26. Kapitel

Seufzend lief ich in die Küche. Ich hatte gestern noch den ganzen Abend über Eden nachgedacht.

Es machte mich traurig.

Schon seit ihr hier war, machte mich alles so unglaublich traurig.

Als ich sah, dass Eliot mit dem Rücken zu mir vor der Theke stand, blieb ich erschrocken stehen. ‚Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen', bemerkte ich und musterte kurz seine große Gestalt. ‚Er hat mich noch nicht bemerkt' Leicht nickend ging ich lautlos einen Schritt zurück. ‚Ich hole mir einfach später etwas zu Essen'

»Guten Morgen« Ertappt blieb ich stehen.
»Hallo«, murmelte ich und vergrub nervös meine Hände in den Taschen meines Pullovers. »Soll ich dir etwas zum Frühstück machen?«, fragte er wenige Momente später und drehte sich zu mir. Er sah mich so entspannt wie immer an und lächelte leicht. Es wirkte echt. Nervös lachend schüttelte ich den Kopf. »Nein, das musst du nicht. Ich wollte sowieso nur Cornflakes essen«, erwiderte ich und lächelte entschuldigend. Auch wenn es etwas verkrampft wirken musste, nickte er. »Aber ich bestehe darauf. Setz dich« Weiterhin gelassen deutete er kurz auf einen der Hocker, der vor der Kücheninsel stand. »Okay«, hauchte ich nachgiebig und setzte mich in Bewegung. ‚Warum auch nicht?' Er würde mich wohl kaum vergiften..

Müde stützte ich meine Wange auf einer Hand ab und beobachtete ihn dabei, wie er verschiedene Sachen aus dem Kühlschrank holte. Seit ich hier war bekam ich so gut wie gar keinen schlaf. Ich war zu verkrampft um einfach schlafen zu können.
»Wo ist Gabriel?«, fragte ich und malte mit einem Finger kleine Kreise auf die Holzbeschichtung. Es interessierte mich zwar nicht wirklich, doch die Atmosphäre fühlte sich bedrückend an. Auch wenn es schön war, dass Eliot so ruhig war, konnte es einen manchmal verunsichern. Man konnte ihn fast noch schlechter einschätzen als Gabriel.

»Im Fitnessraum«, antwortete er irgendwann, als er die Schale von einem Ei aufbrach. Verstehend nickte ich und sah aus dem Küchenfenster. ‚Irgendwie muss er sich ja in Form halten', ging es mir durch den Kopf.
Einige Zeit hörte man nur das brutzeln der Pfanne, bis ich erneut unsere Stille durchbrach. »Kanntest du Eden?«, fragte ich leise und sah wieder seinen dunklen Haarschopf an.
»Gabriel hat mir gestern von ihr erzählt und es lässt mich einfach nicht los. Ich weiß auch nicht. Es bedrückt mich« Ich biss ich auf meine Unterlippe.

»Ich kann mir vorstellen, dass es auf Außenstehende traurig wirken muss«, meinte er, wobei er einen Teller aus dem dunklen Wandschrank holte. »Und wie fandest du es? Auch traurig?«, fragte ich vorsichtig.
»Nicht trauriger als die anderen Dinge, die in diesem Haus passiert sind« Leicht lächelnd stellte er den Teller vor mir ab.
»Was meinst du?« Langsam schob ich mir etwas von dem Rührei in den Mund. Er lehnte sich an die Theke und stützte sich mit beiden Händen neben ihm ab.

»Du weißt ganz genau was ich meine«
»Wenn du es traurig findest, warum machst du dann so viel für ihn? Und warum siehst du nur kommentarlos bei allem zu?« Verwirrt strich ich mir meine Haare aus dem Gesicht.
Sein Blick blieb unverändert. »Hat er dir davon erzählt, dass ich ihm in der Armee zum ersten Mal begegnet bin?« Ich nickte leicht. ‚Eliot hat noch nie so viel zu mir gesagt..'
»Gut, dann erzähle ich dir jetzt die ganze Geschichte.. Ich war in der Armee immer sehr vorsichtig und wachsam, bis ich einer wunderschönen Frau begegnet bin. Allein sie war der Grund, warum ich unvorsichtig wurde« Er seufzte.
»Dem Charme einer Frau kann man sich nur schwer widersetzen, besonders, wenn man in der Armee ist. Die einen finden Verbündete fürs Leben, doch die anderen werden einsam« Kurz kreuzten sich unsere Blicke.

»Ich war blind vor Liebe und habe durch sie  meine ganzes Lager zum Feind geführt. Sie war der Feind« Sein Blick schweifte kurz zum Fenster und dann wieder zu mir. Es war keine einzige Emotion in seinem Gesicht zu sehen. Leicht beugte ich mich nach vorne. »Und was ist dann passiert?«, fragte ich vorsichtig, weshalb er mir ein beinahe unauffälliges Lächeln schenkte.
»Alle sind gestorben« Er verschränkte ruhig die Arme vor der Brust. »Alle, bis auf Gabriel und ich. Gabriel hatte gemerkt, dass etwas nicht stimmte und hatte mich gerettet. Ich wurde zwar angeschossen, aber dennoch. Ohne ihn wäre ich jetzt nicht hier. Mir war damals sofort klar, dass ich auf ewig in seiner Schuld stehen würde«

»So ist das also«, murmelte ich und sah ihn hilflos an. Ein mulmiges Gefühl machte sich in meiner Brust breit. ‚Wer hätte gedacht, dass der Psycho auch ein wenig nett sein konnte?'
Er nickte kurz und stieß sich von der Theke ab. »Der Fitnessraum ist hier im Erdgeschoss«
»Danke für das Frühstück«, erwiderte ich, obwohl er schon verschwunden war. Ich entschloss mich dazu, auch zum Fitnessraum zu gehen. ‚Vielleicht kann ich etwas Druck ablassen', hoffte ich und machte mich auf die Suche.

Ich war gerade dabei planking zu machen, als ich hörte, wie die Tür geöffnet wurde.
»Was ist los, Eliot?«, fragte ich und sah weiterhin konzentriert die Matten unter mir an. Als er nicht antwortete sah ich genervt nach oben, direkt in das Gesicht meiner kleinen Jill.
»Ich glaube du hast dich im Raum geirrt« Lachend zog ich den Kopfhörer aus meinem Ohr. »Das Wäschezimmer ist drei Türen weiter« Nachdem sie immer noch nichts erwiderte, beschloss ich mein Training abzubrechen und aufzustehen.

»Ich.. äh«, gab sie verwirrt von sich, weswegen ich amüsiert auflachte. »Ja?« Schmunzelnd wischte ich mit meinem T-shirt den Schweiß von meinem Gesicht.
»Ich weiß auch nicht warum ich hier bin«, meinte sie plötzlich noch unsicherer und presste ihre süßen Lippen zusammen. »Ach so? Du bist süß« Leicht lächelnd legte ich den Kopf schief. »Willst du auch trainieren?«
Als sie zögerlich nickte, klatschte ich erfreut in die Hände. »Sehr schön! Wie wäre es mit einem kleinen Kampf? Komm schon, Honey!«

Ungläubig verzog ich das Gesicht. »Du bist doch komplett nassgeschwitzt? Ich verzichte« Angewidert schüttelte ich den Kopf. »Ach« Gespielt traurig stützte er seinen Kopf auf einer Hand ab. »Bist du dir sicher, dass du nicht einfach angst hast wieder erbärmlich zu verlieren?«, fragte er wenig später und stieß ein leises, spöttisches Lachen aus. Argwöhnisch ging ich einen Schritt auf ihn zu und tippte vier mal gegen seine Brust. »Du kannst mich mal«, flüsterte ich zeitgleich und zog mir den Pullover über den Kopf. Glücklicherweise hatte ich heute ein T-shirt darunter angezogen.

Wäre ich nicht so ein nervliches Wrack, hätte ich mich nie auf seine Provokationen eingelassen. Aber ich wollte und musste etwas Frust loswerden. Und wer wäre besser dafür geeignet, als der Mensch, der diesen Frust überhaupt erst ausgelöst hatte?

Lächelnd ging Gabriel ein paar Schritte zurück, in die Mitte des großen Raumes. Ich folgte ihm und blieb ungefähr einen Meter vor ihm stehen. »Also schön. Es gibt keine Regeln. Kratzen, beißen, alles ist erlaubt« Lächelnd zwinkerte er mir zu, weshalb ich genervt die Arme verschränkte. »Und wann hat man gewonnen?«
»Wenn sich der andere seine Niederlage eingesteht«

Amüsiert legte ich den Kopf leicht schief. »Dann los, greif mich an«, meinte ich schließlich und unterdrückte ein aufkommendes Lachen. ‚Das wird auf jeden Fall unterhaltsam..'
Sie nahm eine halbwegs gute Deckung ein und streckte ungewöhnlich schnell ihr Bein aus, wahrscheinlich um meine Milz zu treffen? »Nicht schlecht, aber trotzdem zu langsam« Ich griff schneller als sie mich treffen konnte nach ihrem Knöchel. Erschrocken ließ sie ihre Deckung fallen und versuchte ihr Bein aus meinem Griff zu ziehen. »Na sowas«, grinsend legte ich meine Hand unter ihren gehobenen Oberschenkel und platzierte die andere auf ihrem Unterrücken, um sie noch näher zu mir zu ziehen. »Das war aber ein kurzer Kampf«, raunte ich.

»Hättest du wohl gerne«, erwiderte ich gepresst und zog dieses mal schneller als er reagieren konnte, mit meinem freien Bein eines seiner Beine weg. Sein Gesichtsausdruck wechselte von selbstsicher zu überrascht und wir fielen gemeinsam auf den Boden. Siegessicher stand ich auf und riss mein Bein aus seinem Griff. Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Bravo«, lächelte er und erhob sich langsam.
»Gibst du schon auf?« Provokant baute ich erneut mit meinen Armen eine Deckung auf.
»Bring mich dazu«, erwiderte er grinsend und kam langsam auf mich zu.

Plötzlich wurde mir der Boden unter den Füßen weggerissen, doch ich griff rechtzeitig nach seinem dunklen T-shirt greifen, wodurch er mit mir nach unten gezogen wurde. Nun lachend stützte er sich mit beiden Händen neben meinem Kopf ab. ‚Blende den Schmerz aus, Jill..', dachte ich als mein gebrochener Finger kurz belastet wurde.
»Bei diesem süßen Anblick könnte ich-« Schnell setzte ich meine Hände an seine Schultern, platzierte einen Fuß auf seiner Hüfte und stieß ihn von mir runter. Sichtlich überrascht lag er wieder auf den Matten.

Schadenfroh stellte ich mich neben seine klägliche Gestalt und sah auf ihn herab. »Wenn du jetzt nicht aufgibst-«

Spöttisch zog ich die Augenbrauen, packte ihren Knöchel und zog ihr Bein nach vorne, wodurch sie wenige Momente später ächzend hinfiel. »Wer hätte gedacht, dass du doch nicht ein kompletter Schwächling bist«
Ich stand lachend auf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber trotzdem kannst du es nicht mit mir aufnehmen, Prinzessin«

»Unterschätz mich nicht«, murmelte ich genervt und richtete meinen Oberkörper auf. ‚Warum habe ich mich denn auch so nah neben ihn gestellt?'
Leicht wütend sah ich ihn an, bis er plötzlich seine Hand ausstreckte. »Unentschieden?«, fragte er und lächelte mich leicht an. Es wirkte wie ein ernst gemeintes Lächeln.
»Ja.. okay«, antwortete ich erschöpft und griff nach seiner Hand. ‚Das war doch dämlich.. Ich bin drei Mal auf den Boden gefallen und nicht mehr...'
Ruckartig wurde ich in eine verschwitzte Umarmung gezogen, weshalb ich erschrocken aufatmete.

»Naives Mädchen, ich habe natürlich gewonnen«, flüsterte ich ihr amüsiert ins Ohr und verstärkte unsere gezwungene Umarmung. ‚Dieser Duft, so unglaublich süß..' Leicht lächelnd schloss ich die Augen. Schon vom ersten Moment an hatte ich gewusst, dass er mich abhängig machen würde.

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