Kapitel 21

Ich hatte es wieder getan.

Die vertraute, dunkle Präsenz von Tanjiros Stimme flutete plötzlich meinen Kopf. „Du bist so nahe, Muichiro. Du musst einfach nur gehorchen. Du bist stärker als sie alle. Die Dämonenjäger werden dich niemals verstehen, aber ich werde dich leiten."

Wie ein Reflex, wie ein innerer Drang, griff ich nach dem nächsten Körper in meiner Nähe. Ohne nachzudenken, ohne zu verstehen, was geschah, biss ich zu.

Plötzlich zuckte mein Körper zurück, als ein schmerzhafter, klarer Gedanke in mein Bewusstsein drang. Genya.

Ich riss mich von ihm los, meine Zähne zitterten, als ich meinen Blick auf ihn richtete. Er lag regungslos da, ein schockierter Ausdruck in seinen Augen, während ich langsam von ihm zurückwich. Blut tropfte von seinen Halswunden, und für einen Moment konnte ich nur starr auf den Tropfen starren.

„Genya... Oh Gott, Genya!" Ich konnte kaum glauben, was ich getan hatte. Ich hatte ihn wirklich gebissen, ohne Kontrolle, ohne irgendeine Wahl.

„Muichiro?" flüsterte er schwach, seine Stimme zitterte. Es war ein Hauch von Schmerz darin, aber auch eine Art Verwirrung. „Warum...?"

Ich sank auf die Knie, mein Herz schlug heftig gegen meine Brust. „Ich... Ich konnte nicht aufhören, Genya. Ich... Ich war nicht in Kontrolle. Tanjiros Stimme... Sie hat mich gelenkt. Ich wollte nicht..."

„Tanjiro...?" Genya versuchte sich aufzurichten, doch die Schwäche in seinen Bewegungen ließ ihn wieder sinken. „Er ist es, der dich beeinflusst, oder?"

Ich nickte stumm, mein Blick fiel auf das Blut an seinen Lippen, und ich fühlte mich furchtbar. Wie konnte ich so etwas tun? Wie konnte ich ihn verletzen?

„Es tut mir so leid, Genya. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich weiß, es tut weh... aber ich konnte nichts dagegen tun..." Tränen sammelten sich in meinen Augen, als die Verzweiflung in mir aufstieg. Ich griff nach seinen Händen, versuchte, sie zu halten, aber auch das schien mir nicht genug zu sein.

Genya seufzte und strich mir sanft über das Gesicht, als wäre es nichts. „Es ist okay, Muichiro. Du... hast nicht gewollt, dass es passiert. Ich verstehe."

„Aber... das war nicht okay! Ich habe dich verletzt, und du bist mein..." Meine Stimme versagte fast.

„Du bist ein Dämon, Muichiro. Du kannst dich nicht immer gegen das wehren, was du bist," sagte er leise, mit einer beruhigenden Stimme. „Aber du musst wissen, dass du nicht alleine bist. Ich bin hier."

„Aber was ist, wenn ich es wieder tue? Was, wenn ich..." Ich konnte die Worte nicht einmal zu Ende bringen. Die Vorstellung, noch jemandem so etwas zu antun, ließ mich fast wahnsinnig werden.

„Dann werde ich da sein," sagte Genya ruhig und fest. „Du bist nicht alleine, auch wenn du es dir gerade vielleicht so vorkommst. Ich werde dich nicht verlassen, egal was passiert."

Ich schloss die Augen und senkte meinen Kopf. Genya hatte so viel Geduld mit mir, trotz all dem, was ich getan hatte. Wie konnte er so ruhig bleiben? Wie konnte er mir in einem Moment der Schwäche so viel Trost geben?

„Ich will es nicht, Genya. Ich will nicht in diesem Zustand sein, nicht so... von ihm kontrolliert werden." Ich konnte die Enttäuschung nicht verbergen, die in mir aufstieg.

„Du bist nicht schwach, Muichiro. Und du bist nicht Tanjiros Marionette," sagte er sanft, aber bestimmt. „Du musst wieder Kontrolle über dich gewinnen. Und ich weiß, du kannst es. Du bist stärker, als du glaubst."

Ich sah ihm in die Augen, meine Stimme war brüchig. „Du... du hilfst mir? Auch nachdem ich dich verletzt habe?"

„Natürlich, Muichiro. Du bist viel mehr als das, was du gerade durchmachst. Und ich werde an deiner Seite bleiben, während du dich wieder findest. Keine Sorge, wir bekommen das zusammen hin."

Ich konnte es kaum fassen, was er sagte. Und doch fühlte ich in meinem Herzen, dass es nicht nur leere Worte waren. Es war die Wahrheit. Genya war bereit, für mich zu kämpfen, selbst wenn ich in den dunkelsten Momenten versagte.

„Ich werde es nicht wieder tun... Ich verspreche es dir." Ich flüsterte die Worte, als ob sie das Gewicht der Welt auf meinen Schultern linderte.

Genya nickte, sein Blick fest und beruhigend. „Ich weiß. Und ich werde immer bei dir sein, um dich daran zu erinnern, wer du wirklich bist."

In diesem Moment fühlte sich die Dunkelheit in mir zumindest ein kleines Stück weit schwächer an.

Es war ein Moment voller Gegensätze. Genya hielt mich fest in seinen Armen, und ich spürte, wie er mir Halt gab. Doch zugleich brannte der Drang in mir, das Blut, das so nah war, zu kosten, in meinen Adern. Ich konnte den Duft seines Blutes förmlich riechen, und er schien mich wie ein Magnet anzuziehen. Es war fast zu viel, ein Zerren zwischen den Instinkten eines Dämons und der Menschlichkeit, die ich noch in mir fühlte.

„Genya..." flüsterte ich, die Worte kamen stockend. Mein Blick blieb an seiner Halsschlagader haften. „Es tut mir leid... ich... ich kann nicht..." Ich kämpfte gegen den Drang an, doch je mehr ich versuchte, ihn zu ignorieren, desto stärker wurde er.

„Muichiro..." Genya strich beruhigend über mein Haar. „Du musst nicht gegen dich selbst ankämpfen. Ich bin bei dir. Ich vertraue dir." Seine Stimme war ruhig, fast sanft, als ob er mich mit jedem Wort wieder aufbauen wollte.

Ich atmete tief ein, versuchte, mich zu beruhigen, doch der Hunger, der in mir loderte, ließ sich nicht so einfach unterdrücken. „Ich... Ich könnte jetzt..." Die Worte verließen mich in einem leisen Seufzen. Ich wusste, dass ich gefährlich war. Doch die Versuchung war so stark, es war, als ob mein Dämoneninstinkt überhandnahm.

Genya bemerkte es. Seine Hand legte sich zart auf mein Kinn und hob mein Gesicht an, sodass sich unsere Blicke trafen. „Du kämpfst, Muichiro. Und du gewinnst diesen Kampf. Ich vertraue dir." In seinen Augen war keine Angst, keine Zurückweisung – nur ein tiefes Vertrauen. „Du bist nicht der Dämon, den du zu sein glaubst. Du bist mehr als das."

Ich sah ihm in die Augen, kämpfte gegen die inneren Dunkelheit und den Drang an. Es war schwer, unglaublich schwer. Ich spürte die Wärme seines Körpers, hörte das sanfte Schlagen seines Herzens. Es war alles so nah, so verlockend.

„Ich... ich will dich nicht verletzen, Genya." Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, meine Hand zitterte leicht, als ich sie gegen seine Brust legte.

„Du wirst mich nicht verletzen," antwortete er ruhig, fast mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ich glaube an dich, Muichiro. Du musst dich nur selbst wiederfinden."

Es war eine der wenigen Male, dass Genya mich so ansah – ohne Furcht, ohne zu zögern. Die Gewissheit in seinem Blick ließ den inneren Sturm in mir langsam abebben, auch wenn der Drang nicht völlig verschwand. Langsam, ganz langsam zog ich meinen Blick von seinem Hals weg und legte meinen Kopf gegen seine Brust.

„Es ist schwer..." murmelte ich.

„Es wird leichter," sagte Genya leise. „Ich werde dir helfen, du musst es nur wollen."

Ich konnte den Schmerz in meinem Inneren spüren, als ich meine Dämonenseite zurückdrängte, aber Genya war an meiner Seite. Er gab mir Kraft, als würde er mir Stück für Stück das zurückgeben, was ich verloren hatte.

„Ich will es..." flüsterte ich, während sich mein Körper in seinen Armen entspannte. Doch noch immer war die Versuchung da, die Jagd, das Blut. Aber ich wollte mehr – ich wollte nicht der Dämon sein, zu dem Tanjiro mich machen wollte.

„Ich weiß," sagte Genya. „Du wirst es schaffen."

Seine Worte waren wie ein heilender Zauber, der den Schmerz linderte, die Dunkelheit in mir ein wenig zurückdrängte. Für einen Moment fühlte es sich an, als könnte ich alles kontrollieren. Und während ich in seinen Armen lag, atmete ich tief ein, um all die Verlockung zu verbannen.

„Danke, Genya..." sagte ich leise. „Danke, dass du bei mir bist."

Er drückte mich fester an sich. „Ich werde immer bei dir sein. Du bist nicht allein."

Die Worte, die er sprach, trugen mehr Gewicht, als er wusste. Sie gaben mir nicht nur Hoffnung, sondern auch ein Gefühl von Geborgenheit, das ich in meiner Dämonenform nie gekannt hatte. Und so blieben wir eine Weile still, mit dem sanften Rauschen seines Atems und dem Klang meines Herzens, das sich wieder beruhigte.

Doch der Drang war noch nicht verschwunden, nicht ganz. Aber mit Genya an meiner Seite wusste ich, dass ich mich irgendwann selbst wieder finden würde.

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