KAPITEL 20

E L I Z A B E T H

Der Kloß in meinem Hals hatte sich wohl dazu entschlossen gar nicht mehr zu verschwinden und das, seit Luke mir hinterhergerufen hatte. Zwar hatte ich ihm dieses eine Versprechen gegeben, aber er hatte mir schlussendlich gezeigt, wie man ein Versprechen ganz leicht brechen konnte.

Die ganze Zeit über hatte ich vergeblich versucht mich auf den Unterricht zu konzentrieren, schaffte es einfach nicht.

Ich legte meine Nagelfeile für einen Moment ab, damit ich in den Jackentaschen meiner Jacke nach einem Kaugummi suchen konnte, fand aber stattdessen einen Zettel vor.

Verwirrt faltete ich diesen auseinander und entdeckte eine Nummer, geschrieben von einer krakeligen Handschrift, darunter hatte Zayn mit seiner Unterschrift unterzeichnet. Ich verdrehte grinsend die Augen, holte mein Handy hervor und tippte die Zahlenfolge ein, um die Nummer abspeichern zu können.

»Ms. Reed, ich hoffe sie halten unter ihrer Bank gerade nicht das was ich denke«, sprach mich die Lehrerin an und baute sich vor meinem Pult auf.

Unauffällig ließ ich das Mobiltelefon zwischen meine Beine gleiten und griff nach der Feile.

»Oh Mrs. Rowling da haben sie mich wohl beim Nägel feilen erwischt«, gab ich in einem unschuldigen Ton von mir, setzte einen Schmollmund auf und ließ die Feile auf den Tisch gleiten. In der Klasse ging reihenweise das Gelächter um, die Frau warf mir einen bösen Blick zu und machte sich dann daran, mit ihrem Unterricht fortzufahren.

Erleichtert atmete ich aus, ließ mein Handy dennoch in die Tasche gleiten, die Nummer hatte ich trotz dessen erfolgreich gespeichert.

Der restliche Schultag verlief so wie immer. Ich musste zugeben, dass ich es irgendwie vermisste Luke neben mir zu haben und mit ihm während des Unterrichts Quatsch zu machen. Ich musste mich immer wieder daran erinnern, dass es trotz allem Lukes Schuld gewesen war und ich es daraufhin beendet hatte.

Jetzt musste ich sehen wie ich mit dem Trennungsschmerz zurechtkam.

Meine Freunde schienen meine Bestürzung bemerkt zu haben, sie versuchten alles um mich abzulenken, jedoch erfolglos. Um ihren Aufwand zu würdigen spielte ich trotzdem mit und setzte ein gefaktes Lächeln auf.

Nach der Schule verabschiedete ich mich mit einer Umarmung von Less, welche fast den ganzen Tag versucht hatte mich dazu zu bewegen, auf den Prom zu gehen. Ich hatte die ganze Zeit über verneint, aber irgendwie wollte sie die negative Antwort einfach nicht akzeptieren.

Meine Tasche war heute besonders schwer, was an den ganzen Büchern lag, die ich mit nach Hause nehmen musste, damit ich erfolgreich für die ersten Abschlussprüfungen lernen konnte, welche im Übrigen morgen waren.

Trotz dessen wollte ich den stickigen und überfüllten Bus nicht nehmen und hatte lieber das Laufen gewählt. Ich hatte mich die ganze letzte Woche über hauptsächlich nur mit Schule, oder den Problemen die ich mit Luke hatte beschäfigt; mein Leben verlief gerade sehr eintönig. Bei den Gedanken an Luke zog sich ein gewaltiges Stechen durch meinen Körper, der Ursprung dieses Schmerzes war mein Herz. Ich führte innerliche Kämpfe, dachte darüber nach, ob ich ihm vielleicht doch hätte zuhören sollen.

Das Vibrieren meines Handys lenkte mich ab, ich zog es aus der Tasche und entdeckte einen Anruf in Abwesenheit; meine Mutter hatte mir eine Nachricht hinterlassen.

Da ich sowieso bald Zuhause war, beschloss ich es vorerst zu ignorieren und mein Schritttempo ein klein wenig zu verschnellern. Ich hielt mein Handy immer noch in der Hand und entschied mich dazu, Zayn eine Nachricht zukommen zu lassen.

Du konntest es wohl einfach nicht lassen, oder? x

Während ich die Nachricht tippte musste ich aus irgendeinem Grund sehr breit grinsen. Bevor ich mein Handy wieder in die Tasche schieben konnte, kam auch schon eine Antwort.

Da hast du mich wohl durchschaut ;) Wollen wir später vielleicht etwas essen gehen?

Seine Antwort brachte mich ein wenig zum grübeln, ich wusste ehrlich gesagt nicht so recht, ob ich ja sagen sollte. Aber vielleicht würde es eine gute Ablenkung von dem ganzen Gelerne und Luke sein. Verunsichert spielte ich an dem Rand meiner Handyhülle herum, ehe ich eine neue Nachricht schrieb.

Meinetwegen :) Um wie viel Uhr?

Schon kurze Zeit nach dem Abschicken der Nachricht bereute ich meine Entscheidung. Ich biss mir auf die Lippe und kaute ein wenig darauf herum, wartete auf die Antwort.

Ich hole dich um 18 Uhr ab, zieh dir was schickes an ;) x

Während ich die Zeilen las, legte sich die Gänsehaut wie ein eiserner Schleier über meinen Körper. Kräftig schluckend verfrachtete ich mein Handy zurück in die Tasche und setzte den Weg nach Hause fort.

Es dauerte nicht lange, bis unsere Tür in Sicht kam, meine Mutter erwartete mich und stand bereits auf den Stufen der Treppe. Sie trug einen Blazer und eine schwarze Jeans, die Klamotten sahen sehr elegant aus. Mit hochgezogenen Augenbrauen trat ich näher und begrüßte sie.

»Wieso diese Aufmachung?«, wollte ich erfahren und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Warum gehst du denn nie an dein Handy? Dein Vater und ich wurden auf ein Geschäftsessen eingeladen und kommen erst später nach Hause. Ich habe gesehen, dass du deinen Schlüssel mal wieder vergessen hattest und musste deshalb warten«, teilte sie mir mit.

Ich nickte und nahm den Haustürschlüssel entgegen.

»Viel Spaß, wir sehen uns dann später«, meinte ich und winkte.

»Elizabeth mache deine Hausaufgaben und lerne bitte gründlich für deine Prüfungen morgen«, waren die einzgen Worte die sie erwiderte, ehe sie in den Wagen stieg.

Augenverdrehend schloss ich die Tür auf und schritt über die Schwelle.

Seufzend blickte ich mich eine Weile lang im Flur um, bis ich die Schuhe von meinen Füßen streifte und dann hoch in mein Zimmer rannte.

Tränen brannten in meinen Augen, alles in diesem Haus verband automatisch eine Erinnerung mit Luke und diese wurden genau in diesem Moment geweckt. In meinem Körper pumpte das Blut übermäßig schnell durch die Venen, es fühlte sich beinahe so an, als würde es kochen.

Nach Luft ringend, bettete ich mein Kinn auf dem Kopfkissen und starrte durch ein Fenster in den Garten hinaus.

Der Himmel wurde von weißen Wolken geschmückt, der Wind wehte durch ein paar Baumkronen und scheuchte die saftig aussehenden Blätter auf.

Lustlos setzte ich mich gerade hin, wischte einmal über mein Gesicht und kramte anschließend die Schulbücher aus meiner Tasche.

Jetzt war erst einmal lernen angesagt.

Schließlich musste ich gut genug für "The University of Sydney" sein.

L U K E

Die Uhr zeigte kurz nach dreiviertel sechs an, ich war gerade dabei mich in meinem Hotelzimmer einzurichten. Das Geld würde höchstens für ein paar Tage reichen, aber zu meinen Eltern wollte ich keinesfalls zurück, da dies wieder nur Schwierigkeiten aufweisen würde.

Mein Handy klingelte sturm, Dan versuchte mich seit Ewigkeiten zu erreichen.

»Du kannst mich mal«, murmelte ich und stellte es auf stumm.

Das Hotel in dem ich mich befand, lag etwas östlicher der Stadt, trotzdem in der Gegend von Liz' und meinem Elternhaus. Ich konnte alles gut zu Fuß erreichen, das einzige was mir im Moment Sorgen bereitete, war Dan. Ich wusste nicht wozu er fähig war und wie er auf meinen Diebstahl reagiert hatte; und um ehrlich zu sein wollte ich es auch gar nicht wissen, da ich ohnehin schon genug Respekt vor seinen Taten hatte.

Um in Gedanken davon loszukommen, zog ich meine Schuhe an und beschloss mich auf den Weg zu Liz zu machen. Die Sache sollte so schnell wie möglich geklärt werden, ich wollte wenigstens ein weiteres Problem vom Tisch haben.

An der Rezeption gab ich meinen Schlüssel ab und marschierte aus dem Hotel.

Draußen dämmerte es schon ein wenig, die Sonne strahlte trotzdem weiter auf Sydney herunter und tauchte alles in ein goldenes Licht. Auf den Straßen fuhren hin und wieder ein paar Autos, Menschen liefen in einem wirren durcheinander über den Gehsteig. Ich vergrub die Hände in den Hosentaschen und senkte den Blick auf den Boden.

Als ich in Liz' Straße bog, wurde mir ein wenig seltsam zu Mute und ich verlangsamte mein Schrittempo. Schleichend kroch eine Katze von der einen auf die andere Straßenseite hinüber und beobachtete jede einzelne meiner Bewegungen mit ihren leuchtenden Augen.

Wenn ich irgendetwas Essbares dabei gehabt hätte, hätte ich es ihr vermutlich zugeworfen, aber dies war nicht der Fall.

Diese Straße war im Gegensatz zu den anderen nicht wirklich befahren und wirkte einsam und verlassen auf mich. In ein paar Häusern brannte Licht, in anderen herrschte komplette Dunkelheit. Schon von weitem konnte ich erkennen, dass in Liz' Zimmer Licht brannte.

Die Aufregung pumpte durch meine Venen als ich der Tür näher und schließlich vor ihr zu stehen kam.

Es dauerte eine Weile bis ich mich dazu überwunden hatte, endlich zu klingeln. Nervös sah ich mich immer wieder in alle Richtungen um, irgendwie kam ich mir so beobachtet vor. Die Tür wurde aufgerissen und ich fuhr herum. Liz' Lächeln verblasste auf der Stelle, man sah ihr an dass sie jemand anderes erwartet hatte und die Tür am liebsten sofort wieder zuschlagen würde.

»Hast du vielleicht eine Minute?«, fragte ich und versuchte mir ein Grinsen zu entlocken.

Sie schien kurz zu überlegen.

»Luke ich habe dir doch gesagt dass du mich in Ruhe lassen sollst. Außerdem habe ich was anderes vor und ich bin mir sicher, dass Zayn... Ähm, meine Eltern gleich kommen«, stammelte sie und ich stutzte.

»Du triffst dich mit Zayn?«, verlangte ich zu erfahren und zog meine Augenbrauen kraus.

Die Angesprochene biss sich auf die Lippe, eine unangenehme Stille breitete sich zwischen uns aus. Als nach einigen Minuten immer noch keine richtige Antwort zustande gekommen war, ergriff ich erneut das Wort.

»Was Zayn betrifft habe ich dir noch ein paar Dinge zu sagen...«, fing ich an, wurde jedoch von einer dritten Person unterbrochen, welche sich in unser Gespräch einmischte.

»Was willst du hier?«, zischte Zayn und knirschte mit den Zähnen.

Ich presste mir die Hände auf den Mund und veruschte mein Wutlevel auf einer normalen Basis zu halten.

»Sie vor dir warnen. Wo hast du denn deine ganze Meute gelassen?«, fragte ich provozierend und stellte mich vor Liz um ihm klarzumachen, was zu meinem Revier gehörte und dass er sich von ihr fernhalten sollte.

Zayn lachte spöttisch auf.

»Ich habe keine Ahnung wovon du redest, Hemmo«, meinte er und zwinkerte mir zu.

Das war der Moment in dem die Reisleine in meinem Inneren riss und ich auf ihn zustürtzte.

Meine Faust landete in seinem Gesicht, zu hören bekam ich ein nach Luft ringendes Keuchen. Liz zerrte an meinen Schultern, aber ich ließ nicht locker und prügelte weiter auf den Jungen unter mir ein.

Aus seiner Nase floss bereits das Blut, die Augen weit aufgerissen.

Keine Sekunde später spürte ich einen dumpfen Schlag in meinem Gesicht der mich ein wenig aus der Fassung brachte. Jedoch schaffte ich es die Kontrolle über meinen Körper schneller als gedacht wiederzuerlangen.

»Du wirst sie nicht anfassen, hast du mich verstanden?«, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und holte aus um ihm eine Backpfeife zu verpassen.

Ich wurde durch eine Hand zurückgehalten, die sich als die von Liz herausstellte.

»Luke es reicht!«, kreischte sie und zerrte mich von Zayn herunter.

»Merkst du nicht was hier gespielt wird? Dan versucht uns voneinander zu trennen, weil du das einzig Gute in meinem Leben bist, die einzige Sache die mich davon abgehalten hat auf die falsche Bahn zu rutschen! Er hatte das alles organisiert! Seine Cousine Lissa hat mich geküsst weil sie dafür Stoff von ihm bekommen hat! Nicht anders ist es bei Zayn! Er war doch derjenige der dir in dem Moment gezeigt hat was passiert ist!«, rief ich aufgebracht und schlug mit der Faust gegen die Wand.

Unerträgliche Schmerzen zogen sich durch meine Finger, das Blut tröpfelte aus der offenen Wunde.

Sie sagte nichts, kniete sich nur neben Zayn und betrachtete seine Wunden.

»Luke es wäre denke ich besser wenn du jetzt gehst«, murmelte Liz nach ein paar Minuten und ich konnte förmlich hören wie mein Herz in zwei Teile auseinander brach.

Sie hatte es nur mit diesen Worten geschafft mich zu Fall zu bringen, ich musste mich sogar beherrschen die brennenden Tränen in meinen Augenwinkeln zurückzuhalten.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen wandte ich mich von den Beiden ab, setzte meine Kapuze auf und lief die Straße herunter. Vor Wut schmiss ich eine Mülltonne um, ein lauter Schrei entwich meiner Kehle; erst jetzt wurde mir eine Sache richtig bewusst.

Ich hatte sie endgültig verloren.

Für mich gab es nun keinen einzigen Grund mehr, so wie bisher weiterzumachen. Ich fühlte mich so unglaublich leer, wie eine Hülle ohne Seele. Wie als bestünde mein Körper nicht mehr aus Fleisch und Blut und Gefühlen, sondern aus einer einfachen Plastikhülle.

Mein Herz war mit meiner Seele gestorben.

Doch das war nicht die Hauptsache weshalb ich mich aufregte, ich konnte nicht glauben dass Zayn und Dan und die ganzen anderen wirklich gewonnen und Liz auf ihre Seite gezogen hatten.

Aber das, was mich am meisten verletzt hatte, war, dass Liz mir keinen Glauben schenkte.

Es war als hätten wir uns nie richtig gekannt.

Und ich spielte in diesem Moment mit dem Gedanken, ob es vielleicht besser gewesen wäre wenn wir uns niemals über den Weg gelaufen wären.

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