1. Runde: Adrian Dickson

Das Rad, auf dem er sich befand, drehte sich in Windeseile. Wenn es nicht aufhörte, dann würde Adrian irgendwann den Raum mit seiner Kotze besudeln.

'Wäre ja eigentlich nicht so schlimm', dachte er und versuchte instinktiv an etwas anderes zu denken. 'Der scheiß Boden ist ja sowieso eingesaut'.

Er holte innerlich Luft und schloss die Augen. Bald würde es aufhören und er konnte versuchen, sich von diesem Ding zu befreien. Denn länger würde er es dort nicht mehr aushalten. Zumal die Geschwindigkeit nach jeder Pause erhöht wurde. Das machte ihm zusätzlich zu schaffen. Seine Gedanken fuhren Achterbahn.

Genau wie du, sprach seine innere Stimme und amüsierte sich darüber, dass Adrian nicht ganz schwindelfrei war, wie er behauptete.

'Schnauze', fuhr er sie gedanklich an. Die Leute, welche vor dem Fernseher saßen, konnten seiner Niederlage zusehen. Da wollte er ihnen den Anreiz nicht geben, sich mit seiner inneren Stimme zu unterhalten.

Aber du unterhältst dich doch mit mir, bemerkte diese sogleich und zog eine Schnute. Wütend presste er die Lippen aufeinander. Beim nächsten Stopp würde er mit brachialer Gewalt versuchen, sich aus dieser Hölle zu befreien. Falls es überhaupt gelingen würde. Doch daran wollte er nicht denken. Er musste seinen Kopf freibekommen. Wieder sog er die verbrauchte Luft des Raums in sich ein und entspannte sich kaum merklich, als das Rad mit Ruck anhielt. Hastig versuchte er an den Schnüren zu zerren. Doch je heftiger er an diesen zog, desto enger wurden sie.

Du musst einen kühlen Kopf bewahren, versuchte seine innere Stimme ihm zu helfen. Knurrend versuchte er ihren Ratschlag zu ignorieren und riss nun an den Seilen, die immer enger und enger wurden. Wenn Adrian so weitermachte, dann würde er keine Luft mehr bekommen. Qualvoll würde er hier ersticken und die Zuschauer würden dies mit ansehen müssen. Vielleicht hatte seine innere Stimme ja recht und er musste sich eine andere Taktik einfallen lassen. Aber was? Wie konnte er sich aus den Fesseln befreien, ohne dass sie ihm die Luft abschnürten? War das überhaupt noch möglich, sich ohne sichtbare Verletzungen aus den Seilen zu befreien? Oder waren sie so eng, dass es nicht möglich war?

Wenn das so wäre, dann hättest du schon längst deine Kraft verloren, unterbrach sie seine Gedanken. Schweigend stimmte er ihr diesmal zu und wappnete sich für die nächste Achterbahnfahrt.

***

Mit offenen Mündern schauten Jakes Eltern auf den Bildschirm. Beide schwiegen andächtig und versuchten sich auf die Sendung zu konzentrieren. Der Junge wurde auf einem Rad befestigt und versuchte mit wilden Bewegungen sich aus seiner Gefangenschaft zu befreien. Vergeblich. Und zum großen Überfluss drehte sich das Rad auch noch im Minutentakt. Jedes Mal, so schien es Jakes Mutter zu gehen, wurde das Rad immer schneller. Ihr Ehemann blickte gespannt auf den Schirm und feuerte den jungen an, der es endlich schaffte, sich zu lösen. Noch bevor das Rad erneut in eine wilde Fahrt abtauchen konnte, stieg er von diesem und stand in der Mitte des Raumes.

Er sah sich um, versuchte etwas im finsteren Gegenlicht zu erkennen. Vorsichtig lief dieser einige Schritte nach vorne.

"Oh Gott", keuchte seine Ehefrau und packte ihn am Arm. "Ist da eine Leiche?"

Er seufzte. "Nein, da ist keine Leiche."

Erleichtert ließ sie von ihrem Mann ab und stand auf. Sie brauchte jetzt einen Tee, um wieder runter zu kommen.

'Hoffentlich ist die erste Runde bald zu Ende. Ich halte das nicht länger aus'.

Warum das? Wie kommt es dazu?

Sie ignorierte ihre innere Stimme und lief wieder ins Wohnzimmer. Die dampfende Tasse stellte sie auf den kleinen Tisch und legte ihre Hände an das warme Porzellan.

"Du wirst doch nicht etwa krank?"

"Nein, nein. Mach dir keine Sorgen um mich."

Ihr Gatte nickte und schaute wieder auf den Bildschirm, wo der Teilnehmer gerade versuchte, an einem kleinen Schloss zu werkeln. Nach einigen Minuten gelang es ihm, dieses zu knacken und vorsichtig löste er es.

Ein Schwall Wasser ergoss sich über ihn und er prustete, nachdem sein Kopf auftauchte. Mit langsamen Bewegungen trieb er nach oben, an die Decke zu und klammerte sich an eine Luke. - Falls das eine Luke war.

***

"Hoffentlich schafft er es aus dem Raum. Nicht, dass er ertrinkt", jammerte Beth und sah zu Liz herüber.

Diese seufzte. "Die Macher wären nicht zufrieden, wenn jemand verrecken würde."

Beth nickte. "Ich weiß. Aber trotzdem. Ich finde ihn süß."

"Den findest du süß?"

Liz Stimme überschlug sich bei jedem ihrer Worte. Beth schaute sie an.

"Warum denn nicht?"

Seufzend wandte sich Liz ab und verschwand aus dem Zimmer. Sie konnte dem Schwachsinn nicht länger beiwohnen.

Nachdem sich ihre Zimmertür geschlossen hatte, holte sie einen Laptop heraus und begab sich auf eine Internetseite. Flink tippte sie ihre Nutzerdaten in eine Maske. Sofort erschien ein Fenster. Kurz scrollte sich die junge Frau durch und rollte mit den Augen, als sie die Nachricht ihres Informanten sah.

'Wenn das gut ausgeht, dann fresse ich einen Besen', dachte sie und tippte ihre Antwort. Prompt tauchte ein kleines, grünes Licht auf und signalisierte ihr somit, dass er online war.

***

"Du bist dir da sicher?"

"Man muss sie ja irgendwie entlarven können. Hast du es?"

"Ja, ich habe es."

"Danke. Du bist ein Schatz."

"Nichts zu danken."

"Ich schicke dir das Geld."

Sie schloss das Chatfenster und nahm ihr Handy zur Hand. Ihr Neffe hatte angerufen. Blitzschnell drückte sie auf seinen Kontakt und rief zurück. Es klingelte, dann ging er ran.

"Hi. Gut, dass du zurückrufst, Tante Liz."

Sie lächelte. "Was kann ich für dich tun, Jake?"

"Du kannst bei Mum und Dad vorbeischauen und sie dazu bringen, es zu lassen."

"Was sollen sie lassen?"

Jake seufzte genervt. "Diesen scheiß!"

"Sag mir nicht, dass sie das auch gucken."

Wieder seufzte er. "Doch. Genau das machen sie."

"Ich komme vorbei."

***

Jake saß in seinem Zimmer und schaute gegen die Wand. Da seine Wände hellhörig waren, konnte er hören, wie seine Eltern sich über das heutige Spiel unterhielten. Unfreiwillig lauschte er der Konversation und hoffte, dass seine Tante so schnell wie möglich hier sein würde. Vielleicht schaffte sie es, seine Eltern vom Gegenteil zu überzeugen. Und falls nicht, dann musste er sich etwas einfallen lassen. Vielleicht konnte er sich in die Studios schleichen und die Akten stehlen. Oder er würde dort etwas finden, was sie entlarvte und deren wahres Gesicht zeigte.

Was, wenn ihn jemand erwischte? Sie würden ihn sofort ins Gefängnis werfen. Oder sie würden ihn dazu zwingen, an den Spielen teilzunehmen. Er musste anders an die Sache herangehen. Aber wie?

Seufzend fuhr er sich durchs Gesicht und zuckte zusammen, als es an der Tür klingelte. Rasch sprang er auf, öffnete und umarmte seine Tante, die ihm lachend durchs Haar wuschelte. Daraufhin verdrehte er die Augen, nahm ihre Jacke und hängte sie an die Garderobe.

"Komm rein", sagte Jake und winkte. "Sie sind im Wohnzimmer. Mum trinkt einen Tee und Dad... Ich glaub, der ist besoffen. Also fast."

Wieder fuhr sie ihm durchs Haar und ging dann ins Wohnzimmer. Jake folgte ihr, setzte sich auf einen der freien Sessel und blickte zu Boden.

"Schön, dass du uns auch wieder besuchen kommst, Liz", rief seine Mutter und umarmte sie.

"Es ist lange her, dass ich bei euch war."

"Du kommst doch nur, wenn du was haben willst", mischte sich Jakes Vater ein und beäugte sie mit kritischem Gesichtsausdruck. Sie ging nicht darauf ein. Anschließend setzte sie sich neben Jake auf den freien Sessel.

"Sie will uns doch nur besuchen", verteidigte sie Jakes Mutter.

"Aber sie stört."

Jake seufzte laut. "Liz ist hier."

Beide nickten und wandten ihre Blicke wieder auf den Fernseher. Dort hatte der Teilnehmer gerade etwas geöffnet und schob sich auf den kleinen Ausgang zu.

"Das ist lieb von dir, Jake. Aber ich kann selber für mich reden."

Er nickte und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Jake. Holst du deiner Tante etwas zu trinken?", forderte sein Vater ihn auf. Seufzend begab dieser sich in die Küche und kam mit einem Glas Wasser zurück, welches er ihr reichte. Dankend grinste sie ihm zu und klopfte ihrem Neffen auf die Schulter. Lächelnd setzte er sich auf seinen Platz und holte sein Handy hervor.

***

"Jetzt geht es los."

"Was geht los?"

"Es sind nur noch sechs Leute. Dann können wir unsere erste Entscheidung fällen."

"Mein lieber Nick. Das dauert noch ein wenig. Aber Adrian Dickson hat sich wacker geschlagen."

"Hat alles vollgekotzt, wenn du mich fragst."

"Ich glaube, wir waren auch ein wenig zu hart zu ihm."

"Der Typ hält doch noch mehr aus. Wenn Dickson weiterkommt, dann spendierst du mir was?"

"Und woran denkst du?"

"Ich denke an ein Date. Aber unsere Zuschauer wird das bestimmt langweilen. Daher schließen wir die Sendung und sehen uns morgen um 10.00 PM wieder."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top