Kapitel 55

„Dein betteln und flehen wird dir nicht helfen. Ich werde bestimmt niemanden mitnehmen, der meine Frau entführt", knurrte Haru unerbittlich. „Wenn du wenigstens sprechen könntest, würde ich vielleicht noch einen Grund sehen, aber so bestimmt nicht. Keiner gibt uns die Garantie, dass du es nicht wieder tust."

Haru versuchte aufzustehen, und stöhnte. Es würde nicht einfach werden, hier wieder herauszufinden, das war klar.

„Ich komme wieder", versprach Sezuna und versuchte sie so ein wenig zu beruhigen. Sie wollte wissen, was mit ihr los war. Sie war so verwahrlost und allein, dass Sezuna nicht verstehen konnte, wieso.

„Ich will wissen, warum sie dich entführt hat und was sie genau von sich gibt. Es ist doch klar, dass du essen, Ruhe und Wärme brauchst", sagte Haru zu ihr. Sezunas Reaktion gaben ihm ein schlechtes Gewissen. Sie wollte das Beste auch für jemanden, der vielleicht etwas Unrechtes getan hatte. Haru selbst war oft auf Rache aus, was natürlich nicht gut war. Sollte er ihr eine Chance geben und sie vielleicht doch mitnehmen?

„Sie wollte einfach Gesellschaft nehme ich an. Ich könnte mir auch vorstellen, dass sie Angst vor euch hatte. Sie sie dir doch an. Was denkst du, was die Leute tun, wenn sie so jemanden sehen?", fragte Sezuna leise.

Haru zuckte mit den Schultern. „Sie hat es auf dem falschen Weg versucht. Vielleicht finden wir ja jemanden in Kituo Cha, der ihr helfen kann. Aber wir sollten endlich dorthin gehen! Egal ob mit oder ohne!"

So schlimm sah sie nicht aus, fand er. Die Moorhexe war viel schlimmer gewesen. „Soll ich noch einen anderen Zauber versuchen, der sie vielleicht zum sprechen bringen kann?", fragte er sie.

„Sie spricht keine andere Sprache", sagte Sezuna leise. „Sie nutzt Wörter, die für sie eine andere Bedeutung haben, weil sie nicht weiß, was sie wirklich bedeuten", meinte Sezuna und klang traurig. „Sie muss schon sehr lange hier alleine leben."

„Okay ... ich habe eine Idee. Aber nur, wenn Akira damit einverstanden ist", begann er und warf einen Blick zu dem Prinzen, bevor er weitersprach. Die Statue sollte ihnen Dinge zeigen und sagen, wie sie diese Gegenstände nannte. Dann konnten sie die Wörter sagen, welche sie dafür benutzten. Vielleicht würde es sogar helfen, ein Buch darüber zu führen, damit man jederzeit nachsehen konnte, wenn man ein Wort vergessen hatte. Es war wie das Erlernen einer anderer Sprache. Vielleicht fanden sie dann heraus, was die Frau oder was auch immer es war, dazu veranlasst hatte, so zu reagieren. Und vielleicht fanden sie den Grund heraus, was sie getan hatte, damit sie nun eine Statue war.

„Das wird nicht unbedingt nötig sein. Ich kann mir das auch merken, aber ich habe noch nicht genug mit ihr gesprochen, um sie richtig zu verstehen. Das braucht Zeit", erklärte sie und wusste, dass Akira nach Hause wollte.

„Aber ich kann es mir nicht merken", erwiderte Haru. Vielleicht konnten sie zusammen schneller herausfinden, was wirklich los war. Zwar wollte der Magier gehen, und doch hielt ihn etwas zurück. Er konnte einfach nicht verstehen, warum die Statue sich so gut um Sezuna gekümmert hatte.

„Dann werde ich es dir erzählen. Werden wir wiederkommen?", fragte sie an Haru gewandt und hoffnungsvoll. Dann würde sie versuchen es zu erklären.

„Du weißt schon, dass du dich erst einmal ausruhen solltest, bevor wir irgendwo hin gehen?", wollte er wissen. Dachte sie etwa, sie würden gleich wieder hierherkommen, sobald Akira in der Stadt bei seiner Frau war?

„Wir können uns doch dann hier ausruhen", versuchte Sezuna zu handeln.

„Nein, entweder jetzt und Akira muss warten, oder dieses Ding hier muss warten, bis du dich in Kituo Cha ausgeruht hast", erwiderte Haru streng.

Sezuna wirkte enttäuscht und traurig, wandte sich aber der Frau zu und begann auf sie einzureden. Haru verstand fast gar nichts, konnte aber durch Sezunas Bewegungen ein wenig schätzen.

„Hör auf damit. Hergott nochmal! Wir bringen Akira nach Hause und kommen wieder zurück!", gab er entnervt nach.

Sezuna strahlte ihn an, bevor sie noch einmal mit der Frau sprach. Dann nahm sie ihre Kette mit dem Stein, den sie von ihrem Vater geschenkt bekommen hatte, ab und legte sie dieser um. Was danach folgte, war eine Erklärung, dass sie wiederkommen und den Stein abholen würde, auch wenn die Männer nur die Hälfte davon verstanden.

„Ist das so ein Frauending, dass Männer nicht verstehen können?", fragte Myron leise an Akira gewandt.

„Frauen waren schon immer ein Mysterium", gab er Akira zu und schüttelte den Kopf. „Vielleicht will sie ihr damit versichern, dass sie wiederkommt."

Der blonde Magier stand daneben und murrte missmutig. Ihm wäre es lieber, wenn sie sich wirklich ausruhen würde.

Die Frau aus Stein wirkte untröstlich und redete immer noch bittend auf Sezuna ein, während sie die Schultern hängen ließ.

„Sie sagt, sie bringt uns nach draußen", erklärte Sezuna leise und strich ihr beruhigend über den Arm.

„Na wenigstens etwas", murrte Haru. Er hatte schon Angst gehabt, hier nie wieder rauszukommen.

Die steinerne Frau führt sie schließlich langsam und sichtlich widerwillig durch die Tunnel. Akira glaubte zuerst, dass sie einen falschen Weg lief, doch schließlich fanden sie einen Ausgang. Er lag sogar, laut Myron, noch näher an Kituo Cha.

Bevor sie aber einfach losgingen, drehte sich Haru zu der Steinfrau um. Sezuna war auf seinem Rücken, da sie Schmerzen mit ihrem Fuß hatte. Sichtlich zögernd legte er eine Hand auf die kalte Steinschulter und versicherte, dass Sezuna und er wiederkommen würden.

Die Frau wirkte zögernd und ängstlich. Auch, weil sie sich nicht weiter, als bis zum Ausgang des Tunnels traute. Sie schien Angst davor zu haben, die Tunnel zu verlassen. Hatte sie Angst vor dem Licht oder der Außenwelt?

„Wir kommen zurück", wiederholte Haru nochmals und wandte sich dann ab. Es war dunkel und war schwer auszumachen, welche Uhrzeit und auch Tag es war.

Man hörte die Frau noch klagen, bis sie so weit waren, dass man sie nicht mehr sehen konnte.

„Sie tut mir leid", meinte Sezuna leise, aber erschöpft.

Haru murrte nur, denn er war missmutig. Auf der einen Seite konnte er Sezuna verstehen, auf der anderen Seite war er nicht erfreut darüber, dass sie entführt worden war, auch wenn die Frau nur Gesellschaft gewollt hatte.

„Ich frage mich, wie sie so geworden ist", murmelte Sezuna und den Weg über stellte sie diverse Vermutungen an, was wohl geschehen sein konnte.

„Ich vermute, dass ein Zauber daneben gegangen ist wie bei der Moorhexe", meinte Haru. Akira und Myron liefen vor ihnen und unterhielten sich leise. Man sah dem Prinzen an, wie aufgeregt er bereits war, dass sie nicht mehr lange bis zu seinem Heimatort brauchten.

„Wir sind fast da", rief Myron plötzlich, weil er einen bekannten Weg zwischen den Felsen erkannte, der sie direkt in die Hauptstadt bringen würde.

Erleichtert seufzte Haru auf. Endlich! Nun würde hoffentlich nichts mehr schiefgehen. Akira begann wie ein kleines Kind aufgeregt zu sein und seine Schritte wurden schneller. Genauso wie Haru sich beeilt hatte, nach Samur zu kommen.

Schließlich kamen sie auf eine Straße, die recht häufig befahren war. Selbst zu dieser Uhrzeit. Auch wenn Sezuna glaubte, dass es nicht mehr spät abends, sondern früher morgen war.

Die Straße war viel breiter, sodass die Handelskarren genügend Platz hatten. Viele fuhren in die Stadt, einige verließen sie. Sobald sie jedoch Akira erkannten, hielten sie an und begrüßten ihn höflich mit einer tiefen Verbeugung.

Akira schien in seinem Element zu sein. Seine Wangen waren leicht rötlich verfärbt, so glücklich war er, sich wieder auf bekanntem Gebiet zu bewegen.

Einer der Fahrer, der eine Kutsche in Richtung Stadt fuhr, hielt an und fragte, ob er sie mitnehmen konnte, da er die Kutsche sowieso zurück in die Stadt fuhr.

„Sehr gerne!", sagte Akira. Er wusste, dass seine Gruppe müde und erschöpft waren. Außerdem war die Sorge um Sezuna groß genug, sodass Haru und auch er wissen wollten, was mit ihr los war. Akira setzte sich zu ihnen, während Myron vorne beim Fahrer saß. „Ihr seid sicherlich froh, wenn ihr mich los seid, nicht wahr? Dann könnt ihr euch endlich ausruhen", sagte er zu ihnen. Haru hatte Sezuna auf seinen Schoß gezogen und streichelte sie leicht.

„Zumindest in nächster Zeit werden wir nicht so weit entfernt sein", murmelte Sezuna, die schon wieder halb schlief. Allerdings tat ihr das Ruckeln der Kutsche nicht sonderlich gut.

„Ihr wollt tatsächlich wieder zurück?", stellte er fest. Haru nickte, doch es war nicht unbedingt zustimmend. Allerdings hatte er etwas versprochen und er würde es halten müssen.

„Und vielleicht bleiben wir eine Weile in der Nähe von Samur", murmelte Sezuna, die müde gähnte. „Vorher habe ich aber Haru versprochen, dass ich mich ein wenig ausruhe und er mich untersuchen darf. Also morgen und übermorgen auf alle Fälle noch nicht."

„Oder vielleicht kommen wir auch wieder nach Kituo Cha zurück und ruhen uns dort aus und gehen uns mal deine Heimatstadt anschauen. Außerdem werden wir auch Dinge kaufen müssen", meinte Haru nachdenklich.

„Oder so", seufzte Sezuna, der plötzlich noch viel schlechter wurde.

„Bitte anhalten!", rief Haru nach vorne und sprang ab, sobald der Fahrer anhielt. Haru nahm Sezuna herunter und fragte sie, ob ihr das Laufen vielleicht besser bekam. Sie war sehr blass uns sah aus, als ob sie sich übergeben musste.

Sezuna seufzte, als die Kutsche wieder stand und sie festen Boden unter den Füßen hatte. „Ich kann das mit dem Wackeln nicht", sagte sie leise und hielt sich an Haru fest, während sie ein und ausatmete.

„Dann laufen wir", entschied er sich und bat den Fahrer, langsamer zu fahren. Wenn es ihr half, war es besser. Auch wenn sie nicht so schnell sein würden. Allerdings waren sie nicht mehr weit von der Hauptstadt entfernt.

„Das ist in Ordnung, ich denke, wir laufen auch das Stückchen", meinte Akira und bedankte sich bei dem Fahrer, bevor er ausstieg.

„Ihr müsst nicht laufen! Das war auf uns zwei bezogen!", wehrte Haru ab. Er wollte nicht, dass Akira darauf verzichtete, nachdem er schon so viel durchmachen musste.

„Wir sind fast da und die Luft ist schön", erklärte er abwehrend und auch Myron nickte.

Seufzend gab Haru jeglichen Widerstand auf. Er war müde und hatte keine Lust mehr, darüber zu diskutieren. Auf der anderen Seite war er auch froh, dass sie noch so ein wenig Zeit mit Akira verbringen konnten. Sie würden ihn bestimmt vermissen. In Gedanken ließ er noch einmal die Zeiten durchgehen, als sie ihn gerettet hatten und welche Abenteuer sie erlebt hatten.

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