Hüterin der Schriftrollen

Papier. Es raschelte unter meinen Händen, während ich andächtig über die Seiten meines Lieblingsbuches strich. Es war alt. Genauso wie ich. Doch sah man mir mein Alter nicht an.

Seit Jahrtausenden wandelte ich nun auf dieser Welt. Mein kupferrotes, glattes Haar floss meinen Rücken herunter und ich kuschelte mich tiefer in meinen warmen Mantel, welcher aus mehreren Lagen Stoff bestand.

Die Winter in Sambelania waren kalt. Meine stahlgrauen Augen, welche einmal marineblau gewesen waren, konzentrierten sich weiter auf die geschwungenen Buchstaben meines Buches. Der blaue Einband schmiegte sich sanft in meine Handinnenfläche.

Und obwohl ich es liebte zu lesen, war ich nicht mehr glücklich. Nein..., ich wandelte schon zu lange auf dieser Welt. Meine Augen hatten Imperien auf- und untergehen gesehen. Mein Herz hatte Menschen geliebt und verloren. Außer meinen Büchern war mir nichts geblieben. Denn nichts war für die Ewigkeit gemacht.

Ich war bereit diese Welt zu verlassen. Ja, ich hatte den Körper einer Zwanzigjährigen, aber mein Geist war viel, viel älter. Nur ein jahrtausendealter Schwur, band mich an das Hier und Jetzt, an meinen Körper.

Aber sobald ich diesen erfüllen würde, würde ich eins mit meinen Werken werden. Doch noch war es nicht soweit. Zuallererst musste ich die neue Hüterin finden.

Die neue Hüterin der Schriftrollen. In der heutigen Zeit musste einfach jedes Werk, alles Wissen geschützt werden, denn die Bewohner dieser Welt wurden immer unruhiger und gefährlicher.

Sie vergessen alle wichtigen Werte und zerstören sich nach und nach selbst. Und damit auch uraltes, wichtiges, mächtiges Wissen. Aber dafür gibt es uns: Die Hüterinnen der Schriftrollen. 

Wir retten und bewahren jedes Buch, was jemals geschrieben wurde und heben es für diejenigen auf, die noch bereit sind zu lernen und etwas zu verändern. Leider werden es immer weniger. 

Dennoch werden wir Hüterinnen alles Wissen weiter beschützen und darauf warten, dass die Kämper und Kämpferinnen dieser Welt es einfordern, um uns alle zu retten. 

Ein lautes Klingeln riss mich aus meinen grüblerischen Gedanken. Mein Kopf schoss in die Höhe. Schon lange hatte es keiner mehr geschafft in die Bibliothek von Arixaria, in mein Zuhause zu kommen. 

Schwungvoll erhob ich mich aus meinem  gemütlichen, mintgrünen Sessel. Wer hat es gewagt die heiligen Hallen des Wissens ohne meine ausdrückliche Erlaubnis zu betreten?! Arixaria stand nicht jedem offen zur Verfügung! 

Kaum eine Seele, außer die einer Hüterin oder eines Hüters hatte bisher einen Weg hinunter gefunden. Denn Arixaria lag inmitten einer Eiswüste gut verborgen unter Massen von Schnee und einem mächtigen Zauber, der verhindern sollte, dass Leute einen Weg hierher finden, welche den Schriftrollen und Büchern schaden wollen.

Und nichtsdestotrotz hatte es scheinbar jemand geschafft. Der Stoff meines roten Kleides, schleifte über den Boden, während meine Absätze laut klapperten. Wer auch immer hier war, sollte wissen, dass er nicht alleine war. 

Und falls er den Werken schaden wollte, würde er die spitzen Klingen, die unter den Falten meines Kleides verborgen waren, zu spüren bekommen. Es hat durchaus seine Vorteile, wenn die Farbe deines Kleides schon blutrot ist. 

Ich schoss um die nächste Ecke und... stoppte verdutzt. Vor mir stand ein junges Mädchen, welche sehr verzweifelt und ängstlich wirkte. Kurz ließ ich meinen Blick über sie gleiten.

Ihre Füße steckten in dicken, braunen Stoffschuhen und sie war über und über mit Schnee bedeckt. Passend zu ihren Schuhen trug sie eine Hose, die vermutlich aus dem Fell eines Tieres gemacht worden war, welches in dieser Gegend lebte. Vermutlich ein Puei.

Die Pueis gab es in dieser Gegend zu genüge. Sie ähnelten von der Gestalt sehr der eines Eisbärens, jedoch waren sie so schnell wie ein Puma, was sie zu gefährlichen und tödlichen Jägern machte. 

Ja, die Menschen hier jagten sie, jedoch immer nur so viel, wie sie brauchten. Sie schützen das Leben und ehren es. Und nicht allzu selten, wird auch einer der Jäger zum Opfer, wenn die Pueis sie überlisten. Aber ich schweifte zu weit ab. 

Meine Augen musterten kritisch das Mädchen. Sie schien gut gebaut, aber nicht dick zu sein, jedoch konnte ich dies unter den ganzen Stoffmassen, welche ihren Mantel bildeten, kaum erkennen. Handschuhe trug sie seltsamerweise keine. 

Ihren Hals zierte ein Schal und auf ihrem Kopf thronte eine weiße Mütze, mit einem schwarzen Pommel. Unter dieser lugten ein paar dunkelblonde Strähnen entgegen und zwei jadegrüne Augen schauten mich ängstlich an.

Und dennoch konnte ich für einen kurzen Augenblick etwas in diesen aufblitzen sehen. Da traf es mich , wie ein Schlag: Nicht ich hatte die neue Hüterin der Schriftrollen gefunden, sondern sie mich!

Die Bibliothek musste sie gerufen haben! ,,Entschuldigen Sie, Miss. Ich... ich suche einen Platz zum Schlafen. Bitte, nur eine Nacht. Seit Tagen wandere ich durch das Livianengebirge und mit ist so kalt und ich bin so müde...", erklärte sie mir und blickte mich hoffnungsvoll an. 

Natürlich konnte sie hier bleiben! Sie musste es sogar! Hatte die Bibliothek einen einmal gerufen und war man diesem Ruf gefolgt, hatte sich die Hüterin oder der Hüter, welche in uns allen schlummerte, unbewusst dazu bereit erklärt, dass hier seit Jahrtausend lagernde, alte Wissen zu beschützen.

Und sie war diesem Ruf gefolgt. Sie wusste es nur noch nicht. Ich hatte damals, als ich gerufen worden war, auch nichts von alldem erahnt und dennoch... Mein Leben als Hüterin war eine wundervolle, aber auch grausame Zeit gewesen. Trotz dessen hätte ich es immer wieder gewählt.

Schließlich erwählte man uns nicht ohne Grund. Nein, unsere Seelen waren so sehr mit den der Bücher verbunden, dass wir automatisch ihre Wächterinnen oder Wächter werden mussten. 

Ein leises Schluchzen zog mich aus meiner Gedankenwelt zurück. Sofort richteten sich meine Augen wieder auf das Mädchen, welches um die sechszehn Jahre alt sein musste.  ,,Wie lautet dein Name?"

Ich schaute sie warm an, jedoch zeigte meine Stimme, dass ich eine Antwort erwartete. ,,Ki...., Kiara, Miss." 

,,Nun gut, Kiara. Ich biete dir nicht nur ein Bett und etwas zu Essen für die Nacht an, sondern ich mache dir zudem noch das Angebot, dass du hier eine Weile länger bleiben darfst. Hast du noch eine Familie, Kiara?" 

Dieser Punkt war entscheidend. Die Bibliothek rief eigentlich nur Waisenkinder. Alles andere wäre zu grausam! Neben den stahlgrauen Augen, welche jeder Hüterin oder jeder Hüter nach der Anerkennung ihrer oder seiner Rolle bekommt, war dies ein weiteres Indiz für ein Wächterin oder einen Wächter. 

Kiara straffte die Schultern und schaute mich grimmig an. ,,Nein, Miss." Und da war das, was ich gesucht hatte. In ihr brannte ein Feuer, welches nur wir Hüterinnen oder auch Hüter hatten.

,,Entschuldige, die Dreistigkeit meiner Frage." Nun war auch meine Stimme warm. ,,Nimmst du mein Angebot an?" Sie schien zu überlegen, doch dann hatte sie einen Entschluss gefasst. ,,Ich nehme Ihr Angebot an, Miss...?"

,,Torilia. Mein Name ist Torilia." Sie dachte vermutlich, dass sie diesen mystischen Ort bald wieder verlassen würde, doch es würde ihr neues Zuhause, ihr eigens Königreich werden. Ihr stand ein langes, aufregendes Leben bevor, welches sowohl von Glück als auch von Trauer geprägt sein würde.

Meine Aufgabe, meine letzte Aufgabe, würde es sein Kiara zu einer wahren Hüterin der Schriftrollen zu machen. Und danach, ja danach konnte ich endlich mit meinen Schriftrollen, meinen Büchern eins werden.

Hey!👋🏻

Ich hoffe, ihr seid alle gesund und noch einmal möchte ich alle ganz herzlich in meinem neuen Buch begrüßen!🥳🥳🥳

Und hiermit bekommt ihr endlich die erste Kurzgeschichte von " Gedankenmalerei" zu Gesicht!🥳🥳🥳

Ich hoffe, sie gefällt euch!🙈

Wie fandet ihr sie im Allgemeinen?😅

Hat euch die Ausarbeitung von Sambelania gefallen?🤨

Was sagt ihr zu den Charakteren?🤔

Wer fand die Pueis auch so interessant?🤨

Dieses Kapitel möchte ich Marie-Lu16 widem, die mich in letzter Zeit echt unterstützt hat und schon jetzt mit Begeisterung dabei ist, obwohl sie noch nicht einmal eine Kurzgeschichte gelesen hat! 😊An dieser Stelle spreche ich dir wirklich meine Dankbarkeit aus!❤ Sie ist eine wundervolle Autorin und eine wirklich nette Person! Schaut unbedingt mal bei ihren Büchern vorbei! Es lohnt sich wirklich!😉

Bleibt alle gesund und bis zum nächsten Mal! Genießt euer Wochenende und eure eventuellen Ferien.😄

Liebe Grüße 

Eure Weltenwandlerin 🌏



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