11. Kapitel

Damit mir kein Schmerzenslaut entkam, biss ich immer wieder auf die Innenseite meiner Wange. Ich saß vor Eliot auf einem Stuhl und beobachtete ihn dabei, wie er meine Wunde erneut zunähte. Es war ziemlich schmerzhaft und ein unangenehmes Gefühl. Der Psycho hatte Eliot bei unserer Ankunft klar gemacht, dass ich angeblich keine Betäubung verdient hätte. ‚Blöder sadistischer Scheißkerl..'
Der besagte saß ein paar Meter entfernt von uns und beobachtete, genau wie ich, stumm das Geschehen. Schon seitdem wir hier angekommen waren, hatten wir kein einziges Wort miteinander gewechselt. Langsam lehnte er sich zurück.

Seufzend glitt mein Blick zu Eliots Händen. Er machte gerade einen Knoten in den Faden. ‚Endlich fertig' Dankbar lächelte ich ihn an, als er sich von seinem Platz erhob. Kurz bogen auch seine Mundwinkel sich leicht nach oben, während er die Medizinsachen wieder einpackte.
Unwohl sah ich Eliot hinterher, als er sich entfernte. ‚Lass mich doch nicht alleine mit Gabriel zurück..', dachte ich und seufzte leise.

»Was ist denn los, Jilly?«, hörte ich ihn kurz darauf interessiert von der Seite fragen. Sofort trafen meine Augen auf seine raubkatzartigen. »Nenn mich nicht Jilly«, meinte ich nun ein wenig wütend. Lächelnd erhob er sich. »Warum nicht, Jilly?« Provokant betonte er das letzte Wort absichtlich stark. Auch ich erhob mich. »Ich meine es ernst, nenn mich verdammt nochmal nicht so!«, rief ich wütend. Ein belastender Druck machte sich in meiner Brust breit. Es war Trauer.

Herausfordernd starrte er mich an und kam ein paar Schritte auf mich zu. Wütend starrte ich zurück. Niemand, abgesehen von meinem Zwilling durfte mich so nennen, besonders nicht so ein ekelhafter Mensch wie er. Wenige Zentimeter vor mir blieb er stehen. Das er durch seine Größe auf mich hinab sah, machte mich noch wütender. Der Psycho schien es bemerkt zu haben, da er leise lachend etwas in die Hocke ging, um mit mir auf Augenhöhe zu sein. ‚Wie kann man nur so provokant sein?'

»Hast du mich verstanden?«, fragte ich ihn nach einiger Zeit monoton, als er mich nur regungslos ansah. »Dann bleiben wir wohl bei Honey, mh?«, meinte er schließlich leise, fast schon sanft und stellte sich wieder gerade hin. »Du bist ganz schön nah am Wasser gebaut« Verwirrt musterte ich ihn. Er streckte seine Hand aus und strich mit seinem Daumen über meine Wange. ‚Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich angefangen habe zu weinen..' Leise einatmend wich ich mit meinem Kopf zurück.

»Honey, komm schon her«, flüsterte er schließlich und zog mich fest in seine Arme, wodurch er mich umarmte und ich? Ich erwiderte es. Ich umarmte den Menschen, der mir erst heute mit einer Vergewaltigung gedroht hatte.
‚Womit habe ich das alles nur verdient?'

Lächelnd strich ich über ihren Rücken und genoss den Moment ihrer Schwäche.
»Shh, shh alles ist gut, meine Schöne«, raunte ich ihr immer wieder leise zu und zog sie noch näher an mich. Das unsere Kleidung noch immer voller Dreck war, ignorierten wir.
Nach einigen Momenten hörte ihr schluchzen endlich auf. Auch das zittern war nicht mehr so stark. Entspannt sog ich ihren süßen Geruch ein und schloss die Augen. »Perfekt«, murmelte ich leicht neben der Spur in ihr Haar. Aber direkt nach dem ich es aussprach, spürte ich ihre kleinen Hände an meiner Brust und wie sie versuchte, mich wegzudrücken. ‚Natürlich muss sie den Moment zerstören' Angenervt ließ ich es zu und sah in ihr rotes, verweintes Gesicht.

,Ich habe wirklich einen Mörder umarmt..', dachte ich und ekelte mich vor mir selbst.

‚Sie ist so unfassbar schön', dachte ich, als ihr klarer Blick direkt auf meinen traf.

Ich will das alles nicht...', dachte ich und merkte wie mein Körper sich stärker verkrampfte.

"Bis wir sterben werden, Honey", sagte ich mit zuckenden Mundwinkeln. Ich überwand die letzten Zentimeter und strich auch ihr die Haare aus dem Gesicht. ‚Wir müssen wohl beide bald in die Stadt...'

Um keinen Streit zu provozieren ließ ich seine Berührung kommentarlos zu.
‚Ich hoffe, dass du vor mir verreckst..', dachte ich unwohl und sah meine Füße an. »Wie war das?«
Erschrocken sah ich auf. ‚Habe ich laut gedacht?'
»Würdest du es noch einmal für mich wiederholen, bitte?«, hakte Gabriel lächelnd nach, als ich nicht darauf antwortete. Ich war mir ziemlich sicher, dass er mich verstanden hatte. ‚Das muss wohl die Ruhe vor dem Sturm sein..'

»Ich hoffe, dass du vor mir stirbst«, wiederholte ich meinen Gedanken. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und strafte zeitgleich die Schultern. ‚Das war mein Todesurteil'

»Ist das so?«, fragte er amüsiert und schien nicht wütend zu sein. »Wenn es durch deine Hand geschieht, dann gerne«
Das konnte er doch nicht ernst meinen! Kurz schien er nachzudenken, bis plötzlich ein Funkeln in seinen Augen erschien. »Warte kurz«, hörte ich ihn sagen und schon war er verschwunden. Nachdenklich blieb mein Blick an der Stelle haften, an der er zuvor noch stand. ‚Was hat dieser Irre vor..?'

Wenig später kam er zurück. Seine Arme waren hinter dem Rücken verschränkt. »Das ist jetzt deine Chance, meine Schöne«, meinte er und sah mich aufgeregt an. Verwirrt blickte ich zurück. »Was meinst du?«

»Rechts oder links? Entscheide dich. Jetzt«, sagte er, ohne auf meine Frage einzugehen. »5, 4, 3..«

»Links!«, antwortete ich überrumpelt. »Oh schade, heute ist wohl nicht unser Tag« Mit einem freudlosen lächeln zeigte er, was er hinter seinem Rücken versteckt hielt. Rechts eine Pistole und links war Leere.
»Das war deine Chance auf Freiheit« Enttäuscht schüttelte er den Kopf. »Wirklich bedauerlich, nicht wahr?«

Immer noch leicht geschockt sah ich auf die Waffe in seiner Hand. Er hätte mir erlaubt ihn zu töten, jetzt, einfach so? ‚Das ist doch verrückt!' Egal wie viele Menschen er getötet haben mag, ich könnte ihn nicht einfach so umbringen.. Nicht einfach nur, weil es ihm gerade in den Kram passte.

»Sei es drum, du wirst öfters eine Chance bekommen. Besonders, wenn du deinen kleinen Grips anstrengen würdest!«, meinte Gabriel schließlich mit einem wissenden lächeln und legte die Waffe auf den Wohnzimmertisch.

»Komm, wir haben definitiv eine Dusche und andere Kleidung nötig« Ohne auf eine Antwort meinerseits zu warten, legte er seinen Arm um meine gesunde Schulter und zog mich durch die Flure. Stumm trottete ich neben ihm her, bis wir schließlich in dem ersten Stockwerk ankamen. Doch statt mich in „mein Zimmer" zu bringen, gingen wir zu einer Tür, die damals noch abgeschlossen war. Jedoch jetzt nicht mehr, da der Psycho sie problemlos öffnen konnte.

»Willkommen in meinem Reich«, meinte die Person neben mir und ließ mich los. Verwundert glitt mein Blick durch den fast leeren Raum. ‚So sieht also das Zimmer eines Psychopathen aus'.. Es war ziemlich unpersönlich und schlicht eingerichtet. Die einzigen Möbel, die im Zimmer standen waren ein unnötig großes Bett, eine weiße Kommode und ein Teppich. Es war fast so leer und trostlos wie alle anderen Räume.

»Mach es dir irgendwo bequem, ich gehe als erstes duschen. Dauert nicht lange« Er zwinkerte mir zu und verschwand hinter einer Tür. ‚Alles klar..', dachte ich verwirrt. Bei „meinem Zimmer" gab es auch eine Dusche, aber das schien ihm egal zu sein. Erschöpft ließ ich mich auf dem weichen Teppich nieder. ‚Das Bett werde ich nicht anrühren. Wer weiß, was er da drauf schon alles angestellt hat..'

Müde vegetierte ich vor mich hin, bis ich irgendwann nachgab und mich hinlegte. Das ich geweint hatte, hat mich ganz schön erschöpft.

‚Was meine Familie und Violet wohl gerade machen?'

————

Als mich etwas nasses im Gesicht traf, legte ich mürrisch einen Arm über mein Gesicht. »Nicht«, murmelte ich müde.

»Heyho, kleiner Stern«, hörte ich ihn flüstern, wodurch ich sofort hellwach war. ‚Ich bin wirklich eingeschlafen!' Zögerlich senkte ich meinen Arm, nur um sofort wieder von einem Wassertropfen getroffen zu werden. Gabriel stand halbnackt über mich gebeugt. Seine Augen sahen mich schalkhaft an. »Du siehst süß aus, wenn du schläfst«, meinte er lächelnd.

Unsicher setzte ich mich auf und rutschte etwas von ihm weg. ‚Er hat mich beim schlafen beobachtet? Unheimlich..'

Schmunzelnd richtete er sich wieder gerade auf, weshalb mein Blick fast schon automatisch über seinen gebräunten Körper huschte. Das einzige, dass er trug, war eine schwarze Boxershorts. Erschrocken sah ich zurück in sein Gesicht.
Unwohl stand ich auf und baute Blickkontakt zu ihm auf. »Kriege ich auch Wechselklamotten?«
»Natürlich, Honey. Ich lege gleich etwas vor die Tür«, erwiderte er und fuhr sich mit beiden Händen durch die nassen Haare. Das macht er ganz schön oft' Unruhig ging ich an ihm vorbei zu der Badezimmertür.
Doch kurz vorher wurde ich am Handgelenk gepackt und leicht zurück gezogen. Überrascht sah ich seine Hand an. »Was ist denn noch?«

»Das hier..« Er deutete mit der freien Hand auf sein Gesicht und seinen Körper. »..gehört alles dir, meine Schöne. Ganz allein dir«, sagte er leise und legte meine Hand auf seine ausgeprägten Bauchmuskeln. Geschockt und verwirrt zugleich sah ich auf unsere Hände. Ich versuchte sie wegzuziehen, doch dadurch verfestigte sich der Griff nur noch mehr. Ungewollt nahm ich die warme Haut wahr, die sich weich über seine harten Muskeln spannte. Als er meine Hand langsam immer weiter nach unten schob, hielt ich erschrocken den Atem an. Die ganze Zeit merkte ich, wie sein abwartender Blick auf mir ruhte.

Nachdem meine Fingerspitzen unter dem Bund der Boxershorts verschwanden, ließ er mich leise lachend los. Sofort wich ich unwohl einen Schritt zurück. »Gott Honey, ich liebe es wie du reagierst« Sofort wurde mir klar, dass er mich absichtlich verunsichern wollte.
Mit stark klopfendem Herzen wandte ich mich komplett von ihm ab, ging in das stickige Badezimmer und schloss die Tür ab.

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