21. Kapitel
»Wollen wir in die Stadt?«, fragte er mich abwartend, weshalb ich leicht nickte. ‚Wieso hat er dem zugestimmt..? Hat er keine Angst, dass ich Leute um Hilfe bitten werde?'
Er griff nach meiner Hand, was ich schweren Herzens kommentarlos tolerierte und mich aus der Küche ziehen ließ. ‚Ich hätte nicht gedacht dass wir heute, jetzt sofort losgehen würden'
»Du weißt, dass es Regeln gibt, oder?«, fragte er und sah dabei kurz zu mir nach hinten, als wir die Treppe hochliefen. Auf seinem Gesicht war ein unmerkliches Lächeln.
»Was.. für Regeln?« Unwohl presste ich die Lippen zusammen. ‚Er hat doch irgendetwas vor?'
»Das übliche eben«, meinte er amüsiert und zog mich weiter durch den Flur.
»Solltest du auf dich aufmerksam machen, meine Kleine, dann wird Violet in weniger als einer Stunde tot sein« Fassungslos öffnete ich den Mund. »Woher..«
»Woher ich deine wohl einzige Freundin, Violet, kenne? Ich weiß alles über dich« Noch immer überrumpelt davon, dass er Violet kannte, sah ich seinen Hinterkopf an.
»Ach ja?«, fragte ich langsam.
»Ja«, lächelte er mich schief an und zog mich in einen Raum. ‚Er kann unmöglich alles über mich wissen, oder? Nein...', überlegte ich und verzog leicht das Gesicht. ‚Das ist verdammt unheimlich'
»Geh dich umziehen oder was auch immer und komm dann runter, ich warte vor der Haustür«, sagte er und ließ mich alleine im Zimmer stehen.
»Okay«, murmelte ich leise. Das ging gerade alles so schnell. ‚Es wirkt fast so, als hätte er es eilig? Was passiert hier nur..?' In meiner Brust machte sich ein unangenehmer Druck bemerkbar. Tief durchatmend ging ich in den begehbaren Kleiderschrank.
Wenige Momente später befand ich mich erneut im Flur. ‚Ich hasse es hier. Ich hasse es, dass alles gleich aussieht. Ich hasse es, wie trostlos alles ist. Es ist zum kotzen. Und ganz besonders..'
Während ich die eindrucksvolle Treppe herunter ging, fiel mein Blick auf Gabriel. ‚Und ganz besonders hasse ich ihn'
Er sah mich so wachsam wie immer an und ich könnte schwören, dass er aufgeregt war. ‚Warum ist er aufgeregt? Warum habe ich mir überhaupt Freiheit gewünscht und bin so ein hohes Risiko eingegangen?' Nun noch unwohler presste ich die Lippen zusammen und musterte ihn kurz. Er trug wie immer eine seiner dunklen Jogginghosen, kombiniert mit einem lockeren T-shirt. Ohne ein Wort zu sagen lief ich an ihm vorbei nach draußen.
Ohne es zu merken schloss ich meine Augen und atmete tief den erdigen aber dennoch frischen Geruch um mich herum ein. ‚Ich war schon lange nicht mehr draußen..'
Ein schnipsen vor meinem Gesicht ließ mich fragend die Augen öffnen.
»Da gehts lang«, sagte er und nickte leicht zur Seite. Zusammen gingen zu dem Auto, dass vor seinem Haus stand. Es herrschte eine unangenehme Stimmung.
Er bestand darauf, mir die Tür zu öffnen, weshalb ich verkrampft einstieg. Nachdem er nach wenigen Sekunden neben mir platz nahm und den Wagen anstellte, lehnte ich meinen Kopf an den Sitz. Mein Blick schweifte nach draußen. Das letzte was ich sah, war das unscheinbare Schild, auf dem ‚Denim Woods' stand.
————
‚Es sind so viele Menschen hier' Nervöser als ich erwartet hätte versteckte ich mich ein wenig hinter Gabriel. Es schlugen so viele Geräusche und Lärm auf mich ein, dass ich Kopfschmerzen bekam. Ich war es nicht mehr gewohnt, dass mich so viele fremde Augen ansahen. Ein Lachen ertönte und ehe ich mich versah legte sich ein Arm um meine Taille. Ich wurde an die Seite meines Begleiters gezogen. Augenblicklich verspannte sich mein kompletter Körper.
»Fass mich bitte nicht an«, flüsterte ich ihm leise zu, doch dadurch verstärkte sich der Griff nur.
»Sei froh, dass ich nicht mehr mache als dich festzuhalten«, erwiderte er genauso leise und lächelte leicht. Unsicher sah ich zur Seite.
»Hier, ich muss hierhin« Bevor ich mich versah wurde ich in ein helles Geschäft gezogen.
»Wieso sind wir bei einem Friseur?«, fragte ich verwirrt, sobald ich erkannte wo wir uns befanden. Anstatt mir zu antworten, lief er zu der großen Rezeption.
‚Hat er nur zugestimmt, um mit mir zum Friseur zu gehen?' Ungläubig stellte ich mich neben ihn und sah zu ihm auf, als er anfing zu sprechen. »Guten Tag, ich habe hier einen Termin für Ashton«, meinte er lächelnd zu der jungen Frau hinter der Rezeption.
Weiterhin verwirrt sah ich die brünette Frau an, als sie nach einigen Sekunden immer noch nicht reagierte. Alles was sie tat, war ihn überrascht anzusehen und schließlich charmant lächelte.
»Natürlich«, lächelte sie und schlug das kleine Buch auf, dass vor ihr lag. »Ein Termin für Clyde Ashton und..« Ihre zuvor begeisterten Züge wurden hart. »Und seine Frau«, beendete sie herablassend und schlug das Buch wieder zu. »In der Tat« Schmunzelnd zog er mich an seine Seite.
»Ich muss nicht zum Friseur«, meinte ich gepresst und sah ihm leicht wütend in die Augen. »Doch. Such dir etwas schönes aus und überrasch mich« Er drückte einen leichten Kuss auf meine Wange und ließ mich alleine vor dieser Furie stehen, um zu seinem Platz zu laufen. Für einige Momente stand ich verloren vor der Rezeption, bis plötzlich ein junger Mann strahlend auf mich zukam.
»Du musst mein Schützling sein, komm mit«, meinte er immer noch lächelnd und führte mich zu einem der schwarzen Stühle. Leicht verunsichert erwiderte ich das Lächeln und setzte mich hin.
Durch den Spiegel trafen unsere Blicke aufeinander. »Also, was kann ich für dich tun?« Vorsichtig zog er mein Haargummi aus den Haaren. »Ich.. weiß nicht. Mach einfach das, was du für richtig hältst«, sagte ich unsicher und sah nachdenklich den Verband um meinen gebrochenen Finger an. ‚Was mache ich hier?'
————
Ich saß nun schon seit geschlagenen zwei Stunden in dem langweiligen Wartebereich und hatte einen perfekten Blick auf Jill und den Fremden, der sie anfasste. Ich war schon fertig mit meinem Haarschnitt und sah dabei zu, wie sie ihr Haar gefärbt bekam.
‚Es macht mich krank wie er sie ansieht. Es macht mich krank, wie sie ihm ein Lächeln schenkte, dass nur mir zustand, das nur ich bewundern und lieben durfte' Wie sie sich unterhielten, so unfair unbeschwert, auch das machte mich krank. Es ließ mich genervt aufatmen und dennoch konnte ich einfach kein Lächeln zurückhalten. Dafür sah sie zu atemberaubend aus.
Gerade als ich mir vorstellte, wie ich ihm beide Arme auskugelte, legte sich ein Schatten über mich. Meine Gedanken wurden gestört. »Was?«, fragte ich nun wütend und sah nach oben, nur um sofort angetan aufzustehen. »Wow« Begeistert fuhr ich mit meinen Fingern durch ihre seidenweichen Haare. Sie waren nun so schneeweiß wie ihre Haut und wurden glücklicherweise nur ein kleines Stück kürzer geschnitten.
»Es steht dir unglaublich gut, Honey« Lächelnd drückte ich ihr Geld in die Hand. ‚Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass sie noch schöner werden könnte'
‚Ihm scheint die Frisur wohl wirklich zu gefallen', dachte ich abwesend und lief zu der Rezeption. Mir war vorhin aufgefallen, dass Gabriel und ich die letzten beiden Gäste im Laden waren. Es wurde auch schon langsam dunkel draußen. ‚Haare färben dauert wirklich lange', bemerkte ich und sah wieder nach vorne.
Es stand nicht mehr diese seltsame Frau da, sondern Vico. Der Mann, der mir diese schöne Frisur verpasst hatte. Ich war ihm wirklich dankbar und dennoch konnte ich nichts anderes, als ein gezwungenes Lächeln zustande zu bringen. Ich legte das Geld auf den Tresen.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er mich und tippte irgendetwas in die Kasse.
»Ja, es ist alles in Ordnung, warum?«, fragte ich ungewollt träge. Obwohl ich wusste, dass Gabriel die Situation beobachtete, schaffte ich es nicht überzeugender zu sein. ‚Durch seine neue Frisur wirkte er etwas älter, aber genauso respekteinflößend wie vorher' Leider musste ich mir eingestehen, dass sie ihm gut, sogar besser als vorher stand, da sein makelloses Gesicht viel deutlicher zur Geltung kam. Vicos Stimme zog wieder meine Aufmerksamkeit auf sich.
»Ich weiß, dass es mich nichts angeht, aber ich habe gesehen wie sehr du dich bei diesem Mann da hinten verkrampft hast. Jeder hätte es gesehen! Also, wenn du Hilfe brauchst..«, meinte er mit gesenkter Stimme und beugte sich etwas zu mir nach vorne. »Dann keine Ahnung, zwinker schnell zwei mal« Er gab mir das Wechselgeld. Schnell schüttelte ich den Kopf und ging einen Schritt rückwärts. »Es ist alles in Ordnung, wirklich. Danke für alles« Mit einem aufgesetzten Lächeln drehte ich mich um. Bei Gabriel angekommen, verzog ich das Gesicht. »Ich habe ihm nichts gesagt, ich schwöre es«
‚Obwohl meine Freiheit zum greifen nah gewesen ist, würde ich niemals Violets Leben über mein eigenes stellen'
»Keine Sorge«, erwiderte er leise lachend und stieß sich geschmeidig von der Wand ab. Ich entspannte mich ein wenig.
»Allerdings scheint er nicht zu wissen, wo sein beschissener Platz ist« Schmunzelnd nickte er in Vicos Richtung, welcher gestresst auf seinem Telefon herumtippte und zu uns sah. Erschrocken zog ich die Augenbrauen zusammen. Ich wusste genauso gut wie Gabriel, was er vorhatte. ‚Er ruft die Polizei', dachte ich ungläubig und schüttelte warnend den Kopf, als sich unsere Blicke kreuzten.
Noch bevor sich einer von uns regen konnte, noch bevor jemand etwas sagen konnte, ertönte ein Schuss. Meine Gesichtszüge entgleisten. Blut rauschte laut in meinen Ohren, als ich aus dem Laden herausgezogen wurde und fassungslos dem lachenden Mann vor mir hinterher rennen musste. Er zog mich hinter sich her, wobei ich mehrmals fast stolperte. Noch immer völlig perplex wehrte ich mich nicht. ‚Er hat ihn ohne zu zögern getötet' Gequält sah ich nach hinten. ‚Bin ich schuld daran, nur, weil ich ein wenig Freiheit wollte?'
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