8. Kapitel
Nachdem ich mich für einige Zeit auf das Rascheln konzentrierte, bemerkte ich, dass es sich entfernte. ‚Es muss wirklich Gabriel sein' Bedenklich starrte ich in die Richtung der dichtbesiedelten Bäume. ‚Diese Chance muss ich nutzen'
Mein Magen verkrampfte sich, als ich die ersten Schritte zur Verfolgung tätigte. Ich bewegte mich so leise wie möglich vorwärts, beinahe lautlos und dennoch, ich hatte das Gefühl er würde mich hören und bereits erwarten. Meine Nerven waren bis aufs Äußerste angespannt. Den Pfeil und Bogen hielt ich so fest umklammert, dass es langsam anfing zu schmerzen, doch ich ignorierte es. Gerade als ich mich unter einem breiten Ast vorbeiduckte, hörte ich wieder dieses leise, fast schon unscheinbare rascheln. ‚Es sind Schritte..'
Als ich einen weiteren Schritt ging, verschwand das Rascheln plötzlich. ‚Hat er mich gehört?' Panisch sah ich nach vorne und blieb stehen. Eine ziemlich große Gestalt stand zwischen den Bäumen. ‚Es müssen einfach seine Umrisse sein'
Gabriel schien mit dem Rücken zu mir zu stehen und war nur wenige Meter entfernt vor mir. ‚Jetzt, bevor er mich bemerkt oder weitergeht!', dachte ich in einer stockenden Bewegung. Sofort setzte ich den Pfeil an der Sehne an und versuchte mich zu konzentrieren. Ich zielte auf seinen Rücken... doch meine Hände zitterten viel zu stark. ‚Einatmen, ausatmen, konzentrieren Jill!'
Vor Nervosität ließ ich ihn ungewollt los und traf den Baum, neben dem Gabriel stand. Augenblicklich drehte er sich zu mir. Erschrocken blieb ich an Ort und Stelle stehen.
»Das war ganz schön knapp, Honey«, rief er mit einem anerkennenden Ton in der Stimme. »Aber knapp daneben ist auch vorbei«, fügte er hinzu und ich sah, wie er sich bewegte. Ich ging nicht darauf ein, sondern griff sofort nach dem nächsten Pfeil. Ich wurde noch nervöser. ‚Dieser Pfeil muss treffen, sonst habe ich verloren..'
‚Wer hätte das gedacht?' Meine Verwunderung stand mir noch immer deutlich ins Gesicht geschrieben. Es fasziniert mich ungemein, dass ich sie nicht bemerkt hatte. ‚So unachtsam bin ich schon lange nicht mehr gewesen', dachte ich. ‚Habe ich sie vielleicht unterschätzt? Ja, vielleicht'
Ich nahm den Bogen in die Hand und brachte den Pfeil in Position. ‚Ob ich sie so treffen werde?', fragte ich mich lächelnd.
»Das du dich wirklich trauen würdest aus deinem Versteck zu kommen, hätte ich nicht gedacht«, meinte ich wahrheitsgemäß, aber dennoch erfreut.
»Sei leise!«, zischte sie angespannt zurück. Mein Lächeln wurde tiefer.
Es regte sich keiner von uns. Ich war starr vor Angst. Ich versuchte mir krampfhaft vorzustellen, er wäre ein Ziel; nichts weiter, doch ich konnte nicht. Er stand genau vor mir und ich wusste, es wäre nicht schwer ihn zu treffen. Dennoch konnte ich nicht loslassen. Mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Nach etlichen Sekunden bewegte sich Gabriel. Er ließ den angespannten Pfeil los, doch er verfehlte mich um einige Meter. ‚Was..?' Mein Kopf war wie leergefegt. Mein Atem stockte.
»Ich habe es wohl doch unterschätzt«, ertönte seine Stimme. Es schwang ein amüsierter Unterton mit. Ungläubig sah ich ihn an. ‚Es war doch nur ein Glückstreffer..?'
Noch immer völlig perplex dachte ich über das Geschehene nach. Doch bevor ich ich die Chance hatte, irgendetwas zu tun, schmiss Gabriel plötzlich den Bogen zur Seite und kam geradewegs auf mich zugerannt. Erschrocken ließ ich den Pfeil los, doch traf auch dieses Mal nicht. Wenige Momente später durchfuhr mich ein unerwartet starker Schmerz. Er raubte mit den Atem.
Gabriels leicht unregelmäßige Atemzüge hallten in meinen Ohren wieder. Ich spürte mit jeder Faser meines Körpers den Pfeil, den er brutal durch mein Fleisch gerammt hat. Tränen verschleierten meine Augen und meine Beine gaben unter meinem Gewicht nach, doch Gabriel hielt mich in seinen Armen.
»Weißt du..« Sein tiefes Lachen schien meinen kompletten Kopf einzunehmen. »Niemand hat gesagt, man müsste den Bogen benutzen«
Gequält presste ich die Lippen zusammen, da meine Schulter meine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. Es tat höllisch weh. Immer mehr warme Flüssigkeit sickerte in den Pullover, auch meine Brust hinab und ich bekam das Gefühl, dadurch ohnmächtig zu werden. Schmerzerfüllt sah ich an Gabriel vorbei, zu den Tannen. ‚Ich habe verloren.. Es war so einfach und dennoch habe ich versagt' Auf mich selbst wütend liefen die ersten Tränen über meine Wangen. Doch ich ließ es einfach geschehen. Ich hatte keine Kraft mehr.
Nach ein paar Sekunden, in denen man nur meine angestrengte Atmung hörte, ertönte Gabriels tiefes einatmen.
Meine Glieder fühlten sich immer schwerer an. »I'm in love with a fairytale, even though it hurts. 'Cause I don't care if I lose my mind, I'm already cursed«, flüsterte er leise in mein Ohr. Meine Augenlider fühlten sich inzwischen genauso schwer wie der Rest meines Körpers an, weshalb ich nachgab und mich einfach fallen ließ. Ich war bereit mich von der gewohnten Dunkelheit auffangen zu lassen. Doch bevor es soweit war, wurde ich plötzlich hochgehoben.
Die neue Schmerzenswelle war so penetrant, dass ich die Augen aufriss. Ein tonloser Schrei verließ meine Kehle und das Gesicht des Schönlings tauchte vor mir auf. Er hielt mich in seinen Armen.
»Du musst wach bleiben, schöne Frau«, meinte ich zu hören, aber war mir unsicher, da es sich so anfühlte, als wäre Watte in meinem Ohren. Die Schmerzen wurden so stark, dass ich die Augen zusammenkniff.
»Sehr schön, Honey. Konzentrier dich auf die Schmerzen. Bleib bei mir«
»Es.. es tut so verdammt weh«, presste ich leise wimmernd. Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn.
»Ich weiß, Honey, ich weiß«
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top