Kapitel 9
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𝚅𝚎𝚛𝚋𝚘𝚛𝚐𝚎𝚗𝚎 𝙱𝚕𝚒𝚌𝚔𝚎
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𝐌𝐢𝐫𝐞𝐲𝐚
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Der Nachmittag schlich dahin und die Stille in meinem Zimmer war wie ein schützender Kokon. Nach dem Training am Morgen hatte ich beschlossen, den Rest des Tages für mich zu nutzen.
Ich hatte geduscht, das heiße Wasser hatte meine angespannte Muskulatur entspannt und jetzt saß ich in meinem Sessel, eingewickelt in einen flauschigen Morgenmantel.
Meine Haare waren noch feucht und hingen in unordentlichen Strähnen über meine Schultern, während ich ein Buch in der Hand hielt, das ich aus der Bibliothek im Erdgeschoss geholt hatte.
Das Sonnenlicht fiel durch die großen Fenster und warf goldene Muster auf den Teppich. Es war eine dieser seltenen ruhigen Momente in diesem Haus, in dem das Leben sonst von unausgesprochenen Spannungen und leisen Drohungen geprägt war.
Ein leises Klopfen an der Tür ließ mich aufblicken.
„Ja?“ rief ich und meine Stimme war ein wenig heiser vom langen Schweigen.
Die Tür öffnete sich vorsichtig und Cathy steckte ihren Kopf herein. Ihre goldblonden Haare fielen in weichen Wellen über ihre Schultern und sie trug ein helles Sommerkleid, das ihre zierliche Gestalt betonte.
Sie sah aus wie ein Bild aus einer anderen Welt, einer unbeschwerten, fröhlichen Welt, die nichts mit diesem Haus zu tun hatte.
„Störe ich?“ fragte sie, ihre Stimme sanft, fast zögerlich.
„Nein, komm rein,“ antwortete ich und legte das Buch zur Seite.
Cathy trat ein, schloss die Tür hinter sich und ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen. Sie wirkte immer so neugierig, als würde sie jedes Detail in sich aufsaugen.
Schließlich setzte sie sich ohne zu fragen auf mein Bett, die Beine unter sich geschlagen und sah mich mit ihrem typischen strahlenden Lächeln an.
„Was machst du?“ fragte sie und deutete auf das Buch in meiner Hand.
„Lesen,“ antwortete ich schlicht und hielt ihr das Buch hin. „Es ist nichts Besonderes. Ein alter Klassiker.“
Cathy beugte sich vor, um das Cover zu betrachten und runzelte die Stirn. „Oh, ich glaube, ich habe davon gehört. Aber ich habe nie die Geduld, solche Bücher zu lesen.“
„Du liest nicht gern?“ fragte ich überrascht.
„Nicht wirklich,“ gab sie zu und lachte leise. „Ich habe immer das Gefühl, dass ich zu unruhig bin, um still zu sitzen und mich auf die Worte zu konzentrieren.“
Ich lächelte leicht. „Das überrascht mich nicht. Du wirkst, als wärst du immer in Bewegung.“
„Das stimmt,“ sagte sie und ließ sich zurück auf das Bett fallen, und ließ die Arme hinter dem Kopf verschränkt. „Aber manchmal wünschte ich, ich könnte es. Lesen sieht so... beruhigend aus.“
„Es ist es auch,“ sagte ich und lehnte mich zurück. „Es ist wie eine Flucht. Für eine Weile vergisst man alles um sich herum.“
Cathy sah mich nachdenklich an, bevor sie plötzlich sagte: „Deine Haare sehen schön aus, so nass und unordentlich. Es steht dir.“
Ich lachte leise und strich mir eine nasse Strähne aus dem Gesicht. „Danke, aber ich glaube, das liegt nur daran, dass ich zu faul bin, sie zu föhnen.“
„Nein, wirklich,“ beharrte sie. „Es sieht so natürlich aus. Ich wünschte, meine Haare würden so aussehen, wenn ich sie einfach trocknen lasse.“
„Das sagst du nur, weil du nicht weißt, wie viel Arbeit es ist, sie zu bändigen,“ erwiderte ich und lächelte.
Cathy setzte sich wieder auf und zog eine ihrer Haarsträhnen durch die Finger. „Glaub mir, ich weiß, wie viel Arbeit Haare machen können. Jeden Morgen brauche ich mindestens eine halbe Stunde, um sie zu stylen.“
„Dann machst du einen großartigen Job,“ sagte ich ehrlich. „Deine Haare sehen immer aus, als wärst du aus einer Modezeitschrift entsprungen.“
Sie wurde leicht rot und schüttelte den Kopf. „Das ist nett von dir, aber ich glaube, du übertreibst.“
Für einen Moment herrschte eine angenehme Stille. Cathy ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen, während ich mich wieder in den Sessel zurücklehnte.
„Weißt du,“ sagte sie schließlich, „ich finde es irgendwie schön, dass du hier bist.“
Ich hob überrascht eine Augenbraue. „Wirklich? Warum?“
„Weil du normal bist,“ sagte sie mit einem leichten Lächeln. „Dieses Haus, diese Welt... es ist alles so kompliziert und gefährlich. Aber du... du bist wie ein Stück Normalität inmitten des Chaos.“
Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Stattdessen lächelte ich nur schwach und nickte.
„Danke,“ sagte sie leise.
„Wofür?“ fragte ich.
„Dafür, dass du mit mir redest,“ sagte sie und sah mich mit einem ernsten Blick an.
„Es fühlt sich gut an, einfach mal... normal zu sein.“
Ich erwiderte ihr Lächeln und spürte, wie eine unerwartete Wärme in mir aufstieg. Vielleicht war Cathy die einzige Person in diesem Haus, mit der ich mich wirklich verbunden fühlte.
Und vielleicht brauchten wir beide genau das, ein bisschen Normalität in einer Welt, die alles andere als normal war.
Cathy und ich hatten gerade wieder in die Stille gefunden, die nach unserem lockeren Gespräch angenehm und vertraut wirkte. Ich warf einen Blick auf mein Buch, doch meine Gedanken wanderten immer wieder zu der seltsamen Dynamik in diesem Haus.
Es war ein Ort voller Geheimnisse und ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, welche Geschichten sich hinter den verschlossenen Türen verbargen.
Ein plötzliches, scharfes Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Bevor ich antworten konnte, öffnete sich die Tür und Aric trat ein.
„Lucien schickt mich,“ begann er, seine Stimme wie immer ruhig und kontrolliert.
„Er will, dass du—“
Seine Worte brachen abrupt ab, als sein Blick auf Cathy fiel. Sie saß immer noch auf meinem Bett, ihre Beine unter sich geschlagen und sah ihn mit leicht geöffnetem Mund an.
Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Aric blieb regungslos in der Tür stehen und seine blauen Augen fixierten Cathy. Sein Gesicht war wie aus Stein gemeißelt, aber dann passierte etwas, das ich bei ihm noch nie gesehen hatte:
Seine Mundwinkel zuckten leicht nach oben, fast wie ein Lächeln.
Cathy errötete augenblicklich, ihre Wangen färbten sich in einem tiefen Rosa, das selbst durch das schummrige Licht des Zimmers sichtbar war. Sie senkte den Kopf und begann nervös, eine Strähne ihres goldblonden Haares um ihren Finger zu wickeln.
Aric sagte kein weiteres Wort. Er nickte mir knapp zu, wandte sich um und verschwand genauso schnell, wie er gekommen war, die Tür leise hinter sich schließend.
Ich blinzelte ihm hinterher, dann drehte ich mich langsam zu Cathy um, die immer noch auf das Bettlaken starrte, als wäre es das faszinierendste Objekt der Welt.
„Okay,“ begann ich schließlich mit einem Grinsen, das ich nicht unterdrücken konnte.
„Was war das denn gerade?“
Cathy hob den Kopf ein wenig, ihre Augen weiteten sich. „Was meinst du?“ fragte sie, ihre Stimme klang viel zu unschuldig.
„Komm schon,“ sagte ich und lehnte mich vor. Ich stützte meine Arme auf den Knien ab. „Dieser Blick, den er dir zugeworfen hat. Und dein Gesicht! Du bist ja rot wie eine reife Tomate.“
„Ich bin nicht rot!“ rief sie sofort, ihre Stimme überschlug sich fast.
„Doch, bist du,“ beharrte ich und deutete auf ihre glühenden Wangen. „Und ehrlich gesagt, ich bin mir ziemlich sicher, dass er dich auch gesehen hat. Und zwar richtig gesehen.“
„Das bildest du dir ein,“ murmelte sie und schüttelte den Kopf. Aber sie konnte das leichte Lächeln, das sich auf ihre Lippen schlich, nicht ganz verbergen.
„Cathy,“ sagte ich mit einem leisen Lachen.
„Läuft da was zwischen euch?“
„Nein!“ rief sie sofort, ihre Augen weiteten sich noch mehr und sie hob abwehrend die Hände.
„Natürlich nicht! Das ist absurd!“
Ich hob eine Augenbraue. „Absurd, ja? Dann erklär mir, warum er dich so angesehen hat.“
„Er hat mich nicht angesehen!“ protestierte sie, aber ihre Stimme klang weniger überzeugt.
„Hat er wohl,“ sagte ich mit Nachdruck. „Und ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass das das erste Mal war.“
Cathy seufzte tief und ließ sich mit einem leisen Stöhnen zurück auf das Bett fallen. „Da läuft nichts,“ sagte sie schließlich, ihre Stimme war jetzt leiser. „Und es könnte auch nie etwas laufen.“
„Warum nicht?“ fragte ich, jetzt war ich wirklich neugierig.
Sie starrte an die Decke, ihre Hände lagen verschränkt auf ihrem Bauch. „Weil er Aric ist,“ sagte sie schließlich. „Er ist so... stark und ernst und... ich weiß nicht. Er ist einfach... unerreichbar.“
Ich musterte sie für einen Moment, dann sagte ich leise: „Aber du findest ihn interessant.“
Cathy biss sich auf die Unterlippe und nickte kaum merklich. „Ja,“ gab sie zu, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
„Aber das spielt keine Rolle. Er würde mich nie so sehen.“
Ich dachte an den Blick, den Aric ihr zugeworfen hatte und war mir nicht sicher, ob sie da nicht falsch lag. Aber ich sagte nichts. Stattdessen lächelte ich nur und legte meine Hand auf ihre.
„Vielleicht solltest du ihn nicht so schnell abschreiben,“ sagte ich.
Cathy sah mich an, ihre grünen Augen suchten in meinen nach einer Antwort, die ich ihr nicht geben konnte. Aber ich wusste eines: In diesem Haus war nichts unmöglich, weder das Gute noch das Schlechte. Und vielleicht war das, was ich gerade gesehen hatte, der Anfang von etwas, das Cathy selbst noch nicht begriff.
Cathy saß noch immer auf meinem Bett, ihre Hände spielten nervös mit dem Saum ihres Pullovers. Die Röte auf ihren Wangen war verblasst, doch die Unsicherheit in ihren Augen blieb. Ich wollte sie nicht weiter drängen, aber die leise Sehnsucht, die in ihrer Stimme mitschwang, ließ mich nicht los.
„Weißt du,“ begann ich vorsichtig, „manchmal sind die Menschen, die wir für unerreichbar halten, näher, als wir denken.“
Cathy schnaubte leise und schüttelte den Kopf. „Das sagst du so leicht. Aber Aric? Er ist wie ein Fels. Und ich...“ Sie machte eine vage Geste zu sich selbst. „Ich bin doch nur Cathy.“
„Nur Cathy?“ Ich zog eine Augenbraue hoch. „Du bist klug, witzig und hast mehr Mut, als du dir selbst zutraust. Glaubst du, Aric wäre so blind, das nicht zu sehen?“
Cathy schwieg, doch ein kleines, unsicheres Lächeln huschte über ihre Lippen. „Du bist gut darin, Menschen Mut zu machen,“ sagte sie schließlich leise.
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich sage nur, was ich sehe. Und was ich sehe, ist jemand, der viel mehr wert ist, als sie selbst glaubt.“
Bevor Cathy etwas erwidern konnte, klopfte es erneut an die Tür. Diesmal war es Lucien. Er trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten und musterte uns beide kurz.
„Cathy,“ sagte er mit einem kühlen, aber nicht unfreundlichen Ton. „Ich brauche dich unten. Ezra hat ein paar Dokumente, die du sortieren sollst.“
Cathy sprang sofort auf, als hätte sie nur auf eine Gelegenheit gewartet, das Gespräch zu beenden. „Natürlich,“ sagte sie schnell und eilte zur Tür. Doch bevor sie hinausging, drehte sie sich noch einmal zu mir um und schenkte mir ein kleines, dankbares Lächeln.
Lucien folgte ihr mit den Augen, bis die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Dann wandte er sich an mich. „Und du?“ fragte er.
„Hast du den Tag bisher genossen?“
Sein Ton war neutral, fast geschäftsmäßig, aber in seinen grauen Augen lag ein Hauch von Neugier. Ich nickte langsam.
„So gut, wie man es in einem goldenen Käfig kann.“
Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, aber es erreichte seine Augen nicht.
„Ich hoffe, du gewöhnst dich daran. Es ist besser, als die Alternative.“
Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand wieder, ohne eine Antwort abzuwarten.
Ich blieb allein zurück, meine Gedanken bleiben bei Cathy und Aric hängen und bei der seltsamen Dynamik in diesem Haus, die mich immer tiefer in ihre Fänge zog.
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