Kapitel 3

Als Rael das nächste Mal die Augen öffnete, lag er auf einer warmen Brust und Arme waren um ihn geschlungen. Es war also kein Traum. Er hatte gestern seine Unschuld an einen schwarzhaarigen Dämon mit harten Gesichtszügen und dunklen Augen verloren. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Vorsichtig richtete er sich auf und schaute in die besagten Augen.

„Du bist wach?", fragte er mit heiserer Stimme.

Zane nickte, suchte nach Anzeichen von Hass oder Abscheu, fand jedoch keine. Sein Engel schaute ihn mit einem warmen Blick an, fuhr unterbewusst seine Stammesmale auf seiner Brust nach, was ihm eine erneute Erektion bescherte. Hölle.

„Wie heißt du?", fragte Rael, der dessen Namen noch nicht wusste.

Zane richtete sich auf und griff nach einem Papier und einem Stift, die auf dem Nachttisch lagen, dann begann dieser zu schreiben. Rael schaute ihn verwundert an. Er las die Buchstaben auf dem Papier.

»Mein Name ist Zane. Wie lautet deiner, mein gefallener Stern?«

Gefallener Stern? Dann verstand Rael es. Sein Blick wanderte zum Hals des Dämons, auf dem eine große Narbe prangte.

„Du bist stumm, nicht wahr?", fragte Rael und der Dämon nickte, dann schrieb dieser weiter etwas auf.

„Ich heiße Rael", fügte der Engel noch hinzu, um dessen Frage zu beantworten.

»Ich habe meine Stimme bei einem Kampf verloren, andere ihr Leben. Seitdem lebe ich hier friedlich. Ich habe dich gefunden und mitgenommen.« schrieb der Dämon in einer schönen Schrift.

„Dafür danke ich dir", sagte Rael. Zane lebt hier friedlich, weit weg von dem Kampf.

»Wirst du hierbleiben? Hier, bei mir?«

„Leider muss ich in den Himmel zurück", sagte Rael mit traurigem Gesichtsausdruck und er sah, wie Zanes Gesicht sich verdunkelte.

»Ich bitte dich zu bleiben.«

„Warum?", flüsterte Rael, doch er wusste die Antwort. Sie zu lesen, machte alles nur noch schlimmer.

»Weil ich mein Herz an dich verloren habe.«

Eine Träne rann über die Wange des Engels. „Es tut mir leid."

Dann ging er.

༻✧༺

Als Rael in den Himmel zurückkehrte, wurde er freudig begrüßt. Er war am Leben. Doch als er an dem Fenster stand und nach draußen starrte, wusste er, dass er hier nicht mehr hingehörte, denn er hatte sein Herz bei dem Dämon zurückgelassen.

Azazel trat hinter ihn, schloss ihn in die Arme.

„Du bist zu mir zurückgekehrt", sagte der Engel mit den langen braunen Haaren und bernsteinfarbenen Augen.

Rael schwieg, schaute nach unten. Azazel hatte ihn schon lange gefragt, ob er eine Partnerschaft mit ihm eingehen wolle, und Rael hatte ihm geantwortet, dass er seine Entscheidung treffen würde, wenn er aus der Hölle zurück sei. Nun wartete der Engel auf dessen Antwort, doch diese würde ihm nicht gefallen.

„Ich werde in die Hölle zurückkehren, Azazel. Ich werde heute zu unserem Herrn gehen und um meinen Fall bitten."

Azazel wich zurück, als wäre er geschlagen worden. Das hat er nicht gesagt. Das kann doch nicht sein Ernst sein. Was ist mit ihm passiert? Vor ihm stand nicht mehr der mächtige Krieger, sondern ein mit Trauer erfüllter Engel.

„Ich werde nicht zulassen, dass du fällst. Warum willst du deine Flügel aufgeben, deine Position, dein Leben?", fragte Azazel außer sich.

„Azazel, ich bin eine zerbrochene Klinge. Ich kann niemanden mehr töten", sagte Rael mit ruhiger Stimme. Er würde keinen bösen Dämon töten können, denn jedes Mal würde sein Gesicht vor ihm erscheinen. Für den Rest seines Lebens würde er kein Schwert mehr halten können.

„Dann geh in die Lehre oder etwas anderes", erwiderte der Engel aufgebracht.

„Ein Lebewesen kann ohne ein Herz nicht überleben", antwortete Rael mit trauriger Stimme, schaute aus dem Fenster, suchte nach ihm, doch er war nicht hier. Doch nicht nur sein verlorenes Herz, das in den Händen des Dämons lag, zog ihn in die Hölle. Eine Hand packte ihn und riss ihn herum. Er wurde an den Oberarmen gepackt und geschüttelt.

„Rede nicht einen solchen Unsinn. Was haben die Dämonen dir angetan?", fragte ihn Azazel mit wütendem Gesicht.

Rael riss sich los und legte beschützend seine Hand auf seinen Bauch. Der andere Engel sah es und öffnete den Mund, doch er blieb stumm. Unmöglich.

In dieser Nacht hatte Rael nicht nur sein Herz verloren, sondern auch etwas von Zane erhalten und das würde er mit seinem Leben beschützen.

„Du bist-", doch Rael hatte sich bereits umgedreht und war aus dem Raum gestürmt. Er ging direkt in die heiligen Hallen, in denen ihr Herr, Gott, verweilte. Mit gesenktem Haupt schritt er vor dessen Thron und kniete sich nieder.

Was treibt dich her, mein Sohn?, erklang die göttliche Stimme.

Rael schluckte, spürte die Angst. „Ich bitte um meinen Fall, damit ich zu meinem Herzen, dem Dämon Zane, zurückkehren kann", sagte Rael leise, schloss die Augen.

Du bist bereit, deine Flügel für ihn aufzugeben?

„Ich bin bereit alles für ihn aufzugeben, nur eines nicht", sagte Rael und rieb sich erneut über den Bauch.

Rael, du hast mir Jahrhunderte treu gedient, selbstlos ohne eine Gegenleistung. Ich werde dich gehen lassen, doch deine Flügel kann ich dir nicht nehmen, denn sonst würdest du deine Erinnerung verlieren.

Das war Rael bewusst. Ich werde ihn trotzdem finden. Eine Stille trat ein.

Du wirst auf unbegrenzte Zeit aus dem Dienst entlassen, kannst jedoch wieder zurück, sollte der Dämon sein Ende finden.

Der Engel konnte es nicht glauben. Sein Gott ließ ihn wirklich gehen, ohne Bedingungen. Seine Güte kennt keine Grenzen.

„Nein, er darf nicht gehen", rief eine Stimme und Rael drehte sich um, um in Zabels verzweifeltes Gesicht zu sehen.

Ein Lächeln erschien auf Raels Gesicht und er sagte ein letztes Mal: „Leb' wohl, mein Freund."

Dann begann er zu erstrahlen und fiel. Zurück blieb nur eine einzelne weiße Feder, die Azazel aufhob und an seine Brust drückte.

Anders als andere Engel wurde Rael nicht zu einem gefallenen Engel, er verlor nicht seine Flügel, sondern er schwebte nach unten. Bald schon sah er den blühenden Garten, in dem er und sein Dämon sich zum ersten Mal geliebt hatten. Ich komme, Zane.

༻✧༺

Zane war im Garten, stand vor den Rosen, vor denen Rael gestanden war. Er sah ihn vor sich, seine weißen Flügel, seine strahlende Haut und diese Augen. Er schmeckte immer noch seinen Kuss auf den Lippen. Sanft strich er über die Blütenblätter, die noch von einer Tauschicht bedeckt waren.

Rael. Der Schmerz in seiner Brust raubte ihm den Atem, denn er wusste, dass er niemals zurückkehren würde. Mein gefallener Stern. Er hatte es für Schicksal gehalten, dass er ihn damals getroffen hatte, doch er gehörte nicht ihm, er gehörte in den Himmel. Das wusste Zane, auch wenn es ihm das Herz brach.

Ein Schatten bedeckte plötzlich den Garten und Zane hob erstaunt den Blick. Was? Weiße Flügel erstreckten sich über ihm und rasten auf ihn zu. Instinktiv öffnete er die Arme und fing den Engel auf, der direkt auf ihn zuflog. Von der Wucht wurde er umgerissen und fiel rückwärts, sodass dieser auf ihm landete. Mit klopfendem Herzen schaute er auf und sah in smaragdgrüne Augen und ein strahlendes Lächeln.

„Ich bin zurück, mein Herz, und diesmal für immer", sagte die schönste Stimme, die er jemals gehört hatte.

Sein Stern war ihm direkt in die Arme gefallen.

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Diese Kurzgeschichte gehört der Autorin E. M. Holland (Profil: Nezumigami).
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