Kapitel 4
,,Klar", er schaut sie erstaunt, aber erfreut an. Es ist das erste Mal seit sie sich kennen, dass sie Willen und Hoffnung zeigt, Lebenswillen zeigt. Klar, sie kennen sich noch nicht lange, doch zweifelt er daran, dass Alice vor ihrer Begegnung welchen hatte. ,,Aber ich weiß nicht, was ich machen soll, wo ich anfangen soll", sie schluchzt. ,,Hmm", eine Weile lang überlegt er, bevor er weiterspricht. Alles scheint so still, es scheint, als würde die Welt stillstehen, als würde sich nichts bewegen. Sie blenden die Geräusche der vorbeifahrenden Autos aus, die Gespräche der Leute in der Nähe, da sind nur sie, der Wind, die Landschaft und ihre Worte, ihr Gespräch. Aber hauptsächlich sie. ,,Vielleicht solltest du versuchen deine Familie wieder zu vereinen, vielleicht solltest du deinen Bruder besuchen, deine Schwester suchen, um wenigstens mit ihnen zu sprechen." Sie nickt während er Luft holt. ,,Sieh mal, ihr leidet alle, deine Mutter, dein Bruder, deine Schwester..." er stoppt kurz. ,,...und du", flüstert Luke. ,,Ja und ich", murmelt Alice. Wieder schweigen sie, bis Alice die Stille bricht: ,,Du hast Recht, ich...wir sollten sie aufsuchen." Luke nickt. ,,Weißt du wo er ist?" ,,Ja, ich war einmal mit Anabell dort, danach aber nie wieder." Nur zu gut erinnert sich Alice an das Gebäude. Es hatte eine düstere Ausstrahlung und wirkte kahl und verängstigend. Die Luft war stickig und der Raum in dem ihr Bruder lebte - und vielleicht auch noch lebt - war klein und dunkel. Er hatte die Jalousien herunter gelassen und wollte nicht mit ihnen reden. Er gab ihnen, ihr die ganze Schuld. Nach einigen Minuten des Schweigens verließen sie ihn wieder, ohne auch nur ein Wort gewechselt zu haben, ohne ein ,,Hallo" oder ,,Schön euch zu sehen", ohne ein ,,Auf Wiedersehen" oder ,,Ich vermisse euch". Nur ein Murren und eine Geste, dass sie verschwinden sollten hatte er ihnen gegeben, aber sie nie auch nur eines Blickes gewürdigt. Alice hat bis heute nicht verstanden, wie sich ihr geliebter Bruder so abwenden konnte, sie einfach vergessen konnte, denn schließlich teilen sie dieselbe Vergangenheit, dasselbe Schicksal, dieselbe Geschichte. Und es schaudert sie auch nur daran zu denken dort wieder zurück zu kehren, doch der Funken Hoffnung ist groß genug die Furcht zu dämpfen. Und schließlich ist sie ja nicht alleine. ,,Dann gehen wir ihm einen Besuch abstatten", Luke wendet sich der Straße zu und springt von dem Geländer. ,,Wie? Jetzt?", sie sieht ihn erstaunt an. Er nickt: ,,Wenn du willst?" Wieder schweift ihr Blick in die Ferne. Sie überlegt. Schließlich nickt sie, dreht sich um und sieht ihm in seine rehbraunen Augen. Und er sieht sie an, das brünette Mädchen mit den blauen Augen. Dann verlässt auch sie ihren Platz auf dem Geländer der Brücke und sie gehen langsam los zu der Anstalt. Der brünette, leicht blasse Junge mit den rehbraunen Augen und das Mädchen mit den braunen Haaren und blauen Augen. Der Junge mit seinem und das Mädchen mit ihrem Problem auf den Schultern und mit jedem gemeinsamen Tag scheint es leichter für sie zu werden darüber hinweg zu kommen. Er über seine und sie über ihre Vergangenheit, denn sie schenken sich gegenseitig Hoffnung, auch wenn sie nichts von seinem Problem weiß. Und so gehen sie da, der Wind fährt durch ihre Haare und die Hoffnung stärkt sie. Bis sie vor dem Gebäude stehen. Der Junge und das Broken Girl.
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