1. Runde: Timothy Cox
Als er die Augen öffnete, lag er in einem düsteren Raum. Schmerz durchfuhr ihn, als er versuchte sich aufzurichten. Hatte er zu viel gesoffen? Und wo war der verdammte Lichtschalter? Nachdem die Schmerzen allmählich nachließen, rappelte sich der junge Mann auf und streckte die Arme zu beiden Seiten aus. Die Fingerspitzen berührten die Wände. Jetzt musste er nur noch nach einem Lichtschalter suchen und dann die Tür finden. Doch es gab keinen Lichtschalter. Egal wie oft er an jeder Wand entlangfuhr, nirgends war etwas zum Anknipsen. Und nicht einmal eine Tür hatte er gefunden. Wo zum Teufel war er hier? War das ein verschissener Sarg, in dem er stand? Nein, das konnte nicht sein. Särge waren nicht so hoch. Und in einem Sarg konnte man auch nicht aufrecht stehen. Oder war das eine Gruft, in die man ihn eingesperrt hatte?
Zu viele Fragen schwirrten in seinem Kopf herum. Eigentlich hätte er jetzt an einer Zigarette ziehen wollen, doch seine Hosentaschen waren leer. Kein Feuerzeug, keine Zigaretten. Nicht einmal sein Handy war in seiner Hosentasche. Und an den gestrigen Tag konnte er sich auch nicht mehr erinnern.
Er löste sich aus seinen Gedanken und lief mit zaghaften Schritten durch den Raum, immer darauf bedacht nicht, gegen eine Wand zu knallen. Hier in diesem Raum wollte Timothy nicht elendig zu Grunde gehen. Er musste einen Ausweg finden. Aber wie sollte er hier herauskommen? Die Wände, an denen er vorbeigelaufen war, hatten keine Türöffnungen. Dies war ein Sarg, indem man stehen konnte. Der Gedanke kreiste in seinem Kopf und ließ ihn schneller atmen. Und die Dunkelheit machte ihm auch zu schaffen. Wenn er hier nicht rauskommen würde, dann würde er... Nein! Stopp. Er musste aufhören, daran zu denken. Jetzt war Konzentration angesagt.
***
Gebannt schauten die Personen auf den Bildschirm. In einem Raum stand ein junger Mann, dessen Hände unablässig gegen die Wände klopften. In der Kneipe wurde lautes Gemurmel hörbar. Sie feuerten den Jungen an, versuchten ihm Hinweise zu zubrüllen. Verstehen konnte er diese jedoch nicht.
"Ich wette mit dir, dass der Typ als erster rausfliegt", sprach jemand und rief nach der Barkeeperin, die ihm ein weiteres Bier hinstellte. Mit einem knappen Kopfnicken bedankte sich der Mann.
Sein Kumpel seufzte. "Der wird nicht rausfliegen. Diese Therese Benson wird die Erste sein, die Game Over verlässt."
Der Untersetzte lachte schallend. "Da bin ich mir nicht sicher."
Die beiden Herren prosteten sich zu und nahmen einen langen Zug aus ihren Gläsern.
***
In der Zwischenzeit saß der junge Mann im Raum und grübelte. Wie konnte er dieses Loch verlassen? Er war ein guter Sportler. An den Wänden entlangklettern wäre eigentlich kein Problem für ihn. Aber sollte er das Risiko wirklich eingehen? Wenn er fiel, dann würde er sich alle Knochen brechen. Oder er würde so ungeschickt aufkommen und sich das Genick brechen. Das gäbe dann einen Zuschauerabstieg. Das wollten die Macher dieser Sendung vermutlich nicht riskieren. Seufzend schlug er gegen den Boden. Die Stelle klang hohl. Er schlug erneut auf die Stelle, dann auf eine andere und zum Schluss wieder auf dieselbe Stelle von vorhin: es war hohl. Jetzt musste er nur noch herausfinden, wie er den Hohlraum öffnen konnte. Ein Brecheisen hatte er leider nicht dabei. Vielleicht mit voller Kraft.
Immer und immer versuchte er es, doch die hohle Stelle gab nicht nach. Laut fluchend wandte er sich ab. Dabei stieß sein nackter Zeh gegen etwas.
"Shit!"
Er bückte sich, befühlte den Boden und erfasste ein kleines Etwas. Langsam drehte er den Gegenstand in seiner Hand. Konnte er damit die hohle Stelle öffnen? Er glaubte zwar nicht dran, aber einen Versuch war es Wert. Cox musste es versuchen. Auch wenn er dabei vermutlich draufgehen würde.
Nachdem er die Stelle gefunden hatte, drückte Cox den Gegenstand auf den Hohlraum. Etwas regte sich. Es zischte. Den letzten Gedanken, den Cox fasste, bevor er in die Dunkelheit abdriftete, war: "Was zum Teufel..."
***
Jakes Eltern saßen vor dem Fernseher und musterten den Mann, der bewusstlos auf dem Boden lag. Über ihm glitten kleine Kugeln vorüber. Er selbst schien es nicht zu merken.
"Hoffentlich wird er bald wach", sprach seine Mutter und trank einen Schluck aus dem Colaglas.
Ihr Ehemann nickte und trank ebenfalls einen Schluck aus seinem Martiniglas. Als Jake das Zimmer betrat, verdrehte er die Augen.
"Nicht schon wieder", stöhnte er auf und wollte sich die Fernbedienung schnappen, doch sein Vater begutachtete ihn mit einem bösen Blick. Augenverdrehend drehte sich Jake um. "Das ist krank!"
Wütend verschwand er aus dem Zimmer und lief davon. Seine Mutter seufzte und nahm sich noch eine Gurke aus der Schale. Nachdem sie heruntergeschluckt hatte, stand sie auf und blieb am Türrahmen stehen.
"Ich gehe mal nach ihm sehen", sprach sie. "Sagst du mir, was in der Zwischenzeit passiert ist?"
Er nickte und sie klopfte an das Zimmer ihres Sohnes.
***
Nachdem Cox erwacht war, spürte er, dass etwas nicht stimmte. Etwas lief hier gewaltig schief. Vorsichtig wollte er aufstehen, doch ein Zischen ließ ihn am Boden liegenbleiben. Etwas streifte ihn. Der Schmerz zuckte durch seinen Kopf. Fluchend wollte er sich erneut aufrichten, doch es kam wieder zurück. Immer enger versuchte er sich an den Boden zu drücken. Die Kugeln kamen immer näher und näher. Er musste hier raus, wenn er nicht an diesen Dingern sterben wollte. Aber wie sollte er?
Schmerzen. Viel zu viele. Keuchend versuchte er sich aus dem Sichtfeld der Kugeln zu bewegen, doch der Schmerz ließ es nicht zu. Kurz fluchte er und robbte dann weiter nach vorne. Es gab bestimmt einen Ausgang. Er musste diesen nur finden. Als der Wind der Kugel wieder auf ihn zuraste, hielt er die Luft an. Jetzt würde es zu Ende sein. Er würde sterben. Das wusste er. Doch kurz bevor das Etwas ihn zermalmen würde, verharrte es. Vorsichtig streckte er die Arme aus, berührte die glatte Oberfläche. Und dann schoss es ihm wie ein Blitz durch den Kopf. Ruckartig stand er auf, zog sich an der Oberfläche nach oben und stieß sich ab. Mit einem Zischen flog die Kugel durch den Raum. Schwach konnte er ein Licht erkennen. Die Kugel steuerte darauf zu, verharrte knapp vor dem Schlitz.
Wenn er jetzt seinen Halt verlieren würde, dann wäre alles umsonst gewesen. Hart würde er auf dem Boden aufkommen und mit verdrehten Gliedmaßen liegenbleiben. Nicht gerade gut für das Image des Senders.
Mit einer Hand versuchte er den Schlitz zu berühren. Es gelang ihm. Als er kurz das Gewicht verlagerte, glitt der Schlitz auf und die Kugel schoss, wie eine rasende Kanone, hindurch. Sein Mund öffnete sich. Zitternd hing er an dem Hebel. Jetzt musste er doch klettern. Hoffentlich schaffte er es.
Mit langsamen Bewegungen glitt er immer weiter auf die Öffnung zu. Schweiß lief ihm in Bächen über den Rücken. Kurz hielt er Inne, versuchte seinen rasenden Puls zu beruhigen. Dann lief er weiter. Nach endlosem Klettern kam er an einer kleinen Plattform an. Schnaufend hielt er erneut Inne, rutschte nach oben und verweilte dort für wenige Sekunden. Erst dann kroch er weiter nach vorne und gelang in einen kleinen Tunnel. Hier musste er kriechen, da er viel zu groß war, um darin stehen zu können. Nur ein kleines Kind würde aufrecht stehen können.
Als das Ende in Sicht kam, sah er das Licht und den Buzzer. Blitzschnell drückte er auf diesen.
***
"Er hat es geschafft. Und ich dachte, dass er sterben würde", sprach ihre beste Freundin.
Die andere Frau tippte gelangweilt auf der Tastatur. "Und?"
"Wie und?"
"Es juckt mich einen Dreck, ob er es geschafft hat oder nicht!"
"Ich habe für ihn gevotet."
Die andere ließ vom Rechner ab und rollte die Augen, sodass das weiße ihrer Iris zu sehen war. "Du unterstützt diese kranke Scheiße nicht auch noch."
"Keiner ist doch gestorben. Er lebt auch noch."
"Das sagen sie nur. Bald wird bestimmt jemand sterben. Da bin ich mir sicher."
"Du nervst und bist eine Spielverderberin. Ich gehe."
Damit rauschte sie von Dannen. Seufzend blieb die andere zurück und tippte den Bericht. Der Artikel musste bis morgen fertig werden. Lange hatte sie nicht mehr Zeit dafür.
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