1. Runde: Therese Benson

Der Raum, indem sie sich befand, war klein. Nur eine kleine Deckenlampe spendete ihr Licht. Die gegenüberliegende Tür war verschlossen. Egal wie oft sie an dieser rüttelte, öffnen ließ sie sich kein Stück. Und nach jeder verstrichenen Minute wurde es wärmer. Sie musste hier irgendwie herauskommen. Aber wie? Ihr Kopf malte sich die schlimmsten Szenarien aus. Was, wenn sie hier lebendig verkochen würde? Und wieso zum Teufel hatte sie sich auf dieses beschissene Spiel eingelassen? Hätte sie nicht einfach an einer stinknormalen Talkshow teilnehmen können, wie jeder andere auch? Nein, es musste dieses beschissene Game sein. Nur weil ihr Freund eine Wette mit ihr abschloss, in der sie haushoch verloren hatte. Und jetzt saß Therese in der Patsche, hier in diesem stickigen Raum und wartete auf ihr Ende, das langsam, qualvoll kommen würde. Da war sich die junge Frau sicher.

Als sie an die Decke schaute, hatte Therese das Gefühl, die Wände würden auf sie zukommen. Das Herz in ihrer Brust raste. Kampflos wollte sie jedoch nicht aufgeben. Daher wandte sie sich seufzend von der Tür ab und lief durch den kleinen, fast Sauna warmen Raum. Vorsichtig klopfte die junge Frau, deren Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden waren, an jede Wand. Nichts tat sich. Der Ton blieb immer gleich. Egal wie oft sie es versuchte.

Fluchend kauerte sie sich auf den Boden, legte den Kopf in die Hände und unterdrückte ein leises Aufschreien. Was konnte sie nur tun? Wie konnte sie dieser Hölle entkommen, ohne Schäden davon zu tragen? War es überhaupt möglich, unbeschadet aus diesem Schlamassel herauszukommen?

"Niemand hat es unbeschadet geschafft", flüsterte sie leise. "Aus dieser Hölle kommt man nie heraus, ohne Lasten mit sich herum zu schleppen. Und die Leute vor den Fernsehern lieben es. Krankhaft stillen sie ihre..."

Sie verstummte so abrupt und blickte nach oben. Etwas war auf ihren Kopf gefallen. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, stand sie auf und legte ihre Hand vorsichtig auf ihren Haarschopf. Es war nass. War das etwa... Sie roch an dem Tropfen, der an ihrer Hand klebte. Puh. Es war kein Blut, dass auf ihren Kopf gefallen war. Nur ein harmloser Wassertropfen.

Aus einem harmlosen Tropfen wurden mehrere. Sofort stand sie mit den Füßen unter Wasser und genoss es für einen Moment. Doch als es stetig anstieg und ihr nun bis zum Bauch reichte, ahnte Therese es schon.

"Die wollen mich ertrinken lassen. Na toll. Wenn ich hier nicht bald rausfinde, dann war alles für die Katz."

Mit langsamen Schwimmbewegungen versuchte sie sich über Wasser zu halten. Zwar war es nicht ganz einfach, weil die Decke immer näherkam und das Wasser unaufhörlich stieg, doch Therese holte tief Luft, versuchte sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Die Panik durfte sie jetzt nicht übermannen. Das Wasser würde sie nicht ertrinken lassen. Sie würde einen Ausweg aus der Hölle finden, in die man sie gesteckt hatte.

"Und wenn ich keinen Ausweg finde?"

Diesen Gedanken musste sie gleich aus ihrem Kopf verbannen. Sie schwamm in Richtung Tür und versuchte diese zu öffnen. Zwecklos. An die Klinke kam sie nicht heran und die Wassermassen würden es so oder so nicht zulassen. Sie war hier gefangen. Eingesperrt in einem Raum, machtlos aus diesem heraus zu kommen.

Einen Ausweg gab es nicht. Das wusste Therese. Oft hatte sie versucht aus diesem Raum zu entkommen. Aber nichts gefunden. Keinen Hinweis, keinen versteckten Zettel oder gar einen versteckten Mechanismus, den sie einfach bedienen musste, damit das Wasser aufhörte anzusteigen. In diesem Moment trieb sie auf ihrem Rücken, hatte die Augen fest zusammengekniffen und wusste, dass ihr Leben ein Ende haben würde. Hier und jetzt. Sie konnte sich nicht einmal von ihrer Familie verabschieden, ihrem Freund sagen, dass sie ihn liebte, obwohl sie seinetwegen in diesem Mist steckte. Wenn sie abgelehnt hätte, hätten alle sie für einen Feigling gehalten. Therese hatte keine andere Wahl gehabt: sie musste ihre Zusage machen. Es ging nicht anders, auch wenn ihre innere Stimme versuchte, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Therese wusste es besser. Sie sah dem Tod geradewegs in die Augen und wusste, dass ihr letztes Stündlein geschlagen hatte. Sie wusste einfach...

Schlagartig wurde es kalt. Ihr Körper bäumte sich auf, zitterte. Woher? Wie? Was? Warum war es auf einmal so verdammt kalt? Und was lag da neben ihr? Mit klammen Händen versuchte Therese das Etwas in ihre Finger zu bekommen, doch es flutschte immer davon. Mühsam versuchte sie an dem Ding dran zu bleiben. Vielleicht konnte sie damit ja aus ihrem Gefängnis entkommen. Sie musste nur einige Schwimmzüge machen. Dann würde ihr wieder warm werden und... Etwas fuhr an ihrem linken Bein entlang. Auch wenn sie vermeiden wollte zu kreischen, gelang es ihr in diesem Moment nicht. Es war einfach aus ihr herausgeschossen. Sie konnte ihn nicht aufhalten. Wieder schlug ihr Herz wild in ihrem Brustkorb. Was hatten sich die Leute hier einfallen lassen? Wollten sie Therese quälen? Foltern? Oder was... Das Ding kehrte zurück. Diesmal an ihrer rechten Seite. Es brachte alles nichts. Sie musste in das eiskalte Wasser. Wenn sie sich damit befreien konnte, dann musste sie tauchen. Ob sie wollte oder nicht. Mit einem tiefen Atemzug stieß sich Therese nach unten ab. Es war eisig, ihre Haare klebten in ihrem Gesicht, sodass die junge Frau kaum etwas sehen konnte. Wieder wurde sie von etwas berührt. Diesmal näher an ihrem Gesicht. Reflexartig schoss ihre Hand nach vorne und packte es. Das Ding war eisig und Therese wollte es fallen lassen, doch es war ihre einzige Chance. Mit diesem Etwas konnte sie heraus. Aber wo war die Tür? War sie rechts oder doch links? Vielleicht hinter ihr? Oder vor ihr?

Verzweifelt drehte sie sich im Kreis und versuchte die Orientierung zurück zu gewinnen. Sofern es im Wasser und mit der Dunkelheit überhaupt möglich war. Seufzend schloss sie die Augen und umklammerte das Teil. Ihre Gedanken schweiften ab: zurück zu ihrer Kindheit. An jenen Abend, an dem es geschehen war.

Sie war mit ihrer Schwester im Pool. Beide spielten vergnügt im Wasser, tauchten und bespritzten sich mit diesem. Sie waren klein und verstanden nicht recht, was sie taten. Es war nur ein Spiel gewesen, indem beide den jeweils anderen unter Wasser tauchten, solange sie konnten. Doch an jenem Abend war es anders gewesen. Heute war ihre Schwester wieder dran und drückte die kleine Therese in das warme Wasser des Pools. Ihre Eltern waren im Haus und bereiteten die Sachen für das Grillfest vor. Die zwei Kinder waren alleine im Garten, keiner sah zu und beide spielten ihr Lieblingsspiel. Sie wirkten ausgelassen, lachten fiel: doch an diesem Abend hatte sich in Therese etwas geändert. Ihre Schwester hatte sie in das Wasser getaucht, bis sie keine Luft mehr bekam. Sie wusste es, doch sie hatte Therese nie im Leben länger als nötig drin gelassen. Ihre Schwester hatte versucht sich gegen den festen Griff zu wehren, dabei war sie immer schwächer geworden. Sie hatte erst von Therese abgelassen, als diese sich nicht mehr bewegte. Dann hatte sie das Mädchen aus dem Pool gezogen, ihr eine Ohrfeige gegeben und ihr gedroht, niemandem davon zu erzählen. Schweigend hatte Therese genickt. Seit jenem Abend hatte sie Angst vor dem Wasser, Angst davor zu tauchen. Und doch hatte sie es getan. Nur um wieder in Panik zu verfallen und starr an die Decke zu blicken.

Erst als etwas Kühles sie berührte, schrak Therese zusammen. Sofort gelang Wasser in ihren Mund. Keuchend rang sie um Atem, versuchte sich ruhig zu verhalten. Hier war nichts. Nur das Wasser und die verschlossene Tür. Sie hatte das Teil noch in der Hand. Vielleicht konnte sie mit diesem Ding das Schloss öffnen. Sie versuchte sich hinzustellen, doch das Wasser war zu tief. Aber wenn sie die Türklinke fand und sich an dieser festhalten würde, würde es bestimmt klappen? Therese dachte fieberhaft über alle Möglichkeiten nach. Keine davon schien ihr zu gefallen. Doch wenn sie raus wollte, dann musste sie etwas tun. Seufzend versuchte sie ihre Angst zu überwinden und tastete mit der freien Hand nach dem kühlen Metall. Als sie es gefunden hatte, umklammerte sie es mit aller Willenskraft, die sie aufbieten konnte. Mit der anderen stocherte sie im Schloss herum. Die Tür schwang so heftig auf, dass Therese beinahe zu Boden krachte. Das Wasser verschwand in rasanter Geschwindigkeit und hart krachte sie doch auf den Boden. Benommen blieb sie liegen, wollte nicht aufstehen. Die erste Hürde hatte sie gemeistert. Was würde noch kommen? Würde sie überhaupt in die nächste Runde gelangen? Ihre Augen fielen zu. Das Herz in ihrer Brust hörte auf zu hämmern. Die Atemzüge wurden gleichmäßiger.

***

"Wir haben es geschafft", sprach Ashley Force und lächelte in die Kamera.

Ihr Kollege Nicholas grinste. "Ja, die erste Teilnehmerin hat es aus ihrem Gefängnis geschafft. Doch wird sie in die nächste Runde kommen? Ihr könnt abstimmen. Morgen geht es mit dem nächsten Teilnehmer weiter. Mal schauen, wie schnell er aus seinem Gefängnis kommt."

"Nick, ich bin gespannt."

Damit erloschen die Lichter und die Schirme zeigten nur noch Schwärze.

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