1. Kapitel
-> Das hier ist die Sicht der Frau
-> Das hier ist die Sicht des Mannes
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Langsam fuhr ich über die schmale Straße. Je weiter ich fuhr, desto aufgeregter wurde ich. ‚Was mache ich hier bloß?'
Mein Blick wanderte durch den Wald, der sich zu meinen Seiten erstreckte. Obwohl es Tag war, sah es dort verdammt dunkel aus. ‚Es fühlt sich so an, als würde ich geradewegs in einen Horrorfilm reinfahren', dachte ich und atmete langsam aus.
‚Alles nur wegen ihm! Dieser alte Sack...' Mit einem genervten Blick dachte ich an meinen alten Boss. ‚Er hat seine Mitarbeiter immer tyrannisiert und tut es immer noch'
Wie Violet weiterhin dort arbeiten kann, ist und wird für mich immer ein Rätsel bleiben.
‚Durch mein Stressproblem ist mein Leben sowieso schon beschissen und dieser Job hat alles nur verschlimmert'
Ich biss auf die Innenseite meiner Wange. ‚Wenigstens werde ich keine Geldprobleme haben?'
Leicht schüttelte ich den Kopf und konzentrierte mich wieder auf die Umgebung um mich herum.
‚Keine Häuser, kein gar nichts', ging es mir durch den Kopf, als mir wieder klar wurde, wo ich mich hier eigentlich befand. Ich schloss für einen Moment die Augen und dachte nach. ‚Ich werde später Jack anrufen und ihn fragen, wo der nächste Supermarkt ist..
Essen ist bei Stress immer gut.
Und es gibt auch eine gute Sache an der ganzen Situation... Ich werde ungestört weiter Bogenschießen üben können. Es hilft mir zu entspannen' Leicht lächelte ich, doch das Lächeln erlosch, als ich zwei Häuser auf der Lichtung vor mir sah.
Abrupt bremste ich. Mein Blick glitt über das fremde Haus, dass dort eigentlich nicht stehen sollte.
‚Es ist so typisch für meinen Bruder, mir so etwas nicht zu erzählen', dachte ich. ‚Wahrscheinlich wäre es ihm sowieso egal, was ich davon halten würde', musste ich mir kurz darauf eingestehen und umgriff wütend das Lenkrad.
»Nein, Jill, bleib ruhig...«, murmelte ich nach ein paar Sekunden und stieg tief ein und wieder ausatment aus.
Mit gemischten Gefühlen lief ich zu dem hölzernen Haus, das viele Erinnerungen in mir weckte.
‚Unser Familienhaus'...
Ich hielt auf unserer Holzveranda inne und betrachtete das moderne Haus neben mir. ‚Sind die Fenster getönt?', fragte ich mich. Nun nachdenklich sah ich mir das Gebäude genauer an. Nach wenigen Momenten war ich mir ziemlich sicher, etwas an der Hauswand gesehen zu haben, das wie eine Kamera aussah.
‚Wofür..? ', überlegte ich verwirrt. ‚Wegen Tieren?'
Kopfschüttelnd ging ich weiter zu der Haustür und schloss sie auf. Dass das Haus erhalten geblieben ist, war allein dem Einzug meines Bruders zu verdanken.
Sofort strömte mir sein Geruch entgegen.
Es war ein Duft, den ich überall wieder erkennen würde. ‚Ich habe Jack, diese kleine Nervensäge, wirklich zu lange nicht mehr gesehen', dachte ich und bewegte mich vorwärts durch den schlichten Flur. Ich ging immer tiefer in das Haus, bis ich bei der modernen Küche ankam und meinen Blick umherwandern ließ.
Ein gelber Post-it fiel mir auf, weshalb ich zu der kleinen Kücheninsel lief. Mit zusammengezogenen Augenbrauen las ich leise das geschriebene vor:
»Hey Jilly« Meine Mundwinkel zuckten.
»Ich bin wieder für zwei Monate auf Reisen. Genieße die Ruhe so lange zu kannst.
PS: Falls du etwas kaputt machen solltest...
PPS: Ja, wir haben Nachbarn und nein, es gibt immer noch keinen Handyempfang.
- dein zuvorkommender Bruder J.«
Nachdem ich den letzten Satz zu Ende las, lehnte ich mich enttäuscht an die Kücheninsel. »Na toll« Ich schloss die Augen. ‚Das es hier keinen Empfang gibt, habe ich total vergessen! Wie soll ich Violet so erreichen?
Das heißt dann wohl völlige Einsamkeit mitten im Wald mit übervorsichtigen Nachbarn. Was könnte es schöneres geben?'
Um mich auf andere Gedanken zu bringen lief ich weiter durch das Haus. Es wurde so gut wie alles renoviert und die Inneneinrichtung ist in schlichten Farben gehalten. Auch auffallend war, dass nur das nötigste an Möbeln herum stand und es so aussah, als hätte jedes Teil seinen Platz. ‚Er ist und bleibt ein Ordnungsfanatiker', dachte ich und merkte, wie ich erneut anfangen musste zu lächeln.
Mein zuvor unterdrücktes Hungergefühl kam wieder hoch, weshalb ich zurück in die Küche ging. Erwartungsvoll öffnete ich den Kühlschrank, doch er war leer. ‚Das hätte ich mir auch denken können.. Wieso sollte er Essen hier haben, wenn er Monatelang nicht da ist?'
»Verdammt. Das ist doch scheiße«, entkam es mir leise. ‚Falls mir nichts besseres einfällt, werde ich eben zu meinen Nachbarn gehen..'
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