Jungkook Pov

Immer wieder werfe ich einen von den Zuckerwürfeln, die in einer Schale in der Mitte des Tisches stehen, in meinen Tee und beobachte, wie das heiße Wasser ihn langsam auflöst, bis nur noch eine dünne Decke von weißem Schnee auf dem Boden des Glases darauf hindeutet, dass er überhaupt jemals existiert hat.

Der Prozess erinnert mich irgendwie an das Spiel, an die Leichen, die sich in etwas ähnliches wie tausend winzig kleine Lichter auflösen, welche irgendwann aufhören zu leuchten und verschwinden. Aber im Gegensatz zum Zucker in dem Glas bleibt nichts von ihnen übrig, nichts was darauf hinweist das es sie jemals gab und das sie jetzt fort sind. Sie verschwinden einfach mit dem Wind.

Eigentlich hätte mir von Anfang an klar sein sollen, dass mir das hier nicht helfen wird. Ich spiele hier mit meinem Tee, den ich eigentlich trinken sollte, aber in dem jetzt so viel Zucker drin ist, das ich wahrscheinlich an einem Zuckerschock sterben würde und Jin, der gegenüber von mir sitzt, tut nichts anderes als mich dabei zu beobachten.

Einbisschen fühle ich mich wie während einer Thetapiestunde, in der dein Arzt nur versucht aus deinem Gesicht heraus zu lesen was du gerade empfindest, genau das macht Jin nämlich gerade obwohl ich ihm eigentlich bereits alles gesagt habe. Ich habe ihm die Situation geschildert, in der ich mich befinde und von dem, was vor zwei Tagen im Einkaufszentrum passiert ist.

Natürlich war ich nicht glücklich, als Taehyung mir sagte, dass er jetzt bereit ist einen Gegner zu töten, aber ich war erleichtert. Wenn er sich endlich zur Wehr setzt und den einzigen Ausweg nicht mehr nur in seinem eigenen Tod sieht, dann müsste ich mir nicht mehr so viele Sorgen um ihn machen, aber er hat sich ja anscheinend umentschieden. Er hat gemerkt, dass er es einfach nicht kann.

Ich wusste von Anfang an, dass es keine gute Idee war ihn das tun zu lassen. Er hat ein zu gutes Herz, er wäre niemals dazu imstande einfach abzudrücken, vor allem dann nicht, wenn er den Menschen vorher kennen lernt. Was ich jetzt tun soll weiß ich nicht, Taehyung ist nach der Sache im Einkaufszentrum einfach gegangen und hat gesagt, dass er ein paar Tage lang seine Ruhe braucht bis er eine Entscheidung trifft.

Das ist auch der Grund warum ich schon wieder hier mit Jin sitze, ich wollte einen Rat, aber stattdessen werde ich einfach nur von ihm angestarrt, mit einem Ausdruck im Gesicht, den ich nicht richtig deuten kann.

"Du hast dich verändert", sagt er nach einer gefühlten Ewigkeit der Stille zwischen uns und zieht meine Aufmerksamkeit damit von dem Tee mit dem Zucker auf sich.

Die Aussage kommt überraschend, denn eigentlich habe ich überhaupt nicht mehr damit gerechnet das er heute noch den Mund auf machen würde. Ein wenig enttäuscht bin ich schon, habe ich doch auf einen guten Rat statt einem neuen Thema gehofft, aber ich zucke trotzdem mit den Schultern und gehe darauf ein. "Verändert? Inwiefern soll ich das getan haben, ich bin immernoch derselbe."

"Natürlich bist du das und doch erkenne ich dich nicht wieder."

Ich runzle verwirrt die Stirn. "Du widersprichst dir selber."

Er lacht, greift nach dem Tee mit meinem Zucker und sieht mich an wie eine Mutter ihr Kind, das genervt von seiner Spielerei mit lauten Spielzeugen ist. Erst als ich die Hände auf den Schoß lege und ihm damit signalisiere, dass meine Aufmerksamkeit ganz ihm gehört, fährt er fort.

"Ich habe dich noch nie so besorgt erlebt. Dir liegt doch normalerweise nichts an anderen Menschen."

"Lass mich raten." Ich lege meine Hände ineinander verschränkt auf den Tisch und sehe ihn gespielt neugierig an. "Bei diesem anderen Menschen handelt es sich um Taehyung?"

Sofort nickt er, ein breites Lächeln schmückt seine Lippen. "Du behauptest zwar, dass der einzige Grund weswegen du auf ihn aufpasst der ist, dass du ihn zu Jimin bringen musst, aber dann beantworte mir mal eine Frage. Wieso tust du das nicht? Wieso ist er immernoch bei dir?"

"Die Frage hast du mir das letzte mal bereits gestellt."

"Und wieso antwortest du dann nicht?"

"Weil ich nicht weiß warum!", sage ich etwas lauter als beabsichtigt und sorge damit dafür, dass sogar die Bedienung sich zu uns dreht um nach dem rechten zu gucken. Es ist eine Frage, die mich aus der Fassung bringt, eine Frage, dessen Antwort ich nicht kenne und genau das macht mich verrückt.

Bevor Jin etwas zu dem Ausbruch meiner Gefühle sagen kann, stört das vibrieren meines Handys die angespannte Stimmung zwischen uns. Die Vibration habe ich nur für Anrufe und die App freigeschaltet und als ich meine PIN eingebe, weiß ich auch sofort auf welches von beiden es zutrifft, allerdings gefällt mir das, was ich sehe ganz und gar nicht.

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