Kapitel 10
Dieses Mal ließ Haru den Prinzen ihren Aufenthalt regeln, denn er selbst war gerade nicht in der Lage, sowas zu tun. Während Akira mit dem Wirt sprach und alles besprach, stand er mit Sezuna im Hintergrund und wartete. Vielleicht war es sowieso besser, Akira hier alles regeln zu lassen, denn die Leute würden es sicherlich seltsam finden, wenn seine Begleiter das Wort für ihn ergriffen.
Haru musste sich umgewöhnen, denn hier war es anders als auf Fenua. Hier wurde Akira erkannt und verehrt und sein Wort schien zu gelten.
Daher war es auch kein Problem ein Zimmer zu bekommen und schließlich machten sich Haru und Akira auf den Weg nach oben, wo sich die Wohnräume befanden. Beide hatten zwei Zimmer, die mit einer Tür verbunden waren. In Harus Zimmer standen mehr als zwei Betten, doch scheinbar war es generell für Händler und ihre Leute gedacht.
„Wenn etwas ist, lass es mich wissen", sagte Akira leise zu ihm, legte eine Hand auf seine Schulter und warf Sezuna einen sorgenvollen Blick zu, bevor er in seinem Zimmer verschwand. Er würde sich kurz ausruhen und sich dann auf die Suche nach einer Begleitung durch die Berge machen.
Haru zog sich mit Sezuna zurück und legte sie auf einem der Betten ab, bevor er ihren Mantel auszog und sich dann einfach mit dem Rücken zu ihr auf die Bettkante setzte. Seine Hände waren ineinander gefaltet und er legte seinen Kopf darauf, wobei er an die Wand starrte und auf ihren Atem achtete. Mehr als warten konnte er nicht. Und solange sie nicht auf den Beinen war, konnten sie nicht weiter.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, allerdings war Akira noch nicht zurück, als sich ihr Atem änderte. Ein Zeichen, dass sie soweit war, aufzuwachen.
Die Sonne war bereits untergegangen und es war wahrscheinlich wieder sehr kühl draußen. Harus Augen waren geschlossen, als er den veränderten Atem wahrnahm, aber er drehte sich nicht um. Die letzten Stunden waren nicht einfach für ihn gewesen, aber er würde nichts mehr sagen. Schließlich musste er mit sich selbst klarkommen und nicht darauf hoffen, dass andere ihn von seinem Leid befreiten.
Auch wenn ihr Atem anders ging als zuvor und sie eindeutig wach war, regte sie sich kaum. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie sich orientiert hatte und ansatzweise verstand, wo sie war. „Haru?", fragte sie leise, weil es das einzige war, was sie im Moment interessierte.
Da er sie nicht drängen wollte, sondern ihr Zeit ließ, ihren Kopf wieder freizubekommen, machte er nur ein Geräusch, das ihr sagen sollte, dass er da war. Im Moment ertrug er es nicht, sich auch noch zu ihr umzudrehen.
Sezuna hatte Mühe das Geräusch einzuordnen und Haru zu finden. Wie es für sie normal war, brauchte ihr Kopf einfach viel länger, um wieder hochzufahren und sie mit den nötigen Informationen zu versorgen, die sie eigentlich brauchte.
Langsam streckte sie ihre Hand aus und tastete nach ihm. Als sie ihn berührte, tastete sie jedoch weiter, da sie länger brauchte, bevor die Information bei ihr ankam, so dass sie schließlich wieder zurück tastete.
Der Magier rührte sich nicht, sondern blieb einfach bewegungslos sitzen. Schon viel zu oft hatte er sich gefragt, was er überhaupt in solchen Situationen tun sollte. Wenigstens hatte er dann endlich verstanden, dass es ihr half, wenn sie sich auf etwas konzentrieren konnte.
Dennoch hatte es dieses Mal nicht gewirkt und seine verdammte Magie hatten nur noch mehr Chaos bei ihr angerichtet, statt ihr zu helfen. Haru hatte sich in der Zeit auf dem Weg nach Mal Gotra entschieden, dass er nicht mehr weitergehen würde. Damit Sezuna nichts passieren konnte und sie nicht mehr in Panik ausbrechen musste. Dafür riskierte er auch Akiras Leben, aber wenn er sich zwischen ihnen entscheiden musste, lag seine Entscheidung immer bei ihr.
Er wusste, dass dem Prinz seine Worte nicht gefallen würden, sobald er sie ihm offenbarte. Deswegen fragte er auch gar nicht mehr nach Sezunas Meinung, sondern würde mit ihr umkehren, sobald Akira seine Begleitung gefunden hatte.
Schließlich fand Sezunas Hand Harus und sie hielt diese fest. Mit einer Stärke, die er so gar nicht in ihrem Zustand erwartet hatte. Doch ihr Körper war ausgeruht und ihr Geist ruhte noch immer. „Danke", flüsterte sie leise.
„Hm.", war alles, was er sagte. Dabei war das nicht einmal ein Wort. Widerstandslos ließ er sie seine Hand halten. Noch immer war er in den Gedanken, um die Vor- und Nachteile für die Gruppe abzuwägen, vertieft.
Haru hatte das Gefühl, dass es nichts bringen würde, um die Gebirgskette herumzugehen, denn sie erstreckte sich über einen sehr langen Weg. Der einfachste Weg war sie zu durchqueren. Aber da das nicht gehen würde, wäre es das Beste, wenn Akira alleine weitergehen würde.
Sezuna, die sich ihre Worte bereits zurechtgelegt hatte und Harus Reaktion sowieso erst später mitbekommen würde, sprach einfach weiter. „Du hast das richtige gemacht. Bei so einem Anfall hilft nur ein Schlafzauber", erklärte sie. „Normalerweise habe ich dafür immer Notfallstränke dabei."
„Was dumm von dir war. Du kennst dich besser und hättest das mit einplanen sollen, anstatt es es zu ignorieren", sagte er betont langsam. Man hörte ihm sehr wohl an, dass er mit zusammengepressten Zähnen sprach und es ihm sogar Mühe machte, weiterzusprechen.
Er war davon ausgegangen, dass ein Schlafzauber alles noch viel schlimmer machen würde, nachdem er schon Magie bei ihr angewendet hatte.
Sezuna hörte ihn zwar, brauchte aber länger, um seine Worte zu verarbeiten, weshalb sie eine Weile lang schwieg und sich die Worte zurecht legte. „Das kann man nicht planen. Ich bekomme nicht immer bei Angst Panikattacken", erklärte sie. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so schlimm wird, weil ich wusste, dass du da bist, sobald ich Angst bekomme."
„Du willst meine Hilfe nicht Sezuna, weil du zu stolz bist, andere um Hilfe zu bitten. Auch weil du denkst, du würdest damit Ärger bereiten oder mich nerven. Doch das stimmt nicht. Aber ich werde dich nicht mehr zwingen, meine Hilfe anzunehmen, wenn dir das hilft, dass du stärker wirst. Wenn du es alleine versuchen willst, tu das", erwiderte er. Ihm war es egal, ob man das planen konnte oder nicht, er war der Meinung, dass man immer etwas dabei haben sollte, falls etwas kam. Vor allem, wenn man wusste, dass man so anfällig war.
Sezuna schwieg eine Weile. „Ich kann dir nicht folgen", gestand sie schließlich. Sie wusste nicht, was er meinte. Sie hatte ihn bei den Kleinigkeiten, die sie gut alleine lösen konnte, nicht gefragt, weil sie wusste, dass sie diese selbst bewerkstelligen konnte. Wärmezauber waren eine Kleinigkeit.
„Musst du auch nicht. Ich will jetzt nicht darüber reden, weil es sowieso wieder zu nichts führt", gab er missmutig zurück. Niemals würde Sezuna verstehen können, dass Haru einfach jemand war, der jemanden so viel wie möglich helfen und einen Komfort bieten wollte. Der Magier mochte es nicht, wenn jemand wegen kleiner Dinge litt.
Obwohl er wusste, dass Sezuna Magie besaß und Zauber ausführen konnte, so wollte er ständig, dass sie diese Kräfte so gut es ging schonte und sie dann erst einsetzte, wenn es wirklich gebraucht wurde. Und selbst kleine Zauber raubten ihr Kraft, auch wenn das nicht so schnell funktionierte. Warum also sagte sie nicht einfach, wenn sie etwas brauchte? Sie wusste doch, dass er jede Möglichkeit wahrnahm, seine überschüssige Magie abzugeben und auch wenn es nur in Wärmezauber war.
„Doch das muss ich", widersprach sie nach einiger Zeit. „Sonst kommen wir in diesem Punkt nie auf einen gemeinsamen Nenner."
„Das werden wir auch nie!", drehte er sich zu ihr plötzlich um und sah sie mit blitzenden Augen an. „Wenn du mich wirklich gut kennen würdest, dann würdest du mir vertrauen, dass ich dir jederzeit helfen würde, auch wenn es nur ein winziger Zauber ist! Ich will nicht, dass du deine eigene Magie für so etwas verbrauchst, solange deine Quelle nicht vergrößert ist! Warum kannst du nicht akzeptieren, dass es für mich jedes Mal eine Zurückweisung ist? Muss ich dich jedes Mal zwingen, damit du dir helfen lässt?" Haru war in Rage, das war auch deutlich an seiner auströmenden Magie zu spüren. Die ganze Zeit über hatte er sie noch halten können, aber je mehr Sezuna so sprach, desto wütender wurde er.
Haru konnte sehen, wie in ihrem Blick Angst kam, bevor sie traurig wurde. „Also bin ich für dich nicht einmal eine Magierin?", fragte sie und unendliche Trauer lag in ihrer Stimme. „Für was besitze ich dann überhaupt Magie, wenn ich sie nicht nutzen darf?"
„Du bist eine vollwertige Magierin Sezuna! Was glaubst du eigentlich, warum ich es dir ermöglichen will, mehr Magie einsetzen zu können? Zum Spaß? Ganz sicher nicht! Du setzt deine Magie für das Kochen und für andere Kleinigkeiten ein, von mir aus. Aber nicht, wenn es um größere Dinge geht, wo deine Magie noch nicht ausreicht, weil ich dir helfen will!", sagte er wütend und stand auf.
Haru fing an, wütend im Zimmer auf und ab zu wandern, wobei er verzweifelt seine Haare raufte. Seine Verzweiflung über dieses Gespräch war sichtbar, denn sein Gesicht war verzogen, wobei man nicht sehen konnte, ob es vor Wut oder Schmerz war.
„Also darf ich Dinge nicht einmal probieren, wenn du oder ich die Befürchtung haben, dass meine Magie vielleicht nicht ausreicht?", fragte sie weiter und klang noch immer traurig und sogar enttäuscht.
„Verdammt, du darfst es versuchen, wann immer du willst! Aber nicht in einer gefährlichen Situation, wenn du selbst nicht weißt, wie es ausgeht und ob es dann zu spät ist!", schrie er sie beinahe an. „Warum kannst du diese Dinge nicht in weniger gefährlichen Situationen versuchen und dich dabei steigern?! Verdammt nochmal", fluchte der blonde Magier wütend und rieb sich die Schläfen so fest er konnte.
Dabei sah es allerdings eher so aus, als ob er die austretende Magie, welche seine Hände verließ, direkt wieder in seinen Kopf brachte. „Ich will dich doch nur beschützen, Sezuna!"
„Was war an dieser Situation gefährlich?", fragte sie, da es im Moment das einzige war, das so richtig zu ihr durchdrang.
Dieses Mal antwortete er nicht sofort, sondern zwang sich zuerst, ruhiger zu werden. „Was gefährlich war? Du bist in Panik ausgebrochen und du bist zusammengeklappt, weil deine Erinnerungen oder deine Gedanken überhand genommen haben! Hast du dir schon mal überlegt, was passiert wäre, wenn genau das im Gebirge passiert wäre?"
„Wenn ich es bis zum Gebirge geschafft hätte, wäre das nicht passiert", erklärte sie sicher. „Denn dann hätte ich die Angst, die diese Attacke hervorgerufen hat, besiegt. Solange ich mich meiner Angst nicht stelle, wird es immer und immer wieder passieren."
„Dann mach es von mir aus! Tu, was du nicht lassen kannst!", knurrte Haru und drehte sich ruckartig um. Er wandte sich zum Gehen, denn wenn er hier bleiben würde, konnte er für nichts mehr garantieren. „Nur für dich als Information: Ich wollte es dich versuchen lassen, aber was passiert ist, hast du gesehen."
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