Kapitel 44

Silas war außer sich vor Wut und fegte das Geschirr mitsamt der Blumenvase vom Esstisch, den seine Diener vor wenigen Minuten eingedeckt hatten. Mit lautem Krach zersplitterten die Porzellanteller auf dem dunklen Marmorboden, das Besteck klirrte und die Geräusche hallten von den Wänden wieder.

Wie Lange hatte er Kelaya und die anderen Elfen verhört und nichts weiter rausbekommen, außer das Nevion lebt? Keinerlei Informationen über ihre Pläne, keine Anhaltspunkte, nichts. Ihm war klar geworden, dass seine Gefangenen selbst nicht wussten was die anderen ihres Volks nun vorhatten, aber er hasste es im dunkeln zu tappen. Er konnte sich absolut nicht vorstellen, dass die Spitzohren so dumm waren und darauf warteten, dass seine Truppen Marreth überrannten. Die Ungewissheit darüber, was sie planten und wo sie zuschlagen würden, machte ihn rasend. Solange er nichts in Erfahrung bringen konnte, war er angreifbar und es gab nichts, dass er weniger leiden konnte als angreifbar zu sein.

"Mein Gebieter, kann ich euch helfen? Gefällt euch nicht wie wir den Speisesaal geschmückt haben?" fragte einer der Schattenwesen, die wie Kakerlaken um seine Beine schwirrten und ihn zu besänftigen versuchten. Silas schnaubte, packte eine der Kreaturen und hob sie am Hals nach oben. "Ich.. bitte" röchelte sie und zappelte hilflos mit den Beinen hin und her. Silas verengte die Augen und drückte ein wenig fester zu.

"Beseitigt das Chaos und deckt den Tisch neu ein. Es war die richtige Entscheidung, mir ein Bild von eurer Arbeit zu machen, bevor ich Elly hierher einlade. Was soll sie nur denken, wenn sie eure schlampige Arbeit sieht?" knurrte er und die Kakerlaken um ihn herum wichen zurück, als er die Schattengestalt zu Boden fallen ließ.

"Ich sage euch eins, wenn Elly unzufrieden sein sollte, egal ob es um die Dekoration oder die Auswahl der Speisen geht, werdet ihr euch dafür verantworten müssen. Eure Aufgabe ist es, ihr jeden Wunsch von den Lippen abzulesen, sodass sie wunschlos glücklich ist." In jedem Augenpaar war deutlich Angst zu erkennen, sie alle fürchteten sich davor sein nächstes Opfer zu werden.

"Wie ihr wünscht mein Herr" stammelten sie alle gleichzeitig und verbeugten sich, ehe sie durch den Raum huschten, die Scherben aufsammelten und eine braune Tagesdecke über den Tisch legten. Kerzenständer wurden durch die Gegend getragen, ein edler, dunkelroter Teppich ausgerollt und das Fenster mit einem schönen Vorhang geschmückt, der farblich zu der Tagesdecke und den Holzstühlen passte. Eines der Wesen fiel ihm besonders auf, es war kleiner als die anderen und trug eine Steinskulptur durch den Raum, die viel zu schwer für ihn war. Silas musste schmunzeln, als das Geschöpf rasch und in Schlangenlinie an ihm vorbei hetzte, um die Statue rechts neben dem Salatbuffet zu platzieren.

"Nicht diese Kräuter verdammt, sonst wird die Suppe doch viel zu scharf, streng doch mal deinen Grips an!" schimpfte eine Schattengestalt aus der angrenzenden Küche. Gemurmel war zu hören und die Geräusche von Töpfen, die aufeinander gestapelt wurden. Der Geruch von rohem Fleisch stieg Silas in die Nase und ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Sicher war Elly ebenfalls hungrig, es war an der Zeit sie zu holen. Über die Elfen konnte er sich später immer noch den Kopf zerbrechen.

Elly vergrub den Kopf in Xadaggs weichem Fell und war froh darüber, dass der Dämon zu ihr gekommen war. Er musste wohl gespürt haben, dass es ihr nicht gut ging. Obwohl sie bei ihrer letzten Begegnung nicht besonders nett zu ihm gewesen war, schien er alles andere als nachtragend zu sein. Seine Nähe tat gut und lenkte sie ab, sodass sie sich ein wenig beruhigen konnte.

Anfangs fand sie Xadagg abstoßend und angsteinflößend aber mittlerweile hatte sie sogar ein schlechtes Gewissen, weil sie sich ihm gegenüber so daneben benommen hatte. Der Dämon gab ein grummeln von sich und ließ sich neben sie auf den kalten Boden sinken. Noch immer saß Elly im dunklen Korridor und hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Ihre Gedanken kreisten um die Bewohner Aerrions, sie dachte an Silas, an die Elfen und an ihre eigene Rolle in diesem Krieg.

Sie wusste nicht wieviel Zeit vergangen war aber als Schritte vom rechten Flur aus lauter wurden, zuckte sie zusammen. Xadagg legte den Kopf schief und schaute in Richtung der sich nähernden Schritte. Ellys Nackenhaare richteten sich auf und sie machte sich noch kleiner, als sie ohnehin schon war. Aus dem Flur kam Licht und die Fackeln an den Wänden wurden wie von Geisterhand entzündet. Sie blinzelte und hatte Probleme sich an die Helligkeit zu gewöhnen.

Xadagg sprang auf, wedelte mit dem Schwanz und lief den Schritten entgegen. Er freute sich wie verrückt, als Silas im Korridor auftauchte. Immer wieder drehte der Dämon sich im Kreis, sprang an ihm hoch und schien sich gar nicht mehr beruhigen zu wollen. Elly schmunzelte und schüttelte innerlich den Kopf. "Hast du dich ein wenig umgesehen?" fragte Silas und der Klang seiner Stimme ließ ihr Herz höher schlagen. Er ging in die hocke und kraulte Xadagg, der sich auf den Rücken gelegt hatte, die Pfoten nach oben streckte und ihm mit freuden seinen Bauch präsentierte. Wenn Elly den Geräuschen nach Urteilen müsste, die Xadagg von sich gab, würde sie meinen, dass es sich bei ihm nicht um einen Dämon handelte, sondern vielmehr um ein kleines Kätzchen.

"Elly?" Silas sah sie fragend an, doch sie antwortete ihm nicht. "Du musst mir nur sagen, wenn du mehr Zeit für dich brauchst, dann lasse ich dich in Ruhe. Es steht dir außerdem jederzeit frei die Burg zu verlassen und dich in der Umgebung umzusehen. Ich möchte nicht, dass du das Gefühl hast meine Gefangene zu sein" meinte er schließlich und erhob sich, was Xadagg nicht sonderlich gefiel. "Ist das deine Art dich bei mir zu Entschuldigen?" fragte Elly und sah ihn ernst an.

"Du erwartest eine Entschuldigung von mir?" es war ihm anzusehen, dass er Probleme hatte, sich das Lachen zu verkneifen. "Da muss ich dich wohl Enttäuschen mein Engel, die wirst du nicht bekommen. Mir tut es keineswegs leid, dass ich Aliya damals auf dich angesetzt habe und auch Targun würde ich jederzeit wieder damit Beauftragen, sich um die Menschen zu kümmern, die dich wie Abfall behandeln. Ich stehe hinter allem was ich tue und Zweifel weder an meinen Entscheidungen, noch an meinen Taten" Elly knirschte mit den Zähnen, dass war sicher nicht die Antwort, die sie hören wollte. Er kam auf sie zu und schaute ihr direkt in die Augen. "Also, was ist? Möchtest du alleine sein oder kommst du lieber mit mir und wir essen eine Kleinigkeit zusammen?" er lächelte Elly an, als ihr Magen wie auf Kommando zu knurren begann.

Zum Teufel mit ihrem Körper, immer machte er ihr einen Strich durch die Rechnung. Wie Lange hatte sie jetzt schon nichts mehr gegessen? Es war dringend an der Zeit für ein Mahl, auch wenn sie sein Angebot lieber abgelehnt hätte. Elly kam von selbst auf die Beine und obwohl sie zustimmte mit ihm Essen zu gehen, ließ sie ihn deutlich spüren, dass sie alles andere als Lust darauf hatte. Silas drehte sich zu Xadagg um und redete mit ihm in einer Sprache, die sie nicht verstand. Der Dämon wirkte geknickt, ließ die Ohren hängen und machte Anstalten zu gehen.

"Hey was soll das?" wollte Elly wissen und sah Silas vorwurfsvoll an. "Wieso sollte er nicht mitkommen, vielleicht hat er ja auch Hunger?" Silas schien über ihre Worte nachzudenken und gab dem Dämon schließlich ein Zeichen, ihnen zu folgen. Sofort hellte sich Xadaggs Stimmung auf. Er wedelte mit dem Schwanz und stupste Elly immer wieder an, als sie den Gang entlang liefen.

Plötzlich packte Silas ihre Hand und zog sie hinter sich her. "Verdammt, lass mich los. Ob du's glaubst oder nicht, ich kann schon alleine gehen" schnauzte sie ihn an und zog in die entgegengesetzte Richtung, damit er sie freigab. "Oh, das bezweifel ich nicht mein Engel, das Problem ist nur, dass wir erst Morgen unser Ziel erreichen, wenn wir in deinem Tempo weitergehen."

Elly schnaubte verärgert, versuchte sich jedoch kein zweites mal zu befreien, das hatte ohnehin keinen Sinn. Sie kamen zu einer alten Holztreppe, die bei jedem Schritt laut knarrte. Elly befürchtete schon, dass das Holz unter ihr nachgeben würde doch es passierte nichts dergleichen. Bei der letzten Stufe zog Silas absichtlich stärker an ihrer Hand, sodass sie ausrutschte und direkt in seinen armen landete. Einen Moment lang klammerte sie sich vor Schreck an ihm fest, dann schubste sie ihn von sich. "Mistkerl" murmelte sie woraufhin er nur lachte.

Elly sah sich wachsam um, während sie einem weiteren Gang folgten. Außer das Spinnenweben von der Decke hingen und die Gemälde an den Wänden verstaubt waren, sah hier alles genauso aus, wie auf der oberen Etage. Leises Flüstern war zu hören und ab und an das tapsen kleiner Füße. Manchmal drehte sie sich um, weil sie nicht genau wusste von wo die Geräusche kamen, aber Silas ließ ihr kaum Zeit und zog sie unbeirrt weiter. Einmal meinte sie sogar einen Schatten an ihnen vorbeihuschen zu sehen und ihr wurde auf der Stelle kälter.

Das klappern von Geschirr drang an ihre Ohren und Silas öffnete eine Tür, die zu einem riesigen Speisesaal führte. "Nach dir" meinte er und Elly betrat die Halle. Sie war begeistert von der Dekoration und fühlte sich vom ersten Moment an wohl.
Auf der gegenüberliegenden Seite wurde eine pechschwarze Schuppenrüstung zur Schau gestellt, die sehr stark an Silas zweite Haut erinnerte.

Skulpturen unterschiedlicher Größen standen in den Ecken und die meisten von ihnen wirkten wie in Stein gemeißelte Fabelwesen. Ellys Blick fiel auf eine Vitrine in der ein kunstvoll verziertes Langschwert zu sehen war. Der schwarze Griff war von Goldfasern durchzogen und auf der ebenfalls schwarzen Klinge waren goldene Runen zu erkennen. Vermutlich gehörte sowohl die Waffe als auch die Rüstung, einem von Silas ehemaligen Kriegsherren.

Überall an den Steinwänden hingen gezeichnete Gemälde die unter anderem die Belagerung von Elfenstädten zeigten oder die Gesichter einiger finster wirkenden Gesellen. Ellys Augen glitzerten bei dem Anblick der brennenden Kerzen die auf den vielen Tischen standen und den Raum mithilfe einiger Kronleuchter und Kerzenständer in ein reines Lichtermeer verwandelten.

Ein besonders schön gedeckter Tisch in der Mitte stach aus der Masse hervor und war vermutlich der, an dem sie essen würden. Eine braune Tagesdecke lag über dem Holz und eine kleine Kerze sowie mehrere rote Blumen sorgten für eine romantische Atmosphäre. Der herrliche Duft von gebratenem Fleisch und frisch gebackenem Brot lag in der Luft und ihr Magen knurrte erneut. Sie konnte sich kaum mehr zusammenreißen und als sie das großzügige Salatbuffet sah, wäre sie am liebsten gleich los gestürmt um sich den Bauch vollzuschlagen.

Erst jetzt bemerkte sie die vielen kleinen Schattengestalten die sich in einer Reihe vor sie hingestellt hatten. Mit großen Augen blickten sie Elly an und reichten ihr eine Schale Wasser, damit sie sich die Hände waschen konnte. Diese winzigen Geschöpfe waren viel zu niedlich, als das sie hätte Angst haben müssen. "Wie lieb von euch, danke. Habt ihr etwa den Raum geschmückt?"

Die Wesen wurden nervös, sahen sich gegenseitig an und zappelten ein wenig hin und her. Schließlich ergriff einer von ihnen das Wort " Wir... ähm ja, Mylady" stotterte er und sprach dann ohne einmal Luft zu holen weiter. "Wenn euch die Dekoration nicht gefällt dann kümmern wir uns unverzüglich darum, wenn die Blumen nicht eurem Geschmack entsprechen, dann wechseln wir sie, wenn euch die Muster auf dem Teppich nicht ansprechen dann.." Elly kicherte und unterbrach das kleine Wesen.

"Der Saal sieht wunderschön aus" erleichtertes Seufzen war zu hören. Sie trocknete sich die Hände mit einem Handtuch ab und wartete bis Silas ebenfalls fertig war. "Komm mit mein Engel" sagte er und führte sie zum Tisch.

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