Rezension zu "Der Pfau" von Isabel Bogdan

Wir sollten seinerzeit im Literaturkurs ein irgendwie gelistetes Buch lesen und rezensieren.

Bei dem Buch handelt es sich um den 2016 veröffentlichten Debütroman von Isabel Bogdan, der 47 Wochen lang auf der Spiegel-Bestsellerliste stand und dabei bis zu Platz 9 erreichte. Erschienen ist das Buch im Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln. Es gewann den Deutschen Hörbuchpreis Hörkules und stand auch auf der Shortlist zum Lieblingsbuch des unabhängigen Buchhandels.

Die Autorin

Die heute in Hamburg lebende Bogdan studierte Anglistik und Japanologie in Heidelberg und Tokio 2013 war sie einen Monat lang Artist in Residence an der Universität in Nanjing, einer der wichtigsten Städte (Südost-)Chinas. Sie arbeitet vorrangig als Übersetzerin für englische

Literatur, Sachbuch wie Fiktion, was ihr 2006 den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzung einbrachte. 2011 erhielt sie den Förderpreis für Literatur, als sie das erste Kapitel von Der Pfau einreichte. Sie ist Mitglied im deutschen PEN-Zentrum, einer Schriftstellervereinigung, sowie im Verband für deutsche Übersetzer (VdÜ). Sie hat auch einen eigenen Blog.

Der Inhalt

Das Buch handelt von einem „charmant heruntergekommene[n] Landsitz" in Schottland, wie es der Klappentext verrät, auf dem Lord Hamish und Lady Fiona McIntosh leben. Auf dem Anwesen haben sie einige Tiere, darunter eben unter anderem Pfauen. Doch einer scheint etwas verwirrt zu sein, denn er wird extrem aggressiv, sieht er etwas mit blauer Farbe. So wird auch das noble Auto der zickigen Chefin nicht verschont, als sie mit ihren vier Bankern sowie einer Köchin und einer Psychologin im Winter für eine Teambuildingskur dort Urlaub macht. Dazu existieren diverse andere Charaktere, die aber nicht wirklich mehr sind als weitere Bestandteile des „charmanten" Anwesens, das unwirtschaftlich ist, und beinahe ungeheizt.

Durch die Aggressionen des jungen Pfaus kommt es zu einigen anderen Ereignissen, über die beinahe jeder einen anderen Kenntnisstand hat, doch weil niemand mit anderen darüber spricht, kann sich auch kaum jemand die Sache ansatzweise erklären.

Allerdings wird der Pfau relativ früh erschossen und verliert danach deutlich an Relevanz, sodass das Buch dem Titel in dieser Form definitiv nicht gerecht wird. Stattdessen wird der tote Vogel ausgenommen, was definitiv nicht schön zu lesen ist, zumal an dieser Stelle die Identifikation des Lesers gelenkt wird – und zwar nicht zu David, dem speiübel wird, sondern zu der Köchin Helen, die begeistert von den Verwendungsmöglichkeiten für den Pfau in der Küche erzählt.

Generell sind die Banker absolut grundverschieden und werden nur sehr langsam charakterisiert, worin sich nicht zuletzt die Reserviertheit, die sie einander gegenüber an den Tag legen, widerspiegelt.

Die Schreibart

Die Jury des Hamburger Förderpreises begründete die Auszeichnung mit der wunderbar gelungenen Ausgangssituation, die an John Cleese erinnere mit seinem Hotel „Fawlty Towers". Ich kenne Cleese nicht, aber unter der Annahme, dass der Vergleich für den Charme der Szenerie steht mit dem verfallenen Landsitz oder dem fleißigen Ryszard, der für etliche Arbeiten zuständig ist, ist dies absolut zutreffend.

Hauptsächlicher Qualitätsaspekt des Romans ist, dass Bogdan in einem Stil schreibt, welcher häufig als „very british" bezeichnet wird, d.h., sie schreibt teils geschwätzig, aber vor allem stark pointiert. SPIEGEL ONLINE stellte folgendes Zitat heraus: „Auf den Schreck tranken die Bakshis [andere Urlauber] erst mal einen Whiskey. Und dann noch einen. Und dann keinen mehr, denn die Lady war eine Lady." Begründet ist dies dadurch, dass Bogdan ja schließlich über die britische Oberschicht selbst schreibt, und daher sich auch im Stil ihr anpasst.

Das heißt jedoch im Umkehrschluss, dass Bogdan nicht ein einziges Mal direkte Rede benutzt. Die Verständlichkeit wird dadurch zwar nicht beeinträchtigt und wenn man nicht darauf achtet, fällt es einem – wie mir auch selber – erst spät auf, aber letztlich ist es doch eine sehr große Distanz zu dem Geschehen, die dadurch aufgebaut wird, und lange Passagen indirekter Rede sind mehr schwärmerisch, weil umschrieben, denn wirklich mit Leben gefüllt.

Immerhin kann es auch den Kontrast zwischen an für sich sinnlosen, lang gezogenen Redeschwällen und einer Pointe verstärken.

Bogdan schreibt aus der Sicht aller Protagonisten; selbst ein Hund, der ungerecht behandelt wird, tut dem Leser seine Verständnislosigkeit kund. Dies zusammen damit, dass immer wieder wiederholt wird, was genau die einzelnen Personen wissen, steht für die Macht des Konstrukts aus Reserviertheit, aber vor allem hebt es den Einzelnen hervor – keine zwei werden in die gleiche Schublade geschoben.

Meine Meinung

Außer Frage steht die literarisch hochwertige Schreibweise, die stark gezeichnet ist von Bogdans Übersetzungen englischer Autoren. Dies ist neben dem angenehmen Szenario

allerdings auch das Einzige, was das Buch für mich ausmacht. Zwar lässt sich eine Entwicklung des Teamcharakters zwischen den Bankern festmachen – so viel kann man schon sagen – doch auch das ist mehr Szenarienelement, sodass keine oder sehr wenig Spannung besteht.

Sucht man nach einem hochwertigen deutschen Roman britischer Schreibweise, so landet man sehr schnell bei Der Pfau, ansonsten aber wird das Buch seinem Titel definitiv nicht gerecht, und da kein Spannungsverlauf besteht und man sich durch die Pluralität der Personen auch mit niemandem über allzu weite Strecken des Romans identifizieren kann, zweifle ich durchaus daran, ob ich es noch einmal lese, denn wirklich überzeugt hat es mich nicht. Als Helen den Pfau ausnahm, war auch ich beträchtlich angewidert.

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