Der Schleier (Harry Potter Oneshot)
Es ist der 31. Oktober und alle Potterheads wissen, welches Ereignis sich an diesem Tag jährt. Und weil ich gerade irgendwie in der Stimmung dazu war, habe ich nun meinen ersten Harry Potter Oneshot verfasst und bereue es noch nicht. Wie dem auch sei, hier mein Versuch, JK Rowlings Welt und Charakteren irgendwie gerecht zu werden (inklusive falsch zitiertem Zitat).
***
Dichter Nieselregen fiel auf die beiden nieder, die Hand in Hand über den Friedhof gingen, auf dem die Toten unzähliger Generationen begraben lagen. Halb eingefallene und verrottete Steine, überwuchert mit Pflanzen als Zeichen dafür, dass die Natur sich auch das letzte Bisschen zurücknahm, was an die Verblichenen erinnerte, ihr letztes Monument, auch wenn es schon lange niemanden mehr gab, der an sie dachte.
Die beiden Besucher jedoch erinnerten sich und würden es auch immer tun. Sie würden die Erinnerung an ihre Kinder weitergeben, sie gerade so lebendig halten, wie es gut war und wenn sie es doch nicht taten, dann waren es die Geschichtsbücher, die diese Aufgabe übernahmen.
»Es ist gleich da vorne«, sagte der junge Mann, unter dessen Kapuze gerade so die Ränder einer runden Brille hervorlugten, zu seiner Begleiterin, die – bewusst oder unbewusst – seine Hand drückte, um ihm Stärke zu geben.
Es war das erste Mal, dass sie mit ihm an den Ort gekommen war, wo er geboren wurde und wo sich ein Teil der Prophezeiung erfüllt hatte, welche eine Hexe namens Sybil Trelawney ausgesprochen hatte, ohne sich jemals wieder daran zu erinnern. Godric's Hollow war die letzte Ruhestätte von James und Lily Potter und ihr Tod jährte sich nun zum zwanzigsten Mal.
Eine absurde Vorstellung, dass die beiden schon so lange nicht mehr unter den Lebenden weilten und doch einen solchen Einfluss auf die Leben der Hinterbliebenen nahmen. Es kam Ginny fast so vor, als hätte sie die beiden persönlich gekannt, wenn sie hörte wie die Leute über sie redeten, wenn sie die Fotos ansah, die Harry in ihrem Haus aufgestellt hatte und die sie jeden Tag anlächelten, als sei die Welt in bester Ordnung und das Glück für immer konserviert auf diesem kleinen Stück Papier.
Die Wirklichkeit war anders. In der realen Welt standen Harry und Ginny nun vor einem Grabstein, in dem die Namen seiner Eltern eingraviert waren, das traurige Äquivalent der Erinnerung zu den freudestrahlenden Fotografien.
Erinnerungen taten weh, auch wenn sie lange zurücklagen, kaum greifbar, nicht zu bekämpfen und doch dazu in der Lage, von Weitem zu verletzen und alte Wunden aufzureißen. Die Bedrückung, die über den beiden lag, die man aus der Entfernung selbst für das verstorbene Paar hätte halten können, war schrecklich und doch konnten sie ihr nicht entgehen. Menschen taten so etwas. Sie riefen sich die schlechten Ereignisse immer wieder ins Gedächtnis und wiederholten es so oft es ging. Diese Erfahrung hatten alle machen müssen, die die beiden Zaubererkriege erlebt hatten.
Und es gab keinen Weg, die Verluste rückgängig zu machen. Kein Zeitumdreher konnte verhindern, was gekommen war und auch der Stein der Auferstehung konnte dem Tod den Tribut, den er gefordert hatte, nicht wieder abspenstig machen. Wer einmal hinter den Schleier gefallen war, kam nicht mehr zurück.
»Weißt du«, meinte Ginny irgendwann, als sie lange schweigend nebeneinandergestanden hatten, während der Regen ihre Umhänge durchtränkt hatte wie bei einer Partie Quidditch im Sturm, »die Muggel glauben daran, dass sich in der Nacht auf den ersten November der Schleier zwischen dem Lebenden- und dem Totenreich senkt. Manche meinen sogar, es ist den Geistern möglich, in diesem Zeitraum auf die Erde zu kommen. Zumindest habe ich das in einem Buch von Hermine gelesen. Glaubst du, dass das stimmt?«
Harry zuckte die Achseln. »Weiß nicht, aber sie sind immer irgendwie bei uns.«
»Dann lass uns gehen«, meinte Ginny. »Dieses schreckliche Wetter fühlt sich gerade an wie ein Haufen Dementoren.«
Hand in Hand verließen sie den Friedhof, um sich nur wenige Augenblicke später in der warmen Stube des Fuchsbaus wiederzufinden, wo die Wärme sie umfing. Man sollte nicht die Toten bedauern, sondern diejenigen, die ohne Liebe lebten und von dieser trugen sie mehr als genug in sich.
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