Darf ich das?

Es gibt oft Situationen, in denen wir Entscheidungen treffen müssen. Entscheidungen, die uns nicht immer leicht fallen, zwischen Ja und Nein, Freude und Trauer, Pest und Cholera.

Ich hasse solche Entscheidungen.

Ich hasse sie, weil mir ein vielleicht so viel lieber wäre als zwischen dem harten ja und nein wählen zu müssen.

Es wäre einfacher, wenn solche Entscheidungen nur uns betreffen würden. Merkwürdig, oder? Sobald andere ins Spiel kommen, fange ich an zu zögern, überlege dreimal, ob ich das wirklich tun sollte, ob das richtig ist.
Zusätzlich zu den zehn Mal, die ich sowieso schon über so etwas nachdenke.

Und irgendwo zwischen dem ganzen Nachdenken taucht die Frage auf: darf ich das? Darf ich etwas für jemand anderen entscheiden, ohne ihm die Chance zu lassen, das selbst zu tun? Darf ich andere vor vollendete Tatsachen stellen, weil ich der Meinung bin, dass das besser für sie ist? Ist das fair?
Darf ich entscheiden, jemandem eine schmerzhafte Operation aufzuerlegen, um seine eiterende Wunde zu entfernen? Darf ich einen großen Schmerz zufügen, um viele kleine auf lange Zeit zu verhindern?

Es fühlt sich anmaßend an.
Wer kann schon sagen, ob man die richtige Entscheidung trifft? Richtig, aus der Sicht des Betroffenen.
Ich frage mich, ob es besser wäre, anders zu handeln. Die Entscheidung und daraus folgende Verantwortung abzugeben, selbst wenn es auf dasselbe Ergebnis hinauslaufen würde.
Manchmal ist es leichter, wenn man selbst über Dinge entscheidet, die einen betreffen. Von daher sollte man solche Entscheidungen vielleicht wirklich jenen überlassen, die am Ende am meisten davon betroffen sind.
Auf der anderen Seite kann es angenehm sein, von der Entscheidung befreit zu werden. Dann ist man auch die Verantwortung los. Verantwortung, mit der bei mir oft Zweifel kommen. Kleine, hinterlistige Biester, die sich langsam unter die Haut schleichen und sich in Kopf und Herz einnisten. Die beständig etwas von was mal war und was wäre wenn flüstern. Solange, dass ich selbst anfange, es zu glauben, mich zu fragen, ob ich die falsche Entscheidung getroffen habe.
Unabhängig davon, wie viele gute Gründe im vornherein existierten, genauso und nicht anders zu entscheiden.

Es ist ein Kreislauf. Denn sobald die Zweifel stark genug sind, steht man wieder vor einer Entscheidung. Manchmal hat man Glück, kann die rückgängig Taste drücken. Oder man hat eben Pech, ist in einer Einbahnstraße gelandet, in der man höchstens mit hohem Risiko zurück kann. Entweder kommt man unbeschadet an - oder man hinterlässt Chaos und Zerstörung, weil die Umkehr eigentlich nicht vorgesehen ist.

Verrückt, das alles. Am besten wäre es wohl, wenn immer alle, die von einer weitreichenden Entscheidung betroffen sind, gemeinsam darüber nachdenken, was die beste Lösung ist. Logisch betrachtet, müsste es jeder auf diese Art machen. Als Edward Bella verlassen hat, um sie zu schützen, habe ich mich gefragt, warum er nicht mit ihr redet und das Problem anders löst. Dasselbe habe ich bei unzähligen anderen Büchern und Filmen gedacht.
Irgendwie habe ich angenommen, dass das wohl dazu gehört. Dass das nötig ist, um Spannung zu schaffen. Dass niemand im echten Leben so handeln würde. Aber das stimmt nicht. Ich frage mich, wie viele Menschen ihre Konflikte und Sorgen mit sich allein ausmachen. Oder zumindest einen Teil davon.
Viele, glaube ich. Vielleicht sogar die Mehrheit.

Ich versuche, es anders zu machen. Zu lernen, dass ich das nicht allein schaffen muss. Aber es ist noch ein langer Weg dahin. Bis dahin werde ich nach jeder Entscheidung, auf die ich keine eindeutige Antwort weiß, zweifeln. Zweifeln, und mich fragen, ob es ein Paralleluniversum gibt, in dem ich anders entschieden habe. Und was es geändert hätte.

Life's not fair, is it? 

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