38 | gebleichte Tomaten
,,Was?!", kam es von Henry, Joel, Seth, Cassandra und meiner Wenigkeit.
Unter anderen Umständen hätten wir uns jetzt angegrinst, weil wir etwas gleichzeitig gesagt hatten, aber das hier war wirklich ein unpassender Moment dafür.
Es ist nie ein unpassender Moment für freudige Gefühle! Besonders, wenn es so ernst ist..., protestierte der Hutmacher.
,,Es gibt keinen Grund mehr, euch zu verschonen.", wiederholte mein Entführer. ,,Ich weiß, was ich wissen wollte."
,,Das kannst du nicht machen!", warf ich ihm schockiert entgegen. Nicht nachdem wir.... Ich unterbrach meine Gedanken, denn sonst würde jeder merken, dass ich daran dachte. Solche Dinge konnte ich nicht gut verbergen.
In der ersten Klasse hatte mich ein Junge umarmt (wie sich später herausstellte, war das der Klassen-Fuckboy) und als ich nach Hause kam, sahen meine Eltern es mir sofort an. Ich war ein nervöses, rotes und stummes Wrack, dass die ganze Zeit versuchte nicht zu lächeln.
Und in diesem Moment fühlte ich mich wie mein sechsjähriges Ich.
,,Ich kann.", antwortete Sangster selbstgefällig, als hätte ich seine Macht infrage gestellt. Er sah aus, als wollte er noch etwas hinzufügen, tat es aber nicht. Aus Intuition heraus konnte ich mir denken, was das war: Und das werde ich auch.
,,Aber... wenn du uns noch brauchst?" Henry machte einen Schritt nach Vorne. In seinen Augen schimmerte die letzte Hoffnung umgeben von Angst.
Doch was hatte Henry an sich, das mein Entführer gebrauchen konnte? Was wurde hier benötigt...?
Augenblicklich schoss mir Felix in den Kopf. Wie er litt, wie er stöhnte, wie jammerte, wie er über seinen Fuß sprach - er brauchte Hilfe. Ärztliche Hilfe. Und meine Freunde hatten sich in einem Erste-Hilfe-Camp kennengelernt. Außerdem hatte Henry in der kurzen Zeit, in der wir uns kannten, oft damit angegeben, dass seine Eltern Ärzte waren und ihm von klein auf viel beigebracht hatten.
,,Henry kann helfen!", stieß ich aus. Alle sahen mich an. Besonders Henry. Er schien nicht zu wissen, ob er mich jetzt ohrfeigen oder zu Tode knuddeln sollte.
,,Inwiefern?", kam es von Sangster.
,,Er war in einem... er hat... Also, Felix ist doch stark verletzt und braucht ein Krankenhaus. Ihr könnt es aber nicht riskieren, ihn in eines zu bringen, deshalb ist die letzte Möglichkeit, jemanden anzuschaffen, der ärztliche Kenntnisse hat!", erklärte ich.
Es war nicht sonderlich hilfreich, dass mich dabei jeder anstarrt, denn Aufmerksamkeit machte mir Angst. Bei zu viel davon, kehrte meine Sozialphobie zurück, die ich vor zwei Jahren als depressiver Teenager bekämpfen musste.
,,Du kannst also jemanden von uns verarzten?", hakte Sir Blackhair nach. Die Besorgnis von vorhin war ihm schwer anzusehen und vermutlich erkannte das nur ich, weil erlebt hatte, wie sehr er sich um seinen Freund gekümmert hatte.
Gut, und außerdem konzentriert sich vermutlich niemand so genau auf seinen Gesichtsausdruck, fügte ich noch hinzu, um Sir Blackhair nicht aus Versehen ins rechte Licht zu rücken.
,,Ja. Ich bin gut darin. Ist nicht schwer.", meinte Henry aufgeregt.
,,Wenn es nicht schwer wäre, hätten wir es selbst gemacht.", verdrehte Sangster die Augen.
Meinte er mit "wir" eigentlich sich selbst? Schließlich hatte ich erfahren, dass er wusste, wie man mit ernsten Wunden umging.
,,Er schafft es wirklich!", beteuerte Cassandra eindringlich mit einem Hauch Verzweiflung, als hinge ihr Leben davon ab. Oh, Moment - das tat es ja auch.
,,Wirklich?"
,,Ja, ich kann das. Hab ich schon öfter gemacht. Meine gesamte Familie besteht aus Ärzten und Heilpraktikern. Ich hab mit sieben gewusst, wie man Blutungen stoppt und einem erstickenden die Kehle aufschneidet, ohne, dass er daran stirbt! Ich habe auch schon, äh, in... in Krankenhäusern gearbeitet, so als Ferienjob und vor Ort Erste Hilfe geleistet. Ich hab Erfahrung!", plapperte mein Freund darauf los. Lügen überhäuften sich und er schien es nicht mehr stoppen zu können.
Vielleicht sollte er mit seiner Erfahrung nicht zu dick auftragen, schließlich ist er erst fünfzehn..., schmunzelte der Grinsekater.
,,Kommst du auch mit Schusswunden klar?", hakte Sangster fast schon belustigt nach.
Da war Henry baff. Tja, in dem Erste-Hilfe-Camp hatte ihm wohl niemand beigebracht, wie man eine Kugel gefahrlos aus einem Körperteil entfernte.
,,In welcher Gegend?", fragte Henry ausweichend.
,,In Chicago. Schießerei.", kam es von Alex.
,,Er meinte nicht, wo es passiert ist, sondern wo er verletzt ist, du Volltrottel!", zischte Sir Blackhair.
Irgendwie hatte ich die Vermutung, dass Alex der so ziemlich größte Idiot war, den ich je getroffen hatte. Aber er war auch ein armer Idiot, weil er sich laut mehrerer Aussagen ungefähr 576 Mal in der Woche verletzte.
,,Im Fuß. Es blutet krass. Und irgendwas Wichtiges wurde erwischt. Und er hatte so starke Schmerzen, dass er anfangs nur gekotzt hat.", erklärte Murat meinem Freund.
,,Fuß...", wiederholte dieser. Dann nickte er. ,,Das krieg ich hin.", sagte er, während er hörbar ausatmete.
Als ihn Sangster misstrauisch beäugte, ergänzte Henry noch: ,,Und wenn ich es verkacke, dann könnt ihr mich danach immer noch umbringen."
,,Nein. Wenn du es verkackst, dann foltern wir dich. Danach wirst du getötet.", warf mein Entführer ein. Plötzlich wirkte Henry nicht mehr so selbstsicher.
Bevor er jedoch etwas darauf erwidern konnte, fragte Sangster sofort an Seth gerichtet: ,,Und was dich betrifft..."
,,...kennst du dich mit Computerprogrammen und Co aus?", vollendete der Junge, der Minho hieß.
Seth sah ihn missbilligend an. ,,Ach, weil ich Asiate bin?!", fuhr er ihn an und ignorierte dabei, dass Minho selbst ebenfalls asiatische Züge besaß.
,,Kennst du dich aus, oder nicht?", verdrehte dieser resigniert die Augen.
Seth schwieg und sah für ein paar Sekunden zu Boden. Dabei bohrte er seine Schuspitze in seinen linken Fuß.
,,Jaa... schon.", gab er dann zu.
,,Er ist sogar verdammt gut! Einmal hat er sich eine Seite gehackt und hat-", platzte Joel heraus, unterbrach sich aber selbst wieder. ,,...naja, was er getan hat ist jetzt unwichtig."
Henry musste ebenfalls dabei gewesen sein, denn er wurde bei der Erinnerung daran so rot wie eine Tomate. Gut, wie eine etwas gebleichte Tomate, um nicht gleich zu übertreiben...
Cassandra und ich sahen uns fragend an.
,,Minho, er wird dir helfen Janson zu orten.", bestimmte Sangster.
,,Und das BH-Mädchen?", fragte jemand, der sich anscheinend für ultra komisch hielt. Es war öliges-Haar-und-Akne-Eric.
Jedes Mädchen hat einen BH, die Bezeichnung ist unpassend und der Witz dadurch unlustig!, schimpfte ich in Gedanken. Trotzdem lachten einige, sodass Cassandra auch so rot wie eine gebleichte Tomate wurde.
Mir fiel auf, dass Sangster den BH Sir Blackhair zurückgegeben hatte, der ihn jetzt immer noch in seinen Händen baumeln ließ.
,,Ich bürge für sie!", stieß Dylan sofort aus, bevor sein Boss auch nur genauer darüber nachdenken konnte.
Cassandra starrte ihn misstrauisch an, doch das quittierte Sir Blackhair mit einem Zwinkern. Das brachte sie auf die Palme, wie ich, als beste Freundin, gut erkannte, doch Cass ließ es sich nicht anmerken. Okay, eigentlich schon, doch sie riss sich zusammen, ballte lediglich die Hände zu Fäusten und knirschte ihn finster an.
,,Was ist mit dir.... Joel?", erinnerte sich Sangster an seinen Namen.
Augenblicklich bekam ich Schweißausbrüche. Mein jüdischer Freund sah zwar gut aus, aber solange er nicht Leben retten, oder ein hackender Asiate war, half ihm das nicht. Und zufällig war er weder Arzt, noch Computerfreak. Alles, worin er gut war, waren Game-of-Thrones-Marathons und das Lügen. Doch ich bezweifelte, dass er jetzt eine perfekte Lüge erfinden konnte, die ihm das Leben retten könnte.
,,Wenn ihr ihn tötet, helfen wir euch nicht!", kam es von Henry.
,,Genau, das ist die Bedingung: Joel bleibt am Leben.", unterstützte ihn Seth.
Sangster schüttelte den Kopf. ,,Ich glaube, ihr habt nicht richtig verstanden. Die Bedingung ist, dass ihr nur am Leben bleibt, wenn ihr uns eine Hilfe seid. Euer Freund ist mir keine Hilfe, ergo er stirbt."
,,Außerdem können wir euch ein wenig bedrohen, damit ihr uns helft. Wenn das nichts nützt, foltern wir einfach eure Freundin. Wir brauchen sie zwar lebend, aber der Zustand ist mehr oder weniger egal.", erklärte Murat noch.
Ich konnte nicht glauben, dass er sowas sagte. Vor nicht allzu langer Zeit wollte er noch meine Brautjungfer werden und hatte mich im Flugzeug aufs Klo begleitet.
Schockierend, dieser Verrat!, stimmte mir der Hutmacher in einer Tasse rührend zu.
,,Nein!", protestierte Cassandra. Und dann fiel ihr nichts besseres ein, als sich an Dylan zu wenden und zu flehen: ,,Bitte, lass das nicht zu."
Der Angesprochene war ziemlich erstaunt, dass meine Freundin sich ausgerechnet an ihn gewandt hatte. Nach wenigen Sekunden zuckte er aber mit den Schultern und blickte weg. ,,Sorry.", murmelte Sir Blackhair.
Joel schwebte also erneut in Lebensgefahr.
Und mir viel nichts besseres ein, als vorzutreten und zu rufen: ,,Ich bürge für ihn!"
Allerdings funktionierte das nicht so gut, wie bei Sir Blackhair.
,,Du bist kein Mitglied, das geht nicht.", meinte Sangster mit hochgezogenen Augenbrauen.
Aber du hast mich geküsst, habe ich deswegen nicht irgendwelche Sonderrechte?!, dachte ich pikiert und stark bemüht, es nicht laut auszusprechen.
Stattdessen antwortete ich: ,,Na und? Wenn er etwas Falsches macht, übernehme ich die Verantwortung und du bringst mich um, egal ob Mitglieder oder nicht!"
Mein Entführer schien bei den Worten "du bringst mich um" etwas zu unterdrücken. Er fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe und schloss beim Zwinkern länger die Augen, als nötig. Als er sie öffnete, hatte er wieder diesen Gesichtsausdruck, den ich nicht deuten konnte.
Ich wusste nicht, ob ich mich deshalb geschmeichelt fühlen, oder Angst bekommen sollte.
,,Gut.", presste er schließlich zwischen zusammen gepressten Zähnen hervor.
Ich konnte es kaum glauben! Jedenfalls, bis er hinzufügte:
,,Bringt ihn ins Untererdgeschoss 2."
Die Zellen! Er wollte Joel einsperren!
Ich erinnerte mich vage daran, was Sir Blackhair an meinem erste Tag hier gesagt hatte, als er mich ebenfalls nach unten gebracht hatte.
Du hast Glück, dass du nur ins erste Untererdgeschoss musst. Im Dritten sind nämlich die, die so richtig scheiße behandelt werden!
Ich war im ersten Untererdgeschoss gewesen. Mir ging es gut. Das Dritte war das schlimmste von allen. Wie war wohl das Zweite?
,,Aber warum? Ich übernehme doch die Verantwortung!", fragte ich leicht entsetzt.
,,Richtig. Du übernimmst die Verantwortung für ihn, aber ICH bestimme immer noch, was mit ihm passiert.", hielt Sangster dagegen. Es war, als würden wir uns wieder zum ersten Mal sehen und erneut streiten.
Ach, ist das romantisch! Wie bei eurer ersten Begegnung..., kommentierte Grins, der lachend über uns schwebte.
Joel wurde neben uns bereits von zwei Schränken gepackt, einer davon war Schwarzeneggi Senior. Mein Freund warf mir einen hilflosen Blick zu, sagte aber nichts. Stattdessen wehrte er sich halbherz und grummelte vor sich hin.
Ich war so wütend, mein erster Instinkt war, Sangster in die Hand zu beißen (das hatte ich bis vor vier Jahren tatsächlich noch bei Leuten, auf die ich böse war, gemacht).
Um uns herum löste sich der Kreis langsam auf. Viele gingen bereits aus dem Raum, darunter auch Seth und Henry, die weggeführt wurden (allerdings freundlicher als Joel). Andere standen noch herum und sprachen miteinander.
,,Wieso bist du auf einmal so?", fragte ich meinen Entführer, anstelle eines Bisses. Leider musste ich feststellen, dass ich gekränkt klang.
Der Obergangster lächelte, doch er wirkte nicht erfreut. Er machte einen Schritt auf mich zu und nahm die Hand, die nicht in eine Bandage eingewickelt war - die mit dem Lederband, das mich kontrollieren konnte - zwischen die seinen. Mit den Fingern fuhr er über die kleinen Knöpfe, während mein Puls raste. Würde er wirklich einen davon drücken?
Doch Sangster sagte nur mit einem hämischen Unterton: ,,Habe ich eure leidenschaftliche Wiedervereinigung etwa zerstört? Ich entschuldige mich nicht dafür."
Jetzt konnte ich endlich diesen Ausdruck in seinen Augen lesen; es war Eifersucht.
Also, wie findet ihr das Kapitel?
Ne, wartet, das kann ich besser...
*geht aus dem Raum*
*schließt die Türe*
...
*bricht durch die Wand* *...die neben der Türe ist*
"OKAY IHR KLEINEN FICKER WIE FINDET IHR ES, DASS SANGSTER ZUR EIFERSÜCHTIGEN BITCH WIRD?!"
....jaaa....
Also ich persönlich hasse es, wenn die Jungs in Fanfictions eifersüchtig werden. Es nervt und zerstört alles, aber dieses Klischee gehört irgendwie dazu.
Außerdem habe ich schon mal erklärt, dass ich nicht die volle Kontrolle über den Verlauf der Geschichte habe und dieser Teil hat sich ebenfalls fast von selbst geschrieben (...und hätte Joel damit fast ermordet)
Ja ja,... die Geschichte ist schuld... nicht ich xD
Souuuu, genug von meinen Problemen, wie steht's mit euch? Gibt es Wünsche, Anregungen, Ships, die ich wahr werden lassen soll oder soll jemand aus der Geschichte mal den Arsch versohlt bekommen? Raus mit der Sprache ;)
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