KAPITEL 19
L U K E
Mein Herzschlag war unregelmäßig als ich Dans Wohnung betrat und hinter ihm ins Wohnzimmer spazierte. Alles schien seinen abgestimmten Platz zu haben, ich sah mich erstaunt um. In den Zimmern konnte man kein einziges Staubkorn erkennen, nicht einmal eine unaufgeräumte Ecke. Es war das erste Mal, dass ich in seiner Wohnung übernachtete.
»Du kannst auf dem Sofa schlafen«, meinte er und warf mir ein Kissen mit der zugehörigen Decke zu. Ich fing die Sachen geschickt auf und platzierte sie auf der ledernen Couch.
»Danke«, sagte ich und stellte meine Sporttasche neben dem Schlafplatz ab.
Darin befanden sich die wichtigsten meiner Klamotten, die Schulsachen und ein paar andere für mich notwendige Dinge.
Draußen wurde die Natur von einem leichten Schauer berieselt, der Himmel verfärbte sich langsam und schleichend in ein dunkles Blau.
Dan holte aus der Gefriertruhe zwei Tiefkühlpizzen und bedeutete mir den Herd einzuschalten.
»Wie sieht es eigentlich mit deinem Mädchen aus?«, fragte er beiläufig, einen neugierigen Unterton in der Stimme. Ich hielt in meiner Bewegung inne und strich mir beinahe schon automatisch über die Wange, die bis vor wenigen Minuten noch knallrot gewesen war und gebrannt hatte.
»Nicht so gut. Und daran ist nur deine Cousine schuld«, gab ich ihm seine Antwort und drehte den Knop am Backofen ein Stück nach links.
»Es war aber auch ein unglücklicher Zufall, dass deine Kleine genau in dem Moment schauen musste, was?«, stichelte er weiter und ich schnaufte genervt ein und aus. War es denn so unauffällig, dass ich über dieses Thema nicht mehr reden wollte?
»Ja, das kannst du laut sagen«, erwiderte ich knirschend und biss daraufhin die Zähne zusammen. Dan holte aus dem Ofen die Bleche und kontrollierte die Knöpfe, ehe er beide Pizzen in jeweils eines der Bleche legte.
»Ich finde du und meine Cousine wärt ein sehr süßes Paar«, sagte er plötzlich und brach somit erneut die entstandene Stille.
Ich biss mir so fest auf die Lippen, dass ich keine Sekunde später einen Eisengeschmack in meinem Mund bemerkte.
»Ich liebe aber Liz.«
Daraufhin sagte Dan nichts mehr, er zuckte nur mit den Schultern und gab ein Brummen von sich.
Nach dem Essen machte ich es mir auf der Couch bequem und zappte durch die verschiedenen TV Programme. Dan gesellte sich nach einiger Zeit zu mir und blätterte durch irgendein Sportmagazin. Meine Gedanken drifteten die ganze Zeit zu Liz ab, ich fragte mich wie es ihr ging.
Seufzend zog ich das Handy aus meiner Tasche und verfasste eine SMS an sie.
Ich wollte ihr alles erklären, ihr sagen dass Dans Cousine mich einfach geküsst hatte, aber sie hatte mir im Club ja nicht einmal die Möglichkeit dazu gelassen.
Augenblicklich kam der Junge mit der ölfarbenen Haut in meine Gedanken und ich musste mich bemühen, meinen Atem auf normalem Niveau zu behalten. Es passte mir ganz und gar nicht dass er ihr nachgegangen war. Am liebsten wäre ich an seiner Stelle gewesen, doch es war alles so wahnsinnig schnell verlaufen und ich wollte Lissa noch zur Rede stellen, was die Aktion denn bewirken sollte.
»Warum hat Lissa mich überhaupt geküsst?«, rutschte es aus meinem Mund und ich sah Dan mit einem durchdringlichen Blick an. Er schwieg eine Weile, wusste dem Anschein nach nicht, wie er meine Frage wahrheitsgemäß beantworten sollte.
»Sie hatte schon immer eine Schwäche für Typen wie dich«, sagte er kurz angebunden und widmete sich dann wieder seiner Zeitung. Tief in meinem Inneren spürte ich, dass seine Worte nicht der Wahrheit entsprachen.
»Und jetzt würde ich gerne die Wahrheit hören.«
Die Augen für eine Sekund geweitet, legte er sein Magazin auf die Seite und sah mich an. »Das war die Wahrheit«, war alles was aus seinem Mund kam, woraufhin ich verbittert auflachte.
»Das glaubst du doch wohl selbst nicht. Spuck es schon aus, Dan.«
Wieder dauerte es eine Weile bis ich meine Antwort bekam.
»Sie hat eine Schwäche für Typen wie dich. Mehr gibt es nicht zu sagen.«
Mit diesen Worten wandte er sich von mir ab, und meinte dass er nun zu Bett gehen würde.
Ich lehnte mich an der Sofalehne an und verschränkte die Arme vor der Brust, wohl wissend dass er mir die Wahrheit verschwiegen hatte und ich diese so schnell wie möglich herausfinden musste; ich war mir sicher dass mehr dahintersteckte.
-'-
Der nächste Morgen kam viel schneller, als er mir lieb war.
Die Sonnenstrahlen, welche das Zimmer mit einem äußerst grellen Licht durchfluteten, kitzelten mich an der Nase. Mein Blick fiel auf die Wanduhr und ich musste feststellen, dass mein Wecker sowieso in zwei Minuten geklingelt hätte.
Seufzend kramte ich in meiner Tasche herum und suchte eine schwarze Skinny Jeans heraus.
Als ich diese gefunden hatte, machte ich mich auf die Suche nach einem dazugehörigen T-Shirt. Danach legte ich beides erst einmal auf dem Wohnzimmertisch ab und packte meine Schulsachen zusammen.
Dan schritt durch die Tür und begrüßte mich mit einem gemurmelten »Morgen.« Ich erwiderte es ungefähr in demselben Ton und lief in den Flur, um zum Badezimmer zu gelangen.
Fertig angezogen öffnete ich die Tür und bemerkte, dass es in der ganzen Wohnung ziemlich streng verbrannt roch. Mit zusammengezogenen Augenbrauen betrat ich das Wohnzimmer und die anschließende Küche.
Dort stand Dan und wedelte über einem Gerät mit seiner Hand, es handelte sich um den Toaster.
Lachend schüttelte ich den Kopf und schulterte die Tasche mit den Materialien für die Schule. Der große Junge in der Küche legte zwei komplett verkohlte Toastbrote auf einen Teller und guckte mich verwirrt an, als er ins Wohnzimmer kam.
»Wohin gehst du?«, verlangte er zu erfahren.
»In die Schule. In nicht einmal zwei Tagen beginnen die Abschlussprüfungen und ich war seit mehreren Wochen nicht mehr dort. Außerdem habe ich noch etwas mit Liz zu klären«, sagte ich und wollte gerade zur Tür hinausgehen, da hielt Dans Stimme mich auch schon wieder zurück.
»Luke dir ist klar, dass wir später den wichtigsten Auftrag seit längerer Zeit haben und ich dich brauche, oder? Du kannst jetzt nicht einfach gehen. In spätestens einer Stunde treffen wir uns mit der Crew, also verschieb dein kleines Rendez-vous bitte auf später; falls dir das Mädchen überhaupt zuhören sollte«, versuchte er mich von meinem Vorhaben abzubringen.
Beinahe hätte ich laut aufgestöhnt und ihn genervt angesehen, konnte mich aber noch rechtzeitig zügeln.
»Ich dachte das war es jetzt erst einmal mit den Drogen. Du ziehst mich immer mehr in diese ganze Scheiße hinein, merkst du das eigentlich?«, warf ich ihm an den Kopf und verschränkte meine Arme.
'»Entschuldige mal, dafür gebe ich dir ein Dach über dem Kopf. Sonst würdest du dort draußen auf der Straße leben wie ein Penner!«, motzte er mich an und ich spürte wie meine Schläfen zu pochen begannen. Wütend ließ ich meine Tasche fallen und funkelte ihn an.
»Gut, wie du willst. In einer halben Stunde bin ich wieder da.«
Ohne eine Reaktion seinerseits abzuwarten, spazierte ich durch die Wohnungstür und ließ diese hinter mir ins Schloss fallen.
Die frische Luft entspannte mich und meine Muskeln ein wenig, selbst mein Puls schien sich wieder gesenkt zu haben. Die Gedanken an Liz ließen mich nervös werden, ich hatte Angst dass nun wirklich alles vorbei war und sie mir nie wieder verzeihen würde. Ich musste ihr unbedingt erklären was passiert war, dazu musste ich es aber erst einmal selbst herausfinden.
Mein nächstes Problem war die Schule; ich würde meinen Abschluss niemals schaffen, weil ich in den letzten Wochen so viele Fehlstunden gehabt hatte und seit einiger Zeit überhaupt nicht mehr in der Schule gewesen war. Wenn mich meine Eltern nicht rausgeschmissen hätten, hätte ich wenigstens eine feste Bleibe ohne illegale Dinge zu betreiben.
Vielleicht konnte ich meinen Abschluss im nächsten Jahr ja nachholen.
Mit dem Fuß kickte ich eine im Weg liegende Pepsi Dose weg und näherte mich dem Schulgebäude. Wenn ich schon nicht in die Schule gehen konnte, musste ich wenigstens die Sache mit Liz klären. Sie war der einzige Mensch dem ich zurzeit vertrauen konnte; ich wusste zudem dass ich auf sie zählen konnte, egal was jemals passieren würde.
Vor dem Schultor lehnte ich mich an den einen Pfeiler und wartete ab. Ein kurzer Blick auf mein Handy sagte mir, dass Liz in zirka fünf Minuten hier aufkreuzen musste, da die Schule in einer knappen viertel Stunde begann und ihr Bus erst um dreiviertel fuhr.
Nervös guckte ich immer wieder auf mein Handy.
Als ich bekannte Stimmen vernahm und schließlich Less und alle meine anderen ehemaligen Freunde entdeckte, drehte ich mich weg und tat so, als würde ich angestrengt auf mein Handy schauen und zum ankommenden Bus hechten.
Ich lugte über meine Schulter und sah mit an, wie sie den Schulhof beraten und dann aus meiner Sicht verschwanden.
Als ich gerade zurücklaufen wollte, entdeckte ich Liz' blonde Haare. Sie hatte mich im selben Moment ebenfalls gesehen und riss die Augen weit auf. Das Mädchen stolzierte an mir vorbei und beachtete mich nicht weiter sonderlich; ein Ziehen in meinem Herzen signalisierte mir, dass ich sie nicht kampflos ziehen lassen durfte.
»Liza Maria!«, rief ich und rannte ihr hinterher.
Wie vom Blitz getroffen blieb sie stehen, anscheinend hatte ich sie ein wenig aus der Bahn geworfen.
»Lass mich in Ruhe.«
Ein bisschen enttäuscht darüber, dass sie nicht auf das Aufziehen unserer Namen einging, packte ich ihren Arm und brachte sie so zum Stehen bleiben.
»Bitte hör mir zu. Ich habe nichts Falsches getan, ich schwöre es dir. Das Mädchen ist Dans Cousine und ich bin mir sicher dass etwas hinter diesem Kuss gesteckt hat. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Dan wollte das du den Kuss siehst«, redete ich wirr und durcheinander auf sie ein.
Ihre Augenbrauen trafen sich in der Mitte.
»Das ist die wohl schlechteste Ausrede die ich je in meinem Leben gehört habe, Luke. Lass mich einfach in Ruhe und gut ist«, wollte Liz mich abschütteln und befreite sich aus meinem Griff, um den Haupteingang anzusteuern.
Ich blieb wie ein begossener Pudel zurück.
»Und was ist mit deinem Versprechen? Dass du immer für mich da sein wirst und alles gut endet?«, rief ich ihr hinterher, die Angesprochene blieb für einen Moment stehen, schüttelte dann den Kopf und setzte ihren Weg fort.
Verletzt, enttäuscht und traurig kehrte ich dem Schulgebäude meinen Rücken zu und machte mich aus dem Staub. Das Herz in meinem Brustkorb zog sich so eng zusammen, dass ich Mühe hatte nach Luft zu ringen; mein ganzer Brustkorb fühlte sich zugeschnürt an.
Das Wetter war für Australien ungewöhnlich schlecht, es schien meine Stimmung auszudrücken.
Zurück am Hauskomplex in dem sich Dans Wohnung befand, stolperte ich die Treppen hoch, noch immer geknickt. Glücklicherweise hatte Dan mir verraten, dass sich unter der Fußmatte ein Zweitschlüssel befand, so musste ich nicht klingeln und ihn bitten mir die Tür zu öffnen.
Ich wollte gerade durch die Wohnung schreien, dass ich wieder da war, doch als ich Stimmen hörte verstummte ich augenblicklich und schloss die Tür so leise wie möglich hinter mir. Mit langsamen Schritten bewegte ich mich in die Richtung aus der die vermeintlichen Geräusche kamen.
»Sind die Beiden nicht mehr zusammen?«, fragte einer und ich erkannte die Stimme dieses Zayns. Neugierig spitzte ich die Ohren und wartete auf die Antwort des Gefragten.
»Er ist gerade in der Schule um mit ihr zu reden, aber ich denke die ganze Sache hat sich erledigt und wir können uns endlich sicher sein, dass wir ihn für uns gewonnen haben«, sagte Dan und ich glaubte daran mich verhört zu haben.
»Also hat die Aktion funktioniert? Bekomme ich dann endlich meinen Stoff?«, fragte Zayn wieder und die anderen die sich in dem Raum befanden lachten.
Am liebsten wäre ich vor den Türrahmen gesprungen und hätte geschrien: »Ha ich habe doch gewusst dass du mir nicht die Wahrheit gesagt hast!«, aber ich beließ es bei einem wütenden Schnaufen.
»Hier hast du dein Gras, ich hoffe du bist jetzt zufrieden. Bei Gelegenheit könntest du Lissa ihr Gras auch vorbeibringen, sie hat es sich reichlich verdient«, meinte Dan wieder und schnalzte mit der Zunge.
Ich schnappte nach Luft und presste mir danach die Hand auf den Mund um ein Keuchen zu unterdrücken.
Dan hatte alles eingefädelt.
Lissa sollte mich küssen und Liz sollte es sehen, deswegen hatte er Zayn zu ihr geschickt.
Leise packte ich meine Sachen zusammen, stopfte einfach irgendwie alles in die Sporttasche und sah mich anschließend hektisch im Zimmer um. Als ich das Geld auf dem Regal entdeckte geriet ich ins Stocken.
Ohne an die Folgen meiner Handlung zu denken, griff ich nach ein paar der Stapel und presste sie in die letzten freien Ecken meiner Tasche. Dann hörte ich Schritte die sich dem Wohnzimmer näherten und ich blickte mich mit meiner geschulterten Tasche panisch im Raum um.
Schnell ließ ich sie auf die Couch sinken und versteckte mich hinter der Topfpflanze die in der Ecke stand.
Während einer der Jungs den Raum betrat, hielt ich die Luft an.
Er holte sich einen O-Saft aus dem Kühlschrank und lief dann an mir vorbei. Ich spürte das Kitzeln in meiner Nase und versuchte das Niesen so lange es ging zu unterdrücken. Als er nicht mehr in meiner Nähe war, nieste ich nicht gerade leise.
Den nächsten Moment verbrachte ich damit inne zu halten und abzuwarten, doch es kam keiner mehr.
Erleichtert packte ich mir erneut meine Tasche auf die Schulter und machte mich dann aus dem Staub.
Ich hatte einiges mit Liz zu klären, wusste gar nicht wie ich anfangen sollte. Das wichtigste war, dass ich mir jedoch zuerst ein Hotel besorgen musste, damit ich eine sichere Unterkunft hatte.
Mit dem geklauten Geld sollte diese Sache wohl weniger schwer fallen.
Ich war mir sicher, dass diese Sache noch ein gewaltiges Nachspiel mit Dan haben würde und trotzdem war es mir das wert gewesen.
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