KAPITEL 22

E L I Z A B E T H

Es war der zweite Tag nach den Prüfungen, was so viel bedeutete, wie Prom.

Nervös spielte ich an den Bändeln meiner Jeans herum, während ich nachdachte, wohin ich meine Faschingsmaske geräumt hatte.

»Schatz, hast du sie immer noch nicht gefunden?«, wollte meine Mutter wissen und steckte ihren Kopf durch die offene Tür.

»Ich bin, wie vor einer halben Stunde auch schon, noch immer erfolglos«, gab ich zu und schenkte ihr einen genervten Blick.

Sie schien für einen Moment nachzudenken, ehe sie erneut das Wort ergriff.

»Hast du es schon einmal auf dem Dachboden versucht? Vielleicht findest du ja dort etwas Nützliches. Dein Vater möchte später übrigens einmal kurz mit dir reden. Bevor du gehst schaust du bitte einmal in seinem Arbeitszimmer vorbei, okay?«

Um ihr eine Antwort zu geben nickte ich nur und verließ dann wortlos das Zimmer, damit ich die Treppe nach oben auf den Dachboden nehmen konnte.

Die Tür ging mit einem flauen Quietschen auf, die Kammer machte einen sehr düsteren Eindruck. Ich presste meine Hand auf den Lichtschalter, im nächsten Moment wurde alles hell erstrahlt, das LED Licht passte überhaupt nicht zu der Gestaltung des riesigen Raumes. Die hölzernen Balken sahen ziemlich alt aus, ich hatte ein wenig Angst, dass sie irgendwann einstürzen würden. Der Stil dieses Teils unseres Hauses, passte nicht wirklich zu der modernen Einrichtung, trotzdem mochte ich es aus einem einfachen Grund: es hatte etwas Magisches an sich.

Seufzend begann ich in einigen Kisten herumzuwühlen und nach dem Gegenstand zu suchen, den ich so dringend brauchte.

Der Prom fing bereits in vier Stunden an, ungefähr eine halbe Stunde eher, hatte ich mich mit meinen Freunden verabredet. Ich konnte noch immer nicht so richtig fassen, dass sie es wirklich geschafft hatten mich zu überzeugen, mitzugehen. Zudem hatte ich an meinem einen Arm Cal und an dem anderen Michael; ich konnte noch nicht so ganz begreifen, warum beide unbedingt mit mir auf diesen Abschlussball gehen wollten.

Als nächstes klappte ich den Deckel einer Kiste nach oben und durchwühlte den Inhalt sorgsam.

Mir kamen verschiedene Sachen in die Hände, unter anderem ältere Familienbilder, Alben, Briefe und Erinnerungen an den einen oder anderen Teil meiner Kindheit. Lächelnd legte ich alles sauber und ordentlich zurück in die Kiste und sah mich nach weiteren Gegenständen um, in die ich hineinschauen und nach meiner Maske suchen konnte.

Ich entdeckte einen Korb in dem sich mehrere Klamotten aufeinander türmten und beschloss dort weiterzusuchen; es handelte sich um alte Faschings- und Halloweenkostüme.

Wenige Minuten später war der Boden mit den Kleidern übersäht, die Accessoires waren ganz unten verstaut. Ich wollte die Suche nach der Maske schon aufgeben, als ich den cremefarbenen Stoff, bestickt mit glitzernden Mustern, entdeckte.

Glücklich zog ich sie hervor und legte sie an, um zu testen ob sie noch passte.

»Liz? Bist du da oben?«, hörte ich die Stimme meines Vaters und zuckte zusammen.

»Ja, ich bin hier«, rief ich die Antwort und sammelte alle auf dem Boden liegenden Dinge auf, und stopfte diese anschließend wieder zurück in den Korb.

»Ich würde gerne kurz mit dir reden, kommst du in mein Büro bitte?«, fragte er und als ich mich umdrehte sah ich ihn am Treppenabsatz stehen.

Ich nickte, nahm die Maske von meinem Gesicht und folgte ihm dann nach unten.

Auf der Treppe hatte ich eine Stufe übersehen, wäre ich fast gestolpert. Ich war gespannt auf die Nachricht, die er mir gleich überbringen würde; dem Anschein nach war sie sehr wichtig, da Mum mich auch schon gebeten hatte, in Dads Büro vorbeizuschauen, bevor ich mich für den Prom fertig machen würde.

»Was gibt es so wichtiges?«, verlangte ich zu erfahren als ich über die Schwelle trat und spielte nervös und neugierig zugleich an meinem Fingernagel herum.

Mein Blick glitt zu dem Schreibtisch, vor dem Luke und ich uns das erste Mal beinahe geküsst hätten. Die unordentlichen Blätterstapel lagen immer noch in einer Reihe aufgelistet, auf dem Tisch.

Ich verdrängte die Erinnerungen an diesen Tag und richtete meine volle Aufmerksamkeit wieder auf meinen Vater.

»Es ist nichts Ernstes. Ich wollte dich nur darum bitten in den Ferien oder deiner freien Zeit am College wieder öfters zu trainieren und dich darüber informieren, dass der Wohnblock abgerissen wird, in dem sich deine Wohnung befindet.«

Dem ersten Teil seines Satzes schenkte ich ein Lächeln, aber beim zweiten weiteten sich meine Augen geschockt.

»Wieso wird der Wohnblock abgerissen?«, hakte ich nach, meine Augenbrauen trafen sich in der Mitte der Stirn.

»Die Besitzer haben kein Geld mehr, die Stadt hat es aufgekauft und beschlossen komplett abzureißen, um ein Einkaufszentrum auf den Platz zu stellen.«

»Ein Einkaufszentrum«, wiederholte ich seine Worte ungläubig.

Fast wären mir die Tränen gekommen, da ich nicht glauben wollte was ich da gerade gehört hatte. Das Gebäude in dem Luke und ich uns zum ersten Mal richtig nahe gekommen waren, in dem wir so viele Momente miteinander geteilt hatten sollte abgerissen werden, nur damit die Stadt sich mit einem weiteren Einkaufszentrum begnügen konnte.

Beinahe verächtlich schnaubte ich und fuhr mir mit der Hand durch die Haare, welche schlapp auf meine Schultern fielen.

»Liz, ist alles in Ordnung? Du siehst ziemlich bleich aus.«

Ich schüttelte den Kopf und winkte ab. »Wann müssen meine Sachen raus?«, stellte ich die nächste Frage.

»Darum werden wir uns kümmern wenn du deinen Ball hinter dir und deinen Abschluss in der Tasche hast.«

Mit einem Kopfnicken verließ ich das Zimmer und machte mich auf den Weg nach oben, die Maske mit meinen Fingern fest umschlungen.

Mein Kleid hing sauber und ordentlich auf einem Bügel, welcher wiederrum an meiner Garderobe aufgehängt worden war. Die dünne Jacke, die ich in meine Tasche packen würde, befand sich direkt daneben. Tasche, Schuhe und Ohrringe schön auf den Tisch geräumt.

Ich hörte hinter mir ein Bellen und erblickte meinen Hund, mit dem ich in letzter Zeit reichlich wenig zu tun gehabt hatte. Lächelnd legte ich die Maske zu den anderen Sachen und ging in die Knie, um Socke hinter seinen Ohren zu kraulen.

»Du kannst froh sein dass du ein Hund bist, in deinem Leben gibt es viel weniger Probleme.«

Die klaren Hundeaugen betrachteten mich mit einem fragenden Blick, und ich legte meine Arme um den kleinen Körper. Der warme Atem, welcher aus Sockes Maul entwich, jagte mir eine Gänsehaut über meinen Rücken, das weiche Fell streichelte meine nackte Haut. Von unten hörte ich meine Mum pfeifen.

»Socke? Wo bist du? Beifuß!«, hallte es durch die ganze Wohnung, und ich klopfte dem edlen Hund auf den Körper, bedeutete ihm, zu meiner Mutter zu gehen, damit er sein tägliches Geschäft verrichten könnte und seinen angemessenen Freilauf bekam.

Zufrieden und ein kleines bisschen abgelenkt ging ich ins Badezimmer und drehte den Wasserhahn der Wanne auf. Ich brauchte ein entspannendes Schaumbad, bevor ich die restlichen Vorbereitungen treffen konnte.

Das warme Wasser begutachtend, streifte ich mit die Klamotten vom Körper (vorher hatte ich die Badezimmertür abgeschlossen) und stieg in das seichte Wasser. Der Schaum verbreitete sich über meinem Körper und ich lehnte mich genießend zurück.

Mein Handy lag neben der Wanne, ich trocknete mir die Hände ab, stellte das laufende Wasser aus und nahm es in die Hand.

Ich hatte immer noch keine Nachricht von Luke erhalten, weshalb ich ihm erneut eine schrieb, in der ich erläuterte, dass ich mir Sorgen um ihn machte. Zwar war ich auch ein bisschen wütend auf ihn, aber ich hatte Angst dass er etwas Falsches tun würde.

Aus der Wanne kletternd, angelte ich nach einem Handtuch, wickelte es mir um den Körper und schmiegte mich in den samtweichen Stoff.

Als ich vor dem Spiegel stand und meine Haare kämmte, dachte ich über den heutigen Abend nach. Ich war mir noch nicht so sicher, ob ich wirklich Spaß haben konnte, dafür ging mir zu viel durch den Kopf. Was auf jeden Fall feststand war, dass ich das Beste aus dem heutigen Abend machen wollte.

Vielleicht war er ja auch eine ganz gute Ablenkung für die ganzen Vorfälle der letzten Tage.

Aus der Kommode in meinem Zimmer fischte ich die Unterwäsche, zog sie an, und strich über meine glattrasierte Haut. Danach räumte ich das Handtuch und die anderen benutzten Gegenstände beiseite und widmete mich meinem Kleid. Die Wanduhr sagte mir, dass ich noch knapp zwei Stunden hatte, bis ich an unserem Treffpunkt aufkreuzen musste. Es dauerte nicht allzu lange, bis sich der feine Stoff an meine Haut gewöhnt hatte. Da ich nun mit dem herrichten meines Kleides fertig war, musste ich zu den Haaren fortschreiten.

Ich hatte beschlossen sie in ihrem Normalzustand zu lassen, was leichte Locken bedeutete.

Meiner Meinung nach fehlte am Ende meines Stylings das gewisse Etwas. Ich wusste nicht woran es lag, aber ich wollte dass mein Outfit perfekt war.

Im Zimmer sah ich mich nach irgendetwas um, dass den ganzen Stil ergänzen könnte. Mit einem Hut konnte ich ja wohl schlecht auftauchen, einen Haarreifen fand ich für diesen Anlass unpassend. Und dann entdeckte ich meine Blumenkrone, die über die Jahre hinweg in einem meiner unzähligen Regale zu verstauben begonnen hatte.

Grübelnd nahm ich sie zwischen die Finger und schritt vor den Spiegel.

Ich platzierte das Band in meinen natürlich gestylten Haaren und schaute erneut in dem Spiegel; das war es gewesen, die perfekte und zugleich wundervolle Ergänzung, welche ich die ganze Zeit über gesucht hatte.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich nun losgehen musste, weswegen ich mein Handy, einen Geldbeutel, die Maske und den Haustürschlüssel in der Tasche verstaute. Ich hob meine Schuhe auf und machte vorher noch kurz die Ohrringe rein, ehe ich die Stufen nach unten lief.

Dad wartete bereits, er hatte sich dem Anschein nach bereit erklärt, mich zu fahren.

»Wohin muss ich dich bringen? Und wollen wir ein Bild von dir machen?«

»Zur Schule, wir treffen uns am Eingang zum Pausenhof und gehen danach zusammen in die Turnhalle, in der die ganze Prom-Sache über die Bühne gehen wird. Nein, das ist nicht nötig. Ich weiß noch nicht genau ob ich mich später an diesen Tag zurückerinnern möchte«, sagte ich unschlüssig und zog dabei die Schuhe an, die einen größeren Absatz aufwiesen.

»Das hat mir meine eine Frage jetzt nicht direkt beantwortet. Schatz, mach dir keine Sorgen. Ich bin mir sicher, dass du eine Menge Spaß haben wirst«, lachte er während er sich seinen Blazer über die Schultern legte, um mir danach einen aufmunternden Blick zu schenken.

»Parke einfach direkt vor der Schule«, meinte ich knapp und lächelte ihn an. Zusammen stiegen wir ins Auto, Mum war noch immer nicht von ihrem Spaziergang mit Socke zurückgekehrt, was ich irgendwie ein wenig schade fand. Ich hätte ihr gerne mein Kleid präsentiert.

Naja, vielleicht konnte ich das später auch noch nachholen.

Die Fahrt verlief relativ still, und ich erinnerte mich daran, dass ich Less noch Geld schuldete.

Wir fuhren in die Straße meiner Schule, das Auto wurde zunehmend langsamer, bis es schließlich vor dem Schultor zum Stehen kam.

»Dad, kannst du mir vielleicht ein wenig Geld geben?«, fragte ich kleinlaut.

Er zückte seinen Geldbeutel und reichte mir einen Hunderterschein, verblüfft guckte ich ihn an; Dad zwinkerte mir nur zu.

»Habe viel Spaß«, sagte er als ich die Tür öffnete und vorsichtig ausstieg.

»Danke Dad.«

Seine Augen hatten einen stolzen Schein, aus irgendeinem Grund machte mich das überglücklich. Gerade wollte ich die Türe schließen, als mich seine Stimme noch für einen Moment innehalten ließ.

»Und Elizabeth? Du siehst wunderschön aus.«

Fast wäre es dazu gekommen, dass ich eine Träne vergoss, stattdessen griff ich nach seiner Hand und drückte sie einmal kurz zu.

Diesmal schloss ich die Autotür wirklich hinter mir und stolzierte über den Gehsteig, was mit diesen Schuhen gar nicht so leicht war. Ich beschloss nun öfter Heels zu tragen, damit ich irgendwann richtig gut damit laufen konnte.

Ich kramte die Maske aus meiner Tasche und ließ sie auf meine Nasenspitze gleiten. Um mich herum befanden sich lauter Leute, dessen Identitäten ich unmöglich erkennen konnte, da die meisten aus meiner Sicht sowieso Unbekannte waren.

Seufzend stellte ich mich vor die Mauer und wartete darauf, dass meine Freunde eintrafen; währenddessen checkte ich schon wieder meine Nachrichten, noch immer keine von Luke. Langsam begann ich mir ernsthaft Sorgen zu machen.

Wenn er sich nicht bald bei mir melden würde, würde ich vermutlich zur Polizei gehen und eine Vermisstenanzeige aufgeben. Seine Eltern konnte ich ja wohl schlecht befragen, da sie ihn rausgeschmissen hatten.

Verbittert dachte ich darüber nach, wie schlimm so etwas war.

Selbst wenn ich mich in die größten Schwierigkeiten gebracht hätte, wären meine Eltern niemals so weit gegangen, mich rauszuwerfen.

»LIZ!«, quietschte eine Stimme und ich erkannte meine beste Freundin in ihrem Kleid und der dazugehörigen Maske, die ich vorher jedoch noch nicht gesehen hatte.

»Doch nicht so laut«, meinte ich und legte ihr meine Hand über den Mund, es musste ja nicht jeder gleich wissen, dass ich mich unter der cremefarbenen Maske verbarg. Ich entfernte meine Hand von ihren Lippen, als Ashton, gefolgt von zwei anderen Jungs die sich als Cal und Michael herausstellten, zu uns kam um sich bei seiner Freundin einzuhaken.

Die beiden anderen sahen mich aufmerksam an, ich seufzte und hakte mich bei ihnen unter.

In unserer kleinen Gruppe, traten wir mit langsamen Schritten über den Hof, bis wir letztendlich bei der Turnhalle ankamen. Vor der Tür wurden Fotos gemacht, diesmal konnte ich nicht passen. Mit einem gefaketen Lächeln posierte ich zusammen mit meinen zwei Begleitungen und ging dann hinter Less und Ash her.

Bevor wir eintraten, überreichte ich ihr das Geld, welches ich ihr noch für das Kleid schuldete.

Es dauerte eine Weile bis ich sie davon überzeugt hatte, es anzunehmen.

Die Turnhalle sah atemberaubend aus; sie war abgedunkelt und an der Decke hingen soweit das Auge reichte, leuchtende Sterne.

Die Bühne auf der der DJ stand und Ballkönig und Ballkönigin später gekrönt werden würden, war in ein blaues Licht getaucht.

Überall standen kleine Runde Tische, auf denen versetzt Lampen standen. An den Wände waren ebenfalls Sterne befestigt worden, das Glitzer verteilt gestreut. Zwar wusste ich nicht was das alles mit dem Namen des Proms Save the last dance zu tun hatte, dennoch mochte ich es; die Atmosphäre war bezaubernd.

»Möchtest du etwas trinken?«, fragte Cal und lächelte mich spitzbübisch an. Ich nickte und begab mich mit ihm zum Buffet.

Michael bediente sich in der Zwischenzeit an der Pizza.

Irgendwie fand ich es sehr amüsant, dass auf Veranstaltungen wie dem Abschlussball Pizza serviert wurde, trotz dessen war ich mir sicher, dass ich später unbedingt ein Stück davon probieren musste.

Cal reichte mir die in ein kleines Gläschen gefüllte Bowle, ich bedankte mich bei ihm.

Suchend blickte ich mich im Raum um, Less und ihr Freund waren nirgends zu sehen, ein Gefühl in meinem Inneren sagte mir, dass sie bestimmt zusammen tanzten.

Zögerlich nickte ich an meinem Getränk, als ich merkte dass es ziemlich gut schmeckte, nahm ich noch einen größeren Schluck. Michael bot mir einen Bissen von seiner Pizza an, dankend lehnte ich ab. Cal hatte sich mittlerweile auch an einem Snack bedient, ich war wohl die einzige aus unserer Gruppe, die sich noch nichts zu essen gegönnt hatte.

Genau in diesem Moment hatte ich Ashton und meine Freundin entdeckt, die sich jeweils zwei Stücke der Salamipizza nahmen.

Mein Magen knurrte zwar, aber ich wollte jetzt nichts essen.

»Ich gehe kurz eine rauchen«, entschuldigte sich Calum bei uns und bahnte sich einen Weg durch die ganzen tanzenden Menschen hindurch.

Verwirrt schaute ich zu Michael, er zuckte mit den Schultern.

»Seit wann raucht er?«, wollte ich erfahren und deutete auf die Person die ich meinte, welche gerade durch die Eingangstür trat.

»Frag mich etwas leichteres«, meinte er und lachte. Ich stimmte mit ein und es vergingen ein paar Sekunden des Schweigens.

Es war keine unangenehme Stille, trotzdem wollte ich sie irgendwie beenden.

»Hast du vielleicht Lust zu tanzen?«, schlug ich vor um ein wenig Schwung reinzubringen, die Augen des Angesprochenen blitzten erfreut auf.

Er nickte und hielt mir die Hand hin.

Händchen haltend bewegten wir uns auf die Tanzfläche zu, gerade lief ein eher langsames Lied; ich erkannte A sky full of stars von Coldplay.

Langsam wippten wir uns im Takt hin und her; es machte zwar Spaß mit ihm zu tanzen, aber es fühlte sich unsagbar falsch an.

Vorsichtig bettete ich mein Kinn auf seiner Schulter, als das nächste Lied anlief.

Meine Augen scannten den Eingangsbereich ab, und als ich eine Person entdeckte, die mir irgendwie bekannt vorkam, stockte ich.

Michael bemerkte auf der Stelle dass etwas nicht stimmte und sah mich fragend an.

»Ich muss kurz auf die Toilette, ich bin gleich wieder zurück«, entschuldigte ich mich, woraufhin er nickte und sagte, dass er bei den anderen auf mich warten würde.

Im nächsten Moment drängte ich mich durch die ganzen jungen Paare, die sich gegenseitig die Zunge in den Hals steckten, um der Person zu folgen. Der große Mann mit den blonden Haaren und dem schwarzen Smoking, drängte sich zu einem anderen Ausgang hindurch, ich tat es ihm gleich.

Ich kam an die frische Luft und sah, dass selbst der Naturteil unserer Schule hergerichtet worden war.

Der vom Teich umringte Pavillon war mit Lichtern ausgeschmückt, auf dem Wasser trieben brennende Teelichter. Selbst in den Sträuchern und um die Baumstämme herum, waren Lichterketten gelegt worden, es war ein hübsches Spektakel.

Durch einen Programmzettel der mir vor die Füße geweht wurde, hatte ich erfahren, dass es jetzt gleich sogar ein Feuerwerk geben würde; ich verfolgte ihn trotzdem weiterhin. Die Haarfarbe ließ eindeutig darauf zurückführen, dass es sich um Luke handeln musste.

War er wirklich gekommen? Spätestens in einer Minute würde ich es erfahren.

Die Gestalt blieb in der Mitte des Pavillons regungslos stehen, drehte sich nicht einmal mehr um. Zögernd setzte ich einen Fuß vor den anderen und betrat schließlich die Treppe. Mit der rechten Hand hielt ich mich am Geländer fest, und beobachtete die Natur um mich herum; keine einzige Menschenseele außer uns beiden war hier.

»Luke?«, fragte ich leise und trat näher heran, bis er schließlich eine Armlänge von mir entfernt stand.

Der junge Mann drehte sich um und ich sah in die Augen, denn diese wurden als einzige nicht von der Maske verdeckt.

Irgendetwas stimmte nicht.

Ein unwohles Gefühl überkam mich und ich schaute die Augen noch einmal genauer an. Das braun war unverkennbar.

Hatte Luke nicht blaue...?

Ängstlich drehte ich mich um und wollte davonrennen, aber ich wurde am Handgelenk gepackt und festgehalten.

»Lass mich los!«, schrie ich auf und trat um mich, was aber nicht wirklich etwas brachte.

Der Typ umklammerte mein Handgelenk weiterhin eisern und zog mich die Treppen des Pavillons wieder nach oben.

Ich wehrte mich mit Händen und Füßen, in meinem Kopf spielte alles verrückt. Verzweifelt sah ich mich um ob irgendwelche Schüler in der Nähe waren, da das Feuerwerk gleich beginnen würde.

Unsanft wurde ich gegen den einen Holzpfahl gepresst, Hände legten sich um meinen Hals. Mir wurde die Luft abgedrosselt, ich konnte nur noch mit Schnappatmung etwas davon in meine Lungen pumpen.

Mein Angreifer ließ nicht locker und drückte immer enger zu, ich drehte meine eine Hand aus seinem Griff frei und fasste ihm ins Gesicht. Ohne über mein Handeln nachzudenken, kratzte ich so fest ich konnte und hinterließ eine feine, blutige Spur auf der Stirn, die Maske saß trotzdem noch an derselben Stelle wie vorhin.

Die Finger seiner anderen Hand hielten meinen Hals nur noch sanft fest, erleichtert schnappte ich nach Luft.

Im nächsten Moment spürte ich erneut wie das Holz gegen meinen Körper drückte, diesmal aber gegen meinen Rücken.

Beide Hände lagen erneut um meinen Hals und ich wurde nach hinten gedrückt.

Mir wurde schlecht als ich alles auf dem Kopf sah, für einen Moment verschwammen alle Bilder vor meinen Augen zu einem, dann wurde alles kurz schwarz und ich bekam keine Luft mehr. In der nächsten Sekunde nahm ich sämtliche Dinge wieder wahr, meine Haare berührten beinahe das Wasser, die Blumenkrone hing nur noch an einem seidenen Faden.

Meine letzte Chance war, dem Typ meinen Fuß zwischen die Beine zu hauen, aber ich schaffte es einfach nicht; ich war zu schwach.

Wieder verschwand für einige Sekunden alles vor meinen Augen; ich wollte dass es so schnell wie möglich vorbei war und ich den Schmerz und den Drang nach Luft nicht mehr spürte.

Auf einmal hörte ich mehrere Stimmen, die, wie die Bilder vor meinen Augen auch, zu einer vermischt wurden. Der Druck um meinen Hals gab wieder nach und ich nutzte die Gelegenheit um mich mit all meiner Kraft die noch in meinen Venen steckte, nach vorne zu schmeißen.

Mit so einer Reaktion hatte der Kerl wahrscheinlich nicht gerechnet, wir landeten beide ein gutes Stück voneinander auf dem harten Boden. Benommen stütze ich mich mit den Armen ab und blickte die Umgebung an. Es dauerte einen kurzen Moment bis ich mich gefasst und aufgerappelt hatte, dann ergriff ich die so schnell mich meine Beine tragen konnten, die Flucht.

Auf wackeligen Beinen, noch dazu hustend, rannte ich so gut es ging zurück zur Turnhalle. Viele Mitschüler kamen mir entgegen, jedoch konnte ich nirgends meine Freunde entdecken. Ich röchelte schon fast nach Luft, meine Lunge wollte noch nicht so richtig funktionieren. Weil sich die Menschen vor den Eingängen tümmelten, hatte ich keine gute Chance, nach drinnen zu gelangen; alle wollten so schnell wie möglich nach draußen, um das Feuerwerk zu genießen.

Da ich wusste, dass mein Verfolger nicht so einfach aufgeben würde, nahm ich erneut die Beine in die Hand, und rannte um die Halle herum.

Am Fuße des Pausenhofes, strampelte ich mir die Schuhe von den Füßen, hob sie auf, verstaute sie in meiner Tasche, die ich zum Glück immer noch um meinen Körper geschlungen trug und zückte mein Handy. Ich wählte die Nummer meines Vaters, meine Hände zitterten so stark, dass mir das Handy aus der Hand fiel.

»Du kleine miese Schlampe!«, hörte ich die bedrohliche Stimme hinter mir brüllen, erschrocken fuhr ich zusammen, ließ mein Handy liegen und rannte in die Richtung der Schule.

Zwar hatte ich absolut keine Ahnung ob die Türen verschlossen waren oder nicht, aber es war meine einzige Chance ihm zu entkommen. Als ich ein paar Plastikbecher auf dem Weg sah, und die sperrangelweit geöffnete Eingangstür, war mir klar, dass man das Schulhaus auch betreten durfte. Vielleicht waren dort Menschen die mir helfen konnten, ich schickte tausende Stoßgebete zu Gott in den Himmel und beschleunigte meine Schritte etwas.

Der Mann war trotz allem schneller als ich und kam mir immer näher, ich hatte Angst.

Ich sprintete so schnell ich konnte über die Türschwelle und den Gang entlang. Keine Leute waren zu sehen, ich hörte in dem Moment ein paar schwach klingende Knalle, das Feuerwerk hatte begonnen; zu 100 Prozent befand sich niemand mehr in der Schule.

Dann musste ich mich eben auf meine eigenen Fähigkeiten verlassen.

Glücklicherweise waren die Gänge sehr ähnlich, wenn man sich nicht auskannte konnte man sich also sehr leicht verlaufen.

Ich bog immer wieder um ein paar Ecken, bis ich sogar die Mensa passierte, dann rannte ich hoch in den ersten Stock.

Es war alles dunkel, man konnte kaum etwas erkennen. Wenn ich mein Handy da gehabt hätte, hätte ich vermutlich jetzt die Polizei rufen können, aber es lag immer noch auf dem Hof draußen, wahrscheinlich mit einem kaputten Display. Ich schlug den Gang zum Sekretariat ein und atmete in regelmäßigen Zügen, was mir sehr schwer fiel.

Bestimmt waren Stellen meines Halses blau angeschwollen, durch die Kraft die ich zu spüren bekommen hatte. Die Blumenkrone hing an der einen Seite meines Kopfes herunter, ich war zu erschöpft um meinen Arm zu heben und sie wieder richtig auf meinen Haaren zu platzieren. Als ich meinen Blick zu meinem Kleid hinunter gleiten ließ, bekam ich einen Schreck; es war an der Seite eingerissen.

Plötzlich wurde meine Aufmerksamkeit abgelenkt, da ich hallende Schritte vernehmen konnte.

Das Herz rutschte mir in die Unterhose (eine Hose trug ich ja nicht) und das Blut gefror in meinen Adern. In Höchstgeschwindigkeit huschte ich um die Ecke und verharrte dann in meiner Position. Die einzigen Geräusche die man noch hören konnte, waren mein rasender Atem, das Knallen der Feuerwerksböller und die Schritte. Ich versuchte mich zu beruhigen, es klappte nicht.

Er würde mich umbringen.

Der Typ würde mich umbringen wenn er mich in die Finger kriegen würde. Und keiner hätte die Chance es zu bemerken, oder mir zu helfen.

Ich war ihm restlos ausgeliefert.

Als die Schritte meinem Versteck immer näher kamen, wurde mir schwindelig und alles drehte sich vor meinen Augen. Der Kloß in meinem Hals war so breit, dass ich nicht einmal mehr schlucken konnte.

Weinend kauerte ich mich an der Wand zusammen, versuchte leise zu schluchzen. Die Schritte verklangen für einen Moment, schienen inne zu halten, setzten sich aber nach nicht einmal drei Sekunden wieder fort.

Leise schickte ich ein letztes Gebet zu Gott, bevor ich richtig anfing zu weinen, dennoch weiterhin leise.

Ich hatte mich nicht einmal mehr verabschieden können. Nicht von meinen Eltern, nicht von meinen Freunden, vor allen Dingen nicht von Luke, nein, von niemandem. Es gab so viele Dinge die ich Luke noch sagen wollte; wie viel er mir bedeutete und dass ich ihn mehr als alles andere liebte, waren unter ihnen.

»Hallo?«, fragte die Stimme, sie war so leise, dass ich sie kaum hören, geschweige denn identifizieren konnte.

Und dann bog er um die Ecke.

Der schwarze Anzug und die Krawatte erkannte ich selbst in der Dunkelheit, die Maske saß noch immer an ihrem Platz in seinem Gesicht, und die braun-blonden Haare. Zitternd hob ich abwehrend die Hände.

»Bitte tu mir nichts. Bitte... Bitte lass mich am Leben«, stammelte ich flehend und weinte weiterhin leise vor mich hin; die heißen Tränen hinterließen eine brennende Spur an meinen Wangen.

»Liz?«, fragte er erneut.

»Wenn du mich umbringst, dann mach es bitte schnell«, flehte ich erneut, meine Stimme brach am Ende des Satzes.

»Ich will schnell sterben, und nicht langsam und quälend. Bitte, ich...«

Ich konnte nicht zu Ende reden, weil ich von einem nächsten Heulkrampf erschüttert wurde. Die Person ging in die Hocke, ich wich zurück und berührte mit dem Rücken noch immer die Wand. Er hob die Hand, ich legte meine schützend um meinen Körper und erzitterte unter seiner Bewegung. Doch als ich die Augen öffnete weil nichts geschah, und einen Blick auf den Mann gegenüber von mir warf, stockte mir der Atem.

Seine Hände berührten die Maske, und zogen sie ab; blaue Augen trafen auf meine.

»Hey, was ist denn los mit dir?«, verlangte Luke besorgt zu erfahren, legte das Stück stoff in seiner rechten Hand beiseite und schaute mich fürsorglich an. Ich sank in mich zusammen, und weinte mehr denn je; mehr als jemals zuvor in meinem Leben.

»Luke... Bist du es wirklich?«, stellte ich meine Frage und als er sanft nickte, fiel ich ihm in seine Arme und ließ meinen Gefühlen freien Lauf.

»Wieso sollte ich es denn nicht sein?«, wollte er wissen und platzierte einen Kuss auf meinem Haaransatz.

»Weil... Den Anzug... Die Maske... Er hatte dasselbe an... Aber... Wer... Wer war der Mann der versucht hat mich zu erwürgen?«

Ich brachte keine anständigen Sätze hervor, Lukes Augen weiteten sich schockiert.

»Wer hat versucht dich umzubringen?«, hakte er harsch nach, ich bekam Angst vor ihm, weil seine Augen mit einem Mal dunkler wurden. Als ich ihm keine Antwort gab, legte er seine Hand an meine Wange und starrte mir tief in die Augen, es war als würde er mir in meine Seele blicken können.

»Elizabeth, antworte mir«, bat er mich.

Wir wurden durch laute, schwere Schritte unterbrochen; augenblicklich verschnellerte sich mein Herzschlag wieder.

»Luke ich habe Angst«, weinte ich in seine Schulter. Er bedeutete mir leise aufzustehen, ich schaffte es ohne seine Hilfe nicht auf die Beine.

»Kannst du gehen?«

Ich beantwortete die Frage mit einem Kopfschütteln, er krempelte sich seine Ärmel im Eiltempo zurück, griff mir unter die Kniekehlen und an meinen Rücken, und hob mich hoch; rannte los.

Dann begann die Flucht aus der Schule, der Doppelgänger von Luke war uns dicht auf den Fersen.

»Weißt du wer das ist?«, kam es eingeschüchtert von meiner Seite aus.

»Keine Ahnung, aber ich habe eine Vermutung«, keuchte der Angesprochene als wir dabei waren, die Treppen die in die Eingangshalle führten, hinunterstürzten.

Er stellte mich auf beide Beine, hatte keine Luft mehr in seinen Lungen.

Trotzdem schnappte er sich meine Hand und rannte zusammen mit mir weiter; ich hatte Mühe mein Gleichgewicht zu halten. Auf einmal passierte es, ich blieb mit meinem Kleid an irgendeiner Sache die im Weg stand hängen; es hatte sich verklemmt.

»Luke, ich hänge fest!«, rief ich hysterisch, da er mich bereits weiterziehen wollte.

Das ließ er sich nicht zwei Mal sagen und wir zogen beide so fest wir konnten an dem Kleid.

»Es funktioniert nicht!«, sagte ich verzweifelt.

»Wir müssen das Ding irgendwie aufbekommen. Das Kleid hat sich aus irgendeinem Grund darin verzwickt«, antwortete er und versuchte so gelassen wie möglich mit der Situation umzugehen. Gemeinsam versuchten wir das Teil (ich erkannte nicht wirklich um welchen Gegenstand es sich handelte) aufzuschieben, schafften es aber nicht. Ich hörte Schritte und meine Angst ging mit mir durch.

Luke nahm meine Hand und wir versuchten es wieder mit der ersten Variante, bis mir etwas einfiel.

»Mein Schlüssel!«, kam mir der Geistesblitz.

Schnell kramte ich in der Tasche herum, die im Übrigen noch immer an derselben Stelle war, wie vor ein paar Minuten auch. Als ich den Bund in der Hand hielt, ritzte ich so lange über den Stoff, bis er schließlich nachgab.

Ohne den Schlüsselbund wieder einzustecken, rannten wir weiter.

Die Schritte wurden immer leiser, je mehr wir uns entfernten.

Vor dem Schulhaus empfing uns die Dunkelheit, die uns eine gute Deckung bieten konnte. Erst jetzt verfrachtete ich unseren Retter in der Not wieder in meiner Tasche.

Ohne Umschweife gingen wir im Lauftempo auf die Turnhalle zu, und verschwanden dort angekommen sofort in der Toilette. Das riesige Feuerwerk war mittlerweile auch wieder vorbei, was so viel bedeutete, dass die ganzen Leute wieder zurück in die Halle wollten, ein weiterer Pluspunkt für uns.

Auf der Toilette war niemand und als hinter uns die Tür ins Schloss fiel, legte ich die Arme um Lukes Körper.

»Ich bin so froh dass du hier bist, wenn du nicht gewesen wärst, hätte der Typ mich umgebracht«, schluchzte ich gegen seine Brust, er strich mir beruhigend über den Rücken.

»Pscht. Es wird alles gut, ich bin hier; ich bin bei dir. Liz, es war nicht in Ordnung von mir, dich auf der Straße zurückzulassen. Es tut mir so unendlich leid, hörst du?«, murmelte er.

Er drückte mich sanft von sich weg, um mein Gesicht in beide Hände zu nehmen. Ebenfalls sanft, nahm er mir endlich die Maske vom Gesicht und drückte seine Lippen auf meine Stirn, der kalte Piercing ließ mich zusammenzucken.

»Wieso tut es dir leid? Du hattest das gute Recht dazu, mich stehenzulassen. Wie konnte ich nur Zayn glauben; wieso ist mir nicht von Anfang an klar geworden, dass er mit Dan unter einer Decke steckt?«, fragte ich und erneut begannen die Tränen aus meinen Augen zu fließen, ich fühlte mich scheiße.

»Liz du konntest das nicht wissen. Lass uns nicht mehr darüber reden, es ist alles gut«, beruhigte er mich, ich schluchzte unwillkürlich weiter.

Er feuchtete ein paar Tücher an, die eigentlich dazu geeignet waren die Hände abzutrocknen, und machte mir meine Füße sauber, die durch das Gerenne etwas aufgescheuert und dreckig waren. Schmerzvoll atmete ich tief ein und ließ es über mich ergehen.

Das kühle Tuch tat mir gut, es beruhigte die Wunde.

»Was ist passiert?«, wagte er es nach einer Weile zu fragen, während ich mich wieder in meine Schuhe zwängte.

Ich räusperte mich und versuchte meine Stimme wiederherzustellen, damit ich ihm alles erzählen konnte.

»Also ich hatte keine Ahnung ob du auf den Prom kommen würdest und ob du überhaupt noch in der Stadt bist, weswegen ich mit Calum und Michael auf den Ball gegangen bin. Frag nicht, das ist eine lange Geschichte, Less hat mich praktisch gezwungen«, erzählte ich.

Ich holte tief Luft ehe ich weitersprach.

»Als Michael und ich getanzt haben, habe ich den Typ entdeckt und dachte zuerst dass du es bist. Ihr hattet so eine Ähnlichkeit. Deswegen habe ich den anderen gesagt dass ich kurz zur Toilette muss und bin ihm gefolgt.«

Wieder stoppte ich für einen Moment und versuchte mich zu fassen, aber die Tränen liefen trotzdem aus meinen Augenwinkeln, Luke nahm mich in den Arm.

»Es ist okay wenn du darüber noch nicht reden kannst, ich...«

Ich schüttelte den Kopf.

»Nein Luke, ist schon okay. Keiner war zu dem Zeitpunkt draußen. Als wir auf dem Pavillon standen, habe ich anhand der Augenfarbe erkannt dass du es nicht sein kannst, aber dann war es auch schon zu spät. Er hat versucht mir die Luft abzuwürgen, beinahe wäre ich ohnmächtig geworden. Und dann habe ich es geschafft zu flüchten. Den Rest weißt du denke ich ja. Was hast du überhaupt in der Schule gemacht? Und wo warst du überhaupt die ganze Zeit?«, fragte ich und schluckte den ekligen Geschmack in meinem Mund hinunter.

»Ich habe dein Handy gefunden; es war Zufall dass ich dich in der Schule angetroffen habe. Ein Gefühl in meinem Bauch hat mir gesagt, ich solle dich dort suchen. Less und Ashton haben gesagt ich solle auf den Ball kommen um dich zu überraschen; das ist einer der Gründe, wieso ich überhaupt hier bin. Ich habe bei einem Freund Unterschlupf gefunden«, erklärte er und ich fiel ihm während seinen Worten noch einmal um den Hals.

Moment, hatte er Gründe gesagt?

»Und der andere Grund?"

Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, ich guckte einmal kurz zur Tür da ich immer noch Angst hatte, dass mein Angreifer jeden Moment hereinplatzen und mich erdrosseln könnte. Zudem fühlte ich mich, als müsste ich mich jeden Moment übergeben.

Innerlich hoffte ich darauf, dass er mir auf unseren letzten gewechselten Satz antworten würde.

»Lass uns von hier verschwinden und in die Turnhalle zu den anderen gehen. Es ist ein wenig.... unangenehm... sich darüber in der Toilette zu unterhalten«, meinte er schmunzelnd, verkreuzte seine Finger mit meinen und führte mich nach draußen.

In der Turnhalle war bereits wieder die Hölle los (nicht ganz so schlimm wie vorhin), es war unmöglich die anderen zu finden und ihnen zu sagen, dass es mir gut ging, da ich mir sicher war, dass sie sich bereits Sorgen machten.

Luke fasste sich kurz in seine Hosentasche und überreichte mir grinsend mein Handy, welches ich auf der Stelle in meiner Tasche verschwinden ließ.

Wir quetschten uns durch die Mengen, und ließen uns an einem etwas ruhigeren Plätzchen nieder, ich war gespannt auf das, was er mir jetzt sagen würde.

Abwartend sah ich ihn an.

»Vielleicht wirst du das was ich dir jetzt sage nicht unbedingt verstehen, aber es ist besser so«, fing er an und ich merkte, dass er ziemlich nervös war.

Also konnte es Ich liebe dich auch ja wohl nicht sein. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter, weil ich Angst vor dem hatte, was jetzt kommen würde.

»Es geht nicht um uns, es hat rein gar nichts etwas damit zu tun; sondern darum, dass ich für eine Weile nicht hier sein werde.«

Verwirrt sah ich ihn an.

»Wie meinst du das?«, stellte ich ihm die Frage und versuchte dem Blickkontakt standzuhalten.

»Das heute hat mir mal wieder bewiesen, dass es nicht sicher für dich ist, wenn ich bei dir bin. Ich bin mir so sicher dass Dan etwas mit der Sache zu tun hatte. Ich bin mir sogar sicher, dass er es selbst war, der versucht hat dich umzubringen, weil du diejenige warst die mir die Augen geöffnet hat und mich aus den Drogengeschäften ziehen wollte; zurück auf die gute Bahn. Solange ich hier bei dir bin, wirst du niemals in Sicherheit sein, du bist immer angreifbar. Und wenn dir etwas passiert, würde ich mir das nie verzeihen, und genau das weiß er. Der Typ ist rücksichtslos, würde jede Chance ausnutzen, um mich zu Boden zu bringen. Wenn ich verschwinde, wird er denken dass wir uns getrennt haben und dich in Ruhe lassen.«

Zuerst unbemerkt, liefen mir schon wieder die Tränen herunter.

»Luke«, schluchzte ich.

»Liz, es tut mir so unendlich leid. Es ist alles meine Schuld, ich hätte dich da niemals mit hineinziehen dürfen«, entschuldigte er sich, während sich seine starken Arme um meinen zierlichen gebrechlichen Körper legten; er hielt mich so fest wie noch nie zuvor.

»Wie lange bist du noch hier?«, wollte ich leise erfahren, da ich keinen anständigen Ton herausbrachte.

»Bis heute Nacht«, erwiderte er knapp und in einem ebenso leisen Ton.

Das war der Moment, in dem ich am liebsten aufgesprungen wäre, und mich die nächste Brücke heruntergestürzt hätte. Die ganzen Leute um uns herum schienen uns nicht wahrzunehmen, was aber auch besser so war, da ich weinte. Ich weinte und konnte nicht mehr aufhören.

Mir war es egal, dass mein Makeup verschmiert war, mir war es egal dass mein Kleid noch zerissener als vorher war, mir war es auch egal, dass mich in diesem Moment vermutlich alle für blöd, gestört oder Psycho erklärt hätte; es war mir alles egal.

Nur Luke nicht.

Aber er war eine Gefahr für mich, auch wenn ich es vielleicht nicht wahrhaben wollte.

Gefahr und Sicherheit lagen eben genauso nah beieinander, wie Liebe und Hass, Leben und Tod.

»Elizabeth, wir haben noch diesen einen Moment, diese eine Nacht. Ich weiß es wird schwer, aber es muss sein, bis ich eine Lösung gefunden habe. Ich kann einfach nicht riskieren dass dir etwas passiert«, sagte Luke sanft in mein Ohr.

»Aber mein Vater ist Polizist, er kann uns sicher helfen! Wenn wir beweisen können das Dan derjenige war, der versucht hat mir etwas anzutun, kann er ihn hinter Gitter bringen!«, rief ich, senkte meinen Stimmpegel aber sofort wieder, da ich nicht wollte dass die ganze Abschlussklasse davon Wind bekam.

»Und mich gleich dazu«, seufzte er.

Entgeistert blickte ich ihn an.

»Wie meinst du das?«

Luke räusperte sich und knetete seine Hände durch, ein Anzeichen für Nervosität.

»Als ich das mit Zayn und Dans Cousine erfahren habe, bin ich da auf der Stelle abgehauen, aber ich habe Geld gebraucht. Und er hatte welches«, gab er kleinlaut von sich, ich war beinahe komplett sprachlos.

»Wieso bist du nicht zu mir gekommen? Ich hätte dir geholfen!«, rief ich aufgebracht als ich meine Stimmer wieder gefunden hatte.

»Liz, ich war bei dir. Und du hast mich fortgeschickt«, meinte er und ich entdeckte das Schimmern in seinen Augen.

»Also ist alles meine Schuld«, sagte ich mit einem eisigen Blick.

»Es ist meine Schuld, da kannst du sagen was du willst und mir so lange widersprechen wie du möchtest, ich werde meine Meinung darüber nicht ändern. Ich bin Schuld.«

Luke schüttelte den Kopf, ich entdeckte eine kleine Träne an seinem rechten Augenwinkel. Seine Hand hob mein Kinn an, da ich auf den Boden geschaut hatte.

»Nein Liz, bist du nicht, hör auf dir das einzureden. Und bitte lass uns jetzt nicht mehr weiter darüber diskutieren, ich möchte unseren letzten Abend genießen«, bat Luke und sah mich mit einem schmollenden Blick an.

Ich nickte zaghaft und er zog mich auf die Beine.

Meine Körperteile zitterten nicht mehr so heftig wie vorher, selbst mein Herzschlag und das Adrenalin hatten sich wieder etwas beruhigt.

Da es schon nach 23 Uhr war, leerte sich die Tanzfläche allmählich, meine Freunde standen in der Ecke. Luke und ich gingen auf sie zu.

»Oh mein Gott Liz, wo hast du nur die ganze Zeit gesteckt? Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Aber anscheinend ist unsere Überraschung ja wohlbehalten angekommen«, kicherte Less, ich bemerkte dass sie ein wenig betrunken war.

»Es ist nicht passiert, ich habe nur etwas frische Luft gebraucht und dann habe ich Luke getroffen und wir haben uns ein wenig verquatscht«, log ich und kratzte mich an meinem Hinterkopf. Luke starrte auf seine Schuhe, als wären sie das interessanteste, was die Welt in dem Moment zu bieten hatte.

»Dafür dass ihr gequatscht habt, hat das aber sehr lange gedauert«, bemerkte Ashton spitz, ich streckte ihm die Zunge raus, lachte dabei gleichzeitig und versuchte meine Trauer zu überspielen.

»Um Himmels Willen, was ist denn mit deinem Kleid passiert?«, mischte Calum sich ein und ich biss mir auf die Lippen, nach einer guten Ausrede suchend.

»Ich bin ausgerutscht«, antwortete ich knapp und hoffte dass sie mir diese Ausrede abkaufen würden.

Die Blicke die ich für meine Aussage bekam, sollten wohl eher das Gegenteil bestätigen.

»Leute, ihr wisst doch wie tollpatschig Liz ist. Sie hat sogar ein wenig am Knie geblutet, ein weiterer Grund weshalb sie so lange weg war«, improvisierte Luke und zwinkerte mir zu.

Der DJ unterbrach unser Gespräch über meinen erfundenen Unfall, indem er etwas in sein Mikrofon sagte. »So meine Lieben, das ist der letzte Song den ich für den heutigen Abend spielen werde, also schnappt euch einen Tanzpartner und kommt auf die Tanzfläche. Save the last dance!«

Luke sah mich fragend, zugleich auffordernd an.

»Darf ich um diesen letzten Tanz bitten?«

Und genau in diesem Moment wurde mir klar, weshalb der Ball so hieß, und ich musste zugeben, dass er ihm alle Ehre machte. Mit geröteten Wangen nickte ich schüchtern, und ließ mich von Luke auf die Tanzfläche führen.

»Es gibt nur ein Problem an der ganzen Sache. Ich kann nicht tanzen«, stellte ich fest und biss mir auf die Lippe.

»Das sagst auch nur du.«

Dann begann das Lied zu spielen, und ich wäre fast an einem Herzstillstand gestorben, als die ersten Töne aus den aufgebauten Lautsprechern erklangen.

It's just another night... and I'm staring at the moon, tönte durch den ganzen Saal, eine Gänsehaut überkam meinen Körper.

Die ganzen tanzenden Pärchen, zehn Stück waren noch hier um genau zu sein, wiegten sich sachte im Takt hin und her, die traurige Atmosphäre wurde unterbrochen, als ich entdeckte dass Cal und Michael miteinander tanzten, und so taten als ob sie schwul wären. Ich musste mir das Lachen verkneifen, mein Tanzpartner folgte meinem Blick; auch er war haarscharf an der Grenze zum Lachen.

So open your eyes and see... the way our horizons meet, erklang der Refrain und ich war wieder bei meiner Ernsthaftigkeit angelangt.

»Ich will nicht, dass du gehst«, hauchte ich und schmiegte mich noch ein wenig näher an ihn heran, bis Luke schließlich beschloss, mich ganz zu ihm zu ziehen, und seine Kinn auf meinem Kopf bettete.

»Glaub mir, ich will es auch nicht.«

Den Rest unseres letzten Tanzes, verbrachten wir schweigen; er verging viel zu schnell.

Als die letzten Töne des Liedes verklangen, lösten wir uns alle voneinander und bejubelten den DJ.

Die Putzfrauen kamen durch die Türen und begannen mit dem Aufräumen. Wenn es mir nicht so schlecht ergangen wäre, hätte ich mit Sicherheit gefragt, ob sie Hilfe benötigten, aber ich war zu müde; zu erschöpft und fertig mit alles und jedem.

»Soll ich dich nach Hause bringen?«, wisperte Luke in mein Ohr, und ich nickte erschöpft.

Wir verabschiedeten uns von allen und verließen ohne weiteres die Turnhalle. Draußen umklammerte ich Lukes Hand, als ginge es um mein Leben. Er löste sie jedoch wieder, und legte seinen Arm um mich; so fühlte ich mich gleich noch sicherer.

Kurze Zeit später standen wir vor seinem Auto und er beschloss, mir sogar noch die Tür aufzuhalten und sie danach wieder zu verschließen, bis ich mich angeschnallt hatte. Dann gesellte er sich zu mir und startete den Motor.

Die Dunkelheit und der am Boden kriechende Nebel sahen unheimlich aus und ließen mich unkomfortabel fühlen.

Erschöpft lehnte ich meinen Kopf an der kühlen Fensterscheibe an und dachte an vorhin. Unwillkürlich strich ich mir über die blauen Stellen an meinem Hals und schluckte kräftig um die Tränen zurückzuhalten.

Es fiel mir ziemlich schwer, aber ich schaffte es.

Ich tat es für Luke.

Als wir vor meinem Haus ankamen, brachte ich es kaum noch fertig zu atmen, und sah Luke mit einem traurigen Blick an.

»War es das jetzt?«

Er erwiderte meinen Blick.

»Ich denke schon.«

A/N: An der Seite ist ein Gif das Liz darstellen soll und der Song All of the Stars von Ed Sheeran, welcher beim Ball läuft als die beiden miteinander tanzen

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