Kapitel 20
Die Nächte, in denen ich Dämonen verschlang, waren ein Albtraum. Nicht nur für mich, sondern auch für die Menschen um mich herum. Es war ein Rausch, ein unkontrollierbares Bedürfnis, das ich nicht stoppen konnte. Sobald ich das Blut und die Kräfte eines Dämons in mir spürte, verlor ich den Verstand.
Eines Nachts saß ich in einem abgelegenen Waldstück, mein Schwert in der Hand, während Mitsuri und Obanai mich bewachten. Es war einer dieser Momente, in denen ich wusste, dass ein Kampf bevorstand. Die Aura eines starken Dämons lag in der Luft, und mein Körper zitterte vor Hunger.
„Muichiro, bleib bei uns", sagte Mitsuri sanft, aber ihr Ton war fest. Sie wusste, was passieren konnte, wenn ich die Kontrolle verlor.
„Ich versuche es", murmelte ich und ballte die Hände zu Fäusten. Doch der Hunger wurde stärker, und ich konnte das vertraute Brennen in meinem Inneren spüren.
Plötzlich sprang der Dämon aus den Schatten, seine Klauen bereit, uns anzugreifen. Obanai war der Erste, der reagierte, seine Schlange um den Hals gewickelt. „Bleib zurück, Mitsuri! Ich habe das hier unter Kontrolle."
„Du hast gar nichts unter Kontrolle", fauchte Mitsuri und sprang ihm zur Seite. „Muichiro, halte dich zurück!"
Aber es war zu spät. Der Geruch des Dämonenbluts hatte mich bereits überwältigt. Ehe ich mich versah, war ich auf ihn zugestürzt, schneller, als ich es jemals zuvor war. Mein Schwert zerschnitt seinen Körper, und bevor er sich regenerieren konnte, biss ich in seinen Hals.
Das Blut rann meine Kehle hinunter, und mit jedem Tropfen fühlte ich mich stärker, mächtiger – aber auch wilder. Die Erinnerungen des Dämons strömten in meinen Kopf: Schreie seiner Opfer, der Hass auf die Dämonenjäger, die Verzweiflung vor seinem Tod. Ich schrie auf und ließ den Körper des Dämons fallen, doch mein Blick wanderte bereits zu Obanai und Mitsuri.
„Muichiro!" rief Mitsuri, ihre Stimme zitterte. „Du musst aufhören! Das bist nicht du!"
„Du solltest ihn bewusstlos schlagen", zischte Obanai und packte sein Schwert fester. „Sonst bringt er uns beide noch um!"
„Schlag mich doch, Obanai", höhnte ich mit einer Stimme, die nicht meine war. „Oder hast du Angst, dass ich dir die Kräfte raube, wie diesem armseligen Dämon?"
Obanai zögerte. Das war genug Zeit für Mitsuri, dazwischenzugehen. Sie umarmte mich plötzlich, ihre Arme fest um meinen Körper geschlungen. „Muichiro, das bist du nicht! Du bist kein Monster!"
Ihr sanfter Ton brachte mich zurück. Die Dunkelheit in mir begann zu verblassen, und ich sank auf die Knie. „Es tut mir leid", flüsterte ich, meine Hände zitterten.
Obanai sah mich an, immer noch misstrauisch. „Das war zu knapp."
Später, zurück im Schmetterlingsanwesen, saß ich in einem Zimmer, das man für mich reserviert hatte. Die Wände waren verstärkt, die Fenster mit schweren Vorhängen bedeckt, um die Sonne draußen zu halten.
Genya kam herein, ein Tablett mit Essen in der Hand. „Du hast dich mal wieder in Schwierigkeiten gebracht, oder?"
„Das kannst du laut sagen", murmelte ich und lehnte mich gegen die Wand. „Ich habe Angst, Genya. Was, wenn ich eines Tages jemanden verletze, den ich liebe?"
Er setzte sich neben mich, stellte das Tablett zur Seite und nahm meine Hand. „Du kämpfst. Das ist alles, was zählt. Und egal, was passiert, ich werde da sein, um dich zurückzuholen."
Ich sah ihn an, dankbar, aber auch voller Schuldgefühle. „Ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte."
„So lange, wie es sein muss", sagte er und lächelte schwach. „Du bist stärker, als du denkst, Muichiro. Und wir finden einen Weg, damit du nicht mehr gegen dich selbst kämpfen musst."
Die Tage vergingen, und obwohl ich mich bemühte, wurde der Hunger immer schlimmer. Eines Nachts brach ich erneut zusammen, und es war Gyomei, der mich davon abhielt, weitere Dämonen zu verschlingen.
„Muichiro", sagte er, während er mich zurückhielt. Seine große Hand war schwer auf meiner Schulter, aber sanft. „Du musst dich daran erinnern, wer du bist. Du bist ein Mensch. Kein Dämon."
„Aber ich fühle mich nicht mehr wie ein Mensch", sagte ich, meine Stimme brach.
„Das macht dich menschlich", antwortete Gyomei. „Deine Zweifel, deine Angst – das sind Dinge, die Dämonen nicht fühlen können. Solange du das spürst, bist du nicht verloren."
Seine Worte gaben mir Hoffnung, aber ich wusste, dass der Kampf in mir noch lange nicht vorbei war.
Die Dunkelheit war schon längst hereingebrochen, als ich Genya ansah, meine Hände fest um die Decke geschlungen. „Bitte, Genya, bleib heute Nacht hier. Ich... ich brauche dich", flüsterte ich, meine Stimme kaum mehr als ein Zittern.
Er seufzte leise, sah mich an und nickte schließlich. „Du machst es mir wirklich nicht leicht, Muichiro." Doch sein Ton war sanft, fast liebevoll.
Genya schob seine Stiefel aus, legte seine Waffe beiseite und ließ sich neben mir ins Bett fallen. Ich rutschte sofort näher, bis mein Gesicht gegen seine Brust gedrückt war. Sein Geruch war erdig, vertraut und irgendwie beruhigend. Der Hunger, der oft in meinem Inneren tobte, legte sich langsam, als ich tief seinen Geruch einatmete.
„Das ist ein seltsames Gefühl", murmelte Genya plötzlich und strich mir vorsichtig über den Kopf. „Ich hab noch nie jemanden so nah an mich rangelassen. Du bist... anders."
„Anders?" fragte ich leise, meine Stimme war kaum hörbar, fast schüchtern.
„Ja." Er hielt inne, dann grinste er leicht. „Du bist wie eine Katze. Zuerst beißt du, dann willst du gestreichelt werden."
Ich hob meinen Kopf und sah ihn mit einem leicht beleidigten Blick an. „Vergleichst du mich gerade mit einem Haustier?"
Er zuckte die Schultern, ein Lächeln auf den Lippen. „Ehrlich gesagt, ja. Und manchmal bist du auch genauso anstrengend."
„Genya!" Ich boxte ihn leicht gegen die Schulter, aber er lachte nur. Sein Lachen war tief und warm, und ich konnte nicht anders, als mit einem schwachen Lächeln zu reagieren.
„Beruhig dich", sagte er schließlich und legte einen Arm um mich, zog mich noch näher an sich. „Ich bin ja hier, oder? Also hör auf, dir Sorgen zu machen."
Ich schloss meine Augen, lauschte seinem gleichmäßigen Atem und fühlte, wie meine Anspannung langsam schwand. „Danke, dass du hier bist", flüsterte ich.
„Mach dir keinen Kopf, Muichiro", erwiderte er. „Du bist nicht allein. Egal, was passiert."
Doch die Nacht verlief nicht ohne Zwischenfälle. Irgendwann in der Stille der Nacht spürte ich, wie sich meine Dämonenseite regte. Mein Atem wurde schneller, und meine Hände verkrampften sich an Genyas Hemd.
„Muichiro?" Genyas Stimme klang schläfrig, aber wachsam. Er hob den Kopf und sah mich an. „Alles in Ordnung?"
„Nein..." Ich zitterte, mein Körper brannte, und ich konnte den Hunger spüren, der wieder aufstieg. „Ich... ich hab Angst, Genya. Es wird wieder schlimmer."
Er setzte sich auf und zog mich mit sich hoch. „Schau mich an", sagte er ernst. „Du bist stärker als das, okay? Du hast es bis jetzt geschafft. Ich lass dich nicht fallen."
„Aber was, wenn ich dich verletze?" Meine Augen füllten sich mit Tränen, und ich konnte den scharfen Schmerz der Reißzähne in meinem Mund spüren.
„Das wirst du nicht", sagte er bestimmt und nahm mein Gesicht in seine Hände. „Ich vertraue dir. Also vertrau dir selbst."
Ich atmete tief ein, versuchte mich zu beruhigen, während er mich ansah. Sein Blick war fest, entschlossen, und ich fühlte mich ein wenig sicherer.
„Ich bleibe bei dir, Muichiro. Egal, wie schwer es wird."
Schließlich schlief ich wieder ein, sicher in seiner Nähe. Doch als der Morgen kam, wusste ich, dass der Kampf in mir niemals enden würde. Aber mit Genya an meiner Seite fühlte ich, dass ich ihn zumindest nicht alleine kämpfen musste.
Ein stechender Schmerz riss mich aus dem Schlaf, und ich spürte, wie meine Haut brannte. Mein Körper begann zu qualmen, und ich krümmte mich vor Qual. Die Sonne strahlte durch das offene Fenster direkt auf mich.
„Aah!" Ein Schrei entfuhr mir, und ich rollte mich instinktiv zur Seite, weg von der Sonne.
„Muichiro!" Genyas Stimme war plötzlich da, panisch und laut. Er sprang aus dem Bett und zog die Vorhänge mit einem einzigen Ruck zu. Das Zimmer verdunkelte sich, und die sengenden Schmerzen ließen langsam nach.
Ich lag zitternd auf dem Bett, meine Haut von roten Brandspuren überzogen, während Genya sich neben mich kniete. „Verdammt, Muichiro! Bist du verrückt? Warum hast du das Fenster offengelassen?"
„Ich... ich hab es nicht bemerkt..." Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, mein Körper fühlte sich schwer und schwach an.
Genya fuhr sich durch die Haare, sichtlich frustriert. „Du kannst dich nicht immer so in Gefahr bringen! Du bist..." Er brach ab, atmete tief ein und schloss kurz die Augen, bevor er ruhiger weitersprach. „Du bist kein normaler Mensch mehr, Muichiro. Du kannst nicht einfach in der Sonne liegen bleiben."
Ich sah ihn an, Tränen in meinen Augen. „Es tut mir leid... Ich habe vergessen, dass ich..." Ich schluckte, unfähig, den Satz zu beenden.
„Vergessen?" Genyas Stimme wurde wieder lauter, und er stand auf. „Wie kannst du vergessen, was du bist? Wie oft muss ich dich daran erinnern, dass du jetzt ein Dämon bist? Du bist in Gefahr, verdammt nochmal!"
„Ich wollte es einfach... nicht wahrhaben", flüsterte ich, mein Blick auf meine verbrannten Arme gerichtet. „Ich wollte fühlen, wie es ist, normal zu sein. Wenigstens für einen Moment."
Genyas Ausdruck wurde weicher, und er kniete sich wieder neben mich. „Muichiro..." Er legte eine Hand auf meine Schulter. „Ich verstehe, dass das schwer ist. Aber du kannst dich nicht einfach in die Sonne setzen und hoffen, dass alles wie früher wird. Es wird nicht mehr wie früher sein."
„Ich weiß." Meine Stimme brach. „Ich weiß, aber... manchmal fühlt es sich so an, als würde ich den Verstand verlieren. Als würde ich vergessen, wer ich bin."
Genya schüttelte den Kopf und zog mich vorsichtig in seine Arme. „Du bist immer noch du, Muichiro. Egal, was passiert. Ich bin hier, und ich werde dich daran erinnern, wer du bist, auch wenn du es selbst vergisst."
Ich lehnte meinen Kopf gegen seine Brust und schloss die Augen. Sein Herzschlag war stark und beruhigend. „Danke, Genya."
Er seufzte und lächelte schwach. „Du schuldest mir ein neues Hemd. Dieses hier riecht jetzt nach verbranntem Dämon."
Ich konnte nicht anders, als schwach zu lachen, auch wenn es weh tat. „Vielleicht sollte ich dich öfter umarmen, um zu sehen, wie viele Hemden ich ruinieren kann."
Genya grinste. „Das wäre genau dein Stil. Aber keine Sorge, ich habe genug Hemden. Und selbst wenn ich keins mehr hätte, würde ich trotzdem hier sein."
Ich schloss die Augen und atmete tief ein. Vielleicht würde der Kampf gegen meine Dämonenseite nie enden, aber mit Genya an meiner Seite fühlte ich mich zumindest stark genug, es zu versuchen.
Genya drückte mich sanft zurück, sein Blick fest auf meinen gerichtet. „Also, Muichiro," begann er mit einem herausfordernden Lächeln, „du schuldest mir etwas. Du hast es selbst gesagt."
„W-was?" stammelte ich, obwohl ich genau wusste, worauf er hinauswollte. Mein Gesicht fühlte sich heiß an, und ich konnte seinen intensiven Blick kaum ertragen.
„Du weißt genau, was ich meine," sagte er und lehnte sich ein Stück näher zu mir. „Wenn ich schon verbrannte Hemden und schlaflose Nächte für dich riskiere, könntest du dich wenigstens revanchieren."
Mein Herz raste, und ich sah schnell weg, bevor ich ihm wieder in die Augen schauen konnte. „Genya, ich..."
„Du kannst jetzt nicht kneifen," neckte er mich und kam noch näher. „Ich weiß, dass du es willst. Warum also zögerst du?"
Ich schluckte schwer, fühlte mich wie ein verschrecktes Kaninchen, das in die Ecke gedrängt wurde. „Ich... weiß nicht, ob ich das richtig mache."
Genya lachte leise und zog mich näher zu sich. „Du machst dir viel zu viele Gedanken, Muichiro. Vertrau mir. Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg."
Langsam hob ich meinen Blick zu seinem Gesicht. Sein Lächeln war sanft, aber seine Augen hatten diesen festen, entschlossenen Ausdruck. „Okay," flüsterte ich schließlich, meine Stimme kaum hörbar.
Ich zögerte noch einen Moment, bevor ich mich zu ihm lehnte. Meine Lippen berührten vorsichtig seine, ein schüchterner, unsicherer Kuss, der mich gleichzeitig vor Nervosität beinahe umkommen ließ.
Genya grinste, als ich mich wieder zurückzog, mein Gesicht inzwischen tiefrot. „Na, das war doch ein Anfang," meinte er mit einem schiefen Lächeln. „Aber du bist noch viel zu vorsichtig."
Ich schnaubte, halb aus Verlegenheit, halb aus Frust. „Das war mein erster Versuch! Erwarte nicht gleich, dass ich..."
Bevor ich den Satz beenden konnte, beugte er sich vor und küsste mich erneut, dieses Mal fester und intensiver. Ich erstarrte kurz, bevor ich langsam entspannte und mich an den Moment klammerte.
Als wir uns schließlich trennten, blieb sein Gesicht nah an meinem, seine Stirn ruhte leicht gegen meine. „Na siehst du," flüsterte er leise. „Das war schon viel besser."
Ich konnte nichts erwidern, mein Kopf war leer und mein Herz schlug wie verrückt. Genya lachte leise und zog mich in eine Umarmung. „Mach dir nicht so viele Gedanken, Muichiro. Es gibt kein richtig oder falsch. Solange es ehrlich ist, ist es genau richtig."
Ich lehnte mich an ihn, die Wärme seiner Umarmung beruhigte mich. „Danke, Genya," flüsterte ich, meine Unsicherheit verschwand langsam.
„Immer," antwortete er und drückte mich fester. „Aber denk dran, ich nehme deine Schulden sehr ernst. Also... du schuldest mir noch viele dieser Momente."
Ich konnte nicht anders, als leise zu lachen. Vielleicht war das Leben als Dämon nicht einfach, aber in diesem Moment fühlte es sich an, als könnte ich alles schaffen – solange Genya bei mir war.
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