOFORT.
Ich hörte Schritte. Ich konnte nicht einmal mehr den Kopf heben, um zu sehen, wer es war, aber ich wusste es ohnehin.
Tanjiro.
Er kniete sich neben mich. Ich konnte es spüren, auch wenn mein Blick verschwommen war.
„Muichiro..." Seine Stimme klang sanft, fast... tröstend.
Ich wollte ihn anschreien, ihn verfluchen. Aber ich konnte nicht einmal einen Laut von mir geben.
„Du hast dich wirklich gut gehalten", sagte er leise und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich bin beeindruckt."
Ich zuckte kaum merklich zusammen, als er meine Wange berührte. Meine Haut fühlte sich eiskalt an.
„Aber so kann ich dich doch nicht lassen..."
Ich fühlte eine Bewegung. Dann – der Geruch.
Mein Körper reagierte sofort.
Blut!
So nah, so unwiderstehlich.
Mein Atem ging schneller, obwohl es mir kaum noch möglich war. Meine Finger zuckten, als wollten sie sich bewegen, aber ich war zu schwach.
Ich spürte etwas Warmes, Feuchtes an meinen Lippen.
Tanjiros Blut.
Er hatte sich geschnitten. Ich wusste es. Ich konnte es riechen.
Mein Körper schrie danach.
Aber... mein Verstand.
Ich war doch... kein Tier...
Tanjiro neigte sich näher zu mir, sein Atem streifte meine Wange.
„Nur ein Schluck, Muichiro...", flüsterte er.
Ich spürte, wie etwas Warmes auf meine Lippen tropfte.
Mein Verstand sagte Nein!
Mein Körper sagte JA!
Und dann... konnte ich mich nicht mehr zurückhalten.
Ich öffnete meine Lippen – und ließ es zu.
Das Blut benetzte meine trockene Zunge. Es war warm, süß, unglaublich berauschend.
Meine Finger krallten sich schwach in Tanjiros Ärmel, als ich mein Gesicht an seine Wunde presste. Ich trank.
Er schlang die Arme um mich, zog mich an sich.
„Guter Junge..."
Ich sollte es hassen. Ich sollte mich selbst verachten.
Aber ich konnte nicht aufhören.
Das war es, was Tanjiro gewollt hatte.
Und ich hatte genau das getan, was er von mir erwartet hatte.
Ich war in seine Falle getappt.
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