17. Kapitel
Als ich hörte wie die Tür wieder geöffnet wurde, stieß ich ein leises seufzen aus. ‚Was macht Eliot wieder hier?'
»Jill, meine süße Jill« Bereits als die ersten Worte ausgesprochen wurden, wusste ich, dass es auf keinen Fall Eliot war. Es fühlte sich so an, als hätte mein Herz vor Panik einen Schlag ausgesetzt.
Mein Kopf fiel leicht zur Seite, wodurch unsere Blicke geradewegs aufeinander trafen. »Gabriel«, meinte ich knapp und presste meine trockenen Lippen zusammen. Seit ich hier unten war, hatte er sich kein einziges Mal blicken lassen, aber jetzt...
Sein Lachen, dass mich selbst in meinen seltenen Träumen verfolgen zu schien, schallte laut durch den fensterlosen Raum. Es schien ein spöttischer Unterton mitzuschwingen. »Wie gefällt dir das Leben hier unten, meine Schöne? Nicht gut, hm? Das sehe ich, du siehst nämlich ziemlich scheiße aus«, sagte er mit gehobenen Augenbrauen und kam mir langsam näher. »Und du stinkst«, fügte er lächelnd hinzu.
Unsicher richtete ich meinen versteiften Oberkörper auf und rutschte die paar Zentimeter zurück, die mein Rücken noch von der kühlen Wand entfernt war. Ich brauchte Abstand.
Sein abwartender Blick lag die ganze Zeit über auf mir, als ich kläglich versuchte Distanz zwischen uns zu bringen. »Aber trotzdem bist du eine der schönsten Frauen, die je hier saßen. Verrückt oder?«
Unruhig zog ich meine Beine an den Oberkörper und sah stumm an ihm vorbei. Einige Momente blieb er genauso still wie ich, bis er auf einmal ein leises Lachen ausstieß und noch näher kam. Unsere Blicke trafen wieder aufeinander, als er sich vor mir auf den Boden setzte. Er spreizte seine langen beine Beine soweit, dass die Füße jeweils neben einer Seite meines Körper lagen. Fast schon automatisch zog ich meine Beine näher heran.
»Willst du deinen Bruder sehen?«, durchbrach er die bedrückende Stille.
Mein Blick blieb für einige Sekunden auf seinen schlanken Fingern haften, die in gleichmäßigen Abständen auf den Boden tippten, bis seine Worte zu mir durchdrangen. ‚Bruder... Jack..' Weiterhin bedacht schaute ich ihn an. ‚Meint er das ernst?'
»Wirklich«, sagte er leise und schmunzelte, als er meinen Blick sah. »Ach komm schon, Honey. Wir wissen doch beide, dass du es willst« Sichtlich amüsiert zog er seine Beine wieder zurück.
‚Wollte ich ihn wirklich sehen? Ich bin schuld an dieser Lage, an unserer Lage', dachte ich und sah traurig auf den Boden. ‚Ich weiß es nicht' Immer mehr Zweifel versuchten nach mir zu greifen. Ich blickte zurück in das Gesicht meines Gegenübers. Nach einem kurzen, angedeuteten kopfschütteln seinerseits, erschien ein breites Lächeln. »Unsere Zweifel sind Verräter und häufig die Ursache für den Verlust von Dingen, die wir gewinnen könnten, scheuten wir nicht den Versuch«, zitierte er William Shakespeare und richtete sich wieder gerade auf. Wartend streckte er mir seine Hand entgegen. Mit gemischten Gefühlen sah ich erst seine Hand und dann die offene Tür hinter ihm an.
Ohne auf das Zitat zu antworten oder auf seine Hand einzugehen, erhob ich mich langsam.
»Immer noch so unhöflich?«, fragte er. Seinen Kommentar ignorierend lief ich an ihm vorbei.
Im Flur blieb ich stehen und schlang reflexartig meine Arme um den Körper, wodurch ich mich ein wenig geschützter fühlte. Geschützter vor ihm und seinen aufdringlichen Blicken.
‚Es ist soweit', schoss es mir durch den Kopf, nachdem ich das kleine Lamm aus seinem Kerker locken konnte. ‚Sie hat nur einen kleinen Schubser in die richtige Richtung gebraucht. Doch wenn sie weiterhin so naiv bleibt, dann könnte der nächste Schubser in die bodenlose Tiefe gehen' Schmunzelnd strich ich meine Haare zurück. ‚Und dieser Stoß wird schon sehr bald kommen'
Ein paar Türen weiter blieb ich stehen, weil er seine Hand auf meinen Unterrücken legte und mich in den dunklen Raum schob. Mein Körper brannte an den Stellen, an denen er mich berührte.
Sobald das Licht mit einem hellen knacken eingeschaltet wurde, stach mir sofort der blaue Haarschopf meines Bruders ins Auge. Erschrocken blieb ich stehen. ‚Jack! Hat er ihn verletzt..? Nein oder?'
Als ich sah, dass dieser Psychopath ihn nicht verletzt hatte, wich die Anspannung ein wenig von mir. Langsam ging ich einige Schritte näher an die schlafende Gestalt heran. ‚Wahrscheinlich wurde er mit irgendetwas betäubt...'
Ihm wurden Hand- und Fußfesseln angelegt, wodurch er an der Wand, mit nach oben gezogenen Armen, stehen musste. ‚Warum Oberkörperfrei?', fragte ich mich unsicher und wollte noch näher an ihn herangehen, doch die kräftigen Arme, die sich plötzlich um meinen Bauch legten, hinderten mich daran.
»Nein, lass mich los! Ich will zu ihm!«, rief ich aufgebracht. Ich versuchte mich loszureißen, allerdings schien sich der Griff dadurch nur noch mehr zu verfestigen. Jetzt, wo ich meinen Bruder endlich wieder gesehen hatte, fühlte es sich so so an, als wäre mein Kampfgeist erneut erweckt worden.
»Da hat sich aber jemand wirklich schnell wieder erholt!« Sein nerviges Lachen ertönte, doch ich versuchte weiterhin mich aus seinem Griff zu winden. »Lass mich verdammt nochmal los!«
»Keine Sorge. Für die Prinzessin habe ich natürlich einen Ehrenplatz«, meinte er irgendwann, als er anscheinend genug von meinen schwachen Attacken hatte. Ein Arm löste sich, während ich mit dem anderen einige Schritte zurückgezogen und plötzlich runter auf einen Stuhl gedrückt wurde.
Wütend sah ich nach hinten und wollte m aufstehen, doch ich wurde wieder nach unten gedrückt. »Du bleibst schön da sitzen, meine Liebe«, murmelte er hinter mir, während er den Stuhl einige Meter nach vorne, und so mich, zu meinem Bruder schob. Er beugte sich zu mir herunter. »Solltest du deinen süßen Hintern auch nur einen Millimeter von dem Stuhl wegbewegen, wird es Konsequenzen haben«
Ich guckte ihn ungläubig an.
»Schön, schön...«, lächelnd ging ich zu dem schlafenden Bastard. Es war faszinierend zu sehen, wie ähnlich sich die Geschwister äußerlich waren. Die selbe Augenpartie, die kleinen Muttermale. Er hingegen, er
war nicht ganz so blass wie meine Schöne. Mit nach oben zuckenden Mundwinkeln ging ich etwas in die Knie, um den Eimer aufzuheben, der mit kaltem Wasser gefüllt war.
Stumm beobachtete ich diesen Irren dabei, wie er Jack etwas auf den Mund klebte und schließlich wieder den dunklen Behälter aufhob. Wenig später wurde der Eimer auf meinem Bruder ausgeleert.
Sofort schlug er erschrocken die Augen auf und sah mich mit seinem geschockten Blick an. »Jack..«, flüsterte ich heiser. Hektisch versuchte er sich loszureißen, doch es brachte nichts. ‚Ich habe ganz vergessen, wie schön es ist ihn anzusehen. Es hat etwas beruhigendes an sich, ein gewohntes Gesicht zu sehen, doch unter diesen Umständen..' In mir kam wieder einmal das Bedürfnis hoch, mich zusammenzurollen und zu weinen. Leise ein und ausatmend sah ich auf den Boden.
»Gabriel..«, flüsterte ich brüchig. »Bitte, lass Jack wieder gehen. Töte mich, mach was du willst mit mir, aber bitte, du musst ihn gehen lassen. Er hat gar nichts hiermit zu tun. Ich habe das alles nicht gewollt! Ich... ich«, sagte ich immer panischer in seine Richtung und erhob mich aus Reflex ein wenig. Sofort hielt ich erstarrt in der Bewegung sitzen.
Doch es war zu spät, er hatte es bemerkt. Das amüsierte Funkeln in seinen Augen verriet ihn. »Nein, warte..«, entkam es mir leise. Panisch streckte ich meine Hand in seine Richtung. »Es tut mir lei-«
Schneller als einer von uns reagieren konnte, zog er etwas aus der Tasche seiner Jogginghose und rammte es in den Oberschenkel meines Bruders.
Jacks gedämpfter Schmerzensschrei ertönte und zeitgleich hallte mein spitzer Schrei wieder. Fassungslos schlug ich mir eine Hand vor den Mund und sah das Messer an, dass sich tief und gewaltsam in das Fleisch meines Zwillings gebohrt hatte. »Was hast du getan?«, fragte ich leise und ließ ungläubig die Hand sinken. Unfähig mich zu bewegen sah ich ihn weiterhin an. »Ich? Ich habe nichts getan. Du, Honey, bist ganz alleine Schuld an allem«, meinte er mit einem ruhigen Gesichtsausdruck.
Er machte mich krank. »Du krankes Schwein«, rief ich nun wütend und merkte wie die ersten Tränen versuchten meine Sicht zu vernebeln.
»Oh, wow, es wird ja immer besser!«, meinte der Abschaum vor mir lachend, nachdem ich meine Worte ausgesprochen hatte. »Darauf habe ich die ganze Zeit gewartet« Seine geraden Zähne kamen zum Vorschein.
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