22 | Pissnelke

Ich wachte auf, als mein Kopf bei einer Vollbremsung ruckartig nach vorne gerissen wurde. Siegmund ließ seinen Arm vor mein Gesicht schnellen, weil er dachte, mir würde gleich der Schädel abreißen und schlug mir somit auf die Nase. Problemhaut Eric lachte und wurde deshalb von mir in öliges- Haar-und-Akne-Eric umgetauft.

Meine Rache war nicht süß, sie war fies und voller beleidigender Namen!

,,Guten Morgen.", kicherte öliges- Haar-und-Akne-Eric, während Siegmund sich erschrocken entschuldigte. Ich konnte nicht mehr atmen, aber das lag nur an dem Schmerz, und außerdem hatte ich nun einen blutigen Geruch in der Nase.

,,Schon okay." Es war überhaupt nicht okay.

Mit Mühe konnte ich ein Wimmern unterdrücken und Tränen standen mir in den Augen. Scheiße, sowas tat weh!
Zusammen mit öliges- Haar-und-Akne-Eric lachten sich der Hutmacher und der Märzhase gerade schlapp. Schade, dass ich nur einen von den dreien in Wirklichkeit schlagen konnte, denn zwei von ihnen waren nur in meinem Kopf. Und den Kopf irgendwo dagegen zu schlagen, weil meine Gedanken gemein waren, klang nach etwas, was ein psychisch kranker Mensch tun würde.
Ich war schließlich fantasievoll und nicht psychisch krank.

,,Wo sind wir?", fragte ich. Oh, Gott! Erst jetzt merkte ich, dass meine Stimme so klang, als würde ich mir die Nase zuhalten. Fast wie Donald Duck. Darauf prustete öliges- Haar-und-Akne-Eric erneut los.

,,Auf dem Weg nach New York. Wir machen bald einen Zwischenstopp.", erklärte Siegmund, der anfing meine Nase zu untersuchen. ,,Nein! Du blutest!", stellte er auf einmal fest. Beinahe im selben Moment spürte ich eine kalte Flüssigkeit auf meine Lippen rinnen.

,,Du liebe Zeit!", gab ich empört von mir.
Der Hutmacher durchbohrte mich darauf mit einem Todesblick erster Klasse.

,,Du liebe Zeit? Wer sagt sowas denn heutzutage noch? Disneyfiguren vielleicht!", kommentierte öliges- Haar-und-Akne-Eric abfällig.
Zu meinem Entsetzen stimmte ihm der Hutmacher sogar zu.

,,'tschuldigung, ich wollte eigentlich 'du nicht-liebe Zeit' sagen.", erklärte ich, teilweise, um meinen Fantasiefreund zu besänftigen.

...und ich dachte, Freunde sind loyal zueinander!, zischte er trotzdem. Allerdings nahm er darauf wieder einen Schluck Tee, also hatte er sich soweit wieder beruhigt.

,,Das klingt natürlich schon besser!", meinte Sangster. Ich erstarrte vor Schock für ein paar Sekunden. Seine Stimme so unerwartet zu hören, war, als würde man plötzlich aus dem Schlaf gerissen werden. Mein Herz klopfte gegen meine Rippen, wie ein Presslufthammer.
Langsam wird diese enorme Angst ihm gegenüber ein wenig krankhaft..., dachte ich, während die Panikattacke endlich wieder von meinen Nerven abließ.

Siegmund Freud war gerade dabei, ein Taschentuch aus seiner Hosentasche zu holen. Offensichtlich war er auf alles vorbereitet. Da er ebenfalls noch gut aussah, sensibel und verständlich war und einen festen Schlag beherrschte (ich wusste es schließlich aus eigener Erfahrung...), war er somit der perfekte Freund und aus diesem Grund wahrscheinlich auch schwul, wie es alle perfekten Kerle waren.

Er betupfte gerade meine Nase, als ich mir vorstellte, wie wir beide beste Freunde wurden, weil ich dann wieder einen schwulen Kumpel hätte und ihn am meisten von den Jungs hier mochte. In meinen Gedanken tanzten wir gerade auf einer Blumenwiese und zeigten gleichzeitig auf einen Regenbogen, da klingelte sein Handy.

Mit einem Blick auf seinen Display begann er herzhaft zu lächeln. Wer so lächelte, hatte entweder sein Neugeborenes zum ersten Mal gesehen oder zwanzig Chicken McNuggets zum Preis von vier bekommen.
,,Meine Freundin.", erklärte er und hob ab.

Vielleicht ist der Anrufer in Wirklichkeit sein Freund?

,,Hi, Schatz. Wie geht's dir, Babygirl?"

Babygirl kann man auch zu Männern sagen! Es zeigt anscheinend, wer in der Beziehung der Sanftere ist.

,,Die Friseurin kann deine Haare gar nicht ruinieren! Sie sind immer perfekt, ob hüftlang und glatt oder kurz und lockig. Schick mir kein Foto, ich will mich überraschen lassen!", kicherte er fast in sein Handy. Öliges- Haar-und-Akne-Eric verdrehte die Augen.

Es gibt Männer mit hüftlangen, glatten Haaren..., versuchte ich mir selbst einzureden.

,,Was ist es denn? Sag schon, bitte!", flehte Siegmund.

Die Person am anderen Ende der Leitung, laut meiner Überzeugung und Willenskraft ein Mann, musste etwas lustiges gesagt haben, denn Siegmund kicherte wieder.

,,Ich kann doch so tun, als wäre ich überrascht.", schmollte er.

,,Was er wohl noch so alles vortäuscht? Seine Orgasmen?", murmemte öliges- Haar-und-Akne-Eric. Sangster lachte, unterdessen verdrängte ich die Vorstellung von Siegmund Freud im Bett. Mit Leuten, von denen ich über ihr Liebesleben bescheid wusste, kam ich in der Regel nicht gut klar.
Wie zum Beispiel bei meinen Eltern, als ich mit elf Jahren in ihr Schlafzimmer geplatzt war. Ich konnte sie beinahe ganze drei Wochen nicht mehr ansehen, ohne daran zu denken, wie sie ausgesehen hatten. Oder, welche Dinge gesagt wurden.

Bei der Erinnerung daran bekam ich Gänsehaut.

,,Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte...", bettelte Siegmund. Eine Oktave höher und er hätte wie meine Mutter damals geklungen. Ich schüttelte mich angewidert. Eigentlich glaubte ich, dass ich das schon längst überwunden hatte, aber einen Life-Porno von den eigenen Eltern höchstpersönlich mitzuerleben hatte mich tiefer getroffen, als gedacht.

,,Okay, danke!" Noch nie hatte ich Siegmund so hoch quietschen hören. Das steigerte meine Überzeugung, bald einen weiteren schwulen Kumpel zu haben. ,,Oh, die Jungs sind auch hier. Dürfen sie es hören?", fragte Siegmund.

Anscheinend hatte sein Freund (oder seine Freundin) zugestimmt, denn augenblicklich schaltete Siegmund auf Lautsprecher. Er war ganz aufgeregt. Eric hingegen schmunzelte, Sangster gähnte und den Fahrer konnte ich noch immer noch nicht sehen.

Dann verkündete eine zuckersüße, hohe und vor allem sehr, sehr weibliche Stimme: ,,ICH BIN SCHWANGER!"

Nachdem sich meine Ohren wieder erholt hatten, versuchte ein Teil von mir immer noch ein Argument gegen die Tatsache, dass Siegmund Freud nicht schwul war, zu finden.
Wenn du jetzt behauptest, dass Männer auch schwanger werden können..., drohte die Grinsekatze, wie nicht anders zu erwarten - grinsend.

...dann bist du eine schlechte Verliererin, kam es vom Hutmacher

...braucht nicht nur der Hutmacher Aufklärungsunterricht, schüttelte Alice den Kopf.

Da der Hutmacher heute schon gereizt wurde, warf er seine Tasse nach Alice, weil er fand, dass sich ihr Kommentar nach einer Beleidigung anhörte. Gleich darauf vergaß er das, wollte wieder einen Schluck trinken und war ganz überrascht, dass seine Tasse plötzlich weg war.

,,Wie schwanger?", hakte Siegmund nach.

,,Äh... ziemlich schwanger, jedenfalls laut sieben Tests und einem Arzt.", kam es vom anderen Ende der Leitung.

,,Herzlichen Glückwunsch!", schlug öliges- Haar-und-Akne-Eric meinem doch nicht mehr schwulen Freund in die Seite. Dieser war ganz perplex. ,,Ich werde Papa...", hauchte er.

,,Dann machst du das ganze hoffentlich besser, als dein Vater.", grinste Sangster.

,,Meine Frau hat Buch mit Erziehungstipps. Viele Tipps. Buch hat ihr mehr geholfen, als ich. Kannst du haben. Ich hasse es.", gab der Fahrer auch seinen Senf dazu.
Unterdessen fing meine Nase wieder zu bluten an, doch ich achtete gar nicht darauf, da ich mich auf ezwas anderes konzentrierte.

Eine Frage schlich sich in meinen Kopf und umso mehr ich sie ignorieren wollte, desto stärker trat sie in den Vordergrund. Sie war eigentlich ziemlich belanglos, aber ich traute mich nicht, sie zu stellen. Hin und her gerissen knabberte ich auf meiner Lippe herum.

,,Wie wirst du ihn nennen?", fragte der Fahrer. Eindeutig russischer Akzent.

,,Wer weiß, vielleicht ist es eine Sie?", zuckte Siegmund mit den Schultern. ,,Ich würde für sie später jeden Kerl verprügeln, der sie verletzt, sie zu einer starken Frau erziehen, die so sein soll, wie ihre Mutter, ich würde ihr gerne die Haare machen, mit ihr shoppen gehen und mit ihr im Puppenhaus spielen.", erzählte er verträumt.

,,Ab der Sache mit der starken Frau hättest du aufhören sollen...", warf Sangster ein.

,,Da hat er recht.", meinte Siegmund's schwangere Freundin aus dem Handy.

,,Ein Mann ist guter! Starker Bub, der wie sein Vater wird ist gut!", protestierte der Fahrer.

,,Frauen sind genauso gut, wenn nicht noch... guter!", zischte Siegmund's Freundin.

Öliges- Haar-und-Akne-Eric wollte gerade etwas sagen, doch da unterbrach ich ihn, weil ich die Frage nicht länger zurückhalten konnte.

,,Entschuldigung, aber können wir eine Pinkelpause einlegen? Ich bin kurz davor, alles vollzupinkeln!" *

Öliges- Haar-und-Akne-Eric, der Russe, Sangster und Siegmund starrten mich stirnrunzelnd an.
,,Ist das dein Ernst? Ich erwarte ein Kind, da müsstest du mindestens eine halbe Stunde warten, bis sich die Aufregung gelegt hat, um dann so eine Ankündigung zu machen.", meinte Dr. Freud.

Eine halbe Stunde?! JEDE SEKUNDE KANN DIE LETZTE SEIN, WIE SOLL ICH DAS BITTE MEINER BLASE ERKLÄREN?

,,Aber...", jammerte ich, wusste aber nicht, was ich noch sagen sollte.

,,Wir sind bald da.", verdrehte Sangster die Augen. Bald ist nichts gegen diese holprige Straße...

Die Beine zusammengepresst und die Arme um die Knie geschlungen - so saß ich da. Das Leder unter mir war kühl, was nicht gerade gut war, wenn man einen Wasserfall unterdrücken musste.

Während ich mich langsam fragte, wo genau da eigentlich war, sangen der Hutmacher und die Grinsekatze mir flüsternd ins Ohr:

Denk an einen Wasserfall, denk wie alles fließt.

Entspann dich und spür' wie es aus dir schießt.

Pissnelke, Pissnelke, Pissnelke...

Kurz wussten sie nicht mehr weiter.

...du alte Elke.

,,Das ist kindisch, unreif und vor allem peinlich!", flüsterte ich und verschränkte die Arme.

Pissnelke!







* Ich hab keine Ahnung, wieso ich das geschrieben habe. Eigentlich wollte ich sie etwas völlig anderes fragen lassen, aber ich musste gerade aufs Klo und meine Finger haben irgendwie automatisch getippt.... lol

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