Kapitel 1

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𝙳𝚒𝚎 𝚉𝚎𝚞𝚐𝚒𝚗 𝚍𝚎𝚛 𝙽𝚊𝚌𝚑𝚝 

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𝐌𝐢𝐫𝐞𝐲𝐚

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Die Kälte der Nacht kroch durch die winzigen Ritzen des Fensters hinter der Theke und das leise Summen der Espressomaschine war das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach.

Das Café war fast leer.

Nur ein paar Nachtschwärmer saßen an verstreuten Tischen, in dass, das warme, gedämpfte Licht der alten Lampen gehüllt.

Die Uhr über der Theke zeigte kurz nach Mitternacht. Noch dreißig Minuten bis Feierabend.

Ich wischte gedankenverloren die Theke ab, ließ den Lappen über die glatte Oberfläche gleiten und versuchte, die Erschöpfung des Tages abzuschütteln.

Es war einer dieser Tage gewesen, endlose Vorlesungen, der Druck anstehender Prüfungen und eine Schicht, die sich wie Kaugummi zog.

Aber irgendetwas lag in der Luft, irgendetwas was sich nicht richtig anfühlte.

Ein war ein leises Ziehen in meiner Brust, eine seltsame Spannung, die mich nicht losließ.

„Mireya, mach die Maschine aus, wenn du fertig bist!" Lisas Stimme drang aus dem Hinterzimmer zu mir, wo sie schon dabei war, ihre Sachen zu packen.

Ich nickte, obwohl sie es nicht sehen konnte und wischte mir die Hände an der Schürze ab. Noch ein letzter Blick schweifte durch den Raum und nur ein Gast war übrig.

Er saß in der hintersten Ecke, halb verborgen im Schatten. Groß, mit breiten Schultern und einer Haltung, die fast zu aufrecht war, als würde er ständig auf der Hut sein.

Sein Gesicht lag im Halbdunkel, doch ich konnte das scharfe Profil seiner Wangenknochen und die festen Linien seines Kiefers erkennen. Dunkles Haar fiel ihm in die Stirn und seine Hände ruhten locker auf dem Tisch, als hätten sie nie etwas anderes getan.

Aber es waren seine Augen, die mich fesselten.

Grau, eiskalt und durchdringend. Sie schienen jedes Mal, wenn ich meinen Blick über den Raum schweifen ließ, direkt auf mir zu ruhen.

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich merkte, dass er mich nicht nur ansah. Nein er beobachtete mich.

Ich versuchte, das Gefühl zu ignorieren. Er war nur ein Kunde. Ein weiterer Fremder, der das Café verlassen würde, sobald ich abschloss.

Trotzdem blieb ich wachsam, meine Bewegungen waren etwas unruhiger, als ich die Espressomaschine reinigte.

Als ich schließlich näher trat, um ihn darauf hinzuweisen, dass wir bald schließen würden, hob er den Kopf. Sein Blick traf meinen und für einen Moment schien die Welt stillzustehen.

„Entschuldigen Sie, wir schließen gleich", sagte ich. Meine Stimme klang ruhiger, als ich mich fühlte.

Er nickte langsam, als hätte er diese Worte erwartet. „Natürlich." Seine Stimme war tief und weich, mit einem Unterton, der wie eine versteckte Warnung klang.

„Ich wollte nur die Ruhe genießen."

Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Also nickte ich nur und zog mich zurück, doch ich spürte, wie seine Augen mich weiterhin verfolgten.

Kurz darauf stand er auf, zog seinen Mantel über die Schultern und verließ das Café mit einer Eleganz, die nicht in diese staubige, alltägliche Welt zu gehören schien. Ich folgte ihm mit den Augen, bis er in der Dunkelheit der Straße verschwand.

Endlich war ich allein.

Ich atmete tief durch, schloss die Kasse ab und bereitete mich darauf vor, die Lichter zu löschen. Doch ein leises Geräusch ließ mich innehalten.

Draußen. Schritte. Langsam, schwer, als würde jemand zögern.

Ich trat näher zur Tür und spähte hinaus. Die Straße war fast leer, nur die flackernden Laternen warfen schwache Schatten auf den Bürgersteig.

Keine Spur von dem Mann zu sehen.

Ein nervöses Lächeln zuckte über meine Lippen. Wahrscheinlich war ich einfach übermüdet. Meine Fantasie spielte mir einen Streich.

Ich schloss das Café ab, zog die Kapuze meiner Jacke über den Kopf und machte mich auf den Heimweg. Der Wind schnitt eisig durch die Straßen und die Stille der Nacht schien mich zu umhüllen.

Normalerweise fühlte ich mich in meiner Nachbarschaft sicher. Die alten Gebäude wirkten wie vertraute Wächter, die über die Dunkelheit wachten. Doch heute Nacht war alles anders. Jeder Schatten schien tiefer, jede Bewegung in der Ferne bedrohlicher.

Dann hörte ich sie.

Stimmen. Gedämpft, aber klar. Eine Diskussion, die schnell in eine Drohung überging.

Mein Herz setzte einen Schlag aus und instinktiv suchte ich Deckung hinter einer Hausecke.

Vorsichtig lugte ich hervor.

Drei Männer standen dort, ihre Gestalten waren halb verborgen im Schatten. Zwei von ihnen wirkten angespannt und aggressiv, ihre Stimmen waren scharf. Der dritte Mann hingegen strahlte eine fast unheimliche Ruhe aus.

Es war der Fremde aus dem Café.

Lucien Esposito erschien plötzlich in meinem Kopf.

Woher ich seinen Namen kannte, wusste ich nicht. Aber er schien so selbstverständlich wie die Dunkelheit um uns herum. Er stand ruhig da, die Hände in den Taschen seines Mantels, während die anderen gestikulierten. Worte wie „Lieferung" und „Rache" drangen an mein Ohr und zerschnitten die Stille der Nacht.

Dann geschah es.

Einer der Männer zog eine Waffe.

Mein Atem stockte und meine Beine fühlten sich an, als wären sie aus Blei.

„Lauf!" schrie eine Stimme in meinem Kopf, doch ich konnte nicht. Ich war wie gefesselt, meine Augen waren zu sehr auf die Szene vor mir fixiert.

Lucien bewegte sich blitzschnell. Wie ein Schatten, der durch die Dunkelheit schnitt. Ein Schuss hallte durch die Nacht, gefolgt von einem erstickten Schrei.

Dann war es still.

Ich wich zurück, das Herz hämmerte in meiner Brust. Doch in diesem Moment drehte sich Lucien um.

Seine Augen trafen meine.
Grau. Eiskalt. Durchdringend.

Und ich wusste: Er hatte mich gesehen.

Langsam trat er aus dem Schatten hervor, jeder seiner Schritt war kontrolliert und bedrohlich. Nicht die hastige Bewegung eines Mannes, der bei einem Mord erwischt worden war, sondern die eines Jägers, der wusste, dass seine Beute keine Chance hatte.

„Du solltest nicht hier sein", sagte er leise und seine Stimme wie ein Messer, das durch die Stille schnitt.

Ich wollte weglaufen, doch meine Beine gehorchten mir nicht. Seine Augen hielten mich fest, wie Fesseln, die ich nicht sprengen konnte.

Die Dunkelheit der Nacht schien sich um mich zu schließen und mit ihr die unausweichliche Erkenntnis:

Meine Welt würde nie wieder dieselbe sein.

Ich wollte laufen. Mein Kopf schrie es, immer und immer wieder, wie ein verzweifelter Befehl. Doch meine Beine gehorchten nicht. Sie waren wie festgewachsen, steif vor Angst, während mein Herz wild gegen meine Rippen hämmerte.

Jeder Atemzug schmerzte, flach und unregelmäßig, als hätte die Nacht selbst mir die Luft geraubt.

Er hatte jemanden getötet. Ich hatte es gesehen. Und jetzt... jetzt würde er mich nicht am Leben lassen.

Lucien machte einen weiteren Schritt auf mich zu. Langsam, mit einer Ruhe, die mich mehr erschreckte als jede hastige Bewegung. Seine grauen Augen hielten mich gefangen, als wären sie ein Netz, das mich nicht entkommen ließ.

„Bleib ruhig." Seine Stimme war tief, schon fast sanft und doch schwang darin eine Kälte mit, die mir unter die Haut kroch. Sie schien nicht dazu gedacht, mich zu beruhigen, sondern mich einzuschüchtern.

„Du solltest jetzt nicht weglaufen."

Ich schluckte schwer, mein Mund war trocken. „Ich... ich habe nichts gesehen..." Meine Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, brüchig und voller Angst.

Ein leises Lächeln zuckte über seine Lippen, doch es war alles andere als freundlich. Es war ein Lächeln, das mehr versprach, als ich ertragen konnte.

„Das glaube ich dir nicht."

Hinter ihm bewegten sich die anderen Männer, die beiden Gestalten, die wie Schatten im Dunkeln lauerten. Der breitere von ihnen, mit einem kantigen Gesicht und Augen, die vor Brutalität glitzerten, trat vor.

„Was sollen wir mit ihr machen?" Seine Stimme war rau, als hätte er jahrelang nur geschrien oder Befehle gebrüllt.

Lucien hob die Hand, eine langsame, kontrollierte Geste, die alles zum Stillstand brachte.

„Nichts. Noch nicht."

Noch nicht. Die Worte hallten in meinem Kopf wider, eine schreckliche Vorahnung, die meine Knie weich werden ließ.

Lucien war jetzt direkt vor mir, keine zwei Schritte entfernt. Seine Präsenz war überwältigend, als würde die Dunkelheit um ihn herum dichter werden, je näher er kam.

Er beugte sich leicht vor, seine Augen bohrten sich in meine und ich fühlte mich, als könnte er bis in meine Seele sehen.

„Wie heißt du?" Seine Stimme war ruhig, beinahe neugierig, doch sie ließ keinen Raum für Lügen oder Ausflüchte.

„Mireya. " Mein Name war kam kaum hörbar über meine Lippen, es war nur ein leises Flüstern, das die Kälte der Nacht kaum durchdrang.

Lucien wiederholte ihn, langsam, als würde er ihn auf der Zunge schmecken. „Mireya." Es klang fast wie ein Urteil. „Weißt du, was mit Leuten passiert, die zur falschen Zeit am falschen Ort sind?"

Mein Mund öffnete sich, doch kein Ton kam heraus. Die Worte blieben in meiner Kehle stecken, während mein Verstand panisch versuchte, eine Antwort zu finden, die mich retten könnte.

Lucien neigte leicht den Kopf, als würde er auf meine Reaktion warten. Schließlich sprach er selbst weiter, seine Stimme war leise, schon fast zärtlich:

„Sie verschwinden. Und niemand fragt nach ihnen."

Die Luft schien aus meinen Lungen gepresst zu werden. Mein Herz setzte einen Schlag aus und die kalte Realität traf mich mit voller Wucht. Er würde mich verschwinden lassen. Hier und jetzt.

„Bitte... ich sage nichts. Ich habe nichts gesehen." Meine Stimme zitterte, Tränen stiegen mir in die Augen. Ich war nicht bereit zu sterben.

Nicht so. Nicht heute.

Lucien hielt inne, seine Augen verengten sich. Einen Moment lang glaubte ich, etwas in seinem Blick zu sehen. Zweifel? Neugier? Oder war es nur ein weiteres Spiel? Dann wandte er sich an die Männer hinter sich.

„Bringt sie weg."

„Was? Nein! Bitte!" Panik überflutete mich, als der kleinere Mann, drahtig und mit schnellen Bewegungen, auf mich zukam. Seine Finger packten meine Arme mit einer Stärke, die ich nicht erwartet hatte.

„Komm schon, Kleine", sagte er, seine Stimme schneidend. „Du hast genug gesehen."

Ich wand mich in seinem Griff, trat um mich, mein Körper erfüllt von purem Adrenalin. „Lasst mich los!" Meine Stimme war schrill und voller Verzweiflung.

Lucien stand regungslos da und beobachtete mich. Seine grauen Augen waren unergründlich, kalt wie Stein. Ich sah keine Gnade in ihnen, nur eine unerschütterliche Kalkulation.

„Ruhe!" Der Mann neben mir zischte die Worte, doch ich konnte nicht aufhören. Ich musste es versuchen. Ich musste entkommen.

„Genug." Luciens Stimme schnitt durch die Nacht wie ein Messer. Alles wurde still. Selbst die Luft schien den Atem anzuhalten.

Ich keuchte, mein Blick voller Wut und Angst auf ihn gerichtet. „Ich werde mich nicht beruhigen!" rief ich, meine Stimme bebte. „Ich bin kein Spielzeug, das ihr einfach wegwerfen könnt!"

Luciens Augen verengten sich, als würde er mich neu bewerten. Dann trat er einen Schritt näher, so nah, dass ich den schwachen Duft seines Parfums wahrnehmen konnte, eine Mischung aus Rauch, Leder und etwas Dunklem, das mich an Gefahr erinnerte.

„Du bist mutiger, als du aussiehst", sagte er leise, fast anerkennend. „Aber Mut bringt dich nicht weit in dieser Welt."

Ich starrte ihn an, meine Brust hob und senkte sich heftig. „Bitte... ich wollte das alles nicht. Ich will nur nach Hause."

Ein kaltes Lächeln huschte über sein Gesicht.

„Zu spät."

Er richtete sich wieder auf und wandte sich an den breiten Mann. „Aric, bringt sie ins Auto. Wir können sie nicht hier lassen."

„Wohin bringen wir sie?" Aric zog eine Augenbraue hoch, als wäre das nur ein weiterer Job für ihn.

Lucien zögerte, als würde er einen Plan abwägen. Schließlich sagte er: „In die Villa. Ich entscheide später, was mit ihr passiert."

Mein Blut gefror.
Die Villa.
Ein Ort, aus dem ich womöglich nie wieder herauskommen würde.

„Nein! Bitte..." Ich trat und wand mich erneut, doch Aric war stärker. Er zog mich mühelos über den Bürgersteig zu einem schwarzen Wagen, der unauffällig in der dunklen Seitengasse parkte.

Ich warf einen letzten Blick zurück. Lucien stand noch immer dort, die Hände in den Taschen seines Mantel und seine Augen unverwandt auf mich gerichtet.

Unbeweglich und Unergründlich.

Dann wurde ich in das Auto gestoßen, die Tür fiel zu und mit einem sanften Klicken wurde mein Schicksal besiegelt.

Der Motor brummte auf und das Auto setzte sich in Bewegung. Die Lichter der Straße verschwanden hinter uns und mit ihnen jede Hoffnung, die ich noch gehabt hatte.

Ich war allein.

Gefangen in einer Welt, die ich nicht kannte und in einer Nacht, die niemals enden wollte.

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