20. Kapitel
Traurig sah ich die aufgeweichten Cornflakes an, die trostlos in der Milch herum schwammen. Ich saß in der Küche, auf einem der Hocker und war alleine. Alleine mit mir und meinen Gedanken.
Nachdem Gabriel erst Jack ermordet und mir dann einen Finger gebrochen hatte, haben wir kein Wort mehr miteinander gesprochen.. Es war komisch und abgedreht zugleich.
Leise ausatmend fuhr ich mit dem Löffel durch die noch immer volle Schale. ‚Ich hasse es, dass alles so unglaublich deprimierend ist und ich hasse es auch, dass alles so aussichtslos ist. Wofür lohnt es sich noch zu leben?'
Nachdenklich ließ ich den Löffel in die Schale sinken und sah aus dem kleinen Küchenfenster.
Ich war froh darüber, dass Gabriel mich heute wieder einmal alleine ließ. Schon seit drei Tagen hatte ich ihn nicht mehr gesehen und ich wusste, dass ich vom schlimmsten ausgehen musste. Davon ausgehen musste, dass er das schlimmste tat.
Eigentlich war es die perfekte Chance für mich, um zu versuchen zu fliehen, doch seit Gabriel nicht mehr hier war, war Eliot immer irgendwo in meiner Nähe. Ich sah ihn manchmal durch die Gänge laufen. Sah ihn da, wo ich herlief.
Er schien immer ziemlich beschäftigt zu sein. Oder genauer gesagt, es schien so, als würde ihn etwas beschäftigen. Anscheinend hatte selbst der Mann von dem man es hier am wenigsten erwarten würde, seine verkorksten Geheimnisse.
Als ich hörte wie eine Tür ins Schloss fiel, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Nachdenklich sah ich zu der hellen Küchenuhr. ‚Der Morgen ist fast vorbei..'
»Heyho, kleiner Stern. Es ist lange her«, raunte mir Gabriel leise ins Ohr. Ich erstarrte. Unfähig etwas zu erwidern sah ich ihn an und umgriff verkrampft meine Oberschenkel. Sein Gesicht nach all dem Geschehenen wieder zu sehen, war wie ein Schlag in die Magengrube.
Ohne mich weiter zu beachten, setzte er sich neben mich und schob die Cornflakes zu sich, um selbst daraus zu essen. ‚Wie auch immer..' Unwohl wollte ich aufstehen, um von ihm und dieser bedrückenden Atmosphäre zu fliehen, doch seine Stimme hielt mich zurück.
»Nein, du gehst jetzt nicht«, meinte er harsch, weshalb ich mich stockend wieder sinken ließ.
»Wir gucken uns zusammen die Nachrichten an« Er griff zur Seite und kurz darauf wurde der moderne Fernseher an der Wand vor uns eingeschaltet.
Überrascht lehnte ich mich mit dem Oberkörper ein stückweit nach vorne.
»Und jetzt kommen wir zu den neusten, schockierenden Nachrichten. Wir schalten live zu dir Linda«, hörte ich die Nachrichtensprecherin sagen und merkte deutlich wie angespannt sie war. Leicht erschöpft sah ich kurz du dem Psychopathen neben mir. ‚Was hat er getan? Warum zeigt er mir das?'
»Vielen Dank, Mona«, meinte nun eine andere Frau und wirkte genauso ernst.
»Wir stehen momentan vor dem eindrucksvollen Gebäude des CIA's, wo unzählige Menschen Zeugen einer grausamen Tat wurden. Es gab eine weitere Leiche« Als nach ihren Worten ein paar Bilder eingeblendet wurden, sah ich ungläubig zu meiner linken und merkte wie die ersten Tränen über meine Wange liefen.
Es waren verpixelte Bilder von Jack. Von seiner geschändeten Leiche.
Immer mehr der gewohnten Tränen, die ich so leid hatte, liefen über meine Wangen und dennoch versuchte ich mich weiterhin auf die Nachrichtensprecherin zu konzentrieren.
»Es ist die Leiche des 23 jährigen Fotografen, Jack Castell, die geschändet in aller Öffentlichkeit, von gewöhnlichen Passanten vorgefunden wurde. Es wird vermutet, dass er über Nacht vor die Stufen des CIA's gelegt worden ist. Der Täter konnte nicht identifiziert werden, doch da dies nicht zum ersten passiert ist, müssen wir vom schlimmsten ausgehen. Mr. Castell wurde ein weiteres Opfer eines unbekannten Serienkillers. Ich frage euch, wie kann ein Mensch nur so grausam sein?«
Schmerzerfüllt verzog ich das Gesicht und bohrte meine Fingernägel immer tiefer in meine Oberschenkel. ‚Wie kann er so ein Monster sein und Jack öffentlich zur Schau stellen? Warum hat er das getan? Um mich noch weiter zu quälen?'
»Jetzt geht der interessante Teil endlich los«, sagte der lächelnde Mann neben neben mir, weshalb ich wieder mit verschleiertem Blick nach vorne sah.
»Das ist der vorsitzende des CIA's, Clyde Ashton. Mr. Ashton, was haben Sie dazu zu sagen? Denken Sie, es handelt sich um einen Wiederholungstäter?«, sprach sie nun in ihr Mikrofon und hielt es zu dem besagten, alten Mann. Er hatte dunkle Schatten unter den Augen und wirkte erschöpft.
»Dazu kann und darf ich Ihnen leider nicht viel sagen geben, Linda. Was ich Ihnen aber mitteilen darf: Es wird das best mögliche getan um den Menschen, der hinter diesen Morden steckt aufzuhalten und ihn oder sie lebenslänglich hinter Gitter zu bringen.
Wir werden zwar nicht länger dafür zuständig sein, da es sich nun um einen Serienmörder handelt, doch der Fall wird in gute Hände übergeben. An das FBI«
Der Bildschirm wurde wieder schwarz.
‚Jackpot!', dachte ich begeistert. ‚Das war der erste Tiefschlag für Ashton und vielleicht wird schon bald der nächste kommen. Endlich wird es mal interessant!' Ich war gespannt, ob das FBI eine Herausforderung war. Schmunzelnd stützte ich meinen Kopf auf einer Hand ab und sah zu meiner rechten.
»Honey, hör auf ständig so viele Tränen zu vergießen« Nun einfühlsamer wollte ich ihr die langen Haare aus dem Gesicht streichen, doch sie wich mit einem wütenden Blick zurück.
»Ich habe das nur für dich getan«, meinte ich nun und zog die Augenbrauen leicht zusammen.
»Ich habe das nur getan, damit er eine angemessene Beerdigung bekommt, sonst war da nichts. Warum freust du dich nicht darüber und schenkst mir eins deiner viel zu seltenen Lächeln?«, fragte er nun verständnislos. Ungläubig ballte ich eine Hand zu einer Faust.
»Tu nicht so scheinheilig, Gabriel. Ich weiß ganz genau, dass du ihn nicht aus Mitgefühl dort hingebracht hast, sondern um ihn für eines deiner kleinen, kranken Spielchen zu benutzen«, sagte ich wütend und enttäuscht zugleich. ‚Er ist schon weit gegangen, aber dass er soweit geht, hätte ich nicht für möglich gehalten. Wie kann ein Mensch so empathielos sein?'
»Jill, bitte..« Nun schien er verzweifelt zu werden. Das war eines der wenigen Male, wo er mich direkt mit meinem Namen ansprach. »Das stimmt nicht. Merkst du nicht selbst, dass du die Geschichte gerade so verdrehst, dass ich schlecht dastehe?« Seine sowie meine Augenbrauen gingen leicht in die Höhe. »Ich habe es getan, weil...« Er brach den Blickkontakt ab. »Fuck! Weil es mir leid tut, okay? Ich habe mich so sehr dafür geschämt, dass ich dir zwei Tage lang nicht unter die Augen treten konnte« Gabriel atmete tief durch, was verdeutlichte wie schwer es ihm fiel das zu sagen... Traurig senkte auch ich meinen Blick.
»Ich weiß, dass du mich hasst. Und ich weiß auch, dass ich es niemals wieder gutmachen kann, aber.. es tut mir leid. Was kann ich machen, damit du dich wieder besser fühlst?«
»Mir würde es besser gehen, wenn du dich der Polizei stellen würdest oder mir meine Freiheit zurückgibst. Aber ich weiß, dass beides nur Wunschdenken bleiben wird«, sagte ich leise und biss auf die Innenseiten meiner Wangen. Müde schloss ich meine Augen. Am liebsten wäre ich eingeschlafen und nie wieder aufgewacht.
»Hmm..«, brummte er nachdenklich, was mich unmerklich lächeln ließ. Es war ein trauriges Lächeln. ‚Es wäre sinnlos sich Hoffnung zu machen'
»Bei dem mit der Polizei lässt sich zwar nichts machen, aber...«, er hielt inne, weshalb ich langsam wieder die Augen öffnete und ihn direkt ansah. Seine hellen Augen erwiderten meinen Blick. Schon vom ersten Moment an haben seine Augen nichts darüber ausgesagt, was er dachte. Genau wie jetzt auch.
»Was stellst du dir unter Freiheit vor?«
»Lass mich wieder unter Menschen gehen. Wenigstens einen Tag lang«, murmelte ich unsicher. ‚Er wird nein sagen.. Aber ich sollte es trotzdem versuchen'
»Okay, wir haben einen deal«, lächelte er mich wiedererwartend an.
In mir keimte innere Zufriedenheit auf. Ich hatte mir schon gedacht, dass sie sich so etwas wünschen würde und es war perfekt. Mehr als perfekt. ‚Wie lange es wohl dauern wird, bis sie bemerkt, dass ich gelogen habe?', überlegte ich und legte mir beiläufig eine Hand über den Mund, um mein aufkommendes Lächeln zu verstecken. ‚Wie könnte ich mich für so etwas banales schämen, gar dafür entschuldigen? Es war unter meiner Würde, aber notwendig' Amüsiert biss ich auf meine Unterlippe und sah sie an. Sie schien immer noch überrascht über meine Antwort zu sein. ‚Sie ist zu einfach gestrickt'
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