2. Runde: Jim Pickford

Nachdem sich die beiden Herren beruhigt hatten, standen sie keuchend an zwei gegenüberliegenden Wänden und blickten einander funkelnd an. Beide schwiegen. Das Herz in Jims Brust pochte wie wild.

'Ich hasse dieses Arschgesicht', fluchte er in Gedanken und fuhr sich instinktiv über die rechte Augenbraue, wo ein blauer Fleck thronte. 'Wenn keine Kameras hier wären, dann hätte ich ihm schon längst die Visage aus dem Gesicht geprügelt'.

Wie willst du ihm die Visage aus dem Gesicht prügeln, wenn beides dasselbe ist, mischte sich seine innere Stimme ein. Jim seufzte und stieß sich ein wenig von der Wand an. Er wollte nicht mit seiner inneren Stimme diskutieren. Es galt jetzt, einen Ausweg aus diesem verkackten Raum zu finden, um...

"Fuck!"

Das Wort riss ihn aus seinen Gedanken. Jims Kopf schoss herum und er sah, wie Harrison mit einer Hand versuchte, sich an etwas festzuhalten.

Der wird verrecken, wenn du ihm nicht hilfst, mischte sich seine innere Stimme ein und versuchte ihm wieder Vernunft ins Gewissen zu reden.

'Was kümmert es mich, wenn das Arschloch verreckt', presste er hervor und wollte sich abwenden.

"Hättest du die Güte, mir zu helfen?", zischelte Harrison und blitzte ihn mit seinen kalten Augen an.

Jim trat einen Schritt auf ihn zu, blieb aber so stehen, sodass Harrison ihn nicht erreichen konnte. "Warum sollte ich dir helfen?"

"Weil wir ein verficktes Team sind, und nur gemeinsam aus dieser Hölle entkommen können."

Jim klatschte in die Hände und wischte sich im Anschluss eine imaginäre Träne aus dem Augenwinkel. "Wir? Ein Team?"

Dann drehte er sich um und schaute zur Wand. Anschließend kam er doch zur Besinnung und lief mit langsamen Schritten auf ihn zu.

"Kannst du dich so bewegen, dass du mich erreichen kannst?", presste Jim nach langem Schweigen hervor und streckte seine Hand nach ihm aus. Harrison zitterte und umklammerte, sodass seine Knöchel weiß hervortraten, das dünne Gestell, an dem er hing. Jim seufzte und lief noch näher zu ihm. Dann packte er den Zitternden und hievte ihn auf den sicheren Boden.

"Danke", flüsterte dieser mit schwacher Stimme und senkte den Blick. Jim nickte, obwohl er diesen Mistkerl nicht leiden konnte. Doch sie mussten hier raus. Daher besann er sich eines Besseren und verschränkte die Arme genauso schweigend vor seinem gut gebauten Oberkörper.

"Und was jetzt?", wurde die Stille durch Harrisons Worte zerstört.

Überfordert mit dieser Situation, zuckte Jim mit den Achseln. "Hast du eine Idee?"

Mit geschlossenen Lidern schüttelte sein Gegenüber den Kopf und bückte sich.

'Hoffentlich bricht der mir nicht zusammen', dachte er und schaute kurz zu ihm herüber.

Ich denke nicht, dass er jetzt schlapp macht, mischte seine innere Stimme sich ein und verschwand dann in ihrem Lieblingseckchen.

"Ich glaube, ich habe was gefunden", meinte Harrison und deutete mit seiner Hand auf eine kleine Stelle am Boden. Jim kam zu ihm und hockte sich davor. Was auch immer Harrison Black da gesehen hatte, er selbst fand es nicht.

"Und was soll da bitte schön sein?", giftete er ihn an und klopfte sich den Staub von der Hose. Sein Partner schwieg, raffte seine Kleidung zusammen und ging zur Stelle, legte seine Hand flach darauf und drückte leicht dagegen. Noch bevor einer der beiden Männer etwas machen konnte, hatte sich surrend eine Tür geöffnet und ein strahlendes Licht erschien. Geblendet kniffen beide die Augenlider fest zusammen. Erst als sie vermuteten, dass es aufgehört hatte, schlugen sie die Lider wieder auf.

"Was zum...", rief Jim und bekam den Mund nicht mehr zu.

"Heilige Scheiße", flüsterte Harrison und erhob sich langsam aus seiner schmerzhaften Position.

"Und wo soll hier der Buzzer sein, den wir drücken müssen?"

"Vielleicht im Whiskey?"

Jim schüttelte leicht lächelnd den Kopf und lief einige Schritte. Abrupt blieb er stehen und hielt die Luft an.

"Alles klar bei dir?", wollte sein Partner wissen und sah fragend zu ihm herüber. Dieser legte einen Zeigefinger auf seine Lippen und deutete auf eine Barriere, die vor ihnen aufgetaucht war. Vorsichtig kam der andere näher und blieb so ruckartig stehen, sodass sein Körper beinahe in die Barriere gekracht wäre. Jim hatte ihn rechtzeitig gepackt und davon abgehalten, die Mauer zu durchdringen. Anschließend blieben beide ganz still, versuchten ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen. Keiner von ihnen wagte es, ein Wort zu sagen, geschweige denn sich zu bewegen. Nicht, dass das Etwas ausbrechen und sie mit Haut und Haaren verschlingen würde.

Du hast Fantasien. Warum sollen die dich denn auffressen lassen? Was haben die Macher davon, wenn euch ein wildgewordenes Tier anfällt und verschlingt?

Das waren gute Einwände, die seine innere Stimme ihm eintrichterte. Es musste eine andere Lösung geben, um diese Mauer nicht öffnen zu müssen. Oder gar um das Etwas darin nicht zu verschrecken. Wer wusste schon, wie Trittfest diese Barriere war? Ja, genau: keiner.

Entschlossen packte Jim seinen Kollegen am Arm und lief langsam zurück. Richtung Wand. In die sichere Entfernung. Dort verharrten sie in einer nachdenklichen Position. Keiner von ihnen wagte es, sich zu bewegen.

***

"Na hoffentlich schaffen die es", murmelte jemand mit leiser Stimme und umklammerte eine dampfende Tasse.

"Dieser Mist ist einfach nur beschissen", sprach jemand anderes und verdrehte entnervt die Augen. Ohne ihrer Begleitung weitere Beachtung zu schenken, stand sie auf und lief davon.

***

"Siehst du, nick?", sagte Ashley, nachdem die beiden heil aus dem Raum herausgetreten und den Buzzer betätigt hatten. "Sie haben es geschafft."

Ihr Kollege nickte und verschwand aus dem Studio, ohne dass sie etwas erwidern konnte. Kopfschüttelnd streckte sie sich und griff sich ihre Autoschlüssel.

In der Zwischenzeit stand ihr Kollege draußen an einem unbekannten Ort und blickte gedankenverloren in die Ferne. Als ihm jemand auf die Schulter tippte, zuckte dieser zusammen.

"Manchmal denke ich mir, ich hätte jemand anderen als dich auswählen sollen", spottete sie und drückte ihm einen dicken Umschlag in die Hand. "Du bist viel zu Schreckhaft und viel zu weich. Hoffentlich schaffst du das."

"Ich werde es schon schaffen, meine Gebieterin", sprach er mit leiser Stimme und senkte den Blick gehorsam zu Boden. Grob packte sie ihn am Kinn und zwang ihn, sie anzusehen.

"Sei kein Weichei!", sagte sie und schob ihn grob zur Seite. "Und jetzt verschwinde, bevor ich es mir anders überlege!"

Nachdem sie sich umgedreht hatte, flogen ihre langen, wallenden Haare in alle Himmelsrichtungen.

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