Kapitel 18
Ich lag in meinem Bett, die Decke über mir leicht aufgeworfen, und spürte Genyas Hand, die sanft über mein Haar strich. Der beruhigende Rhythmus seines Streichelns ließ mich fast vergessen, dass ich in einer anderen Welt war, als ob all die Dunkelheit um uns herum einfach verschwunden wäre. Die Nacht war still, nur das leise Rauschen des Windes durch die Fenster ließ die Stille in meinem Raum noch intensiver wirken.
„Du musst dich ausruhen", flüsterte Genya leise, als er meine Wange mit der Hand berührte. „Du hast so viel durchgemacht."
Ich konnte mich kaum aufrecht halten, mein Körper war immer noch von der Erschöpfung geplagt, die sowohl körperlich als auch seelisch war. Es war, als wäre ich nie wirklich aufgewacht, als ob der Dämon in mir mich in einem ewigen Zustand zwischen Schlaf und Wachsein gefangen hielt.
„Es tut mir leid, Genya", murmelte ich, obwohl ich wusste, dass er mir wahrscheinlich nicht böse war. „Es tut mir leid, was ich dir angetan habe."
„Hör auf zu reden", erwiderte er ruhig. „Du musst nicht ständig entschuldigen. Ich bin hier, um dir zu helfen. Und ich werde es immer sein."
Ich nickte schwach, meine Augen fielen langsam zu, während ich versuchte, mich zu entspannen. Die Wärme seiner Nähe war wie eine heilende Berührung auf meiner Seele, doch die Unsicherheit über die Dunkelheit, die immer noch in mir schlummerte, ließ mich nicht ganz zur Ruhe kommen.
„Genya... was, wenn ich die Kontrolle verliere? Was, wenn ich nicht mehr... zurück kann?" Die Worte kamen flüsternd, fast wie ein Bekenntnis meiner größten Angst.
„Du wirst die Kontrolle behalten", antwortete Genya mit einer sanften Überzeugung, die mir irgendwie Halt gab. „Du hast es schon einmal geschafft, Muichiro. Du wirst es wieder tun. Du bist nicht allein in diesem Kampf. Du musst nur daran glauben."
Ich schloss die Augen, spürte, wie mein Herz wieder ruhiger wurde, auch wenn der Drang, sich der Dunkelheit hinzugeben, nie ganz verschwand. Aber in diesem Moment, mit Genya an meiner Seite, fühlte es sich nicht mehr so beängstigend an. Vielleicht war es der Glaube, den er an mich hatte, oder vielleicht war es einfach nur die Tatsache, dass er mich so akzeptierte, wie ich war.
„Du bist so stark", sagte Genya, und seine Stimme war wie ein zartes Lächeln. „Ich wünschte, du würdest das auch selbst sehen."
„Ich weiß nicht, ob ich wirklich stark bin", flüsterte ich. „Aber vielleicht werde ich es irgendwann verstehen."
„Glaub mir, du bist es. Du bist stärker, als du denkst. Du musst nur lernen, es zu akzeptieren."
Die Stille kehrte zurück, und mit jedem sanften Atemzug fühlte ich mich ein Stück mehr wie ein Mensch, weniger wie das Monster, das mich bedrohte.
Langsam, immer langsamer, glitt ich in den Schlaf. Es war ein tiefer, ruhiger Schlaf, in dem sich meine Ängste und Unsicherheiten mit jeder Welle von Genyas beruhigendem Nähe verflüchtigten.
Die Dunkelheit, die mich so oft quälte, schien in diesem Moment weit entfernt. Und als ich in den Schlaf driftete, konnte ich das Gefühl nicht abschütteln, dass ich nicht ganz allein war.
Als ich meine Augen langsam öffnete, hörte ich zuerst gedämpfte Stimmen. Mit jedem Herzschlag wurden sie lauter und klarer, bis ich schließlich Genyas und Sanemis unverwechselbare Stimmen erkannte. Es war nicht einfach ein Gespräch – nein, es war ein handfester Streit. Wieder einmal.
„Du hast überhaupt keine Ahnung, was er durchmacht!" brüllte Genya, seine Stimme vor Wut bebend. „Du redest immer, als ob du alles besser weißt, aber du hast keinen Schimmer!"
„Halt die Klappe, Genya!" knurrte Sanemi zurück, seine Stimme tief und bedrohlich. „Ich weiß verdammt nochmal besser, wie man mit Dämonen umgeht, als du jemals wirst. Und wenn du so weiter machst, wirst du noch draufgehen. Denkst du, Muichiro braucht jemanden, der ihn bemitleidet?"
Genya baute sich vor seinem Bruder auf, sein Gesicht war rot vor Wut. „Er braucht jemanden, der ihn versteht! Jemanden, der an ihn glaubt! Nicht jemanden, der ihn behandelt, als wäre er eine verdammte Bedrohung!"
Ich rieb mir die Augen und richtete mich langsam auf, noch ein wenig schwach von meiner letzten Begegnung mit der Sonne. „Ähm... Jungs? Könntet ihr vielleicht... ein kleines bisschen leiser sein?" murmelte ich.
Beide drehten sich blitzschnell zu mir um. Für einen Moment schwiegen sie, dann deutete Sanemi auf Genya und sagte: „Siehst du? Du hast ihn aufgeweckt! Gut gemacht, Genya."
Genya fauchte zurück: „Ich? Du bist hier derjenige, der ständig rumschreit, als wärst du der Boss von allem!"
„Weil ich auch der verdammte Boss bin!" erwiderte Sanemi, während er sich über Genya beugte. „Ich bin der Ältere und ich weiß, wie man mit so etwas umgeht!"
Genya verschränkte die Arme und schnaubte. „Du weißt gar nichts. Du denkst immer nur, mit Gewalt und Gebrüll alles lösen zu können. Kein Wunder, dass dich niemand mag!"
Sanemi zuckte zusammen, als hätte ihn jemand geschlagen. „Niemand mag mich? Ich bin immerhin nicht der Idiot, der sich von einem Dämon an der Nase herumführen lässt!"
Genya stürzte vor und stieß Sanemi mit beiden Händen gegen die Brust. „Nenn ihn nicht so! Muichiro ist kein gewöhnlicher Dämon, verdammt nochmal! Er kämpft gegen das, was Muzan ihm angetan hat. Er ist stärker, als du es je sein wirst!"
Ich seufzte leise. „Bitte... hört auf. Es bringt doch nichts."
Aber sie ignorierten mich völlig.
„Stärker als ich?" Sanemi lachte trocken. „Du hast ja keine Ahnung, was Stärke überhaupt bedeutet, Genya. Stärke ist, das Richtige zu tun, auch wenn es schwer ist. Nicht wie ein verliebter Idiot rumzurennen und sich von seinen Gefühlen leiten zu lassen!"
Genya lief rot an. „Verliebt? Ich– Ich–" Er stotterte und rang nach Worten, bevor er laut rief: „Das hat hier nichts damit zu tun! Du bist nur eifersüchtig, weil ich jemanden habe, der mir wichtig ist, und du niemanden hast, weil dich wirklich niemand ausstehen kann!"
Sanemi wurde noch röter als Genya. „Was hast du gesagt, du kleiner...?!"
Bevor die Situation noch weiter eskalieren konnte, hob ich die Hände. „Okay, okay! Stopp! Beide!"
Sie blieben stehen, ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, und sahen mich an.
„Genya, Sanemi... hört auf, euch gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Es bringt doch nichts", sagte ich müde. „Ihr könntet eure Energie wirklich für Wichtigeres sparen."
Genya warf Sanemi einen bösen Blick zu, bevor er zu mir kam. „Alles okay, Muichiro? Hat der Streit dich gestört?"
„Ich... ich bin okay", sagte ich und versuchte, nicht nervös zu wirken. Es war so seltsam, Genyas fürsorgliche Seite zu sehen, während er gerade noch mit seinem Bruder gestritten hatte.
Sanemi verschränkte die Arme. „Na, immerhin weiß ich jetzt, wer hier die Hosen anhat", murmelte er leise.
Genya funkelte ihn an. „Willst du noch eine Runde, oder reicht's dir?"
Ich schüttelte den Kopf und ließ mich zurück auf das Bett sinken. „Ihr seid unmöglich, beide. Vielleicht sollte ich einfach wieder einschlafen und hoffen, dass ihr euch beruhigt, wenn ich aufwache."
„Das ist nicht meine Schuld! Er hat angefangen!" riefen beide gleichzeitig und zeigten aufeinander.
Trotz allem konnte ich mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen. So nervig sie auch waren – irgendwie war es doch schön, dass sie sich so um mich stritten. Auch wenn ich das niemals laut sagen würde.
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