Kapitel 7 (überarbeitet)

Ellys Füße brannten und an ihren Fersen bildeten sich Blasen, so hatte sie sich die Flucht durch den Wald nicht vorgestellt.

Der Kiefernwald war riesig und die Bäume standen hier dicht beieinander. Sie ließen gerade mal genügend Platz, damit Elly sich zwischen den Baumstämmen hindurch zwängen und ihren Weg fortsetzen konnte. Doch das war nichteinmal das Schlimmste. Seit einigen Stunden hatte sie das Gefühl, im Kreis zu laufen. Alles sah gleich aus. Frustriert ließ sie sich auf einem umgekippten Baumstamm nieder.

Wenn das so weiter ging, würde sie den Wald vor Einbruch der Dunkelheit nicht mehr verlassen können. Die Vorstellung an die finsteren Kreaturen, die Nachts aus der Dunkelheit krochen, um auf die Jagd zu gehen, ließ sie erschaudern. Elly wäre gefundenes Fressen für sie, sie war nicht einmal bewaffnet.

Vielleicht wäre sie dem Wald schon längst entkommen, wenn sie es schaffen würde, sich zu konzentrieren. Doch immer wieder schweiften ihre Gedanken zurück zu Silas. Mit jedem Moment, der verging, wurden ihre Zweifel größer, ob ihre Flucht vor ihm die richtige Entscheidung gewesen war.

Ellys Sehnsucht nach ihm wuchs. Sie musste an seine weichen Lippen denken, die sie so heiß und verlangend geküsst hatten. An sein bezauberndes Lächeln, das sie zum schmelzen brachte. Verdammt Elly, reiß dich zusammen, mahnte sie sich. Silas war gefährlich und ganz sicher nicht der Traumprinz, auf den sie ihr Leben lang gewartet hatte. Er tat schlimme Dinge und war sowohl unberechenbar als auch skrupellos. Sie musste ihn schnell wieder vergessen.

Schließlich schüttelte sie ihre Gedanken ab und blickte sich um. Angestrengt versuchte sie sich zu orientieren. Ihr Ziel war Arvening, ein kleines Dorf im Westen, auf der anderen Seite des Waldes. Bisher war sie noch nie dort gewesen, sie hatte lediglich von diesem Ort gehört. Doch noch ehe sie über ihr weiteres Vorgehen nachdenken konnte, wurde sie erneut abgelenkt.

Der Wind streifte sanft ihre Haut und liebkoste sie. Für einen Moment ließ er ihre Sorgen vergessen. Eine angenehme Gänsehaut breitete sich auf ihrem Körper aus, sie kostete den Augenblick in vollen Zügen aus.

Moment mal, war das überhaupt der Wind? Es fühlte sich irgendwie anders an, eher wie zarte Lippen, die ihren Hals, ihre Schultern und ihren Rücken streichelten.

"Ich vermisse dich, Elly. Bereits jetzt schon", nahm sie Silas sanfte Stimme wahr, die vom Wind zu ihr getragen wurde. Sofort versteinerten sich ihre Muskeln. Vermutlich war dies eine seiner Fähigkeiten, die ihm als Drache geschenkt wurden.

Als Herr der Lüfte konnte sie sich gut vorstellen, dass er bis zu einem gewissen Grad über den Wind gebieten konnte.

"Silas", formte sie mit den Lippen, doch kein Ton drang aus ihrer Kehle. Zu gerne würde sie ihm sagen, dass es ihr ähnlich ging. Dass sie ihn vermisste und bei ihm sein wollte. Doch sie konnte einfach nicht ausblenden, wer er war und was er angerichtet hatte. Vor ihrem inneren Auge blitzten grausame Bilder auf, die sie das Schreckensszenario unter der schwarzen Kuppel noch einmal erleben ließen.

"Es macht mich traurig, dass du mich verlassen hast", nahm sie seine Stimme noch einmal wahr, er klang verletzt und angeschlagen.

Ihr Herz wurde bei seinen Worten schwer. In diesem Moment nahm sie die Leere besonders deutlich wahr, die sich in ihrem inneren breit gemacht hatte, nachdem sie Silas verlassen hatte. Je weiter sie ging, je weiter sie sich von ihm entfernte, desto schlimmer wurde das Gefühl.

Verdammt sie konnte sich nicht von ihm fernhalten, aber sie durfte auch nicht bei ihm sein. Elly hatte Angst, dass sie sich in ihn verlieben könnte, wenn sie zu lange an seiner Seite war. Sie hatte Angst davor, dass sie irgendwann einfach über seine Taten hinwegsehen würde und ihn so akzeptierte, wie er war.

"Ich weiß, dass du mich genauso sehr willst, wie ich dich. Ich werde dich finden und dir beweisen, dass wir eine Zukunft miteinander haben können", versprach er ihr und mit diesen Worten ließ der Wind langsam nach. Doch bevor er gänzlich verschwand, streifte er noch ihre Wange, streichelte sie hauchzart. Ein angenehmer Schauer lief ihr über den Rücken.

Silas ließ sie aufgewühlt zurück. Ihre Gedanken kreisten ausschließlich um ihn. Konnte es wirklich eine Zukunft für sie beide geben? Würde er sie auch wollen, wenn sie nicht vorhatte, den Bund mit ihm einzugehen? Sie verlor sich in der Wunschvorstellung, dass er seine finsteren Pläne für Aerrion aufgab und stattdessen ein friedliches Leben an ihrer Seite führte.

Plötzlich ertönte der Ruf eines Raubtiers in der Nähe, ein leises Knurren folgte. Ihr Herz begann augenblicklich schneller zu schlagen.  Langsam drehte sie sich um und stellte fest, dass das Geräusch direkt aus einem Busch zu ihrer linken kam.

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