Good Girls
„Was machst du hier?" fragt der achtzehn jährigen Sean McKnight überrascht und schaut die junge Frau vor sich mit großen Augen an. In der Dämmerung wirkt sie größer und selbstbewusster, als er sie in Erinnerung hat. Ihre langen Haare werden von einer übergezogenen Kapuze verdeckt und ihre ebenfalls braunen Augen liegen in den dunklen Schatten der aufsteigenden Nacht. Jedoch ist sich der junge Mann sicher, dass dieses Mädchen vor ihm Jocye Donald ist. Sie ist die Tochter eines guten Freundes seines Vaters und momentan auch seine Mitbewohnerin. Er ist sich so sicher, dass er dafür seine gesamte Comicsammlung verwetten würde.
Sein wertvollster Besitz.
„Was machst du hier?" stellt Jocye sofort eine Gegenfrage und streift sich mit einer lockeren Bewegung die Kapuze von ihren Haaren. Nun fallen ihr die goldbraunen Locken leicht ins Gesicht und Sean kann ihr besser in die Augen sehen, die zu seiner Überaschung stark geschminkt sind. Etwas, was er noch nie an ihr gesehen hat. Ebenso wie die aufwendigen Engelslocken und die schwarze, sehr knappe Kleidung. Selbst die Dunkelheit und die langen Schatten können nicht verbergen, wie kurz ihr Rock tatsächlich ist.
„Ich habe zuerst gefragt und was soll überhaupt diese aufreizende Kleidung?!" fragt der junge Mann und zieht missbilligend eine Augenbraue nach oben. Schon jetzt kann er sich den Streit mit seinem Vater ausmalen, wenn dieser die beiden Jugendlichen zusammen hier draußen erwischt. „Was geht dich das an?" erwidert die junge Frau schnippisch und fährt sich mit einer arroganten Handbewegung durch die langen Haare. Wieder lässt Sean seinen Blick über den knapp bekleideten Körper der jungen Frau schweifen und muss sich selbst eingestehen, dass aus der unscheinbaren 1er-Schülerin von heute Morgen ein heißes Model geworden ist.
„Weiß dein Vater dass du so rumrennst? Noch nach Ausgangssperre?" fragt Sean die Frau und schaut ihr aufmerksam in die braunen Augen. Noch immer verwundert ihn das Umstyling des Mädchens, das heute morgen noch eine Vorzeigeschülerin war.
„Er weiß davon genau so wenig, wie er von deinen nächtlichen Ausflügen weiß!" antwortet Joyce schlagfertig und schenkt ihm ein süffisantes Lächeln. „Mit dem Unterschied dass es dein und nicht mein Vater ist!" erwidert nun der junge Mann und ist sich sicher, dass er die Diskussion gewinnen kann. Jedoch hat er die neue Joyce unterschätzt. Denn diese antwortet nun mit einem engelhaften Gesichtsausdruck: „Aber wenn mein Vater von deinen Ausflügen erfahren würde, dann wäre deine vaterfreie Zone schnell verschwunden!" „Drohst du mir etwa?" fragt nun Sean ungläubig und starrt die Frau vor ihm überrascht an. Sie hatte sich in jeder Hinsicht verändert...und das innerhalb weniger Stunden. „Nein wie kommst du denn da drauf?" fragt Joyce höhnisch und schenkt dem Jungen vor ihr ein unschuldiges Lächeln.
„Wo willst du eigentlich hin?" fragt Sean um das Thema zu wechseln und langsam findet er die böse und schlagfertige Joyce beängstigend. Auch wenn sie in der knappen Kleidung richtig heiß aussieht und das selbst ihn etwas nervös macht. „Das kann dir doch egal sein!" sagt sie zickig und verschränkt stur die Arme vor der Brust. Sean schaut nun in das geschminkte Gesicht und muss festellen, dass er in diesem Moment tatsächlich nichts mehr von dem Nette-Mädchen-Von-Nebenan in ihr erkennen kann. Jetzt macht sie eher den Eindruck des Bösen-Mädchens-Von-Gegenüber.
„Nachts treiben sich hier ganz schön perverse Typen rum, dass weist du oder?" fragt der Junge, in der Hoffnung ihrem Neuem-Ich damit Angst machen zu können. Er hat kein gutes Gefühl dabei, dass das knapp bekleidete Mädchen nachts alleine unterwegs ist. Vielleicht würde sie sich ja dazu überreden lassen, mit ihm zurück nach Hause zu gehen. „So Typen wie du?" fragt sie jedoch provozierend, weswegen Sean sie überrascht anschaut. Noch nie hatte sie derartiges zu jemanden gesagt.
Noch nicht einmal als sein bester Freund Bradley Cooper lachend an ihre Brüsten gefasst hatte und das war auf alle Fälle schlimmer als das hier gerade.
„Was?! Dachtest du echt, dass ich immer ein braves Mädchen bin?" fragt Joyce belustigt, als sie seinen verwirrten Gesichtsausdruck sieht. Ertappt reist er die Augen auf und nachdem er wieder alle seine Gefühle im Griff hat, erwidert er möglichst ruhig: „Was bist du dann, wenn nicht dass nette Mädchen von nebenan?" Innerlich schlägt er sich jedoch bereits für diese dumme Frage. Es ist offensichtlich, dass sie zumindestens heute Nacht nicht danach strebt Daddy's Liebling zu sein.
„Ich bin das böse Mädchen von Nebenan!" grinst sie sofort herablassend und nimmt somit seine vorherigen Gedanken wieder auf. „Wenn ich nicht lache. Vielleicht spielst du dich Gerade so auf, aber nie im Leben bist du annähert ein Bad-Girl!" erwiderte nun Sean ebenfalls belusitgt und versucht selbstüberzeugt zu klingen. Auch wenn Joyce mit ihren momentanen Aussehen genau das sein könnte.
„Sean, Sean, Sean!" seufzt Joyce und schüttelt ungläubig ihren Kopf. Dabei fallen ihr die braunen Engelslocken sanft um den Kopf. „Soll ich dir mal was Wichtiges sagen? So ein Tipp fürs Leben?" fragt sie ihn und schiebt daraufhin eine widerspenstige Locker hinter das Ohr. Dadurch fällt Sean zum ersten Mal ihr schwarzer Nagellack auf und etwas überrascht nickt er.
„Gute Mädchen sind Böse Mädchen, die noch nie erwischt wurden. Merk dir das und lerne daraus!"
Ihr Grinsen hat etwas gefährliches an sich und ihr Zwinkern wirkt spielerisch. Sean braucht wenige Sekunden um seine Gedanken zu ordnen. „Also weiß weder mein noch dein Vater von deinem nächtlichen Ausflug?" fragt er anstatt auf ihren Spruch einzugehen. Denn in diesem Moment kommt ihm der beängstigende Gedanke, dass er so gut wie Tod ist wenn sein oder ihr Vater über diese Ausflüge erfahren würden.
Auch wenn er eigentlich nichts dafür kann.
„Nächtlichen Ausflügen!" verbessert Joyce ihn sofort und lächelt teuflisch. „Du machst das öfter?" fragt er fassungslos nach und wieder einmal lässt er alle Gefühle heraus, obwohl er eigentlich cool bleiben wollte. Dafür scheint Joyce ihre Überlegenheit viel zu sehr zu genießen. „Wie gesagt: Gute Mädchen sind Böse Mädchen die noch nie erwischt wurden!" sagt sie lächelnd und wirkt plötzlich gelangweilt. Erst jetzt bemerkt er den knallroten Lippenstift auf ihren Lippen, der durch den gerade auftauchenden Mond zu glänzen beginnt und ihre geschwungen Lippen betont. Ihm fällt zum ersten Mal auf, wie hübsch das Mädchen vor ihm doch ist. „Willst du mir sagen, dass du täglichen durch die Nächte streifst?" fragt Sean und schaut sich besorgt um. Er ist schon darauf gefasst gleich seinen wütenden Vater vor zu finden, der ihm schreiend den Kopf abreißt.
„Natürlich oder denkst du wirklich das ich jeden Abend bis in die Nacht hinein lerne?" fragt Joyce herablassend und lacht humorlos. In ihrer Stimme schwingt Arroganz mit und plötzlich fühlt sich der Junge naiv und dumm.
„Jetzt verstehe ich gar nichts mehr!" stöhnt er leise auf und denkt an die vielen Abende, an denen Jocye ihm und seinem Vater brav erzählt hatte, dass sie in ihrem Zimmer lernt. Nie hatte er dahinter eine Lüge erwartet. „Inzwischen müsstest du doch wissen dass ich es faustdick hinter den Ohren habe!" grinst sie hämisch und sofort muss er an verschiedene Situation denken. Auch wenn keine von ihnen ihr Gesagtes unterstützen würde.
„Dir ist schon klar, dass wir beide sowas von Tod sind wenn dein Vater uns erwischt!" versucht Sean die Frau zum Umkehren zu Bewegen. Immerhin kann er gerne auf einen weiteren Streit mit seinem eigenen Vater verzichten. „Du bist dann sowas von Tod. Immerhin hast du mich doch zu dieser grausamen Tat gezwungen!" erwidert Joyce mit einem unschuldigen Lächeln und einem fast schon ängstlichen Gesichtsausdruck. Geschockt von ihrer Skrupellosigkeit starrt Sean das Mädchen sprachlos an.
„Du hast Recht und deshalb werde ich jetzt gehen!" sagt er anschließend und verdreht über die plötzliche Sturheit der jungen Frau die Augen. Ihm wird bewusst, dass er sie als schüchternes Mädchen und Einser-Schülerin viel mehr mag.
„Geh halt! Ich habe eh noch was vor!" grinst die junge Frau provozierend und zuckt dabei locker mit den Schultern. „Schön für dich aber glaub mir wenn dein Vater dich hier sieht hast du die nächsten Millionen Nächten nichts mehr vor!"
Mit diesen prophezeihenden Worten dreht sich Sean möglichst selbstbewusst um und macht sich schlendernd auf den Weg, um endlich nach Hause zu gehen. Im Gegensatz zu der jungen Frau wollte er nicht allzulange wegbleiben.
„Aber denk dran Sean - Gute Mädchen sind Böse Mädchen die noch nicht erwischt wurden!" ruft Joyce dem jungen Mann nach bevor sie lächelnd die andere Richtung einschlägt.
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