KAPITEL 38
E L I Z A B E T H
Mein Puls verschnellerte sich augenblicklich, ich erkannte kein Gesicht hinter dem Schatten, der mich zuvor gepackt und hinter den Baum gezerrt hatte. Zudem traten Schweißperlen auf meine Stirn, ich schwitze wie noch nie zuvor; nicht einmal die Kälte schaffte es, meine Körpertemperatur zu senken.
Mit Händen und Füßen sträubte ich mich gegen die kräftigen Arme, steife Finger bohrten sich wie Krückstöcke in meine Schultern.
»Lass mich los!«, schrie ich und holte weit mit dem Bein aus, um nach hinten zu treten.
Die Person stöhnte schmerzvoll auf und hielt sich vermutlich die Stelle, welche ich mit meinem Fuß erwischt hatte. Auf der Stelle entfernte ich mich ein gutes Stück von dem Angreifer. Durch das fahle Mondlicht erkannte ich die blauen Augen, die mich schon so oft angesehen hatten. Mir fiel ein unglaublicher Stein vom Herzen, erleichtert fuhr ich mir durch die Haare und starrte ihn mit einem neutralen Blick an.
»Luke, sag mal geht es dir noch gut? Was fällt dir ein mich so zu erschrecken? Hast du etwa verlernt wie man mit anderen Menschen spricht?«, zischte ich vorwurfsvoll, während ich die Arme vor meiner Brust verschränkte.
»Wo hast du gelernt so hart zuzuschlagen?«, entgegnete er schwer atmend, lenkte somit von meiner Frage ab und hielt sich dabei die Seite.
»Mein Vater war ein guter Lehrer«, sagte ich trocken.
Ein rascheln und das darauf folgende Knacken ließen mir das Blut in den Adern gefrieren, ich schluckte kräftig.
»Komm, wir müssen hier verschwinden und uns auf die Suche nach den anderen machen«, meinte er und griff nach meiner Hand. Unsere Finger verkreuzten sich ineinander, dann rannte er los und zog mich hinter sich her, bevor die Verfolger auf uns aufmerksam werden konnten.
Noch immer war es mir nicht möglich irgendetwas auf dem Boden zu erkennen, ich hatte Angst erneut zu stolpern und mich dieses Mal etwas schwerer zu verletzen, Luke machte es dem Anschein nach zu urteilen nichts aus. Die Kälte kroch zusammen mit leichten Nebelschwaden schleichend über den Boden, ich fröstelte für einen Moment.
»Was ist vorhin passiert? Wieso seid ihr plötzlich verschwunden?«, verlangte ich schließlich zu erfahren, diese Frage lag mir schon die ganze Zeit auf der Zunge.
»Anscheinend sind wir alle in verschiedene Richtungen gerannt und haben uns währenddessen verloren«, vermutete er und schob einen Ast beiseite, damit ich die Stelle passieren konnte.
»Wie hast du mich gefunden?«, platzte es aus mir heraus und ich verlangsamte meine Schritte um ihn ansehen zu können.
Lukes Miene veränderte sich ein wenig, er unterdrückte ein Lächeln und kratzte sich mit seiner freien Hand am Hinterkopf.
»Ich... Als ich deine leise Stimme und das kaum hörbare Schluchzen gehört habe, bin ich stehen geblieben und sofort in die Richtung gegangen, aus der es kam«, murmelte er und streichelte mit seinem Daumen über meine Handoberfläche.
»Ich habe dir versprochen, dass ich auf dich aufpasse. Und davon werde ich mich nicht abbringen lassen«, sprach er mit fester Stimme weiter.
Ich wich seinem Blick gekonnt aus und starrte auf den Boden unter meinen Füßen.
Unwillkürlich nahmen meine Wangen eine rötliche Farbe an, vorsichtig löste ich meine Hand aus seiner und begann einen Fuß vor den anderen zu setzen, da ich nicht wusste wie ich mit der Situation umgehen sollte.
Eine Weile verbrachten wir durchgehend im Schweigen, man konnte nur den regelmäßigen Atem des jeweilig anderen hören.
»Wie sollen wir den Rest unserer Gruppe nur jemals finden? Das ist eine Aufgabe der Unmöglichkeit, zumindest im Dunkeln. Und wenn es hell wird, besteht die Gefahr, dass wir von den anderen gefunden und umgebracht werden«, seufzte ich.
Das mit Schnee bedeckte Laub knirschte unter unseren Füßen, hin und wieder sank ich in Blätterhaufen ein. Lukes Blick lag des öfteren auf mir, das spürte ich klar und deutlich. Ich hätte nur zu gerne gewusst, was er in diesem Moment dachte.
Die neugierigen dennoch tiefgründigen blauen Augen trafen auf meine.
»Wer verfolgt uns überhaupt? Kennst du ihn?«, hakte ich nach.
Luke antwortete zuerst nicht, presste stattdessen die Lippen aufeinander, sein Atem flachte sich ein bisschen ab. Sorgenfalten machten sich auf seiner Stirn breit, die Augen nahmen einen trüben Schein an.
»Es ist Dan.«
Es dauerte ein wenig, bis die Information in meinen Verstand gesickert war und ich versuchte, den Genannten Namen zuzuordnen. Dann wurde es mir auf einmal klar und ich schnappte geschockt nach Luft. Ich hätte mit jeder anderen Antwort gerechnet, mit jedem anderen Namen; nur nicht mit diesem.
Meinte er tatsächlich den Dan?
Den Dan, dessen Gruppe er sich angeschlossen hatte?
Den Dan, der versucht hatte, mich in der Nacht des Abschlussballes - laut Lukes Vermutung - zur Strecke zu bringen?
Den Dan, der alles zerstört hatte?
»Warum?«, brachte ich hervor.
Lukes Augen trafen auf meine, sein Blick war ernster als je zuvor.
»Weil er Jimmys Bruder ist.«
Ungläubig schauend presste ich mir die Hand auf den Mund, die ganze Sache kam mir so unreal vor. Mit weit aufgerissenen Augen holte ich tief Luft und fuhr mir erneut durch meine braun getönten Haare, an deren Farbe ich mich noch immer nicht so wirklich gewöhnt hatte.
»Er möchte sich für das rächen, was ich seinem Bruder angetan habe. Es war meine Schuld, dass er erschossen wurde. Als ich damals seiner Gruppe beigetreten bin, wusste er nicht, dass ich es war. Zudem kommt noch, dass ich sehr viel Geld von seinem Vermögen geklaut habe, um aus der Stadt verschwinden zu können; meine Eltern haben mir keinen Cent mehr gegeben, ich war blank. Schließlich habe ich die Jungs getroffen und mich ihnen angeschlossen«, erzählte er, während wir unseren Weg fortsetzten.
Gespannt hörte ich ihm zu und versuchte Blickkontakt zu halten.
»Der einzige Nachteil an ihnen war, dass manche... Sie haben Mädchen vergewaltigt. Seth, Dimitri und ich waren die einzigen, die es nicht getan haben. Zwar hatten wir ab und n unseren Spaß mit den Mädchen, aber so habe ich sie nie angerührt; hoffentlich beantwortet das deine Frage«, redete er im Flüsterton weiter.
Erleichtert nickte ich und griff automatisch wieder nach seiner Hand; seine kalten Finger jagten mir eine Gänsehaut über den Körper.
»Ich habe gemerkt, dass die anderen Jungs auch nicht ganz ohne sind. Immerhin haben sie unzählige Mädchen auf den Straßen angegraben, wenn nicht sogar bewusstlos geschlagen, um sie mit in die Halle zu bringen und ihnen dann irgendetwas einzureden; meistens handelte es sich bei den Mädchen sowieso um Schlampe, so gab es keine gravierenden Probleme.«
Aus irgendeinem Grund wurde mir wohlig warm ums Herz, ich hatte das Gefühl, dass er mir wieder zu vertrauen schien.
»Aber sie hatten auch noch eine andere Seite. Eine Seite, die freundlich und hilfsbereit war. Sie haben mich aufgenommen, als niemand anderes es getan hat. Bevor du jetzt sagst, dass du mir angeboten hast bei dir zu wohnen; ich musste aus der Stadt verschwinden. Es wäre zu riskant gewesen, deine Sicherheit noch ein weiteres Mal zu unterstellen. Ich bin mir sicher, dass meine Eltern nicht einmal bemerkt haben, dass ich verschwunden bin«, murmelte Luke.
»Ich weiß gerade ehrlich nicht was ich sagen soll, denn ich habe ehrlich nicht damit gerechnet, dass du mir so etwas jemals wieder anvertrauen würdest«, gab ich zu und biss mir auf die Lippe.
Auf seinen Lippen bildete sich ein schwaches Lächeln, die mittlerweile traurigen Augen verbanden sich mal wieder mit meinen.
»Liz, das Vertrauen war immer da. Ich wollte deinen Hass nicht nur noch mehr steigern, indem ich dir die Wahrheit erzähle. Ich war mir eigentlich sicher, dass du trotzdem nie wieder mit mir reden würdest und das hätte ich wahrscheinlich nicht verkraftet. Mir tut alles was geschehen ist so unendlich leid, am liebsten würde ich die Zeit zurückdrehen und...«
Ohne darüber nachzudenken zog ich ihn zu mir herunter und presste meine Lippen auf seine.
Der Kuss war sanft, dennoch leidenschaftlich. Ich hatte es vermisst, seine Lippen auf meinen zu schmecken; die Schmetterlinge waren auch wieder zurück an ihrem Platz. Unsere Nähe ließ mich gut fühlen, ich spürte das Kribbeln in meinem gesamten Körper nur zu deutlich. Luke leckte mir sanft über die Unterlippe und bat um Einlass, welchen ich gewährte.
Nach einer Weile lösten wir uns schwer atmend voneinander, er blickte mich etwas verwirrt an; in seinen Zügen lag trotz dessen etwas glückliches.
»Wofür war das denn?«, fragte er grinsend.
»Du hast zu viel geredet«, meinte ich ebenfalls lächelnd und setzte den Weg fort, ohne noch irgendetwas zu diesem Thema zu sagen, da ich selbst nicht einmal die Antwort auf seine Frage wusste.
Ich wusste nur, dass mir der Kuss gefallen hatte.
Verdattert schaute er mir hinterher, ehe er sich durch die Haare fuhr und mir nachlief.
Mittlerweile hatte es aufgehört zu schneien; vielleicht lag es aber auch nur am Dickicht des Waldes, dass kein Schnee mehr zu uns durchsickerte. Wir befanden uns mitten im Nirgendwo, wussten nicht einmal mehr, aus welcher Richtung wir gekommen waren. Noch dazu kam, dass der Rest unserer Truppe ebenfalls irgendwo im Wald verstreut war und wir sie immer noch nicht gefunden hatten.
Luke probierte ab und zu aus, ob er mittlerweile irgendwelche Anzeichen eines Funknetzes erkennen konnte; das Handy zeigte kontinuierlich keine Verbindung an.
Vor meinem Mund bildeten sich abwechselnd kleine weiße Wölkchen; ich fing wieder an zu frieren.
Als wir an einer Stelle vorbei kamen, an der gefällte Bäume auf dem Boden lagen, schaute Luke mich fragend an.
»Wollen wir eine kurze Pause einlegen? Die Stämme würden einen guten Schutz bieten«, schlug er vor und ich willigte sofort ein.
Er reichte mir die Mütze aus seiner Jackentasche, damit ich mir diese über den Kopf stülpen konnte und somit etwas mehr Wärme ausgesetzt war. Danach ließ er sich auf den Boden fallen und lehnte sich mit seinem vollen Gewicht gegen die Baumstämme. Ich setzte mich neben ihn und bettete meinen Kopf auf seinem Schoß.
Meine Beine lagen frei, ich versuchte die kriechende Kälte zu ignorieren und mich auf Lukes Atem zu konzentrieren.
»Bald haben wir es geschafft«, murmelte er, ehe er sich zu mir beugte, um einen Kuss auf meiner Stirn zu hinterlassen.
»Ich verspreche es«, war das Letzte, was ich hörte, bevor meine Augenlider zu schwer wurden.
-'-
Durch ein leises Geräusch erwachte ich aus dem Schlaf.
Lukes schlaffer Körper befand sich noch immer in derselben Position wie vorhin, seine Augen waren geschlossen; er schlief vermutlich noch tief und fest.
Es dauerte eine Weile, bis sich meine Augen an das helle Licht der Morgensonne gewöhnt hatten, der Schnee war verschwunden; anscheinend waren die Temperaturen rapide gestiegen. Zwar herrschte immer noch eine gewisse Kälte, welche auf irgendeine Art und Weise jedoch angenehm war.
Das Rascheln war nach wie vor zu hören, ich schluckte kräftig und tippte Luke auf die Schulter, um ihn aufzuwecken.
»Luke. Luke, wach auf«, hauchte ich.
Der Angesprochene grummelte etwas unverständliches, ehe er seine Augen öffnete und mich verschlafen anstarrte.
»Was ist los? Ist irgendetwas passiert?«, fragte er auf einmal hellwach und rieb sich über die müden Augen.
»Mich hat ein seltsames Geräusch aufgeweckt. Ich habe Angst, dass es Dan oder irgendeiner seiner Anhänger sein könnte...«, teilte ich ihm mit und setzte mich vorsichtig auf, gerade so, dass ich über die Baumstämme hinweg sehen konnte.
»Luke«, schluckte ich.
Tränen traten mir in die Augen, als ich einen völlig entstellten Seth zu Gesicht bekam.
Ohne auf Lukes Reaktion zu warten, sprang ich auf und rannte auf ihn zu, er war kaum noch bei Beuwsstsein und bewegte sich nur schleppend vorwärts. Als er mich erblickte, entspannten sich seine weniger gut erkennbaren Gesichtszüge etwas und er ließ sich auf den Boden fallen.
»Seth, was ist denn mit dir passiert? Oh mein Gott. Luke, er braucht Hilfe! Wir müssen Hilfe holen!«, schrie ich und wischte einmal über Seths zerschlissenes Gesicht.
Sein Blut klebte zwischen meinen Fingern, ich hatte nicht einmal die Zeit dazu, darüber großartig nachzudenken. Der Junge sah wirklich schlimm aus.
Mehrere tiefe Wunden zierten seinen Körper, sie machten einen schmerzhaften Eindruck. Das Blut quoll seicht heraus und durchweichte seine Klamotten. Kräftig schluckend fuhr ich mir durch die Haare und versuchte irgendeine Lösung für das Problem zu finden.
»Seth, du musst wach bleiben. Wir schaffen das schon, alles wird gut«, sagte ich und strich beruhigend über seine Wange.
Luke trat neben uns und starrte geschockt auf seinen Freund hinab.
»Was ist passiert? Seth, wer hat dir das angetan?«, wollte er mit zitternder Stimme erfahren.
»D-Dan... Er... Er hat Jackson ge-getötet und Dimitri mitge-genommen. I-ich sollte euch e-eine N-nachricht überbringen«, stammelte der Verletzte und schnappte nach Luft. Seine schwache Hand griff in die Tasche seiner Jacke, holte ein zusammengefaltetes Blatt Papier und eine Landkarte heraus, welche er einem fassunglosen Luke in die Hand drückte.
»Ihr müsst D-Dimitri finden, a-ansonsten wi-ird er ihn tö-töten. Lasst mich zu-zurück und ge-eht«, flüsterte er und schloss kraftlos die Augen.
Meine eigenen Tränen tropften auf ihn hinunter, ich schüttelte wild den Kopf. "Niemals. Ich werde nicht ohne dich gehen, alles wird gut. Hörst du, Seth? Alles wird wieder gut", weinte ich auf seinen beinahe leblosen Körper. Ich packte seine Hand und streichelte diese sanft.
»Luke, pass g-gut auf sie a-auf, lass sie niema-als gehen«, hauchte er, woraufhin Luke sanft nickte.
Seths Atem wurde immer flacher, bis der Kopf schließlich auf die Seite kippte und seine Hand langsam aus meiner rutschte.
»Nein«, flüsterte ich und ließ einen spitzen Schrei aus, ehe ich an seiner Schulter rüttelte.
»Seth. Seth, bitte. Bitte mach die Augen auf und sieh mich an. Seth«, schluchzte ich, Luke saß neben mir und brachte keinen Ton heraus.
Er betrachtete seinen toten Freund, in seinen Augen glänzten die Tränen.
»Liz, es hat keinen Sinn mehr«, murmelte er und legte einen Arm um meine Schultern, um mich hochzuziehen.
»Nein, nein. Nein Luke, lass mich los. Wage es nicht mich anzufassen. LASS MICH LOS«, schrie ich und trommelte auf seine Arme, die mich hochhoben und von Seth entfernten.
Brüllend schlug ich so fest ich konnte auf Luke ein, ich wollte zu Seth, ich musste ihm helfen.
»Luke, lass mich bitte los, wir müssen ihm helfen. Bitte, bitte lass mich los«, weinte ich in seine Schulter und warf einen letzten Blick auf die Leiche meines guten Freundes, während Luke mich immer weiter von ihm wegschaffte.
»Elizabeth, es ist zu spät. Er ist seinen Verletzungen erlegen und hat uns verlassen. Wir müssen Dimitri suchen, ich weiß nicht wie lange er noch hat und ihn können wir nicht auch noch verlieren. Denk immer daran, dass es Seth jetzt bestimmt besser geht«, bemerkte er in einem ruhigen Ton und streichelte einmal kurz sanft über meinen Rücken.
Ich brachte es nicht fertig, mit dem Weinen aufzuhören; zu groß war der Schmerz des Verlustes.
»Pscht, es wird alles wieder gut«, redete er auf mich ein und lief vorwärts, damit wir so schnell wie möglich aus dem Wald gelangen konnten.
Als Antwort schüttelte ich den Kopf und heimlich, still und leise nur für mich hörbar weiter. In meinem Inneren fühlte sich alles zerbrochen an, ich konnte nicht glauben, dass er tot war. Sein Leben war viel zu kurz gewesen, das hatte er nicht verdient. Er hatte es nicht verdient, die Welt so frühzeitig zu verlassen.
»Luke, ich weiß nicht wie lange ich das noch durchhalte«, jammerte ich und stützte meinen Kopf auf seiner Brust ab, die Tränen waren mittlerweile in meinem Gesicht getrocknet, dennoch weinte ich weiter - zumindest innerlich.
»Liz, wir haben es geschafft«, war das Einzige, was er erwiderte, ehe er mich auf beiden Beinen absetzte und anschließend hinter mich zeigte.
Mein Blick folgte seinem Finger, der auf die Landstarße unmittelbar vor uns zielte.
»Ich kann nicht mehr, ich halte das nicht mehr durch«, offenbarte ich und stützte mich an einem kleinen Baum direkt neben mir ab.
»Wir sind so kurz vor dem Ziel, wir müssen nur noch der Straße folgen, dann kommen wir im nächsten Ort an und können Hilfe holen und dich in Sicherheit...«
Ich ließ ihn nicht zu Ende reden.
»Luke, was willst du der Polizei sagen? Sie suchen uns überall und werden dieser verrückten Geschichte ganz sicher keinen Glauben schenken. Es ist ein hoffnungsloser Fall, wir sind verloren.«
»Das würde ich nicht ganz so sagen. Seth hat mir eine Botschaft von Dan übermittelt; er möchte mit mir reden. Deswegen hat er ihm auch die Landkarte mitgegeben. Ein Haus, ganz am Rande des nächsten Ortes, ist darauf verzeichnet worden. Ich bin mir sicher, dass er dort auf mich wartet. Es ist sehr gefährlich darauf einzugehen, aber wir können dieses Versteckspiel nicht ewig durchziehen. Außerdem muss ich meinen Freund retten. Sobal dich Netz habe, werde ich ein Taxi für dich rufen, damit es dich in die nächst größte Stadt, außerhalb der Gefahrenzone bringt«, informierte er mich und verschränkte anschließend die Arme vor der Brust, den Blick auf die Zettel geheftet.
»Ich werde ganz sicher nicht alleine in eine fremde Stadt fahren. Luke, du kannst mich nicht schon wieder versuchen wegzuschicken und mich von der Gefahr fernzuhalten, denn ich stecke sowieso schon mittendrin«, widersprach ich ihm.
Seths Tod steckte mir noch immer in den Knochen, weshalb mir alles egal war, was nun passierte; schlimmer konnte es nicht mehr werden. Ich musste unbedingt aufhören, die ganze Zeit über sein kurzes Leben nachzudenken, sonst würde ich mit Sicherheit bald einen Nervenzusammenbruch erleiden.
»Ich kann aber nicht riskieren, dass dir etwas passiert. Das würde ich mir nie verzeihen. Außerdem habe ich Seth versprochen, dass ich auf dich Acht gebe«, äußerte er sich im Flüsterton.
»Und ich würde es mir nie verzeihen, wenn dir etwas zustoßen würde, während ich in Sicherheit bin. Wir ziehen das jetzt zusammen durch, Seth hätte nicht gewollt, dass wir uns aufteilen«, beschloss ich und sprang über meinen Schatten, da ich innerlich überhaupt nicht so mutig war, wie ich mich gerade darstellte.
Um ehrlich zu sein hatte ich Todesangst vor dem, was auf uns zukommen würde.
»Dann lass uns gehen«, gab er schließlich nach, verschränkte unsere Finger miteinander.
Der grelle Sonnenschein blendete mich für ein paar Sekunden, als wir aus dem Dickicht kamen und die leergefegte Landstraße betraten.
Gerade als wir diese überqueren wollten, um das kleine Örtchen zu betreten, welches genau gegenüber von uns lag, kam ein Auto angebraust, woraufhin wir uns in den Graben warfen, damit der Fahrer uns nicht sehen konnte. Der Wagen passierte uns, ich spitzte vorsichtig hervor und traute meinen Augen kaum; das konnte nicht wahr sein.
»Elizabeth? Ist alles in Ordnung?«, wollte Luke erfahren und schaute mich prüfend an.
»Ja«, log ich und versuchte den Gedanken zu verdrängen, dass es sich bei dem Fahrer um meinen Vater gehandelt haben könnte.
Warum sollte er auch hier sein? Er denkt schließlich ich sei tot, dachte ich und kniff die Augen für einen Moment zusammen, um mich zu beruhigen.
»Bist du dir sicher?«, hakte er nach und ich nickte, ehe wir aufstanden und unser vorzeitiges Versteck verließen.
Mithilfe der Landkarte suchten wir die Straße, in der sich dieses Haus, in dem Dan angeblich auf Luke wartete, befand. Bisher waren wir erfolglos; es war schwer nicht aufzufallen, ein Haus zu suchen und sich gleichzeitig noch zu verstecken. Luke gab es schließlich auf und überreichte mir die Landkarte, während er jemanden suchte, den er zu dem Haus befragen konnte. Währenddessen studierte ich die Karte und versuchte irgendetwas herauszufinden.
»Liz, wir sind in der richtigen Straße. Die Frau hat gesagt, dass wir nur bis zum Ende laufen müssen, das Haus ist am Rande des nächsten Waldes und laut ihr, wohnt dort schon lange niemand mehr«, verkündete er.
»Das wäre der perfekte Treffpunkt... Niemand würde irgendetwas mitbekommen«, stimmte ich ihm zu.
»Komm, wir dürfen keine Zeit verlieren«, erinnerte er mich und griff nach meiner Hand.
Abwesend tat ich so, als würde ich mir die Gegend genau anschauen und alle Details in mich aufsaugen, dabei dachte ich in Wirklichkeit über den Autofahrer nach. Konnte es sich wirklich um meinen Vater handeln? In den Nachrichten hatten sie damals gesagt, dass er eine neue Spur gefunden hatte, die er nun verfolgen würde.
Seufzend strich ich mir mit der freien Hand eine verirrte Strähne aus dem Gesicht.
Luke schaute auf sein Handy, dessen Uhr kurz vor elf anzeigte. Die Zeit war im Nu vergangen, die Straßen füllten sich allmählich. Ich zog mir die Kapuze der Jacke etwas tiefer in die Stirn, sodass mich wirklich keiner erkennen konnte.
»Wir sind bald da.«
Die Straße schien immer düsterer zu werden, ich umschloss Lukes Hand nun etwas fester, da ich ein ungutes Bauchgefühl bei der ganzen Sache hatte. Zudem kam noch, dass es wieder angefangen hatte zu schneien. Die Sonen stand trotz dessen noch hoch am Himmel und erwärmte unsere unterkühlten Körper.
»Ich glaube das ist es«, presste Luke zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und deutete auf ein ziemlich heruntergekommenes Haus.
Ich atmete tief durch, ehe ich in seine Augen schaute und nickte.
Er drückte kurz meine Hand und beugte sich zu mir hinunter, um mir einen letzten Kuss auf die Lippen zu geben, welchen ich ohne weiteres erwiderte. Der Kuss war viel zu schnell vorbei, Luke tat es mir gleich und nickte ebenfalls kaum merklich.
Dann schritten wir die Treppen nach oben, bis wir letztendlich auf der Veranda standen.
A/N: Frage des Kapitels: Was ist zurzeit euer Lieblingslied?
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