Happier
Ich liege in dem breiten Doppelbett.
Du liegst direkt neben mir.
Die hellen Strahlen des Vollmondes fallen in unser gemütliches Schlafzimmer und lassen die Schatten im Zimmer größer und länger erscheinen. Du liegst neben mir und schläfst. Du hast mir dein hübsches Gesicht zugewandt und dein rechter Arm ist eng um die Decke geschlungen. Früher noch war ich an ihrer Stelle. Früher haben sich deine langen Armen um meinen Körper geschlungen und ich war alles, an dem du dich festhalten musstest um ruhig schlafen zu können. Heute fliehe ich selbst aus deinem Griff, weil ich Angst habe dich nicht länger halten zu können.
Um ehrlich zu sein, weiß ich bereits, dass ich nicht länger kann.
Um ehrlich zu sein, denke ich in letzter Zeit sogar sehr oft darüber nach, dass ich nicht gut genug für dich bin und dass ich dich wieder glücklich sehen möchte.
Ich schlage die dünne Bettdecke zurück und schwinge mich aus unserem Bett. Ich schleiche durch unser Zimmer und komme vor dem Fenster zum Stehen. Draußen ist alles dunkel und hell zugleich. Die Nacht hat sich über die Stadt gelegt, doch der Morgen kündigt sich bereits an. Ich weiß schon jetzt, dass dieser Morgen genau wie die anderen sein wird. Dass ich uns im kalten Licht des Tages betrachten und nur das sehen werde, was wir in den letzten Monaten geworden sind. Ich würde realisieren, dass wir nur noch leichte Flammen im Wind sind. Nicht länger das strahlende Lagerfeuer, mit dem unsere Liebe einst begonnen hat.
Ein Windzug würde ausreichen um unsere Beziehung zu beenden.
Ich muss an unseren letzten Streit denken. Er liegt gerade mal fünf Stunden zurück und trotzdem kann ich mich noch nicht mal mehr an den Grund für deine Wut erinnern. Stattdessen erinnere ich mich an dich. Deine roten Wangen. An deine Augenbrauen, die sich angesichts meiner verteidigenden Worte zornig zusammegezogen haben. An die kleine Falte auf deiner Stirn, die immer dann auftaucht, wenn du wütend bist. Ich erinnere mich an deinen, vor Wut bebenden, Körper und an deine blauen Augen, in denen ich die Funken nahezu sprühen sehen konnte. Du warst so wütend. So wütend wegen etwas, das ich getan haben soll. Witzig dass ich mich noch nicht einmal mehr daran erinnern kann. Dafür erinnere ich mich noch gut an jedes einzelne Wort, dass ich dir während unseren Streites an den Kopf geworfen habe. Keines davon kann ich nun zurücknehmen. Denn wir beide wissen, dass zwischen all' dem was zwischen uns vorgefallen ist, eine Entschuldigung nichts bringen wird.
Und ohne es verleugnen zu wollen. Wir beide wissen schon lange, wie diese Geschichte hier enden wird.
Ich lehne mich an das kühlte Fensterglas und genieße für wenige Sekunden die Kälte der Nacht an meinem Hinterkopf. Ich habe meinen Blick erneut auf dich gerichtet und wieder einmal muss ich mir eingestehen, dass du selbst im Schlaf wunderschön bist. Ich muss mir eingstehen, dass mein Herz selbst jetzt noch einen nervösen Zwischensprung macht. Wie damals, als ich meinen ganzen Mut zusammengenommen habe um dich in dieser kleinen Bar anzusprechen. Du hattest schüchtern gelächelt und ich könnte schwören, dass dein Lächeln seit dem nie wieder so gestrahlt hat.
Diese Nacht.
Ich schüttele leicht den Kopf und versuche diesen Moment zu vergessen. Denn er macht mich schwach. Wegen ihm möchte ich meine Meinung ändern. Ich möchte hier bleiben. Ich möchte der Grund sein warum du wieder so lächelst. Warum dein Tag ein kleines bisschen besser ist. Aber inzwischen weiß ich, dass ich dafür gehen muss.
Dass ich dich verlassen muss, damit du wieder etwas glücklicher sein kannst.
Du murmelst etwas in deinem Schlaf.
Deine rechte Hand krallt sich etwas fester in die Bettdecke und ich sehe wie dein zierlicher Körper unruhig zuckt. Du scheinst einen Alptraum zu haben und in diesem Moment würde ich nichts lieber tun als dich sanft in den Arm zu ziehen. Dir beruhigend durch die Haare zu fahren und dir zu erzählen, dass alles besser wird.
Doch die Nacht ist über uns hereingebrochen und wieder einmal bin ich in der Dunkelheit alleine. Allein mit meinen Gedanken. Mit meinen Zweifeln. Ich kann meinen Blick nicht von dir abwenden. Dein unruhiger Schlaf ist ruhiger geworden und ein kleines Lächeln hat sich auf deine Lippten gelegt. Deine braunen Haare fallen in leichten Wellen über das Kopfkissen und eine widerspenstige Haarsträhne hat sich in dein Gesicht verirrt. Sie fällt über deine weiche Haut und die Spitze berührt deine vollen Lippen. Ich möchte sie wegstreichen. Dich küssen. Dich festhalten. Dich lieben. Doch ich verdränge diesen Gedanken.
Was ist das Schlimmste das ich zu dir sagen könnte?
Dein Leben ist besser, wenn ich bleibe.
Ich fahre mir durch die kurzen Haare und kann plötzlich nicht verhindern, dass ich dich mit ihm sehe. Den Mann den du verdienst. Jemand der alles für dich aufgibt, der keinen deiner Geburtstag vergisst. Jemand der dir Rosen ins Büro schickt und der jederzeit weiß, wenn du von dem was du sagst das Gegenteil meinst. Einen der dich einfach blind versteht. Mit dem du reden kannst. Ein 'Das-ganze-Leben-lang-mit-dir-zusammen-Ehemann'. Ich seufze leise auf, als mir klar wird, dass ich dieser Mann nie sein werde. Sein kann. Und auch wenn mich die Vorstellung von dir mit jemand anderen innerlich umbringt, weiß ich, dass es die einzige Möglichkeit für dich ist, glücklich zu sein. Und du verdienst es, glücklich zu sein.
Glücklich sein.
Ein komischer Begriff, in dem so viel mehr Bedeutung steckt. Ich dachte immer, unsere Beziehung würde dich glücklich machen. Ich würde dich glücklich machen. Aber in der Zwischenzeit bin ich mir bewusst geworden, dass wir unseren Weg zwar gemeinsam gegangen sind, aber die ganzen Jahre nur so getan haben, als wären wir okay. Als würden wir zusammen von dem Wrack unserer Beziehung wegrennen können.
Als könnten wir von der Wahrheit fliehen, dass ich nicht gut für dich bin.
Ich stoße meinen Köper von dem Fenster und stehe im Raum. Mein Blick liegt noch immer auf dir und ich sehe, dass sich dein ganzer Körper entspannt hat. Du hast aufgehört im Schlaf zu murmeln und deine Muskeln haben aufgehört sich unkontrolliert anzuspannen. Du schläfst und das kleine Lächlen auf deinen Lippen hält noch immer an. Ich sehe wie sich deine rechte Hand von der Bettdecke gelöst hat und jetzt auf dem weißen Bettlaken liegt. Dort wo ich eigentlich sein sollte. Ich schüttele leicht mit dem Kopf und seufze. Ich möchte meine Meinung ändern und hier bleiben. Wieder zu dir unter die Bettdecke schlüpfen. Dich halten. Dich küssen. Dich zum Lächeln bringen.
Doch ich weiß, dass du nur dann Glücklich sein kannst, wenn ich gehe.
Also werde ich gehen.
Es kostet mich Kraft meinen Blick von dir zunehmen. Doch als ich es endlich geschafft habe, fühle ich soetwas wie Erleichterung in meinem Körper. Ich drehe dir den Rücken zu und ziehe meine gepackte Reisetasche aus dem Schrank. Sie steht dort schon seit Wochen und mir wird klar, dass ich das Unvermeitliche schon viel zu lange herausgezögert habe. Ich muss gehen. Dass ist mir eigentlich schon seit Wochen klar.
Für dich.
Für uns.
Damit du glücklicher sein kannst.
Ich werfe mir die schwere Tasche über die Schulter und atme tief durch. Ein letztes Mal fällt mein Blick auf unser gemeinsames Bett. Auf dich und unser gemeinsames Leben. In dieser Minute fühlt sich meine Entscheidung falsch an. Schmerzhaft. Doch mir ist bewusst, dass auch wenn es sich falsch anfühlt, ich gehen muss. Ich habe in letzter Zeit einfach zu oft darüber nachgedacht.
Ich möchte, dass du wieder glücklicher bist.
Also werde ich gehen.
Ich trete neben das Bett und schenke dir ein letztes Lächeln. Sanfst streiche ich dir die wiederspenstige Haarsträhne hinter das Ohr. Ich lehne mich über dich und drücke dir einen sanften Kuss auf die Stirn. Die Decke ist von deinen Schultern gerutscht und vorsichtig decke ich dich wieder zu. Dann atme ich tief durch und wende mich von dir ab. Mein Herz tut weh. Ich möchte mich umdrehen und meinen Plan über den Haufen schmeißen. Mich wieder zu dir ins Bett legen und meine dumme Idee vergessen. Denn dich zu verlassen fühlt sich falsch an.
Schmerzhaft falsch.
Aber ich werde gehen.
Damit wir endlich aufhören können zu streiten.
Damit ich dich wieder Lächlen sehen kann. Damit sich das Strahlen in deinen Augen wieder entfachen kann und sich die Grübchen in deinen Wangen wieder zeigen.
Damit du glücklicher sein kannst.
Ich werde gehen.
Auf leisen Füßen schleiche ich aus unserem gemeinsamen Schlafzimmer.
Ich werde gehen.
Meine zitternden Finger suchen nach meinem Hausschlüssel und leise lasse ich ihn auf dem Schrank neben unserer Gaderobe liegen. Er wird Zeichen genug sein, damit du weist, dass ich gegangen bin. Für immer. Ich fahre mir durch die Haare und werfe einen letzten Blick durch unsere einst gemeinsame Wohnung. Jetzt gehört sie dir und ich hoffe, dass du bald jemanden finden wirst um sie zu teilen.
Um dein Lächeln zu teilen.
Denn ich möchte, dass du glücklicher bist.
Deshalb muss ich dich verlassen.
Ich werde gehen.
Damit du glücklicher bist.
Und ich hoffe du wirst es eines Tages verstehen.
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