KAPITEL 14
E L I Z A B E T H
Über Lukes Gesicht huschte ein Schatten.
Zunächst sprachlos stellte er sich neben mich und betrachtete das Gefährt, als wäre es von Außerirdischen erbaut worden. Ich hingegen verdrehte die Augen, langsam wurde das zu einer meiner Gewohnheiten, und durchforstete den Wagen gründlich nach irgendwelchen Hinweisen; ob er auch wirklich Ash gehören konnte. Viel beurteilen konnte ich nicht, da ich sein Auto erst einmal zu Gesicht bekommen hatte.
»Das könnte jeder beliebige Wagen sein, wieso denkst du dass er ausgerechnet Ashton gehört?«, fragte Luke an mich gewandt und zog seine Augenbrauen kraus. Ich hob meine Hand und fuhr mir durch die Haare.
»Wieso fragst du mich das? Er ist dein bester Freund, müsstest du es nicht anhand des Kennzeichens erkennen?«, entgegnete ich verwirrt.
»Liz, falls es dir noch nicht aufgefallen ist; das Kennzeichen des Autos ist abmontiert worden.«
Mein Mund formte sich zu einem 'o' und ich beschloss nichts mehr darauf zu erwidern.
»Außerdem haben Ashton und ich uns zerstritten«, murmelte er leise, hoffte wahrscheinlich inständig darauf, dass ich das Gesagte nicht gehört hatte, was ich an seinem Blick erkennen konnte.
»Wieso das denn?«, wollte ich wissen, wurde aber von einem lauten Geräusch unterbrochen. Luke griff nach meiner Hand und presste mich gegen seinen großen, gut gebauten Körper.
Mucksmäuschenstill wichen wir ein paar Schritte zurück, bis wir an der Wand standen.
Vorsichtig löste er sich von mir, legte für einen Moment seinen Zeigefinger auf die Lippen um mir zu zeigen, dass ich still sein sollte. Luke bewegte sich sehr langsam vorwärts und lugte um die Ecke. Da ich neugierig war, tat ich es ihm gleich und bemühte mich diesmal wirklich, keinen einzigen Ton von mir zu geben.
Unsere Augen fanden sich, beobachteten aber dann das Geschehen. Eine schwarz maskierte Gestalt mit einem großen Rucksack auf dem Rücken und MC Donalds – Tüten in der Hand, drückte die Tür auf und verschaffte sich Zutritt zu der Halle. Auf meinem Körper stellten sich sämtliche Härchen auf, zudem hämmerte das Herz gegen meine Brust, während das Adrenalin dabei war sich regelmäßig in meinem Blut zu verteilen.
»Sollen wir hinterhergehen?«, meinte ich unsicher und trat einen Schritt nach vorne.
Auf der Stelle packte Luke meine Hüften und zog mich zurück. Fragend blickte ich ihn an, er nickte nur in die Richtung, die ich gerade hatte einschlagen wollen. Der große Typ kam noch einmal nach draußen, lief aber glücklicherweise nicht in unsere Richtung; er war nach wie vor schwarz bekleidet.
Hinter mir atmete jemand erleichtert aus.
»Lass uns gehen. Bestimmt ist das nur irgendein Drogendealer, der hier den ganzen Stoff lagert«, hauchte er in mein Ohr, in der Angst, dass uns irgendjemand bemerken könnte.
»Niemals, das glaubst du doch wohl selbst nicht. Du kannst gerne gehen, aber ich werde mir diesen Ort noch etwas genauer ansehen und ihn unter die Lupe nehmen.«
Ich ließ ihm gar nicht mehr die Möglichkeit zu antworten und sprintete auf die Eingangstür zu, bevor mich irgendwelche Gegenargumente seinerseits dazu brachten, ihm zu gehorchen.
Drinnen war es um einiges kühler als draußen; noch dazu beinahe stockdunkel, sodass man die eigene Hand vor Augen nur schwer erkennen konnte.
Aus meiner Jackentasche zog ich das Handy; ich entlockte den Bildschirm, sofort sprangen mir unzählige Anrufe in Abwesenheit in die Augen. Nicht nur das erregte meine Aufmerksamkeit, sondern auch die Tatsache, dass wir gar nicht mehr so weit von Sydney entfernt waren.
Ansonsten ignorierte ich alles, selbst die Anrufe, und hielt das Mobiltelefon gerade so hoch, dass ich etwas erkennen konnte.
Der schmale, dennoch lange Gang verlief geradeaus. Auf der anderen Seite zeigte sich dasselbe Bild, ich hatte mich dennoch für den linken Gang entschieden. In meinem inneren pochte alles durch das entstandene Adrenalin; still setzte ich einen Fuß vor den anderen, bis die Tür am Ende immer größer wurde.
Meine Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt, weshalb ich das Handy zwar sperrte, trotzdem noch in der Hand behielt falls irgendetwas passieren sollte. Es ärgerte mich innerlich, dass Luke nicht mitgekommen war. Immerhin war es sein Bruder, um den es hier ging; manchmal konnte er ein richtiger Sturkopf sein.
Kopfschüttelnd verdrängte ich diese Gedanken, er war nicht nun einmal nicht hier; daran ändern konnte ich jetzt auch nichts mehr.
Zuerst kniete ich mich vor die Tür und versuchte ein paar Laute zu erkennen; als ich nichts hörte drehte ich mich noch einmal nach hinten um, um sicherzugehen, dass sich niemand hinter mir befand. Dann stellte ich mich wieder auf beide Beine und drückte die kalte Türklinke im Sekundentempo herunter.
Ein fast lautloses Quietschen ertönte, ich ließ die Tür erschrocken los und schlug die Hände vor dem Mund zusammen; auf den Anblick vor mir hätte ich wohl besser doch verzichtet.
In dem großen Lagerraum lag eine Matratze, auf der ein ziemlich krank aussehender Junge versuchte zu schlafen. Durch den minimalen Spalt erkannte ich nur zwei weitere Gestalten, die mit dem Rücken zu mir standen und wild diskutierten.
Fast hätte ich das Handy fallen gelassen, schaffte es im letzten Moment noch es fest mit meiner Hand zu umschließen und die Fingernägel in die Silikonhülle zu krallen.
Kräftig schluckend ging ich einen kleinen Schritt zurück und wählte Lukes Nummer. Das stetige Piepsen des Gerätes sollte mich wohl darauf hinweisen, dass mein Empfang immer wieder für ein paar Minuten den Geist aufgab.
Nervös hämmerte ich auf das Handy ein, es durfte mich jetzt einfach nicht im Stich lassen! Beim wiederholten Male tutete es ein paar Male, bis ich Lukes Stimme in der Leitung hörte.
»Hallo? Liz? Ist alles in Ordnung?«, fragte er besorgt klingend.
Ich drehte mich um die eigene Achse, und starrte in zwei dunkle Augen, die böse funkelten. Das Blut gefror in meinen Adern.
»Luke? Hilfe«, flüsterte ich ehe mir das Handy aus der Hand gerissen und ich gegen die Wand gepresst wurde. Ich hatte nicht einmal die geringste Möglichkeit ihm in seine Kronjuwelen zu treten und daraus Rühreier zu machen, oder die Flucht zu ergreifen.
Der Kerl knirschte mit den Zähnen und steckte mein Handy in seine Hosentasche.
»Was macht so ein kleines, unschuldiges Mädchen wie du in einer verlassenen, noch dazu abgelegenen Lagerhalle? Hat man dich nicht eines Besseren belehrt?«, wollte er erfahren.
Als ich nicht antwortete, packte er grob meine Handgelenke; verschränkte die Arme hinter meinem Rücken und schubste mich vorwärts, direkt in die Halle hinein. Auf einmal verstummten die zwei die eben noch gestritten hatten, der Junge auf der Matratze riss erschrocken die Augen auf als er mich entdeckte.
Alle beäugten mich mit misstrauischen Blicken.
»Na, wen haben wir denn da?«, sagte der eine und grinste mich pädophil an. Der andere hatte Augen die zu Schlitzen verengt waren, beide bewegten sich auf mich zu.
»Die Kleine hat geschnüffelt, was machen wir jetzt mit ihr?«, verlangte der Kerl zu wissen, der dabei war das Blut daran zu hindern in meine Hände zu gelangen, um diese wieder mit Leben zu erfüllen.
»Da sie uns unmaskiert gesehen hat sollten wir warten bis Jimmy wieder hier ist; er hat zu entscheiden was mit ihr geschieht. Bindet sie solange am Stuhl fest, ich sehe nach ob dort draußen noch mehr von dieser Art herumschleichen.«
Endlich wurde ich losgelassen.
Moment Mal, hatte der Fettsack gerade etwas über diesen Jimmy gesagt? Ich hatte vergessen ich welcher misslichen Lage ich mich befand und wollte gerade davon stolpern, als ich wieder gepackt wurde.
»Du bleibst schön hier, Püppchen.«
Ungehorsam wurde ich auf einen Holzstuhl gepresst, die Hände noch immer auf dem Rücken verschränkt. Der Mann hatte ein unbequem aussehendes Seil in der Hand, das er mir um die Hände band und einmal um das eine Stuhlbein wickelte; ich hatte absolut keine Chance zu entkommen.
Die anderen beiden Männer verabschiedeten sich von uns, um das Grundstück abzugehen und sicherzustellen, dass sich niemand mehr darauf befand. Ich schickte tausende Stoßgebete zu Gott; hoffte inständig darauf, dass Luke sich in Sicherheit gebracht hatte.
Der pädophil grinsende Mann wandte mir den Rücken zu und stellte sich in die hinterste Ecke des Zimmers um eine Zigarre zu rauchen. Die Augen hatte er auf die stillgelegte Fabrik unter sich gelegt, er fixierte ein paar alte Laufbänder, das Geländer an dem er sich abstütze sah sehr verrostet aus.
»Du bist Elizabeth, nehme ich an?«, krächzte eine Stimme hinter mir, ich fuhr soweit es mir möglich war herum und schaute geradewegs in die Augen des bleichgesichtigen. In meinem Gehirn legte sich eine schlimme Vermutung zurecht, als ich seine Gesichtszüge mit denen von Luke verglich.
»Ja, die bin ich. Du bist Lukes Bruder, oder? Wir sind hergekommen um dich zu retten!«, gab ich ihm im Flüsterton zu verstehen.
Schwach nickte er und rollte sich einmal um seine eigene Achse. Dann stützte er sich auf seine Hände; versuchte sich nach oben zu drücken. Die Matratze gab leise Laute von sich, zum Glück bemerkte der Typ nichts.
»Was um Himmels Willen macht ihr hier? Das ist verdammt gefährlich«, predigte er mir und sah sich im Raum um. Verwirrt folgte ich seinem Blick, anscheinend schien er etwas zu suchen.
»Wo ist mein Bruder überhaupt?«, fragte Benny, runzelte die Stirn und baute unseren Blickkontakt erneut auf.
»Ich weiß es nicht, er hat die Suche aufgegeben und wollte nicht mit reinkommen.«
Der braunhaarige Junge fuhr sich erschöpft durch seine zerstrubbelten Haare und ließ sich schlaff zurück auf das Laken sinken.
»Wenigstens einer der vernünftig war. Jetzt weiß ich was er damit meinte, dass du ziemlich eigenwillig bist«, meinte er dennoch mit einem Grinsen auf den Lippen.
Ich warf ihm einen verständnislosen Blick zu, der dann auch noch von einem Schmollmund verziert wurde.
»Das war doch nicht so gemeint. Hat Luke dir überhaupt erzählt, weshalb wir uns in dieser miesen Situation befinden?«, fragte er.
In Zeitlupe nickte ich, da meine Gedanken woanders waren. Meine Augen brannten vor lauter Anstrengung, erst jetzt nahm ich das grelle Licht über unseren Köpfen richtig war.
»Wieso redest du noch mit Luke? Irgendwie ist es schon ein bisschen heftig, was...«
Er wurde jäh unterbrochen.
Die schwere Tür wurde qualvoll langsam aufgemacht, verwuschelte Haare kamen als erstes in Sicht, danach die blauen Augen und das aufblitzende Piercing. Lukes Augen wurden riesig, sein Blick durchbohrte mich regelrecht, ehe er zu Benny schweifte.
Die Freude blitzt ein seinen Augen auf.
Er schritt über die Schwelle und schloss die Tür hinter sich; und das so leise wie möglich. Mir fiel ein dass einer dieser drei Typen immer noch im Raum war, er schaute zwar nicht in unsere Richtung, trotzdem war es gefährlich. Hektisch schüttelte ich den Kopf, doch Luke war zu stur.
Wer hatte hier einen eigenen Kopf?
Er sollte nie wieder so etwas über mich erzählen. Wenn es dazu überhaupt kommen sollte, vielleicht würden sie uns alle umbringen, weil wir zu viel gesehen hatten. Das arme Mädchen tat mir so unendlich leid, bestimmt war es schrecklich ein Opfer von einem einfachen Pokerspiel zu werden.
Auf Zehenspitzen schlich er an mir vorbei, um seinen Bruder aus der Nähe zu betrachten. Dieser riss erschrocken die Augen auf, Benny hatte ihn noch gar nicht bemerkt, weil er zuvor an die Decke gestarrt hatte. Plötzlich sah der Junge gar nicht mehr so bleich aus, seine Augen funkelten und verbanden sich mit denen seines Bruders.
»Benny«, flüsterte Luke kaum hörbar und schloss seinen kleineren Bruder in die Arme. Fast wären mir ein paar Tränen aus den Augenwinkeln gerutscht, hätte ich den Mann nicht kommen sehen.
Er scannte mich misstrauisch; mir wurde augenblicklich heiß.
»Luke«, murmelte ich so unauffällig wie es ging; er reagierte nicht.
»Luke«, zischte ich wieder, diesmal mit zusammengebissenen Zähnen. Der Angesprochene wandte sich an mich, wollte gerade etwas sagen als er den Mann entdeckt hatte.
»Scheiße, ich glaube wir haben ein Problem«, stellte er fest und sah sich nach irgendeinem Gegenstand um, mit dem er sich bewaffnen konnte.
Benny handelte schnell und reichte ihm eine herumliegende Eisenstange.
Der Mann fletschte die Zähne. Ich konnte Lukes Aggressivität am eigenen Leibe spüren und das, obwohl ich nicht einmal sein Fixpunkt war.
»Was willst du, du Wichser«, schrie er den noch größeren an und fuchtelte mit dem Stab vor dessen Gesicht herum. Benny schloss die Augen und hätte sich wohl am liebsten mit der flachen Hand gegen die Stirn geklatscht, wenn er nicht so schwach und angekettet wäre.
In der Ecke hinter seinem „Bett" lagen die MC Donalds – Tüten, die vorhin von dem schwarzgekleideten hereingetragen wurden.
Ein unvorhergesehener Schlag erklang, danach setzte ein schlagartiger Schrei ein.
Erschrocken flitzten meine Augen an den Ursprungsort und ich musste Luke am Boden liegen sehen; die Augen geschlossen. An seinem Hinterkopf trat eine rote Flüssigkeit hervor, trotz der nicht so gut aussehenden Wunde atmete er noch regelmäßig. Erleichtert presste ich die Luft aus meinen Lungen.
Der Kerl schleuderte Lukes Waffe beiseite und schaffte einen weiteren Stuhl heran. Auf diesen wurde sein schlaffer Körper platziert, die Hände ebenfalls so gefesselt wie bei mir; keine Chance auf eine Flucht.
Wir saßen Hoffnungslos in der Falle.
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Es war etwas Zeit vergangen, Benny hatte ein wenig die Augen geschlossen, aber nur weil ich ihm geschworen hatte, dass ich ihn wecken würde sobald sein Bruder wach war. Am liebsten hätte ich der Besagten Person durch die Haare gestreichelt oder einfach nur seine Hand gehalten; beides wurde mir verhindert durch die dumme Fessel an den Händen.
Wütend zerrte ich etwas an ihr, wodurch ich sie nur noch enger machte und das Seil in mein Fleisch schnitt. Die roten Striemen zogen sich über meine beiden Handgelenke, ich versuchte die Schmerzen zu ignorieren. Die beiden anderen hatten sich wieder zu ihrem Komplizen gesellt, sie warteten immer noch auf die Ankunft von diesem Jimmy.
Neben mir regte sich etwas, oder besser gesagt jemand. Die eisblauen Augen suchten meine, die Atemstöße kamen schnell aus seinem Mund. Sie wirkten gehetzt, beruhigten sich aber einigermaßen, als er sah dass es mir und Benny soweit ganz gut ging.
Sein Stuhl war ein gutes Stück von meinem entfernt, trotz dessen war es uns ermöglich miteinander zu kommunizieren.
»Was ist passiert?«, kam die Frage aus seinem Mund, die Zähne zusammengepresst.
»Ich schätze dass dein heldenhafter Plan nicht so ganz aufgegangen ist. Hast du zufällig einen zweiten?«, entgegnete ich und biss mir anschließend auf die Lippe.
»Wenn ich den hätte würden wir schon lange nicht mehr hier sitzen. Hast du ein Handy oder so etwas in der Art dabei?«, wollte er nun wissen, ich versuchte an meine Jackentasche zu gelangen bis mir einfiel, dass der eine Typ es vorhin einkassiert hatte.
»Da muss ich leider passen, der Fettsack hat es mir vorhin abgenommen als ich dir erzählen wollte, dass ich deinen Bruder gefunden habe...«
Weiter kamen wir nicht mit unserem Gespräch, da wir von einem Geräusch unterbrochen wurden.
Die Tür wurde, wie schon oft zuvor an diesem Tag, geöffnet und herein trat der schwarzmaskierte. Eine Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut aus, war das etwa dieser Jimmy?
Meine Frage erübrigte sich als die Maske abgezogen wurde.
In diesem Moment hielten alle auf unserer Seite den Atem an, nacheinander klappten uns die Münder auf.
»Ashton?«, sagte Luke eher zu sich selbst als zu irgendjemand anderem. Dann schien er völlig verrückt zu werden und die Kontrolle zu verlieren.
»Natürlich. Wieso bin ich darauf nicht gleich gekommen? Ashton, wie konntest du nur! Du warst mein bester Freund!«, schrie er und versuchte seine Hände zu befreien.
»Ich denke wir sind quitt. Du hast versucht mich zu beklauen, so viel wert kann dir unsere Freundschaft also nicht sein«, antwortete der Angesprochene Schlicht und zuckte mit den Schultern.
»Verdammt nochmal, komm zur Vernunft! Sie wollen ihn umbringen; nicht nur ihn sondern auch sie! Möchtest du wirklich bei einem Mord dabei sein? Ich habe das getan um ein Leben zu retten! Außerdem kennst du mich doch so gut, dass du wissen müsstest, dass ich es dir wieder gegeben hätte!«, schrie Luke, mit jedem Wort wurde er lauter.
Wen meinte er mit sie?
Ich schaute ihn verwirrt dran, er schüttelte nur den Kopf.
»Es tut mir so unendlich leid, Liz. Ich wollte dich niemals verletzen. Ich hätte es nicht zustande gebracht, weil ich... weil du mir wichtig geworden bist. Benny und ich hätten es beim Pokern niemals so weit kommen lassen dürfen. Wir hätten das alles nicht riskieren dürfen. Es tut mir so leid«, entschuldigte Luke sich die ganze Zeit bei mir, auf seinen Lippen lag ein gequälter Ausdruck.
Ich verstand immer noch nichts, das glitzern in seine Augen waren Tränen, er versuchte taff zu bleiben und nicht zu weinen; nur gelang es ihm nicht wirklich.
Ashton schien zu Lukes Ansprache keinen Kommentar zu haben, weshalb ich mit einer kratzigen Stimme begann zu reden.
»Was ist hier los? Wovon sprichst du, Luke?«
»Es ist alles meine Schuld. Ich wollte die beschützen, ich hätte dich niemals mitnehmen dürfen. Es ist alles meine Schuld«, rief er verzweifelt.
Als ich mich zu Benny umdrehte, da Luke nur in Hieroglyphen zu mir sprach, sah dieser bedrückt auf den Boden, mied diskret jeglichen Augenkontaktversuch von mir.
»Du möchtest wissen was los ist? Hat dir dein Freund etwa ein paar Dinge verschwiegen?«, mischte sich eine düstere Stimme in unsere Konversation ein, der Typ sprang von einer kleinen Anhöhe herunter und landete direkt vor Ashton; dieser zuckte erschrocken zurück. Seitdem er hier drinnen aufgekreuzt war, hatte seine Haut einen weißen Farbton angenommen.
Erst jetzt wurde mir richtig klar was er hier zu suchen hatte; er steckte mit Bennys Entführern unter einer Decke. Sofort schweiften meine Gedanken zu Less. Ich dachte daran, wie sie reagieren würde, wenn sie erfahren würde dass ihr fester Freund mit Entführern zusammenarbeitete. Schnell schüttelte ich diese Gedanken ab, vielleicht gab es wenigstens dafür eine plausible Erklärung.
Aber zuerst wollte ich nun wissen, was genau Luke mir angeblich verschwiegen hatte. Mit Sicherheit hatte es mit seinen andauernden Entschuldigungen etwas zu tun, nervös leckte ich mir über die Lippen. Gerade als ich etwas sagen wollte, ging Lukes brecherische Stimme dazwischen.
»Jimmy lass deine dreckigen Finger von ihr! Wenn du sie anfasst... ich schwöre bei Gott, dann werde ich dich foltern und letztendlich umbringen, damit du einen langsamen und qualvollen Tod stirbst«, knurrte der blondhaarige; in seiner Stimme schwang so viel Ernsthaftigkeit mit, dass ich Angst bekam.
»Du wirst schweigen, oder ich werde sie gleich abknallen.«
Um seine Aussage zu verstärken holte er aus seiner Tasche eine Pistole heraus. Mir stockte der Atem, als ich die Worte durchging die er gerade auf uns losgelassen hatte.
»Abknallen?«, fragte ich an Luke gewandt; Ratlosigkeit in meiner Stimme. Er schaute mich nicht an, alle mieden den Augenkontakt zu mir; alle außer Jimmy.
„Soso, du bist also die berüchtigte Elizabeth Maria Reed. Du siehst heute sehr entzückend aus, was für eine Verschwendung«, sagte er mit einem zuckersüßen Grinsen auf den Lippen an mich gewandt, mir wurde augenblicklich schlecht und das obwohl ich noch immer keine Ahnung hatte, woher er mich kannte.
»Süße, hat er dir denn gar nichts gesagt?«, hakte dieser aufgrund meines verwirrten Blickes nach, ich schluckte den entstandenen Kloß in meinem Hals hinunter.
»Er hat mir die ganze Geschichte erzählt, und...«
Ich wurde jäh unterbrochen.
»Dann muss ich dich leider enttäuschen, Lukes kleine Fantasiegeschichte hat nicht der Wahrheit entsprochen.«
Bevor er weitersprach, holte er sich ebenfalls einen Stuhl aus Holz her, auf den er sich dann setzte. Ashton hielt die Luft an und ließ sich in der Nähe von Luke auf den kalten Boden sinken.
»Lasst uns für eine Weile alleine, ich habe die Situation unter Kontrolle«, rief er seinen Kumpanen zu und schickte sie mit einer Handbewegung zurück in den hintersten Platz des Raumes.
Ashton war es dem Anschein nach genehmigt, sitzenzubleiben.
Jimmy räusperte sich und fing dann an zu reden, Luke schwieg die ganze Zeit. »Jetzt meine Liebe, wirst du endlich die Wahrheit erfahren. Da Luke und sein dümmlicher kleiner Bruder das Geld nicht auftreiben konnten, habe ich ihnen einen anderen Auftrag erteilt. Sie sollten für mich etwas erledigen. Jemanden umbringen.«
Eigentlich wollte ich ihn unterbrechen und reinbrüllen, dass Luke mir bisher alles wahrheitsgemäß erzählt hatte, doch ich bewahrte Stillschweigen. Während seiner Erzählung stand er auf und schlenderte in der Halle herum. Ich bemerkte dass Ash immer näher an uns heranrückte, in der Hand einen spitzen Gegenstand. Er bedeutete mir zu schweigen und als er schließlich hinter Luke saß und an dem Seil zu säbeln begann, verstand ich was hier los war.
Luke ging es anscheinend genauso, er hob seinen Blick dennoch nicht.
»Da mir und meiner Drogenclique das FBI so ziemlich im Nacken saß, habe ich beschlossen für Ablenkung sorgen zu lassen. Zufälligerweise habe ich erfahren dass der beste Kommissar eine liebliche, unschuldige Tochter hat, deren Tod nur zu gut wäre, um von uns abzulenken. Ich denke den Rest kannst du dir zusammenreimen«, teilte er mir amüsiert mit.
Erst war ich komplett sprachlos, dann stupste ich Luke mit meinem Fuß an.
»Ist das wahr?«, verlangte ich zu erfahren, meine Stimme so leise wie ein Hauch.
»Natürlich ist es wahr! Wieso sollte ich dich anlügen? Schau dir deinen ärmlichen kleinen Lügenfreund doch einmal an. So eine kleine Klappe hat er nun«, spottete Bennys Entführer.
Jimmy stand mit dem Rücken zu mir, ich spürte einen Ruck am Seil, meine Hände waren befreit.
»Er hat es alles gespielt, kleine Elizabeth. Er hat nie etwas für dich empfunden, und du warst so naiv...«, säuselte er.
»Hör auf! Du hast doch keine Ahnung«, unterbrach Lukes Stimme und alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Keine Sekunde später war er aufgesprungen und auf Jimmy losgegangen. Ich erhob mich ebenfalls, taumelte jedoch rückwärts, da in meinen Beinen nicht einmal ein Anzeichen von Gefühl war, da ich so lange gesessen hatte.
»Die Polizei ist verständigt, dein Vater ist auch auf dem Weg hierher«, flüsterte Ash in mein Ohr und machte sich daran Benny zu befreien.
Die drei Männer kamen allesamt auf mich zu, mit großen Augen suchte ich den Stab, mit dem Luke vorhin sein Glück versucht hatte. Er lag ein gutes Stück von mir entfernt auf dem Boden, ich musste mich beeilen um an ihn zu gelangen. Das Ding war ziemlich schwer, was mir die Sache mich zu verteidigen, ordentlich erschwerte.
Benny trat hinter mich, ich beobachtete ihn aus dem Augenwinkel.
Er und Ash hatten sich die Stühle geschnappt; und dann ging die Schlacht los.
Alles was ich mitbekam war, wie der Fettsack, der auch mein Handy genommen hatte, auf mich zukam, schon wieder mit diesem Grinsen im Gesicht. Das würde ich ihm schon noch aus dem Gesicht schlagen. Er versuchte mir ins Gesicht zu boxen, doch ich hielt den Stab schützend ein Stück nach vorne; er traf genau darauf und rieb sich stöhnend die Hand. Ich nutzt meine Chance und stürmte auf ihn zu.
»Graaah!«, schrie ich dabei und schlug ihm mit der Stange geradewegs auf die Schulter. Jammernd sank er auf dem Boden zusammen und ich verpasste ihm einen weiteren Schlag auf den Kopf. Erst als er regungslos am Boden lag traute ich es mir wieder zu, normal zu atmen.
»Danke Dad«, flüsterte ich und drehte mich zu den beiden Jungs um, die ebenfalls in einen Kampf verwickelt waren.
Dummerweise hatten sie mit den Stühlen keinerlei Chancen gegen solche Affen, weswegen ich dem ein bisschen nachhalf. Der Stab wurde in meiner Hand immer leichter, ich hob ihn mit allerlei Kraft die ich in den Unterarmen besaß, an und holte aus. Ich musste mir ein Lachen verkneifen als ich entdeckte, dass ich den einen komplett umgehauen und den anderen gestreift hatte.
Dieser hielt sich stöhnend den Kopf, den Rest erledigte dann Ashton, indem er seinen Stuhl auf ihn schleuderte.
Erschöpft fuhr ich mir über die Stirn, als ich auf einmal von hinten geschubst wurde, und samt dem Stab auf dem Boden landete. Benny und Ash wollten mir zur Hilfe eilen, aber ich scheuchte sie davon.
»Macht, dass ihr verschwindet! Los! Ash, bringe Benny in Sicherheit, ich schaffe das schon!«, schrie ich.
Die ganze Wut auf Luke und auf die Wahrheit machte mich noch stärker als ich es eh schon war; mir ging es erst einmal darum, alle heil hier herauszubringen. Bis die Polizei anrückte konnte es womöglich noch ein wenig dauern. Ash schnappte Benny bei der Hand und zog ihn mit sich. Dieser wehrte sich gegen das Geschehen, er wollte uns helfen. In diesem Moment war ich Ashton wirklich dankbar für das, was er getan hatte.
Immerhin war wenigstens Benny nun in Sicherheit.
Der Kerl der mich hin geschubst hatte, holte sich den Stab, der ein paar Meter von mir weggerollt war und kam bedrohlich auf mich zu. Ich strampelte mit den Beinen und verschaffte mir so ein wenig Zeit aufstehen zu können, da ich rückwärts rutschte. So schnell ich konnte hievte ich meinen Körper nach oben und griff an meinen Gürtel. Mit einer Handbewegung hatte ich die Waffe meines Vaters in der Hand.
»Überraschung«, säuselte ich und der Kerl wurde käseweiß im Gesicht.
»Lege den Stab beiseite und stell dich mit Händen nach oben an die Wand.«
Als er nicht gehorchte richtete ich meine Waffe auf ihn.
»An die Wand habe ich gesagt!«, brüllte ich so laut ich konnte, der Kerl ließ den Eisenstab fallen und gehorchte. Widerwillig stellte er sich an die Wand und platzierte seine Hände hinter dem Kopf.
»Bleib da stehen, falls ich dich irgendwo anders sehen sollte, werde ich dich abknallen. Gnadenlos. Hast du mich verstanden?«, zischte ich wieder. Er nickte und ich drehte mich von ihm weg und rannte in die Richtung, aus der ich die Kampfgeräusche hören konnte.
Hinter mir hörte ich Schritte und entdeckte den Typ, den ich gerade eben noch an die Wand verwiesen hatte; dem Anschein nach hatte er damit gerechnet, dass ich schon viel weiter vorne war und er mich ungestört verfolgen konnte, aber da hatte er sich wohl gewaltig geschnitten.
»Hatte ich mich nicht klar und deutlich ausgedrückt?«, brüllte ich; mir war der Kragen geplatzt.
Ohne lang darüber nachzudenken zielte ich auf sein Knie und drückte ab.
Der Schock durchfuhr mich als er auf dem Boden lag und sich schreiend das schlimm blutende Bein hielt. Ich hatte noch nie in meinem Leben eine Pistole bedient, es fühlte sich einfach nur schrecklich an. Mein Herz raste wie wild, in meinen Adern pochte das Blut. Ich ignorierte alles und folgte stattdessen den Schritten die ich über mir vernehmen konnte.
An der Seite entdeckte ich eine Leiter die nach oben führte.
Ich steckte die Pistole zurück an meinen Gürtel, hoffte dass sie dort sicher war und kletterte die schmalen, eisernen Stufen nach oben. Es sah alles noch heruntergekommener aus, als unten. Meine Beine fühlten sich bleischwer an, ich war mit den Nerven am Ende, fast komplett imstande zu rennen aber trotzdem musste ich es tun. Auch wenn ich gerade richtig sauer auf Luke war, wollte ich dass es ihm gut ging.
Wenn ihm etwas geschehen würde... Ich wollte gar nicht daran denken.
Unvermeidbare Tränen bahnten sich die Wege an meinen Wangen herunter; gerade war ein sehr lauter Aufschrei erklangen, ich hatte Angst. An meinem Ziel angekommen, sah ich wie Luke am Boden lag und Jimmy auf ihn einschlug.
Von hinten nahm ich Anlauf und sprang auf seinen Rücken. Weil ich so eine wuchtige Geschwindigkeit hatte, überschlugen wir uns einmal; Jimmy taumelte rückwärts, ich saß immer noch unverändert an dem Platz auf seinem Rücken.
Er schaffte es nicht mehr sein Gleichgewicht zu finden, unkontrolliert flogen wir mit einem lauten Knall auf den Boden; ich schlitterte mehrere Meter, bis ich plötzlich nichts mehr unter mir fühlte und fiel.
Mit den Fingern krallte ich mich an der rauen Bodenplatte fest und baumelte ein paar Meter über dem Boden. Augenblicklich wurde mir übel, mein Magen drohte sich umzudrehen. Immer weiter rutschte ich ab, es war unmöglich.
Plötzlich griff eine Hand nach meiner, ich schielte nach oben und erkannte Luke. Vor Erleichterung seufzte ich laut auf. Er hatte mich fast komplett nach oben gezogen; sein Gesicht schmerzverzerrt.
»Luke, lass mich los, den Rest schaffe ich alleine.«
Wild schüttelte er den Kopf. »Vergiss es, ich werde dich niemals loslassen.«
Wäre die Lage nicht todernst gewesen und hätte ich nicht meine Wut auf ihn gehabt, hätte ich vermutlich gelächelt. Jedoch kam es nicht so weit, dass ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte; Jimmy schlich sich von hinten an Luke heran, ich schrie zu spät.
Er wurde geschubst, ließ mich los und zu zweit landeten wir unsanft nach wenigen Sekunden auf dem Boden.
Mein Körper fühlte sich an, als wäre er in tausend Teile zersplittert, alles wurde von unerträglichen Schmerzen gefüllt, die Luft presste sich von alleine aus meiner Lunge. Stöhnend und röchelnd zugleich bewegte ich meinen Kopf und suchte nach Luke.
Er lag ein Stückchen neben mir, ebenfalls vor Schmerzen stöhnend.
»Es tut mir so leid, Liza Maria. Ich wollte das alles nicht. Ich hatte niemals vor dich in diese Sache hineinzuziehen.«
Mehr konnte er nicht sagen, da Jimmy auf uns zukam.
»Liz, hast du noch nie etwas von Gastfreundschaft gehört? Du kannst doch nicht einfach Kurt abschießen. Das war wirklich nicht gerade nett von dir«, tadelte er mich, in seiner Stimme schwang die Wut mit.
»Fahre zur Hölle«, war das einzige, was ich darauf antwortete. Seine beiden anderen Kumpanen hatten schon längst die Flucht ergriffen, was mir gerade eben erst aufgefallen war; er war ganz alleine.
»Falsche Antwort.«
Gerade als er den Abstand zwischen uns verringern wollte, hörte man von draußen Sirenen und laute Stimmen, die durch Megafone verkündeten, dass die Polizei eingetroffen war und das Gebäude umstellt hatte.
Die Hintertür wurde aufgerissen und herein kamen Benny, Ashton, mein Vater und ein paar seiner Kollegen. Der Mistkerl wurde kalkweiß im Gesicht und stolperte ein paar Schritte rückwärts. Als mein Vater mich am Boden liegen sah, wollte er auf mich zugehen, doch Jimmy zog aus seiner Gürtelschnalle die allerletzte Waffe, die er noch auf Lager hatte.
»Noch einen Schritt weiter und ich schieße!«, schrie er so laut, dass alle Anwesenden zusammenzuckten, einschließlich mir und Luke.
Der zuletzt Genannte versuchte sich aufzurappeln, um sich schützend vor mir zu platzieren, die körperlichen Schmerzen machten ihm einen gewaltigen Strich durch die Rechnung.
Dad hob ebenfalls die Waffe an, so wie seine Kollegen auch. Ashton versteckte sich hinter dem Schutz der Polizisten und den wenigen FBI Agenten, die sich unter uns befanden. Benny jedoch ging unmerklich immer näher auf mich zu; ich wusste nicht was er vorhatte und versuchte ihm zu verstehen zu geben, dass er verschwinden sollte.
»Aufstehen!«, brüllte Jimmys Stimme an mich gerichtet.
Obwohl die tierischen Schmerzen meinen Körper beherrschten, rappelte ich mich auf; ich wollte keine Schwäche zeigen und ihm erst Recht nicht die Möglichkeit geben, mich einzuschüchtern. Luke wollte sich nun auch bewegen, wurde aber sofort darauf hingewiesen liegenzubleiben.
Bevor ich mich vollends auf beide Beine stellte, legte ich die Pistole unter meine Jacke, die ich mir vom Körper gestreift hatte und schob sie ein Stück an den blondhaarigen neben mir heran. Er schaute mich verblüfft an, nickte aber kaum merklich. Ich stand noch sehr wackelig auf den Beinen, was größtenteils an meinem schmerzenden Fuß lag; ich musste ihn mir geprellt oder sogar verstaucht haben.
Es war mucksmäuschenstill, Jimmys Pistole immer noch auf mich gerichtet. Keiner traute sich etwas zu sagen oder irgendetwas anderes zu machen; ich hielt die Luft an. Anscheinend kämpfte mein Gegenüber mit sich, er brachte es nicht fertig den Schuss abzufeuern. Auf einmal bewegte sich hinter mir etwas, ich erkannte meinen Vater aus dem Augenwinkel.
Und dann ging auf einmal alles ganz schnell.
Jimmy drückte ab, alles verlief in Zeitlupe; die ganze Welt schien stehengeblieben zu sein. Ich konnte mich nicht bücken oder ausweichen, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass er den Schuss tatsächlich tätigen würde. Um genau zu sein hatte niemand damit gerechnet, dass er seine Drohung wirklich durchziehen würde. Mein Vater war zu weit von mir entfernt, er konnte mich nicht zur Seite schubsen.
»Ich liebe dich, Luke«, murmelte ich leise und schloss die Augen, um meinen eigenen Tod nicht mitzubekommen.
Es hätte nicht so kommen dürfen.
Ich hatte das Recht gehabt zu leben; mich wenigstens von meiner Familie und den Personen die ich liebte, zu verabschieden. Ich hätte anders sterben sollen. Unberechnet und ohne Hilfsmittel. Nicht durch eine Pistole. Nicht durch diesen Schuss.
Ein letztes Mal atmete ich tief durch, und wartete darauf, dass die Höhepunkte meines Lebens noch einmal in einem Film an mir vorbeizogen und die Kugel sich in das Fleisch meines Brustkorbes bohrte, aber es passierte nichts.
Kein Film, keine höllischen Schmerzen, nichts.
Als ich meine Augen öffnete, sah ich eine Person am Boden vor mir liegen, erkannte aber nicht genau um wen es sich handelte. Die ganzen Menschen hinter mir stürmten auf Jimmy los, der sich in Bewegung setzte und davonrannte; Luke dicht hinter ihm her.
»Ich werde dich umbringen, Jimmy! Ich werde dich leiden lassen, denn eigentlich hast du noch nicht einmal den Tod verdient!«, hörte ich die laute Stimme von Luke.
Meine Augen scannten den am Boden liegenden jungen Mann, die klaffende Wunde in seiner Brust blutete schlimm. So etwas hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen; und ich war mir auch nicht sicher ob ich das jemals wieder erblicken wollte.
In dem Moment, als ich erkannte um wen es sich handelte, gaben meine Knie nach.
Ich saß neben Benny auf dem Boden, schnappte mir meine Jacke und knotete sie um seinen Brustkorb; ich musste es irgendwie schaffen, die Blutung zu stoppen. Tränen liefen in Massen aus meinen Augen, seine schönen Pupillen, umspielt von der Himmelblauen Iris, die mich immer an Lukes erinnerten, fielen öfters für ein paar Sekunden zu, ich schluchzte.
»Benny, bitte bleib da. Du bist das einzige was dein Bruder noch hat, er braucht dich mehr als alles andere.«
Seine weiß gewordene Hand hob sich schwach und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
»Ich schätze du wirst diesen Part für mich übernehmen müssen. Liz, er liebt dich. Deswegen habe ich es getan. Bitte pass gut auf ihn auf. Lass nicht zu, dass er noch einmal in so eine Situation gerät«, flüsterte er kraftlos.
Nun begannen auch seine Augen matt zu glänzen, ehe ein paar Wassertropfen aus seinen Augenwinkeln kullerten.
Seine Hand rutschte aus meiner, die Lider fielen herunter. Ich begann zu schreien. Irgendjemand musste mir helfen; irgendjemand musste ihn retten.
»Hilfe! Ich brauche Hilfe! Ruft einen Krankenwagen, bitte! Irgendjemand! So helft mir doch!«, brüllte ich so laut wie ich in meinem gesamten Leben noch nicht geschrien hatte.
Ein weiterer Schuss fiel direkt über uns, ich zuckte zusammen und hielt für einen Moment inne. Dann schluchzte ich weiter und suchte nach einem Handy. Meine Hände waren voll von Bennys Blut, am Ende des Raumes entdeckte ich Ash, der gerade die Leiter vom Obergeschoss nach unten geklettert war.
»Ashton! Du musst einen Arzt rufen, bitte! Wir müssen Benny retten!«, rief ich und wischte mir über die Augen.
Die Tränen wollten einfach nicht nachlassen, der Angesprochene zückte aus seiner Hosentasche ein Mobiltelefon und wählte auf der Stelle den Notruf. Ich beschloss mich wieder zu Benny zu knien und ihm bei seinen letzten Atemzügen beizustehen.
Laut weinend strich ich ihm über die Stirn und flehte ihn erneut an, hierzubleiben.
Er schüttelte schwach den Kopf und versuchte ein Lächeln zustande zu bringen.
»Es tut mir leid. Die ganze Sache hat nur wegen mir begonnen, also wird sie auch mit mir enden. Sag ihm, dass er der beste große Bruder ist, den diese Welt besitzt«, waren seine letzten Worte, ehe er noch einmal kurz einatmete und dann in die Totenwelt hinübergezogen wurde.
Ashton kam auf mich zu getigert. »Der Krankenwagen ist unterwegs.«
"Ash, es ist zu spät; er hat zu viel Blut verloren, weil die Wunde zu tief war, er ist tot. Benny ist in meinen Armen gestorben. Und es ist alles meine Schuld. Er hat sich vor mich geschmissen um mich zu retten. Ich hätte an seiner Stelle sein sollen. Er hat es verdient zu leben. Wie soll ich Luke das beibringen? Er war sein ein und alles«, hauchte ich und konnte das stetige Schluchzen nicht unterdrücken; meine Stimme hörte sich geschwollen an. Der Gefragte kam auf mich zu und legte seine Arme um mich.
»Mir was beibringen?«, fragte Luke, der gerade dabei war ebenfalls die Leiter herunterzuklettern; im Gesicht bleich wie eine Wand.
Erschrocken riss ich die Augen auf, er hatte dem Anschein nach wirklich nicht mitbekommen was geschehen war.
Draußen konnte man die Krankenwagensirene hören, welche deutlich näher rückte. Ich hatte nicht die geringste Chance ihm die Situation zu erläutern, weil er Bennys Leiche entdeckt hatte.
»Nein. Nein, das kann nicht sein. Benny! Benny, hörst du mich? Hey Kleiner, bitte mache deine Augen auf, du kannst mich doch nicht alleine lassen«, bettelte er seinen Bruder an.
Seine Hände klopften auf die leblosen Wangen des Jungen, ich schlug mir die Hände vor dem Mund zusammen.
»Nein, Benny, nein! du darfst nicht gehen! Ich brauche dich, du bist mein kleiner Bruder!«, schrie Luke außer Kontrolle, aus dem Klopfen wurde ein Schlagen. Der Kopf, aus dem jegliches Leben gewichen war, bewegte sich von der einen Seite auf die andere; nicht einmal die Wange wurde rot.
»Liz, du solltest ihn hier wegbringen. Ich kümmere mich um alles«, meinte Ashton und löste den ausflippenden von der Leiche.
In meinem gesamten Leben hatte ich Luke noch nie so schlecht aussehend gesehen. Meine Tränen waren noch immer dabei, froh und munter einen Weg an meiner Wange nach unten zu suchen.
Ohne irgendetwas zu sagen, legte ich seinen Arm um meine Schulter und lief so mit ihm aus der Halle, in der gerade so viel geschehen war, dass sein Leben für immer verändert hatte.
Und es war alles meine Schuld gewesen.
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