Once you care
Aufgebracht fährt sich das junge Mädchen durch die Haare. Ihre Hände streifen dabei das kalte Metall ihrer Maske und erinnern sie somit sofort wieder an die heutige, misslungene Mission. Plötzlich scheint das Metall in Flammen aufzugehen und ihre Haut zu verbrennen. Augenblicklich schließen sich ihre Finger um die abgeschliffenen Kanten und ruckartig reist sie sich die schwarz-weiße Maske vom Gesicht. Kühle Luft dringt an ihre nun nackte Haut und wütend donnert sie das handgroße Objekt in Richtung weiße Zimmerwand. Scheppernd prallt die Maske daran ab und fällt krachend zu Boden. Das junge Mädchen muss zähneknirschend dabei zusehen, wie die Maske trotz des heftigen Aufpralles unversehrt bleibt.
„Beruhigt dich," der große Junge verdreht im Angesichts ihres emotionalen Ausbruchs die Augen und streift sich seine eigene Gesichtsmaske von der Haut. Jedoch behält er sie in den Händen und kommt vor seiner Freundin zum Stehen. „Es war nur ein Job." Sanft legt er seine Hand auf ihre Schulter und unterbricht somit ihr nervöses Zappeln. Sie kommt vor ihm endgültig zum Stehen und mustert ihn mit einem finsteren Blick. „Nur ein Job? Es sind Menschen gestorben, Mike. Gestorben." Mike lässt seine Hand langsam von ihrer Schulter rutschen und erwidert ihren aufgebrachten Blick mit einem nachdenklichen Schmunzeln.
„Wir haben alles versucht um sie zu retten Amy," er zuckt betont locker mit den Schultern und dreht sich von seiner jüngeren Freundin weg. Er möchte nicht, dass sie die Reue in seinen Augen sieht und die Wut, die er in seinem eigenen Körper spürt. Er weiß, dass seine Gelassenheit oft das Einzige ist, dass Amy an einem Wutausbruch hindert.
„Man kann nun mal nicht jeden retten."
Mit leisen Schritten durchquert er den Raum und kommt vor der hohen Glasvitrine zum Stehen. In diese legt er mit vorsichtigen Fingern seine eigene Gesichtsmaske und den dazugehörigen, silbernen Fingerring, der ihm seine besonderen Kräfte verleiht. Sobald der Ring seine Haut verlässt spürt er die übernatürlichen Kräfte aus seinem Körper schwinden und eine deprimierende Leere macht sich in ihm breit. Sie fährt wie eiskaltes Wasser durch seine Venen und lässt seine Muskeln ermüdend in sich zusammen sinken.
Aus Gewohnheit weiß er, dass dieses Gefühl der Schwäche nicht lange anhalten wird, trotzdem schmerzt es ihn, sich so verletzlich und menschlich zu fühlen.
„Aber genau das ist doch unser Job."
Amy hat sich dem Jungen unbemerkt genähert und steht jetzt dich neben ihm. Mike dreht sich langsam zu ihr um und mustert das Mädchen, dessen Backen vor Aufregung feuerrot aufleuchten. Ihre schwarzen Haare fallen wie wildes Feuer um ihren Kopf und ihre blauen Augen strahlen voller Kampfgeist. Jedoch glaubt Mike in ihnen auch Wut zu entdecken und er weiß was Wut und Zorn mit einem Menschen machen können.
„Amy wird sind Superhelden," er schüttelt leicht den Kopf und richten seinen Blick voller Sanftheit auf seine Freundin, „Unser Job ist es die Welt, die Stadt, die Menschen zu beschützen. Aber dabei können wir nicht auf jeden einzelnen Menschen achten. Wir müssen das Große Ganze im Auge behalten und heute," er zuckt wieder betont leicht mit den Schultern, „Und heute war es nun mal wichtiger den Bankraub zu verhindern und die bösen Typen endlich zu kriegen."
„Wichtiger?" fragt Amy mit höhnischer Stimme nach und drückt sich mit festem Griff an Mike vorbei. Dieser bemerkt im selben Moment, dass seine Worte vielleicht etwas zu harsch und distanziert geklungen haben könnten. Sofort fühlt er sich schlecht und greift automatisch nach Amy's Arm. Diese wird durch seinen festen Griff leicht zurückgezogen und fährt mit wirbelndem Haar und funkelnden Augen zu ihm zurück.
„Wie kannst du nur glauben, dass auch nur eine Bank - ein Geldschein - wertvoller ist als ein Menschenleben?"
Amy kann nicht verhindern, dass ihre Stimme vorwurfsvoll klingt und mit voller Wucht auf Mike trifft. Auch dann nicht als sich die Augen ihres Gegenübers merklich verdunkeln und sich seine Finger von ihrem Arm lösen. „Ich habe nie gesagt dass es wertvoller wäre," Mike dreht sich mit verbissenem Blick und rasendem Herzschlag von seiner Freundin weg und verschränkt die Arme vor der Brust. Er spürt eine pulsierende Hitze in seinem Körper. Wut.
Zorn.
Er kann nicht glauben, dass Amy ihn tatsächlich für so einen Menschen hält. Ihn. Dabei hatte doch gerade er sie vor einem Wahnsinnigen gerettet und dabei fast den Weltuntergang riskiert.
„Du hast es aber angedeutet," murmelt Amy jetzt kleinlaut vor sich hin und beobachtet ihren Freund mit unsicherem Blick. Sie kennt ihn zwischen lang genug um zu wissen, wie es aussieht wenn Mikes beständig gute Laune zu Wut umschlägt. Sein Körper fängt an sich zu verkrampfen. Seine Arme verschränken sich trotzig vor seiner muskulösen Brust und das Blau seiner Augen verdunkelt sich. Sie weiß, dass sie mit ihrer Anschuldigung zu weit gegangen ist und doch kann sie die Hitze in ihrem Körper nicht einfach ignorieren. Noch immer brennt das Feuer der Wut tief in ihrem Bauch und die Anspannung klebt noch immer an ihren Muskeln. Sie möchte etwas rumwerfen, zerschlagen, kaputt machen. Doch der Raum ist nahezu leer und Mike hat ihr noch immer den Rücken zugedreht.
„Ich weiß, dass du immer versucht alle Menschen zu retten," murmelt Amy jetzt kleinlaut vor sich hin und versucht mit wenigen Schritten den Abstand zu ihrem Freund zu übergehen. Doch dieser weicht sofort zurück, als sich ihre zierliche Hand auf seine Schulter legt und das ernüchternde Gefühl der Enttäuschung macht sich in ihrem Körper breit. Es ergießt sich wie ein kalter Schwall Wasser über ihren Kopf und verdrängt die Hitze der Wut. Ihr Herzschlag wird langsamer und sie kann endlich wieder rational denken.
„Es tut mir Leid Mike."
Langsam dreht sich der Junge wieder zu dem kleinlauten Mädchen um, dass ihr Blick peinlich berührt auf den Boden gerichtet hält. Sie weiß, dass sie mit ihrer Anschuldigung einen Schritt zu weit gegangen ist. Was sie jedoch nicht weiß ist, wie sie es wieder gut machen kann.
„Fünfundzwanzig."
Amy's Blick richtet sich ruckartig auf ihren Freund, der die Zahl nur leise vor sich hin geflüstert hat. Auch er hat seinen Blick auf den Boden gerichtet, wodurch ihm seine etwas längeren Haare ins kantige Gesicht fallen. Das Blau seiner Augen wirkt im Schatten seiner Stirn nahezu schwarz und die Last des vergangenen Kampfes scheint seine Schultern leicht nach unten zu drücken. Die blutigen Schnittwunden in seinem Gesicht blitzen im Licht der Deckenlampe verheißungsvoll auf.
„Fünfundzwanzig?" wiederholt Amy zögerlich die genannte Zahl und macht einen vorsichtigen Schritt auf ihren Freund zu. Dieses Mal weicht der Junge jedoch nicht zurück. Stattdessen hebt er langsam seinen Kopf und starrt seiner Freundin schweigend in die Augen. Erst als sich die Stille zwischen den beiden Jugendlichen ins Unerträgliche steigert, räuspert sich Mike und gibt Amy erklärend eine Antwort: „Fünfundzwanzig Leute sind bei unserem heutigen Einsatz gestorben."
Amy ist über diesen niedergeschlagenen Einwand überrascht. Glaubt jedoch in den Augen von Mike einen wässrigen Schimmer zu erkennen, der das Dunkelblau seiner Iris in alle Richtungen verwischt. Noch immer hängen ihm einzelne Haarsträhnen widerspenstig ins Gesicht und seine Schultern sind kraftlos nach vorne gesunken. In seinen Muskeln spiegelt sich nicht länger der Kampfgeist und die Kraft seines Körpers wieder. Stattdessen hängen seine Arme kraftlos an seinem Körper herab und plötzlich hat Amy das Bedürfnis den älteren Jungen in die Arme zu ziehen und ihm den Halt zu geben, den er ihr schon so oft zugesichert hatte.
„Zwanzig davon hätten wir retten können, allein schon wenn wir nur etwas schneller gehandelt hätten."
Amy's Hände legen sich sanft auf seine Schultern und mitfühlend möchte sie den Jungen in eine tröstende Umarmung ziehen. In Mike ist nicht länger der Kämpfer zu sehen, der ihr noch vor ein paar Minuten versucht hat einzureden, dass es nur ein paar wenige Opfer waren. Dass man nicht jeden retten kann. Ihre Hände legen sich fest auf seinen Rücken und mit einer sanften Bewegung zieht sie ihre beiden Körper enger zusammen. Sofort umgibt sie der Geruch von Schweiß, Blut und stickigem Rauch. Jedoch setzt sich auch der tiefsitzende Geruch von Wald durch, den Mike immer an sich trägt. Amy vergräbt ihr Gesicht fest im Oberteil ihres Freundes, dessen Griff sich fester um ihren Körper schließt. Sein Kinn legt sich schwer auf ihren Haaren ab und sie spürt seinen heißen Atem auf ihrer Kopfhaut.
„Weißt du was das Problem daran ist ein Superheld zu sein?"
Mikes Stimme klingt traurig und sein spitzes Kinn bohrt sich in Amy's Kopfhaut. Sie schüttelt kaum merklich den Kopf, presst ihr glühend heißes Gesicht jedoch fester gegen seine starke Brust.
„Sobald es dich interessiert was mit den Menschen passiert bist du am Arsch."
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