10. Kapitel

Gabriel ließ sich gestern den ganzen Tag nicht mehr bei mir blicken, was mich zugegebenermaßen stutzig machte. Aber andererseits war ich auch froh darüber, endlich mal alleine zu sein.
‚Trotzdem... Was macht er nur?', fragte ich mich nun schon zum vierten Mal. Es war definitiv nichts gutes.
Ich lag schon den ganzen Nachmittag in „meinem Zimmer" auf „meinem Bett", dachte darüber nach und malte mir die verschiedensten Szenarien aus. Und alle waren darüber, wie er jemanden ermordete! Und dass, obwohl ich über viel wichtigere Dinge nachdenken sollte, wie zum Beispiel meine Flucht.. Aber ich konnte nicht, dafür müsste ich erst das Haus und ihre Bewohner besser kennenlernen. Unwohl sah ich an die Decke. ‚Nein, danke..'

Obwohl ich gestern schon auf Erkundungstour war, hatte ich wahrscheinlich nichtmal die Hälfte des Hauses gesehen. Seufzend erhob ich mich.

Meiner Schulter ging es schon wieder ein wenig besser. Eliot kam gestern Abend noch einmal ins Zimmer, um den Verband zu wechseln. Ich empfand es zwar als ganz schön peinlich nach meiner Aktion, doch er verhielt sich wie immer. Zurückhaltend und nicht wirklich gesprächig. Das er derjenige war, der den Psycho und mich verarztet hatte, hätte ich nicht erwartet, aber es schien logisch zu sein. Hier im Umkreis gab es keine Ärzte, dass wusste ich noch.

Kopfschüttelnd verdrängte ich Eliot aus meinen Gedanken und verließ das Zimmer. ‚Wenn ich nicht bald etwas esse, werde ich umkippen'

Aufmerksam lief ich durch die vielen Gänge. ‚Warum lässt man beinahe alles identisch einrichten? Vielleicht weil es einen verwirren soll?', fragte ich mich unwohl. Wenn ja, dann erfüllte es auf jeden Fall seinen Zweck. Man fühlte sich wirklich so, als wäre man in einem Labyrinth. In einem, in dem man nicht mehr den Weg raus fand und angst bekam.

Es dauerte zwar etwas bis ich den richtigen Weg fand, doch irgendwann kam ich in einer Küche an. Glücklich lächelte ich leicht. ‚Immerhin etwas gutes heute'
Ich entschied mich dazu einen Apfel zu nehmen, um sofort wieder nach oben verschwinden zu können, bevor mich jemand bemerkte. Doch als ich mich umdrehte, stand Er da, angelehnt in dem verdammten Türrahmen. ‚Ich habe ihn gar nicht gehört..'Erschrocken sah ich Gabriel an. ‚Das kann doch nicht wahr sein?'

Obwohl er komplett schwarz gekleidet war, konnte man den ganzen Dreck und Schlamm sehen, der an seiner Kleidung und seinen dunklen Boots haftete. ‚Er hat bestimmt mein Grab geschaufelt', schoss es mir augenblicklich durch den Kopf, weshalb ich angespannt einen Schritt zurückwich.

»Was ist denn los, schöne Frau?« Er zog seine dunklen Augenbrauen zusammen.
»Du hast gestern gesagt, ich würde noch nicht sterben«, sagte ich unsicher. Mit einem angedeuteten Lächeln kam er auf mich zu. Sogar in seinem Gesicht war Dreck.
»Nein, bleib weg von mir!«, rief ich nun panisch und wollte ihn mit dem Apfel abwerfen, jedoch fing er ihn sofort auf und legte ihn auf den Tisch. Währenddessen unterbrach er nicht ein einziges Mal den Blickkontakt. »Ich war aus einem anderen Grund draußen, als du denkst« Mit einer Hand fuhr er sich durch sein nasses Haar.

Nun argwöhnisch verzog ich das Gesicht. »Ach ja?« Bestätigend nickte er, wodurch ich mich ein wenig entspannte, aber weiterhin auf der Hut blieb. Nachdenklich strich er über seinen leichten Bartschatten.
»Willst du wissen, was ich gemacht habe, meine Schöne?«, fragte er.
»Nein...«, murmelte ich und lief langsam weiter um den Tisch herum.

Plötzlich genervt stieß er den Atem aus und spannte seinen Kiefer an. Unsicher blieb ich stehen. ‚Ich sollte ihn nicht so sehr reizen..'

»Du wirst es dir ansehen«, meinte ich nun wütend und versuchte mich zu beherrschen. Mein Angebot einfach abzulehnen.. Wer glaubte sie, wer sie war?
‚Sollte ich ihr ein paar Rippen brechen?', überlegte ich nachdenklich und sah ihre zierliche Gestalt an. ‚Nein, sie ist viel zu gebrechlich' Jill sah wie ein verschrecktes Reh aus, mit diesen großen honigbraunen Augen. ‚Ob ihre Augen immer noch so unschuldig funkeln würden, wenn ich sie hier und jetzt auf dem Tisch verwöhnen würde?'
Ihr hektisches nicken holte mich aus meinen Gedanken.

»Sehr schön« Leicht lächelnd lief ich zu ihr, legte einen Arm um ihre Hüfte und zog ihre unverletzte Seite an mich. Ihr süßlicher Geruch kam mir sofort entgegen, wodurch ich sie noch näher zu mir zog. ‚So perfekt', dachte ich berauscht. Bei der Haustür angekommen, blieben wir stehen. »Daran habe ich gar nicht gedacht« Ich sah meine kleine Jill von der Seite an. Irritiert sah sie zurück.
»Was denn?«
»Ich habe keine passenden Schuhe für dich, Honey. Dadurch, dass es geregnet hat, ist draußen alles voller Match« Immer diese nervigen Zeitverzögerungen. »Normalerweise verlässt keine meiner Besucherinnen zweimal mein Haus«, meinte ich noch schulterzuckend.

Mit geschocktem Gesicht sah sie mich für einige Sekunden an, bis sie mich plötzlich wegstieß. Überrascht blickte ich sie an. »Was-«
»Ich hatte recht!«, unterbrach sie mich wütend. Nun genervt musterte ich ihr Gesicht. »Unterbrich mich ni-«
»Du Mistkerl!«, rief sie und schubste mich noch einmal, doch ich bewegte mich nicht von der Stelle. ‚Ich hasse es unterbrochen zu werden' Nun auch wütend sah ich auf sie herab, als sie mit ihren kleinen Händen auf meine Brust schlug. »Wieviele? Sag schon, wieviele hast du umgebracht?«, schrie sie aufgebracht und sah dabei so aus, als würde sie jeden Moment anfangen zu weinen.

Nun wieder etwas besser gelaunt, packte ich ihre schmalen Handgelenke und zog sie an meine Brust. »Nicht weinen, bleib ruhig«, murmelte ich und streifte dabei leicht ihr Ohr mit meinen Lippen. Ich mochte ihre sensible Seite.
»Sag es mir!«, murmelte sie wütend zurück und versuchte sich aus meinem Griff zu befreien. »Shh, shh, Honey«
Zu ihrer Beruhigung malte ich mit meinen Daumen kleine Kreise auf ihre Handrücken. »Wenn du dich beruhigst, dann wirst du es sehen meine Schöne«
Ihre zuvor hektische Atmung wurde etwas ruhiger, was mich zum lächeln brachte. »Das machst du sehr schön« Ich ließ sie los, um mit meinen Fingerspitzen über ich weiche Wange zu streichen.

Unsicher sah ich meinen Gegenüber an. Ich hatte also wirklich recht gehabt und nun würde er sie mir zeigen. ‚Wollte ich so etwas überhaupt sehen?' Nach ein paar Sekunden ließ er endlich von meinem Gesicht ab.
»Egal, zieh einfach wieder die Sportschuhe an«, hörte ich ihn sagen und tat wie befohlen. ‚Was er wohl mit den Leichen gemacht hat? Sie alle an einen Ort gestapelt? Das wäre krank', dachte ich angeekelt und sah auf seine Hand. Er hatte sie wieder auf meine Hüfte gelegt, wodurch ich mich unwohl fühlte. ‚Die Hand eines Mörders..'

————

Nachdem wir für einige Zeit durch den dunklen Wald liefen, versuchte ich mich etwas zu entspannen. Auch wenn es mir unter seiner Berührung nicht wirklich leicht fiel.
Mein Blick glitt zu dem klaren Himmel und dann wieder zu den vielen Baumreihen. Die warme Luft fühlte sich schwül an und der Boden war durch den regen rutschig. Wir liefen immer tiefer in den Wald und ich wurde immer aufgeregter. Mein Blick schweifte zögerlich zurück zu Gabriel.

»Years ago, when I was younger, I kinda liked
a girl I knew. She was mine and we were sweethearts. That was then, but then it's true«, hörte ich ihn leise murmeln. Das sang er schon die ganze Zeit leise in Dauerschleife. ‚Er scheint mit den Gedanken ganz woanders zu sein' Nachdenklich musterte ich sein makelloses Gesicht von der Seite. Er wirkte ziemlich angespannt.

Plötzlich erschien ein seichtes Lächeln auf seinen Lippen, was mich ertappt nach vorne gucken ließ. »Keine Sorge, wir sind gleich da« Obwohl ich seinen stechenden Blick spürte, reagierte ich nicht darauf. ‚Wenn ich ihn weiterhin so oft angucke, denkt er vielleicht noch, ich hätte Interesse an einem Geisteskranken..' Seufzend versuchte ich etwas Abstand zu ihm zu nehmen, doch das bewirkte nur, dass sein Griff dominanter wurde. Unbehaglich sah ich auf den Moosbedeckten Boden.

»Et voilà!«, rief er auf ein Mal, wodurch ich fragend stehenblieb. »Wir sind da« Mit schalkhaft glitzernden Augen deutete er nickend nach vorne, was mich unwohl in die Richtung gucken ließ. Wir standen vor einer kleinen Lichtung und alles war voller Blumen. Es sah eigentlich ziemlich schön aus, wäre da nicht die Tatsache, dass die Blumen teilweise viel zu systematisch standen.
Auch der Fakt, dass es kein Gras wie bei einer normalen Wiese, sondern nur Erde gab war seltsam.

»Komm schon«, meinte er tief lachend. Er lief auf die Lichtung zu und streckte freudig die Arme in den Himmel. »Ist es nicht wundervoll?«, fragte er mich, wobei er auf die vielfältigen Pflanzen deutete. ‚Der Regen schien hier nicht ganz so schlimm gewesen zu sein'..

Unsicher lief ich auf ihn zu, während ich unwohl meine Arme um den Oberkörper schlang. »Ich verstehe nicht..«, meinte ich langsam und biss auf die Innenseite meiner Wange.

Mein Lächeln wurde breiter. ‚Es wird ihr bestimmt gefallen' Es musste ihr einfach gefallen! Alle Frauen mögen Blumen gerne.
»Das hier ist mein ganzer Stolz« Gespannt strich ich meine feuchten Haare aus dem Gesicht. »Sind.. sind hier die Leichen?«, fragte sie mich schließlich stockend und ich sah, wie sich ihre Augen bei meinem zustimmenden Lächeln leicht weiteten.

Schockiert sah ich erst ihn und dann die unschuldig wirkenden Pflanzen an. Es waren so verdammt viele. Und unter jeder war eine arme Seele vergraben? »Warum.. Blumen?«, fragte ich ihn leise. Amüsiert steckte er seine Hände in die Taschen seiner dunklen Jogginghose.
Mit einem Mal fiel mir auf, dass ich ihn bis jetzt in nichts anderes als Jogginghosen gesehen hatte.

»Blumen sind so schön unschuldig und haben etwas reines an sich, findest du nicht? Ich muss gestehen, dass ich ziemlich vernarrt in sie bin«, meinte er leicht lächelnd und sah die verschiedenen Arten an. ‚Ein Psycho und Gärtner zugleich'..
Das ist doch krank! ‚Wenn es stimmt was er sagt, dann liegen hier bestimmt mehr als zwanzig Leichen... Er ist ein Serienmörder..' Vor entsetzen war ich nicht in der Lage, etwas anderes zu tun als ihn anzustarren.

Selbst als er fragend auf mich zukam, regte ich mich nicht. »Gefällt es dir nicht, Honey?«, erkundigte sich dieser Psychopath verwirrt, doch ich sah nur stumm weg. »Was ist dein Problem?« Gereizt wollte er nach mir greifen.
Angeekelt wich ich vor seiner Hand zurück und sah ihm direkt in die hellen Augen. »Du bist gestört, Gabriel«, flüsterte ich langsam. »Das hier ist so verdammt abartig« Ich unterbrach nicht ein einziges Mal den Blickkontakt. »Du bist ein Monster«

Seine Gesichtszüge wurden bei meinen Worten hart und sein Lächeln erstarb augenblicklich. »Ich bin abartig? Ein Monster?«, fragte er mich und zog zeitgleich seine Augenbrauen zusammen. Nun ein wenig eingeschüchtert nickte ich.

Trocken lachte ich auf. »Ein Monster also..«, meinte ich nun wieder lächelnd. Meine Schöne wollte ein Monster? Sie würde eins bekommen! »Wenn das so ist, dann sollte ich mich auch wie eins verhalten, oder?« Ich ging einen Schritt nach vorne und schubste sie, wodurch sie erschrocken zu Boden fiel. Sofort setzte ich meinen Fuß auf ihre verletzte Schulter und drückte sie auf den Boden. »Ist es das, was du willst?«, fragte ich und verstärkte den Druck.

Sie antwortete nicht darauf und sah mich mit schmerzverzerrtem Gesicht an.
»Es ist unhöflich, nicht auf eine Frage zu antworten« Amüsiert hob ich meinen Fuß, um kurz darauf wieder zuzudrücken. Schmerzerfüllt schrie sie auf. Es wirkte wieder so, als müsste sie weinen, doch es waren keine Tränen zu sehen.
‚Wie interessant' Kurz sah ich in den Himmel. ‚Jede andere Spielfigur hätte mich schon längst angefleht aufzuhören. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass ihre Naht bereits gerissen ist'

‚Er ist abgelenkt. Das ist meine Chance!' Sofort griff ich nach dem Stein neben mir und warf ihm dem Psycho trotz meiner Schmerzen direkt zwischen die Beine. Überrascht keuchte er auf und krümmte sich schmerzerfüllt. Endlich nahm er seinen Schuh von meiner Wunde. Stöhnend versuchte ich mich aufzurichten, doch es gelang mir nicht sofort. ‚Ich bin voller Match', bemerkte ich nach wenigen Sekunden und schloss erschöpft die Augen.

»Das... war das zweite und letzte Mal«, zischte er mich von der Seite an. Er schien wütend zu sein, sehr wütend.
»Ein drittes Mal und ich schwöre dir, Honey, du wirst ein Kind von mir bekommen. Ich werde mich dann nämlich nicht mehr zurückhalten und dich immer dann nehmen, wenn ich es möchte, hast du verstanden? Und mir wird es scheiß egal sein, wie sehr du weinen oder dich dagegen wehren wirst«
Es fühlte sich so an, als hätte mein Herz einen Schlag ausgesetzt. Erschrocken sah ich Gabriel an, der sich mit wutverzerrtem Gesicht aufrichtete. »Ich... nein.. es tut mir leid«, flüsterte ich und wich seinem Blick aus. ‚Würde er mich wirklich vergewaltigen..?', fragte ich mich und spürte wie sich mein Hals vor Unwohlsein zuschnürte. ‚Ich weiß es nicht...'

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