6. Kapitel

Als mich ein harter schlag im Gesicht traf, schreckte ich erschrocken hoch. Nur einen Moment später stöhnte ich leise auf, weil jede noch so kleine Bewegung schmerzte. Ich bemerkte direkt, dass ich in einem unbekannten Raum war.

Plötzlich erschien das Gesicht des Schönlings vor meinen Augen. »Du hast genug geschlafen, Dornröschen. Mir ist langweilig und ich will anfangen«, sagte er und strich sich die wilden Haare zurück. Völlig perplex sah ich ihn an. ‚Er hat mich geschlagen!' Eine Welle von Erinnerungen kamen wieder hoch. Ich war eingeschlafen? »Ich.. ich«, stammelte ich schließlich überrumpelt vor mich hin.
»Ich.. ich«, äffte er mich nach, packte mich am Nacken und zog meinen Kopf zu ihm nach vorne. Erschrocken keuchte ich auf. »Ich gebe dir fünf Minuten um dich im Bad etwas frisch zu machen, dann wird Eliot dich abholen und der Spaß..« Seine Augen glitzerten aufgeregt. »Der Spaß kann endlich beginnen«, beendete er den Satz und ließ mich los. Bevor ich überhaupt in der Lage war etwas zu erwidern, hatte er mir den Rücken gekehrt
und war schon durch eine der Türen verschwunden.

Verloren blieb ich auf dem viel zu großen Bett sitzen und fasste ungläubig an meine schmerzende Wange. ‚Es ist verrückt! Das alles hier ist so verdammt verrückt' Ich wünschte, ich würde nur Träumen und wäre noch immer in meiner alten kleinen Wohnung, würde eines meiner geliebten Bücher lesen und mich mit Essen vollstopfen. Doch die Realität sah ganz anders aus. Ich war hier.
‚Es fühlt sich so an, als wäre ich in einem der Bücher gefangen, die ich immer las'
Mir wurde schmerzhaft bewusst, dass ich nun das Opfer sein würde.

Ein kurzes klopfen ertönte und kurz darauf kam eine andere Person ins Zimmer. ‚Es ist der Mann mit den Strähnchen in seinem Haar'
»Eliot«, antwortete er knapp und nickte mir leicht zu. Stumm presste ich die Lippen zusammen.
»Komm mit«, sagte er kurz darauf monoton, lief in wenigen Schritten auf mich zu und packte mich am Oberarm.
»Hey!«, rief ich nun wütend, doch er zog mich ruckartig aus dem Bett, wobei ich fast auf den Boden gefallen wäre. »Keine Zeit verschwenden, sonst wird er wütend« Er verfestigte den Griff und schleifte mich mit sich.

Am liebsten hätte ich um mich geschlagen, ihn getreten und angeschrien, doch ich fürchtete zusehr, dass sie meinen Bruder in diese Sache mit reinziehen würden. ‚Ich bin mir zwar immer noch nicht wirklich sicher, was hier überhaupt los ist.. doch eins kann ich sagen. Es ist krank und das hätte mein Zwilling nicht verdient'

Ungeduldig starrte ich die Tür an und wippte mit meinem Fuß. ‚Wie lange dauert das denn noch?', fragte ich mich und verschränke meine Hände auf dem Schoß. Ich saß im Wohnzimmer und wartete schon seit sieben Minuten. Zwei Minuten zu viel. Gerade als ich aufspringen wollte, um sie nach unten zu zerren, erschien Eliot mit ihr im Schlepptau. Nun glücklich lehnte ich mich zurück.

Vor mir blieben sie stehen. Jills wütender Blick traf geradewegs auf meinen. Man konnte ihren Hass deutlich in den Augen erkennen und dennoch sah sie wunderschön aus. ‚Wie eine wütende Kriegsgöttin. Nein, wie meine Göttin'
Extra freundlich lächelnd stand ich auf und klatschte in die Hände.

»Wie wir es abgemacht haben. Du darfst dir ein Spiel aussuchen«, sagte ich weiterhin lächelnd. »Ich gebe dir ab jetzt eine Minute Zeit, um dir etwas einfallen zu lassen. Wenn dir bis dahin nichts eingefallen ist, suche ich etwas aus und das meine Liebe, das wird es in sich haben« Ihre wütende Fassade brach. Es war nur für einen kurzen Moment, doch ich hatte es deutlich gesehen. ‚Sie war schon von Anfang an verunsichert'

»Das.. haben wir so nicht abgemacht«, sagte sie versucht wütend, doch man konnte einen nervösen Unterton heraushören. ‚Warum versuchst du mir etwas vorzumachen, meine Kleine?'
»Honey, du hättest dich klarer ausdrücken müssen« Ich zwinkerte ihr zu und ging einen weiteren Schritt in ihre Richtung.

»Years ago, when I was younger, I kinda liked, a girl I knew«, fing ich leise an zu singen. »She was mine and we were sweethearts. That was then, but then it's true«
Summend sah ich ihr gestresstes Gesicht an und suchte nach weiteren Ähnlichkeiten zu Eden. Meine kleine Jill hat ein größtenteils von feinen, eher unauffälligen Muttermalen, bedecktes Gesicht, während Eden wenig von diesen süßen Fleckchen hatte.

‚I'm in love with a fairytale, even though it hurts. 'Cause I don't care if I lose my mind. I'm already cursed' Meine Mundwinkel zuckten verräterisch nach oben. ‚Noch 5 Sekunden. Auch gut, wenn ich das Spiel aussuchen kann. Ich habe da etwas neues, was ich unbedingt ausprobiert wollte. Es würde sicher-', doch meine Gedanken wurden durch ein geschrieenes »Bogenschießen!« unterbrochen. ‚Knapp, sehr knapp Honey'
Meine Augenbrauen gingen in die Höhe und ich legte gleichzeitig ein Finger an mein Kinn. »Ich höre«

‚Bogenschießen war das erste, dass mir unter Druck eingefallen ist. Aber es war wohl die klügste Antwort, die ich geben konnte. Natürlich! Wenn ich schon die Chance habe, sollte ich sie auch nutzen, um etwas zu nehmen, dass mir von Vorteil wäre' Als ich den Blick des Irren auf mir spürte, biss ich unwohl auf die Innenseite meiner Wange. Mein Blick glitt zu dem sauberen Boden.
»Wir gehen draußen im Wald bogenschießen. Nur das.. das wir das Ziel des anderen sind«, gab ich unsicherer von mir als erhofft.
»Aber wir spielen nicht direkt auf Leben und Tod, sondern können uns nur... anschießen«, sprach ich weiter. Konnte ich überhaupt jemanden verletzen? »Und der Gewinner darf entscheiden, ob der Verlierer leben oder sterben soll«, beendete ich schließlich meine Idee. Nachdem ich keine Reaktion seinerseits vernehmen konnte, sah ich ihn zögerlich an.

Er hatte wieder angefangen zu summen. Ich hätte es niemals offen zugegeben, doch es war eine schöne Melodie. Plötzlich stieß er so unerwartet ein Lachen aus, dass ich erschrocken zusammenzuckte. »Das gefällt mir«, rief er und sah mich für einen kurzen Moment an, ehe er die Person neben mir ansah, die mich noch immer gefangen hielt.
»Jedoch finde ich es so zu langweilig. Der Gewinner darf sich zusätzlich noch etwas vom Verlierer wünschen« Von seiner Idee überzeugt nickte er und guckte in die Richtung von Eliot. Mit einem »Ich werde sofort alles vorbereiten«, löste sich der Druck von meinem Arm.

‚Ist er vielleicht sein Angestellter?' Schon hatte er den Raum verlassen und ließ mich mit dem Psycho alleine. ‚Es wirkt auf jeden Fall so. Vielleicht kann ich ihn auf meine Seite ziehen?Einen Versuch ist es definitiv Wert, da er nicht ganz so durchgeknallt wie der Irre vor mir wirkt'

Mein Gegenüber starrte mich wieder mit diesem Blick, diesem seltsamen Blick an, bis er auf einmal lächelnd in eine Verbeugung ging. »Wie unhöflich, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich heiße Gabriel Ecole und du heißt Jill Castell, ich weiß«
Überrascht sah ich seine große Gestalt an. ‚Unheimlich, ich habe keinem von beiden meinen Vor- oder Nachnamen verraten'
Bevor ich nachfragen konnte, klatschte er wieder in die Hände. »Genug geredet. Wir müssen uns umziehen gehen«
Nun verwirrt strich ich meine Haare hinter die Ohren. »Warum?«

»Damit alles fair bleibt und jetzt geh mit nicht weiter auf die Nerven«, erwiderte er mit einem genervten Unterton. Auch genervt verschränkte ich die Arme vor der Brust. ‚Was stimmt nicht mit diesem Typen?'

Mit großen Schritten kam er auf mich zu, weswegen ich mich noch mehr versteifte. Er lief an mir vorbei. »Wenn du nicht willst, dass es wirklich unschön wird, dann solltest du mir besser folgen«, rief er mir von hinten zu. Sofort drehte ich mich um und sah gerade noch sein breites Kreuz. Hektisch bemühte ich mich ihm zu folgen, doch ich verlor ihn mehrmals fast aus den Augen. ‚Dieses Haus ist so verdammt verwirrend!' Es gab gefühlt dutzende von Türen und alles sah gleich aus. Die gleichen Teppiche, die gleichen Wandfarben, einfach... seltsam.

Schließlich waren wir wieder in dem Zimmer, in dem ich zuvor aufgewacht war. Gabriel zeigte auf eine der drei Türen. ‚Gabriel... dieser Name passt einfach überhaupt nicht zu ihm. Er klingt.. seltsam freundlich'
»Dort findest du Sachen zum anziehen«, meinte er ruhig. »Ich komme dich in ein paar Minuten abholen«

Mit diesen Worten verschwand er wieder. Unsicher sah ich ihm hinterher, dann zur Tür, bis ich mich dazu entschloss sie zu öffnen.
Vor mir erstreckte sich ein begehbarer Kleiderschrank.Was ist das? Vergucke ich mich?' Ungläubig ging ich auf die Klamotten zu und sah sie mir genauer an. Es befanden sich ausschließlich Sportsachen hier.
Je länger ich in diesem Haus war, desto seltsamer wurde es.

Ich wusste wie Hochwertig alle Sachen waren, da meine Eltern mir viel ähnliches selbst geschenkt hatten. ‚Doch wie kann dieser Mann so viel Geld haben? Erst das Haus und dann das! Ich schätzte ihn auf 23 oder 24. Vielleicht illegale Geschäfte?'

Die Klamotten waren in allen erdenklichen Größen, von den unterschiedlichsten Marken und ausschließlich für Frauen. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in meiner Brust breit. Bei einer Sache war ich mir sicher. Diese Männer hatten Leichen, Gott weiß wie viele, auf ihrem Konto.
Ich merkte immer deutlicher, wie gerne ich mich auf dem Boden zusammengerollt und geweint hätte, doch ich wusste, dass ich stark bleiben musste. Für mich und für Jack.

‚Bogenschießen', schoss es mir durch den Kopf. Ich musste Sachen nehmen, in denen ich viel Arm und Beinfreiheit hatte. Widerwillig griff ich nach einer schwarzen Jogginghose, einem dunklen Pullover und nach einem paar Sportschuhe. So schnell und panisch wie noch nie zog ich mich um.

Ich ging zurück in das schlichte, fast leere Zimmer. Und das keinen Moment zu spät. Der Psycho kam wenige Sekunden nach mir in den Raum.
»Du siehst hübsch aus«, sagte er leicht lächelnd, als er mich sah. Er trug nun so wie ich, eine schwarze Jogginghose und ein schwarzes T-shirt, das seinen kräftigen Oberkörper stark betonte. Abschätzig sah ich ihn an und bemerkte, dass er mich genauso gemustert hatte wie ich ihn. Jedoch war auf seinem Gesicht ein undurchschaubares Lächeln.

Sie hat ihre langen Haare zusammengebunden und sah einfach hinreißend aus. ,Die Haarlänge ist wohl eine der wenigen Sachen, die sie nicht gemeinsam haben' Mein Blick wanderte über ihren reizenden Körper. Es war überraschend schwer, nicht über sie herzufallen. »Es ist eine Schande. Wäre ich nicht so ungeduldig, hätte ich mir erst die Mühe gemacht dich zu verführen«, gab ich nachdenklich von mir und biss auf meine Lippe um ein aufkommendes Lächeln zu unterdrücken. »Wer weiß, vielleicht verfällst du mir auch so?«

Eine unsicheres funkeln erschien in ihren Augen. Sie hatte Angst?
»Lass es uns bitte schnell hinter uns bringen«, flüsterte sie und sah an mir vorbei.
»Dein Wunsch sei mir Befehl« Ich drehte mich zur Tür hinter mir und deutete ihr mit einem Handzeichen, voraus zu gehen.

Gabriel klebte förmlich an mir, als er mich durch das Haus führte und mir immer viel zu nah ins Ohr flüsterte, wo wir langgehen mussten. Es verunsicherte mich. All das, was momentan passierte, verunsicherte mich so unendlich sehr. Unbewusst biss ich auf die Innenseite meiner Wange.
Nach zu vielen Türen und Stufen, standen wir endlich vor der Haustür.

»Einen Augenblick«, er verschwand durch eine der nahegelegenen Türen. Nachdenklich sah ich mich um, bis der Psycho wieder kam und ein dunkles Kappi in seiner Hand hielt. Skeptisch beobachtete ich ihn dabei, wie er seine Haare zurückstrich und es sich falsch herum aufsetzte. Er schien meinen Blick bemerkt zu haben, denn er zwinkerte mir zu. Keinen Moment später öffnete er die Tür, wodurch uns ein kalter Luftzug entgegen kam.

Dass, was ich sah, ließ mich erschrocken innehalten. ‚Es ist stockdunkel draußen!' Ich hatte das Zeitgefühl komplett verloren und nie darauf geachtet, wie es draußen aussah. Es schien so, als hätte Eliot wegen der Dunkelheit ein paar Fackeln verteilt, doch dadurch wirkte alles nur noch unheimlicher.
‚Schon wieder fühlt sich alles so surreal an'
Mein Blick schweifte zu Gabriel, der einfach nur mit verschränkten Armen, lächelnd da stand und nach draußen schaute. »Ist das nicht aufregend? Dadurch, dass es so dunkel ist, kriegt man gleich einen viel größeren Kick«, meinte er schlicht, ohne den Blick von der Dunkelheit abzuwenden.

Meine Hände verkrampften sich. ‚Kick? Ganz und gar nicht. Dadurch, dass es so dunkel ist, ist meine Chance ihm gegenüber quasi nicht mehr vorhanden..'
Ich antwortete nicht darauf, sondern kickte die kleinen Steinchen weg, bis ich seinen Blick auf mir spürte. »Was ist?« Fragend schaute ich ihn an.

Das Kappi betonte sein sowieso schon markantes Gesicht und da ihm die vollen Haare nicht mehr ins Gesicht fielen, wirkten seine Wangenknochen viel ausgeprägter. Ich musste mir leider eingestehen, dass er ohne Frage nicht schlecht aussah.
Einen Moment lang guckten wir uns stumm an, bis er sich von mir abwandte. »Möge der bessere gewinnen, meine Schönheit«, sagte er und zog die Tür hinter uns zu. Unwohl stand ich noch immer an der selben Stelle und beobachtete ihn dabei, wie er mit einem vorfreudigen jubeln auf Eliot zu joggte.

»Möge der bessere gewinnen«, erwiderte ich leise und sah in den Sternenhimmel.

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