Kapitel 26

Elly schüttelte trotzig den Kopf und weigerte sich die Nudeln zu essen die Nevion ihr gebracht hatte. "Ich werde keinen Bissen zu mir nehmen, solange du mich nicht losgebunden hast. Außerdem bevorzuge ich Fleisch" sagte sie giftig und funkelte ihn feindselig an. Er ignorierte ihre Worte und hob eine Gabel mit Nudeln an ihren Mund, woraufhin sie die Lippen fest zusammen presste und den Kopf wegdrehte. Nevion seufzte und legte die Gabel zurück auf den Teller in seinen Händen. "Bist du eigentlich immer so anstrengend? Ich will dir doch nichts Böses"

"Dann lass mich verdammt nochmal gehen."

Nevion ging zum Tisch neben dem Bett und schob die Kerze zur Seite, um die Schüssel darauf abzustellen. "Das kann ich nicht"

Elly rollte mit den Augen, als er zu ihr zurückkehrte und vor ihr stehen blieb. Nevion sah sie traurig an. "Ich bin mir sicher, dass du eine sehr nette Frau gewesen bist bevor Silas sich deiner angenommen hat." Er legte eine Hand auf ihre schuppige Wange und streichelte sie sanft. Elly zuckte bei der Berührung irritiert zurück. "Tut mir leid, was du in letzter Zeit durchmachen musstest"

Elly verengte die Augen. "Ich ertrage dein Mitleid nicht, mir würde es um einiges besser gehen wenn ich nicht hier wäre, aber das weißt du ja bereits." Sie zischte die nächsten Worte "Glaub mir, ich werde dir das Leben zur Hölle machen solange ich hier bin"

"Ach und wie willst du das anstellen?" Nevion schlug sich eine Hand vor die Stirn. "Was habe ich mir da bloß angetan. Eine tollwütige Furie direkt gegenüber von meinem Bett, ich sehe schon da kommen einige erholsame Nächte auf mich zu."

Elly blickte ihn erschrocken an. "Du hast doch nicht etwa vor, mich hier mehrere Tage lang eingesperrt zu lassen oder?" sie schluckte.

"Das kommt wohl ganz auf dein Verhalten an" entgegnete er ihr und grinste. "Wenn es dir in der Nacht zu unbequem sein sollte Prinzessin, dann kannst du natürlich auch mit mir im Bett schlafen, angekettet versteht sich." Er zog die Augenbrauen immer wieder nach oben und lachte. Elly ballte die Hände zu Fäusten, lockerte sie aber gleich darauf wieder und sagte in bemerkenswert ruhigem Ton "Eher würde ich.." Nevion winkte ab. "Jaja ich weiß schon, eher würdest du sterben als mit einem attraktiven und charmanten Mann wie mir in einem Bett zu schlafen. Das kann ich vollkommen nachvollziehen."
Er zuckte mit den Schultern und fuhr fort "War ja nur ein Vorschlag. Du brauchst mich ja nicht gleich so anzusehen, als hättest du einen Kobold verschluckt."

Elly unterdrückte ein Schmunzeln und setzte eine ernste Miene auf. "Kannst du mir endlich mal verraten warum ihr mich festhaltet? Ihr tut ja fast so, als würde die Welt untergehen wenn ich mit Silas zusammen wäre"

"Was denkst du wird sonst geschehen, wenn wir dich gehen lassen und du ihm die Unsterblichkeit schenkst? Meinst du, dass er sich um hundertachtzig Grad drehen und für den Weltfrieden sorgen wird? Das Feen mit Lykanern fangen spielen und Dämonen mit den Menschen Händchenhalten?"

Elly konnte sich nicht länger zusammenreißen und prustete laut los. "Wie soll ich ihm denn bitte die Unsterblichkeit schenken? Das ist doch Schwachsinn. Ich mag vieleicht ein halber Drache sein, aber keine Göttin"

"Es ist kein Schwachsinn. Du gehst doch nicht ernsthaft davon aus, dass er dich um jeden Preis haben will, weil er sich in dich verliebt hat oder?" Nevion lachte. "Ich bitte dich Elly, wach auf. In Silas Herz gibt es keinen Platz für die Liebe. Sein gesamter Lebensinhalt besteht darin, anderen Schmerzen zuzufügen und Kriege zu gewinnen."

"Das ist nicht wahr, du kennst ihn garnicht. Er hat auch eine andere Seite und kann.."
Nevion unterbrach sie. "Was auch immer er dir vorgespielt hat ist nicht echt und dient nur seinen Zwecken. Es gibt nichts Gutes an ihm. Sobald du Silas gegeben hast was er will, wird er dich verlassen."

Sie dachte darüber nach und erinnerte sich wage an einen Traum mit ihm. An eine kahle Landschaft, versklavte Menschen und seine Stimme die zwischen dem Grollen des Himmels ertönte. "Mit deiner Hilfe wird es mir gelingen ganz Aerrion einzunehmen."

Steckte etwa doch ein Funken Wahrheit in Nevions Worten? Elly war fest davon überzeugt, dass Silas sie weder verletzen noch verlassen würde, aber konnte sie ihm tatsächlich die Unsterblichkeit schenken?

"Hast du schonmal von den Saz'rjsh gehört?" fragte Nevion schließlich und wartete auf eine Antwort.

Was für eine Frage, natürlich hatte sie. Es gab dutzende Geschichten über diese geheimnisvollen Kreaturen. Einige Menschen behaupten sogar, sie seien so alt wie der Planet selbst, andere sind felsenfest davon überzeugt schonmal eines dieser Wesen gesehen zu haben. Die Beschreibungen reichten von riesigen Troll ähnlichen und mit Warzen überzogenen Gestalten, bis hin zu kleinen Geschöpfen mit rosafarbenen Augen und langen, spindeldürren Beinen. Niemand kannte die Quelle, mit der sie Kontakt zu den Bewohnern Aerrions aufnahmen doch ihre Prophezeiung verbreitete sich wie ein Lauffeuer über die ganze Welt. Selbst den jüngsten Generationen wurde von den mysteriösen Saz'rjsh und ihrer Verheißung erzählt, die Angst und Unsicherheit unter das Volk brachte. Gerüchten zufolge war Silas ein Teil ihrer Prophezeiung und würde mit Hilfe einer jungen Frau die gesamte Welt in Dunkelheit versinken lassen doch Elly musste immer lachen, wenn sie die Leute in ihrem Dorf darüber tuscheln hörte. Für sie war diese ganze "Weltuntergangsgeschichte" nie mehr als Unfug gewesen.

Elly riss die Augen weit auf, als sie begriff worauf Nevion hinaus wollte. "Du glaubst doch nicht ernsthaft an die Saz'rjsh und ihre Geschichte über das Mädchen, dass aus Liebe zu Silas ihre Seele aufgibt um ihm die Unsterblichkeit zu schenken, oder?"

Nevions Miene wirkte angespannt und er rührte sich keinen Zentimeter. Als Elly bemerkte, dass er nicht antworten würde, sprach sie weiter "Du glaubst nicht nur daran, du bist sogar davon überzeugt, dass sie wahr ist" stellte sie fest.

Er nickte. "Elly, es sind nicht nur leere Worte. Die Prophezeiung stimmt. Du bist Silas Auserwählte und wenn du ihm nicht widerstehen kannst, ist Aerrion dem Untergang geweiht. Unsere Orakel haben gesehen was geschehen wird, wenn du nicht zur Vernunft kommst."

Vermutlich wollte Nevion ihr klar machen wieviel Verantwortung auf ihren Schultern lastete, doch das hätte er sich auch sparen können. Das Schicksal der Menschen und der anderen Lebewesen kümmerte sie nichtmehr, seitdem sie Edans Leben beendet hatte.

Silas war der Einzige der ihr noch wichtig war und die Tatsache, dass sie weiterhin hier festsaß entfachte ihre Wut erneut. Ellys Augen blitzten rot auf, als sich der Drache in ihr immer weiter in den Vordergrund drängte.

"Mach dir keine Mühe Elf. Mich interessiert nicht, was mit den Bewohnern Aerrions passieren wird. Ich werde trotzdem zu Silas zurückkehren" sie grinste ihn diabolisch an. "Ich denke, ich werde ihn darum bitten dich und dein Volk leiden zu lassen und in Ketten zu legen. Es hätte gewiss seinen Reiz, dabei zuzusehen wie ihr langsam zugrunde geht." Ellys schwarze Schuppen wurden ganz warm und kribbelten bei diesem Gedanken.

Nevion schüttelte fassungslos den Kopf. "Es steht schlimmer um dich, als ich befürchtet habe. Ich bete dafür, dass meine Königin eine Möglichkeit gefunden hat um dein altes Ich zurückzuholen. Sie wird vermutlich bald hier sein." Er nahm den Teller vom Tisch und trat zur Tür, scheinbar konnte er ihre Nähe nicht länger ertragen. "Ich komme später wieder" waren seine letzten Worte, ehe die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fiel.

"Das du so gemein sein kannst hätte ich dir garnicht zugetraut, du hast dich ja fast so angehört wie Silas." Quietschte Miwa aufgeregt und saß merkwürdigerweise in einem Bücherregal, das rechts neben dem Bett stand.

Elly runzelte verwirrt die Stirn. "Wie bist du dorthin gekommen?"

"Hast du etwa gedacht, dass ich die günstige Gelegenheit Nevion zu durchsuchen verstreichen lasse, wo du ihn doch so schön abgelenkt hast?" Miwa wirkte empört.

Elly lächelte. "Ich habe nur nicht erwartet, dass ich absolut garnichts davon mitbekomme"

"Wenn du etwas bemerkt hättest, wäre ich wohl ein ziemlich schlechter Spion oder?" Miwa grinste und deutete stolz auf einen roten Rubin, der hinter ihr im Regal lag. "Ich sage dir, das Teil war ganz schön schwer zu schleppen."

"Das ist doch der Stein mit dem Nevion uns hierher gebracht hat oder?" Elly schaute Miwa ungläubig an.

"Richtig und du wirst ihn gleich benutzen um die magische Verteidigung der Elfenstadt außer Gefecht zu setzen. Doch zuerst müssen wir dich aus den Ketten befreien, lass mal sehen."

Miwa schwirrte einige Sekunden lang in der Luft umher, inspizierte die Fesseln und setzte sich anschließend auf ihren Lieblingsplatz, Ellys Nase. "Wie ich vermutet habe, sind es keine magischen Ketten. Das wird nicht lange dauern" Sie tippte einige Male mit ihrer kleinen Klaue auf ihrem Kinn herum, ehe sie sich erneut in die Luft erhob.

Die Kleine verschwand aus Ellys Sichtfeld und das Rascheln der Ketten wurde hörbar, ein Klicken folgte und bereits nach wenigen Minuten hatte Miwa sie befreit. Elly schüttelte ihre freien Arme und Beine, sie streckte sich und genoss das Gefühl der Freiheit. "Danke Miwa, du bist wirklich unglaublich. Targun wird sicher begeistert sein wenn ich ihm erzähle, wie gut du deine Arbeit erledigt hast"

Miwa strahlte sie an und setzte sich auf ihre Handfläche. "Das würdest du für mich tun?"

Elly nickte und musste schmunzeln als sie bemerkte, dass sich Miwas schwarze Schuppen kurzzeitig rot färbten. "Vielleicht bekomme ich dann ja ein Küsschen von ihm" nuschelte sie leise doch Elly hörte sie und kicherte.

"Trotzdem muss das noch ein wenig warten" blitzschnell änderte sich Miwas Gesichtsausdruck und sie war wieder ganz die Spionin. "Bist du bereit den Elfen eine Lektion zu erteilen und von hier zu verschwinden?"

"Nichts lieber als das" antwortete Elly und ging zum Bücherregal, indem der kleine unscheinbare Kristall lag. "Silas Plan steht. Sobald du die magische Barriere der Elfenstadt ausgeschaltet hast, werden wir Unterstützung erhalten" Miwa lachte. "Siana Avari wird ihr blaues Wunder erleben wenn sie hier ankommt."

Elly nahm die Worte der Drachenlady kaum wahr und streckte die Finger nach dem Stein aus, sie freute sich darauf Silas bald wiederzusehen.


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top