Frauen in Romanen
Ich habe lange überlegt, wie ich diesen Text am besten angehen sollte. Ob es sinnvoll wäre, sich vorher ein langes Konzept zu machen, zu recherchieren und genau zu überlegen, was ich eigentlich sagen will. Aber dann würde ich in einem Monat immer noch nichts aufs Papier gebracht haben, also was solls – gehen wirs einfach an.
Passend zum internationalen Frauentag haben sich meine Gedanken um Frauen(rollen) in Romanen gedreht. Es ist heutzutage unheimlich schwierig, beim Schreiben von Büchern niemanden zu diskriminieren oder diskreditieren, keine falschen Vorstellungen zu vermitteln, nichts zu verherrlichen oder zu übertreiben, und trotz allem eine gute Geschichte mit authentischen Charakteren zu erzählen. Kurz: Es war schon immer unmöglich, es allen recht zu machen. Aber in unserer Zeit und Gesellschaft ist es noch komplizierter geworden. Der Gedanke beschäftigt mich schon eine Weile. Es ist ein Drahtseilakt zu schreiben, glaube ich. Jedenfalls dann, wenn man sich bewusst macht, dass man letztlich auch mit Unterhaltungsliteratur gewisse Werte, Normen und Vorstellungen vermittelt. Bücher können Vorreiter sein; zeigen, wie eine bessere, gerechtere Welt aussehen könnte. Aber sie können ebenso indirekt dazu beitragen, bestehende Zustände zu vertiefen.
Ich glaube, es ist unnötig zu sagen, dass die Gleichberechtigung der Frau in Büchern ebenso wenig vollständig vorhanden ist wie in der Realität. Mein erster Gedanke bei diesen Überlegungen war Freude, weil mir trotz allem viele starke Protagonistinnen und wichtige Frauenrollen in Romanen eingefallen sind. Es gibt sie. Noch nicht in derselben Menge wie ihre männlichen Kollegen, aber wir wollen erst einmal das Positive sehen. Der Trend zu selbstbewussten Frauen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen und nicht von Männern abhängig sind, steigt meiner Wahrnehmung nach seit Jahren beständig an. Ich behaupte von mir selbst, meinen Büchern Protagonistinnen zu geben, die definitiv mehr sind als hübsche Begleitungen der männlichen Charaktere. Super Sache. Bis ich länger darüber nachgedacht habe.
Es ist fantastisch, dass es diese starken Protagonistinnen gibt. Aber das ändert nichts daran, dass sie (zumeist) in einer von Männern dominierten Welt leben. Dass die Mächtigen ihrer Welten Männer sind. Dass ihre Gegenspieler Männer sind. Dass der Großteil ihres Umfelds – wer hätte es gedacht – Männer sind. Und da schließe ich meine eigenen Bücher ausdrücklich mit ein.Ich frage mich, wo in all diesen Geschichten die Frauen sind. Ja, die weiblichen Protagonistinnen natürlich. Aber oft scheint es das schon gewesen zu sein. Andere Frauenrollen werden eher pflichtschuldig abgehandelt – getreu dem Motto: Eine Mutter sollte es wohl geben, vielleicht auch noch eine beste Freundin, Schwester oder eine Partnerin des männlichen Protagonisten. Die lassen wir gelegentlich auftauchen, aber wirklich Tiefe brauchen sie nicht.
Das heißt nicht, dass diese Bücher schlecht sind. Ich habe gerade die Unsterblich Reihe von Julie Kagawa beendet (sehr zu empfehlen), und jetzt, als ich mich mit dem Thema beschäftigt habe, ist mir aufgefallen, dass die Frauen hier äußerst spärlich vertreten sind. Die Protagonistin Ally ist fantastisch, aber da hört es auch schon auf. Alle anderen halbwegs wichtigen Charaktere sind Männer. Versteht mich bitte nicht falsch. Ich habe all diese Charaktere ins Herz geschlossen, mit ihnen gelacht und mehrmals(!) mit ihnen geweint. Es ist eine wirklich wundervolle Reihe. Nur unter dem feministischen Aspekt betrachtet eben nicht.
Und so geht es mir mit vielen Büchern. Ich glaube, oftmals steckt ein gewisses Konzept dahinter, das sich in der Vergangenheit bewährt hat und deshalb von Autoren wiederverwendet wird.Erstes Beispiel: Das Trio. Wirklich spannend, wenn man erstmal einen Blick dafür entwickelt. Es gibt in vielen Geschichten ein gewisses Trio aus Charakteren – manchmal mit romantischen Beziehungen untereinander, aber nicht immer – und in der Regel steht das Verhältnis von Männern zu Frauen dabei 2:1. Die einzelne Frau ist wieder eine von den starken Charakteren, keine Frage. Aber das Verhältnis bleibt trotzdem 2:1. Da hätten wir zum Beispiel:
- Harry Potter: Harry, Ron und Hermine
- Percy Jackson: Percy, Grover und Annabeth
- Chroniken der Unterwelt: Clary, Jace und Simon (obwohl das Trio hier durch Isabelle, Alec und Magnus erweitert wird – wobei sich das Verhältnis aber nicht ändert)
- Tribute von Panem: Katniss, Peeta und Gale
- Lockwood & Co. (nicht ganz so bekannt, glaube ich): Lucy, Lockwood und George
- mein eigenes aktuelles Projekt: Charlie (Charlotte), Liam und Jack
Zweites Beispiel: Mentoren. Wer sich ein bisschen mit Erzähltechniken beschäftigt, weiß, dass es oft einen Mentor gibt, der den Protagonisten über das Buch hinweg begleitet, ihm hilft etc. Auch hier auffällig: Diese Mentoren sind in den meisten Fällen Männer. Beispiel:
- Harry Potter: Ganz klar Dumbledore
- Tribute von Panem: Haymitch
- Unsterblich Reihe: Kanin
- Eragon: Brom
Auf Anhieb fällt mir kein Buch ein, in dem es einen weiblichen Mentor gibt. Vielleicht lässt mich mein Gedächtnis einfach nur gerade im Stich, aber dass mir dafür viele männliche einfallen, zeigt schon deutlich, dass sie in der Überzahl sind.
Es gibt mit Sicherheit noch weitere dieser Muster, aber auf die will ich jetzt nicht eingehen. Stattdessen habe ich mich gefragt, was denn eigentlich die (eher wenigen) starken Frauen in Büchern ausmacht. Ich habe mich auf drei Kategorien beschränkt, die meiner Meinung nach stärker von Frauen besetzt werden sollten.
1. Helden
2. Bösewichte
3. Machthaber
Heldinnen gibt es noch mehr als die anderen beiden Kategorien, aber insgesamt sind hier trotzdem weniger Frauen als Männer vertreten – obwohl gerade die für mehr Gleichberechtigung wichtig sind.
Da ich mich nicht ausschließlich auf meine eigene Wahrnehmung verlassen wollte, habe ich auf Instagram gefragt, welche Frauen aus Büchern meinen Followern so auf Anhieb zu den einzelnen Kategorien einfallen. Das Ergebnis war wirklich interessant.
Heldinnen:
- Tea aus „The Bone Witch"
- Katelyn aus „Der Fluch der Hexen" (danke übrigens dafür!)
- Hermine aus „Harry Potter" (4 Mal genannt)
- spontan fällt mir ehrlich gesagt keine ein
- Jeanne D'Arc (eine historische Persönlichkeit)
- Ronja Räubertochter- Katniss Everdeen aus „Tribute von Panem" (3 Mal genannt)
- Animant aus „Staubchronik"- Beatrice Prior aus „Die Bestimmung"
- Renne Gerber & Leesha Papiermacher aus Peter V. Brett's Dämonen-Saga
- keine bestimmte, aber die Frauen aus bürgerlichen Trauerspielen
- Gwen aus „Rubinrot"
- Pippi Langstrumpf
- Luna Lovegood aus „Harry Potter"
- Arya aus „Game of Thrones"
- Fanny Price aus „Mansfield Park"
- Elena aus den Gildenjäger-Romanen von Nalini Singh
Ich kenne nicht alle genannten Bücher und damit auch nicht alle Charaktere. Was auffällt, ist dass Hermine und Katniss mehrmals genannt wurden. Das kann daran liegen, dass ihre Bücher die bekanntesten sind, aber ich finde, dass die beiden auch gut die typischen Heldinnen in Büchern repräsentieren.
Zum einen die vernünftige, schlaue, talentierte Hermine.
Zum anderen die Anti-Heldin Katniss, die eigentlich nur ihre Schwester retten wollte.
Außerdem noch Gwen aus Rubinrot und Tris aus „Die Bestimmung", die gewissermaßen vom Mauerblümchen zur Heldin werden.
Und natürlich Badass-Arya aus Game of Thrones.
Der Trend liegt meiner Einschätzung nach vor allem bei Anti-Heldinnen wie Katniss (und Ally aus der Unsterblich Reihe, wenn ich schon so oft darüber rede), die anderen Kategorien sind aber auch gut vertreten. Ich denke, bei den Heldinnen gibt es mittlerweile schon eine große Vielfalt, weswegen ich mich hier nicht lange aufhalten will. Die anderen Kategorien sind noch spannender.
Weibliche Bösewichte:
- Königin Elara aus „Die rote Königin"
- Stiefmütter (2 Mal genannt), Hexen, fiese Lehrerinnen
- Cersei Lannister aus „Game of Thrones"
- Mathilde von Zahnd aus „Die Physiker"
- Elizabeth Woodville (historische Persönlichkeit aus den Rosenkriegen)
- die Stiefmutter von Schneewittchen
- Bellatrix Lestrange aus „Harry Potter" (3 Mal genannt)
- Amma aus „Sharp Objects"
- die Strippen ziehende Tante
- Dolores Umbridge aus „Harry Potter" (2 Mal genannt)
- Ava Paige- Cruella de Vil „aus 101 Dalmatinier"
- Lilith aus Chroniken der Unterwelt
Auch hier kenne ich nicht alle, aber doch mehr als bei den Heldinnen – was auch daran liegen könnte, dass hier weniger Charaktere genannt wurden. Mir ist direkt aufgefallen, dass hier neben konkreten Personen auch Stereotypen wie die Stiefmutter gefallen sind.
Spannend ist auch, dass viele der genannten sich auch in die Kategorie Frauen an der Macht einordnen lassen – aber ich glaube, das liegt im Wesen der Bösewichte. Ein mächtiger Bösewicht ist eindrucksvoller und gefährlicher als der Normalsterbliche.
Bellatrix und Umbridge aus Harry Potter wurden hier mehrmals genannt. Mit Cersei, Elizabeth Woodville und Königin Elara sind drei Königinnen genannt worden, außerdem ist die Stiefmutter aufgetaucht. Über Cruella de Vil habe ich mich übrigens auch gefreut.
Mal ganz davon abgesehen, dass es offenbar nicht besonders viele weibliche Bösewichte gibt, finde ich das Profil der genannten spannend.
Bellatrix ist eine fanatische, verrückte Anhängerin von Voldemort. Cersei, Elizabeth Woodville und Königin Elara sind offensichtlich darauf aus, ihre Macht zu sichern. Cruella de Vil, Umbridge und die Stiefmütter sind meiner Meinung nach einfach nur böse.
Was heißt das also für uns Autoren? Müssen wir machtbesessene weibliche Antagonisten schreiben oder welche, die schlichtweg böse sind, ohne einen tieferen Sinn dahinter? Müssen wir, wenn wir wollen, dass die Leser die Antagonisten ein Stück weit mögen, unbedingt Männer wählen? Weil die nun mal die „besseren", die coolen, düsteren Bösewichte abgeben, deren Motive und Pläne einen trotz allem beeindrucken? Weibliche Antagonisten scheinen oft auch aus dem Hintergrund zu arbeiten – warum eigentlich?
So viele Fragen, und keine konkreten Antworten.
Frauen an der Macht:
- Tea aus „The Bone Witch"
- Mare Barrow und Königin Elara aus „Die rote Königin"
- spontan fällt mir dazu nichts ein
- Maria Stuart (historische Persönlichkeit)
- wieder Elizabeth Woodville- Cersei Lannister aus „Game of Thrones"
- Amy aus „Gone Girl"
- America aus „Selection"
- Arya aus „Eragon"- Präsidentin Coin aus „Tribute von Panem"
- zu viele (die Antwort fand ich übrigens sehr interessant)
- Daenerys aus „Game of Thrones"
Wie schon gesagt, tauchen hier auch ein paar der Frauen aus der vorigen Kategorie auf. Präsidentin Coin symbolisiert meiner Meinung nach eine typische Seite von mächtigen Frauen – die Angela Merkel Seite. Die eben nicht die (angeblich) typisch weiblichen Charaktereigenschaften mit sich bringt, sondern genauso ruhig, überlegt, berechnend und abschätzend handelt wie ihre männlichen Kollegen. Was aber nicht von allen gern gesehen wird. Bei Männern wird ein solches Verhalten oft positiv wahrgenommen, während Frauen dann schnell als kalt bezeichnet werden.
Cersei zeigt für mich die andere Seite. Die, auf der mächtige Frauen leidenschaftlich um das kämpfen, was ihnen wichtig ist, dabei vor keinen Mitteln zurückschrecken, und sich trotz allem auch ihre verletzliche Seite bewahrt haben. Cersei ist aber auch bei den Bösewichten aufgetaucht. Bedeutet das, dass derart mächtige Frauen grundsätzlich in Büchern auf der gegnerischen Seite stehen müssen? Oder müssen sie doch kühl und berechnend sein, um ihnen überhaupt erst Macht zuzugestehen?
Ich habe noch keine Antworten auf diese Fragen gefunden. Das Ganze sind natürlich rein subjektive Beobachtungen, aber ich finde sie trotzdem so interessant, dass ich sie mit euch teilen wollte. Rollenklischees sind generell immer noch ein Problem (das auch Männer betrifft! Aber dazu vielleicht ein anderes Mal mehr), das uns noch eine ganze Weile beschäftigen wird. Ich für meinen Teil werde auf jeden Fall ab jetzt genauer drauf achten, wem ich welche Rolle in meinen Büchern zuteile. Ein weiblicher Mentor wäre zum Beispiel ein guter (und vergleichsweise leicht umzusetzender) Anfang.
Ansonsten möchte ich in Zukunft versuchen, überhaupt mehr Frauen einzubauen. Wir machen immerhin die Hälfte der Bevölkerung aus – warum sollten wir das nicht auch in Büchern tun?
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