Kapitel 80
"Du kennst sie besser als jeder andere hier", bemerkte Haruto. "Und ich habe sie soweit kennengelernt, dass ich weiß, dass sie nicht erfreut sein würde, etwas derartiges zu verpassen", merkte er an. "Aber falls du mich das als Heiler fragst, habe ich keine Bedenken. Noch ist die Schwangerschaft nicht so sehr vorausgeschritten, dass sie durch zu viel Aufregung gefährdet sein würde."
„Wenn aber einer der Magier sie ...", begann er, doch er brach selbst ab. Es half nichts, darüber nachzudenken, was passieren würde, wenn ein Gegner ihr mit der Magie schaden würde.
Trotzdem vertraute Haru auf die Worte des Arztes und hoffte, dass wirklich alles in Ordnung sein würde. Aber auch, dass sie rechtzeitig zurückkommen würden, bevor die Schwangerschaft weit fortgeschritten war.
"Denkst du wirklich, sie würde sich mit in den Kampf stürzen?", wollte Haruto nun ein wenig überrascht wissen. Er war davon ausgegangen, dass sie zwar mitreisen, aber sich nicht an den Kampfaktivitäten beteiligen würde. Immerhin kamen auch Forscher und ein paar Diener mit, die ebenfalls nicht kämpfen konnten. "Ich bin davon ausgegangen, dass sie mit den anderen, die nicht kämpfen, um Lager zurückbleiben würde."
„Das schon, nur ... kommt sie nicht so gut mit der Nähe von Fremden klar, vorzugsweise Männer. Wenn sie alleine am Lagerfeuer mit den Männern zurückbleiben würde und sie ihren Anfall bekommt, wird keiner helfen können", gab Haru zu Bedenken. Schon die Überforderung im Magierturm war mehr als genug gewesen. Haru hatte dort gehofft, mit höchsten zwei Personen zu sprechen und nicht gleich drei, die sie restlos überfordert hatten.
"Anfall?", fragte Haruto neugierig, aber auch besorgt. Bisher hatte er zumindest bei Sezuna nichts von einem Anfall gesehen oder gehört.
„Nicht so wichtig", winkte Haru leise ab. Es war besser, gar nichts erst dazu zu sagen. Sezuna wäre alles andere als begeistert, wenn sie wusste, dass Haru etwas über ihre Eigenheiten jemanden wie Haruto erzählte. Er vertraute dem Heiler sehr, doch das war etwas, was sie selbst sagen sollte, wenn sie es überhaupt wollte.
Deshalb war er auch immer sehr besorgt, sie alleine zu lassen, denn der Vorfall in der Badewanne hing noch immer wie ein dunkler Schatten über ihm. Schon alleine der Gedanke, dass sie alleine bei ihrem Stand war, besorgte ihm. Was, wenn sie dort von den vielen Menschen plötzlich Angst oder ihren Anfall bekam?
Haruto musterte Haru. "Ich möchte dich wirklich nicht drängen, aber wenn sie wirklich Anfälle hat, wäre es vielleicht besser, jemanden zu verraten, was er oder sie dann tun muss. Wenn du es nicht mir erzählen möchtest, dann vielleicht jemanden, der uns begleitet", schlug der Heiler vor, denn ein Anfall auf der Reise könnte gefährlich werden.
„Sie soll es selbst sagen, wenn sie es möchte. Ich weiß, dass Sezuna es nicht mag, wenn jemand darüber redet, was ihre Eigenheiten sind. Akira weiß von den Anfällen, aber nicht wirklich, was er tun soll oder muss", erklärte Haru seufzend und starrte an die Decke. Es wäre besser gewesen, den Mund zu halten. „Sezuna könnte es jemanden anvertrauen, dem sie wirklich hundertprozentig vertraut. Allerdings ist das nicht sehr einfach bei ihr."
"Das habe ich schon bemerkt. Aber sie ist nicht die erste Frau aus Fenua, die solche Anzeichen zeigt", meinte Haruto nachdenklich und betrachtete die Schlafende.
„Was meinst du damit?", horchte Haru erstaunt auf und hob den Kopf, um den Arzt ansehen zu können.
"Ich weiß nicht, ob das auch auf Sezuna zutrifft, aber in Fenua gibt es einige Gegenden, wo die Männer nicht so höflich mit Frauen umgehen, wie sie sollten", erklärte der Heiler. "Sollte sie als Kind einmal eine schwierige Begegnung mit diesen Typ Mann gemacht haben, könnte es sie bis ins hohe Alter in diesem Bereich geschädigt haben."
„Möglich ist es. Sie erzählt nicht sehr viel davon, was sie als Kind erlebt hat. Nur weiß ich, dass sie ... keinen guten Erfahrung mit den Schülern gehabt hatte", meinte er stirnrunzelnd. Haru erinnerte sich an ihre Unterhaltung, wo sie ihm erzählt hatte, dass sie zu Intimitäten gezwungen worden war. Aber hatte das schon im Kindesalter angefangen?
"Verstehe", murmelte Haruto. "So etwas kann sehr prägend sein", meinte er und musterte Haru. Es schien, als hätte sie es geschafft sich trotz dieser Dinge an jemanden zu binden und das war gut.
Vorsichtig streichelte Haru das rothaarige Mädchen und vergrub seine Nase in ihren Haaren. Oft fragte er sich, warum sie so reagierte, aber da er sie nicht mehr drängen wollte, ließ er sie entscheiden, wann und wo sie etwas offenbaren wollte.
Anfangs hatte er meistens versucht, es aus ihr herauszuquetschen, aber das war meistens fehlgeschlagen.
Da er keinen Erfolg damit hatte, hatte er es gelassen und dann war sie selbst zu ihm gekommen. Wenn er ihr also zeigte, dass er da war, würde sie auch irgendwann hoffentlich zu ihm kommen.
Und wenn sie es nicht wollte, konnte er sie auch nicht zwingen. Für ihn war es noch immer sehr schwer, andere Menschen zu verstehen, richtig zu deuten und mit ihnen umzugehen.
"Sie scheint noch eine ganze Weile zu schlafen. Willst du sie nicht vielleicht auf euer Zimmer tragen?", fragte Haruto, der hoffte, dass es Haru soweit gut ging.
Vorsichtig richtete Haru sich auf und löste Sezuna von sich, damit er aufstehen konnte. Ihm war noch ein wenig übel, aber das legte sich zum Glück, als er saß. „Danke für die Unterhaltung", wandte er sich an Haruto, bevor er das Mädchen sanft hochhob, um sie zurück auf ihr Zimmer zu bringen.
Der Heiler nickte und hoffte, dass die Rothaarige keine Rückenschmerzen von ihrer Position davontrug.
Was sie eigentlich nicht sollte, wenn Haru sie nur für die Zeit so trug. Nach einigen Minuten kam er dort an und legte sie sanft auf dem Bett ab. Haru zog die Decke über Sezuna und fragte sich, ob er sich ebenfalls noch einmal hinlegen sollte oder nicht.
Die junge Frau schlief tief und fest und schien nicht einmal bemerkt zu haben, dass Haru sie getragen hatte. Das war durchaus seltsam, da er erwartet hatte, dass sie wach wurde, wenn er sie trug.
Jedoch hatte sich ihre Angst dabei ein wenig gelegt, sodass sie nicht mehr gleich in Panik ausbrach. Der blonde Magier entschied sich, nicht mehr ins Bett zu gehen, sondern setzte sich auf den Stuhl am Tisch, um nachdenklich seine Bastelsachen durchzusehen.
Er fragte sich, warum sie auf einmal so tief schlief.
Lag es daran, dass sie die Nacht nicht so gut geschlafen hatte, oder weil sie sich beim Transfer verausgabt hatte? Haruto meinte zwar, dass sie stark war, aber vielleicht hatte es sie doch mitgenommen.
Es konnte auch an beidem liegen. Deshalb hatte Haru auch nicht so gern einen Transfer vollziehen wollen, da er gesehen hatte, wie müde sie am Morgen gewesen war. Allerdings war er auch schuld gewesen, dass sie nicht wirklich so gut geschlafen hatte. Nicht nur der Alptraum alleine.
Ein leises Klopfen an der Tür sorgte dafür, dass Haru zu dieser blickte. Vorsichtig öffnete Keira die Tür und trat mit einem Wagen ein. "Haruto meinte, dass ihr heute vielleicht hier Mittag essen wollt", sagte sie leise und versuchte den Kopf ein wenig einzuziehen.
„Danke, ich bin mir sicher, dass Sezuna hungrig ist, falls sie aufwachen sollte", erwiderte Haru höflich und stand auf, um ihr den Wagen abzunehmen. Der Arzt war sehr nett und wollte immer das Beste, das merkte Haru durchaus.
Keira nickte schüchtern und verschwand dann wieder aus dem Zimmer.
Haru drehte sich seufzend zu Sezuna und betrachtete sie nachdenklich. Ihm gingen viele Gedanken durch den Kopf. Er stand mitten im Zimmer und rührte sich nicht von der Stelle, ganz einfach, weil er nicht wusste, was er tun sollte.
Vielleicht sollte er sie wecken, damit sie etwas zum Essen bekam. Sie würde es brauchen.
Auf der anderen Seite brauchte sie ihren Schlaf auch. Nachdenklich wiegte Haru seinen Kopf hin und her, um die Vor- und Nachteile abzuwägen, ob er sie doch wecken sollte oder nicht.
Ein Vorteil war auf alle Fälle, dass sie an Nahrung kam. Immerhin konnte sie danach auch noch schlafen.
Haru wartete noch ein wenig, doch dann entschied er sich, sie zu wecken. Er setzte sich neben sie ans Bett und berührte ihre Schulter, wobei er ihren Namen mehrmals sagte.
Er erhielt keine Reaktion. Sie blieb ruhig liegen, wie sie war und schien sich durch seine Anwesenheit überhaupt nicht gestört zu fühlen.
Deshalb fing er an, sie ein wenig zu schütteln und er rief lauter ihren Namen. Panik kroch schon in ihm hoch, weil er Angst hatte, sie würde nicht mehr aufwachen oder sterben, weil ich dich verausgabt hatte.
Ein Grummeln war die Antwort und schließlich schlug sie die Augen auf, um an die Decke zu sehen. Sie blinzelte verschlagen und musste sich erst einmal orientieren. "Ist was passiert?", fragte sie murmelnd.
„Du hast geschlafen wie eine Tote und mir eine Heidenangst beschert", murrte Haru, doch er klang auch erleichtert, dass sie wenigstens wach war. „Wie geht es dir?", wollte er leise von ihr wissen und ließ seine Hand über ihre Stirn fahren um zu prüfen, ob sie Fieber hatte.
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