6. "Klar"
Und hier sitze ich wieder, im Wartezimmer von der bescheuerten Notaufnahme. Nur diesmal hab ich eine Tüte in der Hand, die man auch immer in Flugzeugen kriegt, falls man kotzen muss, und kein Justin nervt mich.
Ich hab dem Taxifahrer nämlich fast die Karre vollgekotzt. Aber dank meiner übermenschlichen Selbstkontrolle hab ich's geschafft, vorher auszusteigen.
Außerdem hat Kim mich allein gelassen. Hat mir die Tüte in die Hand gedrückt und gesagt, sie käme gleich wieder. Ich hab sogar Jared-Jace auf den Stuhl neben mich gesetzt, weil ich nicht allein hier sitzen will.
Helfen tut es aber wenig, ich fühl mich nur noch armseliger. Außerdem tut mein Kopf weh.
Ich bin kurz davor, den scheiß Dino zu fragen, wie sein Tag bisher so ist, als Kim wieder um die Ecke kommt. Diesmal ist aber kein älterer Abklatsch von McDreamy bei ihr, sondern eine junge Frau mit roten Haaren.
Hier will ich mal schnell einfügen, dass ich auf rothaarige Frauen stehe. Für die würd ich alles tun.
„Johnny, das ist Dr. Harper. Sie kennt sich mit Überdosierungen aus", stellt Kim vor und ich grinse Dr. Harper an.
„Sie sind also Johnny. Ich hab schon viel von Ihnen gehört", sagt sie und bedeutet mir, ihr zu folgen. Ich stehe auf, schwanke leicht, und folge ihr und Kim.
„Nur positives, hoffe ich." Schlechteste Anmache der Welt. Aber zu meiner Verteidigung, Krankenhäuser sind auch echt scheiße für sowas.
Harper lacht. „Wenn Sie wüssten."
Ich sehe stirnrunzelnd zu Kim, aber die grinst nur und so langsam fühle ich mich noch unwohler als davor. Was eigentlich schon eine ziemliche Meisterleistung ist.
Ich setze mich auf die Liege in dem Untersuchungszimmer und schließe kurz die Augen, in der Hoffnung, dass der pochende Schmerz in meiner Schläfe dadurch weggeht. Tut er nicht.
„Also Johnny", meint Dr. Harper, nachdem sich Kim ebenfalls gesetzt hat. „Sie haben überdosiert, hab ich gehört."
Ich nicke. „Ibuprofen."
Wie sie wohl mit Vornamen heißt? Vielleicht Sarah. Wobei, das wäre irgendwie langweilig. Kate? Kate Harper? Klingt bescheuert. Genau wie Sarah Harper.
„Und wie fühlen Sie sich?", fragt sie weiter und lächelt leicht. Ob sie weiß, wie sehr mich das fertig macht? Bestimmt. Frauen wissen sowas irgendwie immer.
„Wie überfahren", antworte ich und grinse sie an. Ob sie einen Freund hat? Oder vielleicht sogar einen Mann? Hoffentlich nicht, wenn sie schon vergeben sind, sind die Frauen so schwer rumzukriegen.
Wo ist eigentlich Jared-Jace? Hab ich den jetzt etwa im Wartezimmer vergessen, oder was?
Dr. Harper notiert sich etwas und ich sehe zu Kim. „Hast du meinen Dino gesehen?"
Sie schüttelt den Kopf und ich fahre mir besorgt durchs Haar. Hoffentlich nimmt ihn kein so ein blödes Kind mit.
„Also Johnny, ich würde Sie gern über Nacht dabehalten, damit ich Sie überwachen kann, falls es Ihnen schlechter gehen sollte. Wofür haben Sie denn die Ibuprofen genommen?", fragt Harper. Vielleicht heißt sie ja Ava? Viele Frauen heißen Ava, das war irgendwie im Trend.
Verdammt, ich sollte mich mal konzentrieren.
„Meine Rippe ist gebrochen", erkläre ich und zeige auf meine Brust.
Irgendwie wäre es schon heiß, wenn ich mit Harper schlafen würde. Das könnte ich überall rumerzählen, wer kann schon von sich behaupten, mit seiner Ärztin geschlafen zu haben?
Andererseits wäre es auch irgendwie komisch. Ihre Haare sehen nämlich von Nahem total gefärbt aus und außerdem arbeitet sie ja mit Kim. Apropos, die könnte doch eigentlich mal nach Jared-Jace schauen, oder? Hat ja eh nichts anderes zu tun und ich mach mir echt Sorgen.
Moment mal. Das ist ein scheiß Stofftier. Ich muss wirklich high sein, sonst würde ich nicht so einen Schwachsinn denken. Oder ich drehe durch. Schließlich führe ich Selbstgespräche.
**
Morphium ist schon was Geiles. Ich hab ja gedacht, Ibuprofen wäre toll, aber Morphium übertrifft das nochmal.
Ich fühle mich wie eine Wolke, als ich im warmen Krankenhausbett liege und Jared-Jace auf dem Nachtschränkchen neben mir sitzt. Er war nämlich wirklich noch im Wartezimmer, Gott sei Dank hat ihn niemand mitgenommen.
Jedenfalls bin ich total mit Schmerzmittel vollgepumpt, weil es ganz schön bescheuert wäre, weiter Ibuprofen zu nehmen, wenn ich die überdosiert hab.
„Bist du eingeschlafen?", fragt Kim. Ich hab ganz vergessen, dass sie auch da ist.
„Nein." Ich drehe mich so auf die Seite, dass ich sie ansehen kann. „Musst du nicht gehen?"
Sie schüttelt den Kopf. „Ich trau dir nicht zu, dass du allein bleiben kannst."
Ich grunze entrüstet. „Ich bin vier Jahre allein geblieben."
Sie nickt und schweigt und auch ich sage nichts. Stattdessen denke ich darüber nach, ob ich das mit dem Überdosieren nicht öfter machen soll, weil Morphium ist schon echt toll. Wobei, dann müsste ich mir ja die ganze Zeit die Rippe brechen und das ist blöd.
„Wo wolltest du eigentlich heute hinfahren?", will ich wissen, nachdem ich eine ganze Weile Kim einfach nur angestarrt hab.
Sie streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr, das hat sie früher immer gemacht, wenn sie nervös war. „Zu einem Freund."
Oh.
„Du hast nen Freund?", meine ich ziemlich direkt und sie wird rot. Süß.
„Verlobter."
Doppel Oh. Ich nicke und mein Bauch verkrampft sich so komisch. Eigentlich sollte ich mich doch für sie freuen, schließlich sind wir nur Freunde. Warum reagiere ich dann so komisch?
„Ist alles okay, Johnny?", fragt Kim und ist plötzlich ganz nah vor meinem Gesicht.
Ich schlucke, versuche, die Tränen zurückzuhalten. Verdammte Scheiße, ich weine nicht. Nie. Und schon gar nicht, weil Kim verlobt ist.
„Klar", krächze ich und wende den Blick ab. „Ich würde jetzt nur gern allein sein."
Will ich nicht. Ich bin viel zu oft allein, das macht mich ganz kirre. Aber Kim hat einen Verlobten. Ein Leben. Ich nicht.
„Okay. Ich geh dann mal." Sie steht auf und geht zur Tür. Ich starre stur Jared-Jace an.
„Gute Nacht, Johnny", sagt sie, bevor sie das Zimmer verlässt.
Fick dich, Kim. Dich und deinen scheiß Verlobten.
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