Kapitel 6

„Dann können wir nicht in Samur leben. Wer weiß, ob es einen besseren Ort als Kituo Cha überhaupt gibt. Hier hätte das Kind wenigstens alles, was es braucht", bestätigte er ihr. Haru ließ sie los und stellte sich neben sie, um das Treiben auf den Straßen besser beobachten zu können.

„Warum nicht? Es ist nah genug und wenn wir uns mit der Steinhexe gutstellen, zeigt sie uns vielleicht einen Tunnelweg, der schneller hierherführt", meinte Sezuna leise.

„Ich möchte nicht mein Leben in den Bergen oder mit einer Steinhexe, sondern mit dir verbringen, Sezuna. Du weißt, ich kann nicht mit vielen Menschen lange zusammen sein und auch auskommen. Schon allein das ist ein Grund, warum ich wohl nie ein richtiger anerkannter Heiler sein werde", versuchte er zu erklären, wobei sie es eigentlich wissen sollte. Wenn sie vielleicht in der Nähe von Kituo Cha Leben würden, wäre es sehr gut für das Kind.

„Manchmal frage ich mich, als hättest du mir nicht zugehört oder würdest nur das verstehen, was du verstehen willst. Was habe ich gesagt?", fragte sie und drehte sich ihm nicht zu.

„Dass Samur nahe genug ist", gab er zurück. Trotzdem fand er den Weg in die Stadt für ein Kind zu weit, um in die Schule zu gehen, auch wenn die Steinhexe ihnen einen schnellen Weg zeigen würde.

„Nein, ich habe gesagt, dass ich in der Nähe einer solchen Stadt wohnen möchte. Nicht, dass ich damit Samur meine, oder die Stadt Kituo Cha ist", erklärte sie ruhig.

Haru schnaubte und drehte sich von ihr weg, um im Badezimmer zu verschwinden. Manchmal fragte er sich, warum es so schwer war, auf einen Nenner zu kommen. Gewiss, er hörte ihr zu, wurde aber oft nicht schlau aus ihr. Vielleicht hatte er ihr auch nicht genau zugehört, denn in seinem Kopf drehte sich alles darum, einen geeigneten Wohnort für sie zu finden, aber auch, damit das Kind alles hatte, was es brauchte.

Haru gab zu, dass er einfach zu viel in seinem Kopf hatte, sodass er wohl oft etwas nicht mitbekam. Das änderte jedoch nicht die Tatsache, dass er einfach überfordert war und nicht mehr wusste, was sie tun sollten, auch wenn Sezuna sich sicher war, dass alles in Ordnung sein würde. Und für alles eine Lösung finden würden.

Sezuna seufzte leise. Sie hatte das Gefühl, dass es sich Haru wieder einmal viel zu kompliziert machte. Aber so war er nun einmal. Sie würde damit klarkommen.

Kurz darauf hörte sie das Wasser Rauschen, anscheinend duschte er gerade um sich zu beruhigen. Für ihn war es einfach schwer, sich der neuen und veränderten Situation zu stellen, weil die Angst einfach da war, auf ganzer Linie zu Versagen.

Sezuna konnte das ein wenig verstehen, denn auch sie machte sich Sorgen. Allerdings gelang es ihr, sie besser zu verstecken, als Haru.

Ihre Hand glitt zu ihrem Bauch und sie versuchte den Drang auszuflippen, zu unterdrücken. Das würde ihr überhaupt nichts bringen. Es würde nichts ändern und nur ihren Körper unnötig Kraft kosten. Sie musste an das Wohl ihres Kindes denken. Einen Schatz, den sie sich immer gewünscht hatte, auch wenn es noch sehr zeitig war.

Es klopfte an und Haruto betrat mit Akira ihr Zimmer. „Guten Morgen. Wie geht es euch?", wollten sie wissen.

Sezuna lächelte schief. „Erschöpft und ... ein wenig überfordert", erklärte Sezuna leise, aber ehrlich. Sie wollte jedoch nicht, dass Haru das hörte. Einer von ihnen musste immerhin einen klaren Kopf bewahren.

„Verständlich. Hat der Tee wenigstens geholfen?", fragte er und Akira sah sich nach Haru um.

„Wo ist er?" Das Rauschen im nämlich Badezimmer war verebbt.

„Ja, vielen Dank", sagte sie mit einem lächeln und trat dann an die Badezimmertür, um daran zu klopfen. „Haru? Akira und Haruto sind da", rief sie ihm zu, in der Hoffnung, dass er es hören konnte.

Ein Murren war zu hören und kurz darauf öffnete er die Tür. „Guten Morgen", grüßte er die beiden und nahm Sezuna für einen Moment in den Arm. „Es tut mir leid, ich habe einfach Angst davor, dass ich viele Dinge nicht verstehe oder ausblende", flüsterte er ihr ins Ohr.

„Du musst dich nicht dafür entschuldigen, dass du dir Sorgen machst", antwortete sie sanft und hob die Hand, um ihn durch die nassen Haare zu streicheln.

„Was führt euch hier her?", fragte Haru sich an die zwei gewandt, ließ aber nicht von Sezuna los. Die Dusche hatte ihm wirklich geholfen, sich ein wenig zu beruhigen. Zumindest für diesen Moment.

„Ich möchte schauen, wie es meiner Patientin geht", erklärte Haruto, der es sinnvoll fand, sie zumindest so lange zu untersuchen, wie sie hier waren.

„Ich dachte mir, dass du vielleicht jemanden zum Reden brauchst", erklärte Akira an Haru gewandt und blickte dann zu Sezuna. „Meine Frau würde dich gern kennenlernen."

„Willst du sie kennenlernen oder dich lieber in die Bibliothek zurückziehen, um dir einen ruhigen Tag zu machen?", fragte Haru sie. Er fand, dass es Sezunas Entscheidung war, was sie wollte. Vielleicht war es gut, wenn sie mit einer Frau darüber sprach.

„Ich würde sie schon ganz gern kennenlernen", sagte sie leise, wirkte aber sichtlich unruhig. Sie hatte ein wenig Angst vor der Begegnung. Immerhin war Akiras Frau eine Prinzessin. Zwar nicht als solche aufgewachsen, aber trotzdem.

„Ich verspreche dir, sie ist ganz lieb und harmlos. Zumindest zu Frauen. Bei Männern wird sie gerne zur Furie", lächelte Akira ihr aufmunternd zu.

Haru drückte Sezuna zärtlich. „Die Entscheidung liegt bei dir. Zwinge dich nicht dazu. Wenn du willst, können wir dann heute Abend ein wenig in die Bibliothek gehen, damit du deinen Wissensdurst stillen kannst", schlug Haru ihr vor.

Sezuna drehte sich ein Stück und schenkte ihm ein Lächeln. „Danke. Ich denke, dass du sicherlich auch ein wenig deine Ruhe möchtest, oder?"

„Vielleicht ein bisschen", gab er zu und rieb sich verlegen den Kopf. Wenn sie mit Akiras Frau sprach, würde er mit ihm reden. Vielleicht würde das ein wenig helfen.

Haruto räusperte sich für einen Moment, damit man ihm die Aufmerksamkeit schenkte.

„Haru, du hast keinen Virus. Außer einigen Vitaminmängeln bist du gesund", erklärte er ihm.

Sezuna atmete erleichtert aus und spürte, wie diese Angst von ihren Schultern genommen wurde. „Das ist sehr gut", seufzte sie und lächelte dann leicht.

„Allerdings solltest du dringend diese Mängel ausgleichen", fuhr Haruto dort. „Sie können lebensbedrohlich sein, wenn sie weiterhin abfallen. Entweder durch Essen, Tränke oder Tabletten."

Haru nickte nur, es brachte nichts zu sagen, dass er sowieso nicht essen konnte. Wenigstens hatte er keinen Virus und das war ihm wichtig.

„Willst du lieber hier bleiben? Oder Akiras Frau kennenlernen?", fragte Haru sie noch einmal leise.

„Akiras Frau kennenlernen", erklärte sie mit einem sanften Lächeln und war jetzt schon am überlegen, wie sie Haru durch ihr Essen bei dem Problem helfen konnte.

„Dann sehen wir uns später", erwiderte er und gab ihr einen Kuss, der sanft, aber dafür lange war.

„Ich bringe dich zu ihr. Sie freut sich schon", kam es von Akira und meinte, er würde dann zu Haru zurückkommen.

Sezuna nickte und musterte Haruto noch einmal kurz. Sie wusste noch nicht, was sie von diesem Mann halten sollte.

Akira führte sie einen Korridor entlang zu einem anderen Flügel des Schlosses. „Sie wartet in der Bibliothek auf dich. Eine richtige Leseratte ist sie, wobei sie eher Geschichten und Romane liest", meinte Akira zu ihr. Er hatte seine Schritte sich denen von Sezuna angepasst, sodass sie sich nicht gehetzt fühlte. Er war sich sicher, sie würde wieder zurückfinden, weil sie sich immer sehr gut Dinge merken konnte.

„Wirklich? Ich freue mich schon, sie kennenzulernen", gab Sezuna zu, die ein wenig ruhiger lief, als sie eigentlich wollte. Sie war sehr aufgeregt und wäre am liebsten gerannt, aber das war in ihrer Verfassung sicherlich nicht gut.

Beruhigend klopfte Akira ihr auf den Rücken und blieb vor einer Tür stehen, bevor er anklopfte.

„Herein!", kam eine schüchtern klingende Stimme von drinnen. Er öffnete die Tür und ließ Sezuna eintreten.

Eine junge Frau saß in einer Decke gekuschelt auf einem gemütlichen Sofa vor einem Kaminfeuer und hielt ein Buch in der Hand. Vor ihr stand eine Tasse Tee und ein Teller mit kleinen Gebäckstückchen. Ihre langen, schwarzen Haare waren zu einem Kranz geflochten und um ihren Kopf gelegt. Auf ihrem Kopf glitzerte ein schmales Diadem, welches im Feuerschein orange erschien. Die braunen Augen musterten Sezuna freundlich, die mit Akira eingetreten war.

„Belynia, das ist Sezuna. Sezuna, das ist meine Frau Belynia", stellte er sie vor.

Sezuna trat schüchtern auf sie zu und wusste nicht so genau, ob sie ihr eine Hand geben sollte, oder was sie tun sollte. „Hallo, freut mich", sagte sie deshalb schüchtern.

„Komm setz dich, Sezuna. Ich freue mich, dich kennenzulernen", sagte sie und stand auf. Belynia ging auf das rothaarige Mädchen zu und blieb vor ihr stehen. Sie war größer als Sezuna und man sah, dass sie zögerte. Sollte sie das Mädchen in den Arm nehmen? Wahrscheinlich war ihr das nicht recht, also reichte sie ihr die Hand. Sie trug einen hübschen Ring an ihrem Finger. Nicht übertrieben, sondern schlicht aber stilvoll.

Akira, verschwinde und lass uns allein", wandte sie sich an ihren Mann und gab ihm einen kurzen Kuss. „Wir sehen uns heute Abend beim Essen."

Akira lächelte Sezuna noch einmal aufmunternd zu und schloss die Tür hinter sich. Wie es aussah, hatte seine Frau ihn gut in der Hand, obwohl er der zukünftige König war.

„Möchtest du dich setzen und eine Tasse Tee?", wurde Sezuna von ihr gefragt.

„Gern", lächelte Sezuna, die mit der ruhigen Art von Belynia gut klarkam. „Akira hat auf der Reise viel von Euch erzählt", sagte sie, als sie nähertrat.

„Oh bitte, sag du zu mir. Ich fühle mich entsetzlich alt, wenn man mich mit Eurer Hoheit oder sowas anspricht", wehrte sie gleich ab und führte Sezuna zur Couch. 

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