Kapitel 5
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𝚉𝚠𝚒𝚜𝚌𝚑𝚎𝚗 𝙵𝚞𝚛𝚌𝚑𝚝 𝚞𝚗𝚍 𝙵𝚊𝚜𝚣𝚒𝚗𝚊𝚝𝚒𝚘𝚗
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𝐌𝐢𝐫𝐞𝐲𝐚
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Die Wände des Anwesens schienen mich zu erdrücken, je länger ich hier war. Jeder Raum war ein Gefängnis, egal wie luxuriös er wirkte.
Mein Herz raste, während ich auf dem breiten Fensterbrett in meinem Zimmer saß und hinaus in die Dunkelheit starrte. Die Sterne funkelten wie kleine Lichter der Hoffnung, doch sie fühlten sich unendlich weit entfernt an.
Ich musste hier raus.
Seit Tagen plante ich meinen Ausbruch. Jede Bewegung der Wachen, jede Tür, die sich öffnete und schloss, speicherte ich in meinem Kopf.
Ich wusste, wann die meisten von ihnen auf ihren Posten waren und wann die Gänge leerer wurden.
Doch jedes Mal, wenn ich glaubte, einen Weg gefunden zu haben, machte mir die Realität einen Strich durch die Rechnung.
Lucien war wie ein Schatten, der mich nie ganz losließ. Seine Präsenz war überall spürbar, auch wenn er nicht im Raum war. Er hatte ein Talent dafür, unerwartet aufzutauchen, er war wie ein Raubtier, das seine Beute im Auge behielt.
Es machte mich wahnsinnig, wie sehr er alles unter Kontrolle hatte und wie wenig ich ihm entkommen konnte.
Heute war er ungewöhnlich ruhig gewesen. Kein spöttischer Kommentar, keine Anweisung, die mich provozieren sollte. Stattdessen hatte er mich mit einem Blick bedacht, der mich vollkommen aus dem Konzept brachte.
Es war kein kalter, berechnender Blick, wie ich ihn von ihm gewohnt war. Nein, in seinen grauen Augen lag etwas, das ich nicht deuten konnte.
Vielleicht war es Neugier.
Oder... Zweifel?
Ich schüttelte den Kopf und stand auf. Ich durfte mich nicht von ihm täuschen lassen. Lucien war gefährlich, daran durfte ich keinen Moment zweifeln. Doch genau das machte es so schwer. Er war nicht nur gefährlich, er war faszinierend.
Seine Art, sich zu bewegen, zu sprechen, selbst die Art, wie er mich ansah, hatte etwas Unwiderstehliches.
Und ich hasste es.
Plötzlich klopfte es an der Tür und mein Herz setzte einen Schlag aus. Bevor ich antworten konnte, öffnete sich die Tür einen Spalt und Lucien trat ein.
Sein Anblick ließ mich unwillkürlich erstarren. Er trug ein schwarzes Hemd, dessen Ärmel hochgekrempelt waren, sodass die Tattoos auf seinen Unterarmen deutlich sichtbar waren.
Sein Haar war ein wenig zerzaust, als hätte er gerade einen anstrengenden Tag hinter sich gehabt.
„Du bist spät noch wach,“ sagte er, seine Stimme war ruhig, aber mit einem Unterton, der mir eine Gänsehaut bereitete.
„Und du bist immer noch der Meinung, dass du hier einfach reinmarschieren kannst, ohne anzuklopfen?“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust, obwohl ich wusste, dass meine Worte ihn nicht beeindrucken würden.
Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. „Das hier ist mein Haus, Mireya. Ich klopfe, weil ich höflich bin, nicht weil ich es muss.“
„Dann spar dir die Höflichkeit,“ entgegnete ich scharf, doch innerlich spürte ich, wie mein Puls schneller wurde.
Er trat näher, seine Bewegungen waren langsam, schon fast bedächtig. „Ich wollte nur sehen, wie es dir geht.“
Ich lachte trocken. „Wie es mir geht? In deinem goldenen Käfig? Großartig, danke der Nachfrage.“
Sein Blick wurde ernster und für einen Moment glaubte ich, etwas wie Bedauern in seinen Augen zu sehen. Doch bevor ich es genauer deuten konnte, verschwand es wieder.
„Ich weiß, dass du das hier nicht wolltest,“ sagte er leise. „Aber glaub mir, es ist besser, als draußen zu sein. Die Welt da draußen... sie würde dich verschlingen.“
„Und du glaubst, das hier ist besser?“ Ich deutete auf die Wände um uns herum. „Gefangen zu sein? Von dir überwacht zu werden?“
Er trat noch näher, bis nur noch wenige Zentimeter zwischen uns lagen. Ich musste den Kopf heben, um ihm in die Augen sehen zu können.
„Ich halte dich nicht gefangen, Mireya,“ sagte er leise. „Ich beschütze dich.“
„Vor wem?“ Meine Stimme zitterte vor Wut und etwas anderem, das ich nicht benennen konnte.
„Vor dir selbst?“
Er hielt meinem Blick stand, doch seine Kiefermuskeln zuckten leicht, als hätte ich einen wunden Punkt getroffen. „Vor Menschen, die keine Skrupel hätten, dich zu zerstören. Menschen, die weit schlimmer sind als ich.“
Ich wollte ihm nicht glauben. Ich wollte nicht glauben, dass er wirklich glaubte, das Richtige zu tun. Doch in diesem Moment sah ich etwas in ihm, das mich innehalten ließ. Eine Verletzlichkeit, die ich zuvor nie bemerkt hatte.
„Warum?“ fragte ich schließlich, meine Stimme wurde immer leiser.
„Warum tust du das?“
Er sah mich an und für einen Moment schien es, als würde er antworten. Doch dann schüttelte er den Kopf und trat zurück.
„Du wirst es irgendwann verstehen,“ murmelte er, bevor er sich abwandte und zur Tür ging.
Ich blieb allein zurück, verwirrt und auf seltsame Weise berührt. Was auch immer Lucien vor mir verbarg, es war mehr, als ich erwartet hatte. Und obwohl ich wusste, dass ich ihm nicht vertrauen durfte, spürte ich, wie mein Entschluss, zu fliehen, ins Wanken geriet.
Ich konnte in dieser Nacht kaum schlafen. Seine Worte hallten immer wieder in meinem Kopf wider:
„Ich beschütze dich.“
Was meinte er damit?
Vor wem?
Vor was?
Es machte keinen Sinn.
Lucien war ein Mann, der alles und jeden kontrollieren wollte. Er hatte mich hierhergebracht, mich in eine Welt voller Gewalt und Dunkelheit gestoßen und jetzt wollte er behaupten, dass er mich beschützte?
Ich wälzte mich in meinem Bett hin und her, ich war unfähig, eine Antwort zu finden. Schließlich gab ich auf und setzte mich auf. Das Mondlicht fiel durch das Fenster und zeichnete silberne Linien auf den Boden. Die Nacht war still, fast unheimlich still. Doch mein Inneres war ein einziges Chaos.
Ich beschloss, dass ich frische Luft brauchte. Vielleicht würde ein Spaziergang durch den Garten mir helfen, einen klaren Kopf zu bekommen. Vorsichtig öffnete ich die Tür zu meinem Zimmer und spähte in den Gang. Alles war ruhig. Die Wachen hatten ihre üblichen Positionen, doch ich wusste, dass sie den Garten nicht ständig im Blick hatten.
Leise schlich ich mich durch die Flure, meine nackten Füße machten kaum ein Geräusch auf dem kalten Marmor. Mein Herz klopfte schneller, je näher ich dem Ausgang kam.
Es fühlte sich an wie ein kleiner Akt der Rebellion, auch wenn ich wusste, dass es nichts änderte.
Der Garten war genauso schön wie bedrohlich. Die hohen Mauern, die das Anwesen umgaben, schimmerten im Mondlicht und erinnerten mich daran, dass ich noch immer gefangen war.
Doch die kühle Nachtluft und der Duft von Jasmin beruhigten mich ein wenig. Ich ging langsam über den Kiesweg, lauschte dem leisen Rascheln der Blätter im Wind.
Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir. Mein Körper versteifte sich und ich drehte mich hastig um.
Da stand er.
Lucien.
Sein schwarzes Hemd war nun aufgeknöpft und sein Blick war nur schwer zu deuten.
„Du solltest schlafen,“ sagte er, seine Stimme schien tief und ruhig.
„Und du solltest mich in Ruhe lassen,“ entgegnete ich, obwohl mein Herz raste.
Er kam näher, seine Bewegungen waren geschmeidig wie die eines Raubtiers. „Es ist gefährlich, nachts allein hier draußen herumzulaufen.“
„Gefährlich?“ Ich lachte bitter. „Ich bin auf deinem Anwesen, Lucien. Wer sollte mir hier etwas tun?“
Er blieb vor mir stehen, nur einen Atemzug entfernt. „Manchmal sind die größten Gefahren die, die man nicht sieht.“
Seine Worte ließen mir einen Schauer über den Rücken laufen. Ich wollte ihm widersprechen, ihn wegschicken, doch irgendetwas an seiner Nähe hielt mich fest. Sein Blick war intensiv und durchdringend, als würde er direkt in meine Seele sehen.
„Warum bist du hier?“ fragte ich schließlich mit leiser Stimme.
„Vielleicht, weil ich mir Sorgen mache,“ sagte er und in seinem Ton lag etwas, das mich aus dem Gleichgewicht brachte.
„Sorgen?“ Ich schnaubte. „Das glaube ich dir nicht.“
Er schwieg einen Moment, dann schüttelte er den Kopf. „Du verstehst es nicht, Mireya. Du verstehst nicht, in welcher Welt du dich jetzt befindest. Hier geht es nicht um Recht oder Unrecht. Es geht darum, zu überleben. Und manchmal bedeutet das, Dinge zu tun, die man nicht tun will.“
„Wie mich hier festzuhalten?“ fragte ich und meine Stimme zitterte vor unterdrückter Wut.
Er verzog das Gesicht, als hätte ich ihn getroffen. „Ich halte dich nicht fest, weil ich es will. Ich tue es, weil ich es muss.“
„Warum?“ drängte ich, meine Stimme nun lauter.
„Warum musst du das tun? Warum ich?“
Seine grauen Augen verdunkelten sich und für einen Moment dachte ich, er würde mir antworten. Doch dann wandte er den Blick ab und fuhr sich mit der Hand durch das zerzauste Haar.
„Manchmal ist es besser, nicht alles zu wissen,“ murmelte er.
Das brachte mich endgültig zum Explodieren. „Hör auf, dich hinter deinen Geheimnissen zu verstecken, Lucien! Wenn du wirklich glaubst, dass du mich beschützt, dann verdiene ich zumindest die Wahrheit!“
Er drehte sich wieder zu mir um und sein Blick war nun voller Emotionen, die ich nicht deuten konnte. Wut, Schmerz, vielleicht sogar Reue. Doch bevor er etwas sagen konnte, ertönte ein lautes Geräusch aus der Ferne, wie ein dumpfer Schlag.
Lucien erstarrte plötzlich und seine gesamte Haltung veränderte sich. Seine Augen wurden kalt und wachsam, seine Muskeln spannten sich an.
„Zurück ins Haus,“ befahl er, seine Stimme war nun scharf und befehlend.
„Was ist los?“ fragte ich, doch er ignorierte mich.
„Jetzt, Mireya!“ Er packte meinen Arm und zog mich mit sich, seine Schritte waren so schnell schnell, dass ich kaum hinterher kam.
Mein Herz schlug wie wild, während ich versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Irgendetwas stimmte nicht. Etwas war passiert und es war nicht gut.
Als wir das Haus erreichten, waren die Wachen in Alarmbereitschaft und ich spürte die Spannung in der Luft. Lucien ließ meinen Arm los und wandte sich an einen der Männer.
„Was ist passiert?“
„Ein Eindringling,“ antwortete der Mann knapp.
„Wir haben ihn noch nicht gefunden.“
Lucien fluchte leise, dann wandte er sich wieder zu mir.
„Bleib hier. Und geh nicht raus, egal was passiert.“
Bevor ich protestieren konnte, war er verschwunden und ich stand allein in der großen Eingangshalle.
Mein Atem ging schnell und meine Gedanken rasten.
Wer war der Eindringling?
Und was wollte er?
Eines war sicher: Diese Nacht würde alles verändern.
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