Kapitel 28
„Ich wollte eigentlich lesen ...", gestand Haru ihr ein wenig verlegen. „Und du willst es bestimmt auch. So neugierig wie du bist."
„Ja, natürlich, aber wir können es ja heute Abend versuchen", schlug Sezuna vor.
„Werden wir sehen. Ich möchte sie eigentlich nicht unbedingt zwingen, nur hab ich langsam die Nase voll von ihr. Sie könnte mich wenigstens ein bisschen schlafen lassen", sagte Haru und schlug sein Buch auf. Vielleicht konnte er heute Abend auch ohne Massage ein wenig schlafen, nachdem sich einiges geklärt hatte. Ein wenig wurden seine Sorgen damit verringert und Haru hoffte, dass es ausreichte, ihn ein wenig schlafen zu lassen.
„Das kann ich verstehen", meinte Sezuna leise und widmete sich nun auch ihren Buch, da sie es als Aufforderung sah, dass Haru seines aufgeschlagen hatte.
Die herrliche Stille breitete sich wieder in der Bibliothek aus. Nur Belynia fragte ab und ab, ob sie etwas brauchten.
Den Nachmittag verbrachten sie gemütlich vor dem Feuer und lasen, wobei Haru immer wieder Pausen machen musste, weil es anstrengend für ihn war, die ganze Zeit so konzentriert zu sein.
Am Abend klopfte es an der Tür und Akira kam in Begleitung seines Vaters herein. Sein Gesicht wurde sofort weicher und liebevoll, als er Belynia lesen sah. „In letzter Zeit finde ich dich sehr oft hier", lachte er und kam auf sie zu, um sie zu küssen, wobei er Sezuna und Haru einen freundlichen Gruß zuwarf.
Sezuna erwiderte den Gruß und schielte dann an ihm vorbei zu Dai, um diesen zu mustern. Sie hatte ihn zwar schon einmal kurz gesehen und wieder ins Gedächtnis gerufen, doch jetzt hatte sie die Chance ihn genau zu betrachten.
Lächelnd sah er auf die vier Leute und nickte grüßend. Er schien keine Ahnung zu haben, dass er Sezuna bereits gesehen hatte.
Der ältere Herr mit dem schwarzen, wuscheligen Haar sah Akira sehr ähnlich, nur dass seine Haare bereits graue Strähnen zierte. Seine Augen waren im Gegensatz zu Akira Nussbraun. Er hatte einen kleinen Ansatz von Bauch, war jedoch trotzdem schlank.
„Belynia mein Kind", freute er sich, sie zu sehen und umarmte die Prinzessin, die sich erhoben hatte, um ihn zu begrüßen. „Hallo Dai, na genug mit Akira gespielt? Das war nicht zu überhören", lächelte sie ihn an und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
Haru verspannte sich bei den Worten in seinem Sessel und hatte Mühe, die Konzentration beizubehalten.
Sezuna begann ihn zu streichen und war unsicher, was nun von ihr erwartet wurde. Das war immerhin der König. Sollte sie sich erheben und ihn begrüßen?
Sie versuchte in ihrem Kopf eine Antwort zu finden, doch alles was sie fand, waren Höflichkeitsfloskeln, die hier wohl unangebracht waren.
„Und wen haben wir denn da?", wandte sich Dai nun an die beiden. Es schien nicht, als würde er innerhalb der Mauern und vor allem der Bibliothek wert auf Höflichkeitsfloskeln legen.
Anscheinend hatten weder Akira, noch Belynia ihm gesagt, wer die beiden waren. Vielleicht hatte Akira begriffen, dass sie nicht dem König vorgestellt werden wollten und ließ es aus Zufall geschehen. Akira war der Meinung, dass es für sie so angenehmer wäre, wenn sie nicht wussten, wer sein Vater war. Er konnte nicht ahnen, dass Sezuna ihn bereits einmal gesehen hatte.
Die Rothaarige verspannte sich ein wenig, legte das Buch zur Seite und erhob sich mit einem Lächeln. „Hallo, ich bin Sezuna und das ist Haru", stellte sie sich und Haru vor. „Wir haben Akira auf seinem Weg begleitet", erklärte sie leise und hielt Dai zögerlich eine Hand hin. Sie hoffte wirklich, dass sie nicht wieder einmal in ein Fettnäpfchen trat.
Dai nahm ihre Hand und gab ihr einen vorsichtigen Kuss darauf, was ihm ein empörtes und entsetztes Vater! von Akira einbrachte.
„Es freut mich, euch kennenlernen zu dürfen. Vielen Dank für eure Treue meinem Sohn gegenüber", sagte Dai.
Über diese Geste überrascht wurde Sezuna ein wenig rot und musste sich Mühe geben, nicht zu stammeln. „E-Es war uns eine Ehre", gab sie von sich, weil es das erste war, was ihr einfiel.
„Kein Grund, nervös zu sein, mein Kind. Ich beiße nicht. Nur Akira, wenn er meine Spielsachen klaut", grinste Dai schelmisch mit einem Seitenblick auf seinen Sohn.
Der schnaubte nur entrüstet, doch Haru gluckste plötzlich, als würde er ein Lachen unterdrücken müssen. Dabei schien er sehr konzentriert auf sein Buch zu schauen.
Sezuna warf ihm einen kurzen Blick zu, bevor sie wieder zu Dai blickte und schief lächelte. „Es liegt nicht an Euch", versicherte Sezuna.
„Bitte nenne mich einfach Dai. Solange wir unter uns sind, ist mir das mehr als Recht", bat er sie und warf Haru einen Blick zu, da dieser sich noch immer nicht rührte. Der König hielt noch Sezunas Hand fest und wurde verlegen, „Es tut mir leid, meine Frau hatte mir dieses Benehmen beigebracht. Ich wollte dich nicht in eine unangenehme Situation bringen."
Sezuna wurde weiterhin unruhig. „Es ist nicht deine Schuld", wiederholter sie. „Ich habe generell ein Problem mit Menschen."
„Oh ich verstehe, es tut mir leid, dich damit überfallen zu haben", entschuldigte er sich bei ihr. Das zeigte, dass Dai wie Akira war. Menschlich und freundlich. Nicht so wie andere Könige, die einen Hofknicks erwarteten, sobald man sie sah.
Das machte ihn sympathischer, wie Sezuna fand, doch das hieß nicht, dass sie sich in seiner Gegenwart wohl fühlte.
Nun wandte sich Dai dem blonden Magier zu. „Dann bist du Haru", stellte er fest und Haru sah zu ihm auf. Ein spöttisches Lächeln lag auf seinem Gesicht, als er aufstand und Sezuna einen Arm um die Schulter legte.
Die zwei Männer standen sich gegenüber und musterten sich schweigend, bevor Dai dem Magier eine Hand auf die Schulter legte. „Danke für alles", sagte der König plötzlich leise.
Sezuna hätte damit rechnen müssen, denn Dai war ein Vater, der sich sicherlich Sorgen um seinen Sohn gemacht hatte.
Es zuckte um Harus Mundwinkel, sodass keiner wusste, was passieren würde. Akira beobachtete ihn genau und wurde aus ihm nicht schlau.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass die beiden noch hier sein würden, wenn er mit seinem Vater kam. Allerdings war es besser, wenn sie sich so kennen lernten anstatt dass er sie zu ihm schleppte.
Plötzlich brach Haru in lautes Gelächter aus und klopfte auf Dais Schulter. „Ich hätte nie gedacht, dass Ihr Euren Sohn wegen Spielsachen beißen würdet. Das würde ich nur zu gern sehen. Jedoch verstehe ich jetzt auch, warum Akira so ist, wie er ist", lachte der blonde Magier laut. Dass Gesicht zierte ein breites Grinsen.
Sezuna atmete erleichtert aus. Sie hatte schon mit dem Schlimmsten gerechnet, aber es schien, als hätte Haru seine Abneigung gegen Akiras Vater behoben. Wobei er dem König gegenüber wohl immer noch sehr distanziert war.
„Eins ist klar, Sezuna", wandte sich Haru an das rothaarige Mädchen. „Wir werden unser Kind mit den beiden nicht alleine lassen. Sonst wird es von den Tollwütigen gebissen", grinste er breit.
„Haru!", protestierte Akira aus dem Hintergrund empört. Wie kam der Magier nur darauf, dass er ein Kind beißen würde? Eines musste er allerdings zugeben, sein Vater und er waren verrückt, wenn sie zusammen spielten.
Sezuna lachte leise. „Ich bin mir sicher, dass die beiden ein sehr guter Umgang wären", grinste diese.
„Auf keinen Fall. Die zwei wären ein sehr schlechter Umgang für das Kind. Dann haben wir so einen wie Akira im Haus. Nein danke", erwiderte er und sah Dai in die Augen.
„Ich bin ganz ehrlich, ich habe nicht gerechnet, dass ein König wie Ihr so ... aufgeschlossen, freundlich sein würde und viel Humor besitzt", meinte Haru verlegen und rieb sich den Nacken.
Die ganze Zeit hatte er gedacht, dass Akiras Vater ein alter, grauer und mürrischer Mann war und hatte ihm nicht geglaubt, dass sein Vater wirklich so war, wie er es erzählt hatte.
Dai war für Haru sympathisch, denn mit mürrischen, strengen Königen würde er wahrscheinlich nicht gut auskommen. Das war einer der Gründe gewesen, weswegen er sich geweigert hatte, bei ihm vorgestellt zu werden. Aber auch, weil er keinen Dank oder Geschenke wollte, weil er eine Pflicht erfüllt hatte.
Dai lachte. „Im Moment bin ich einfach nur ein Vater, der sich freut, dass ihr meinen Sohn gerettet habt. Dafür werde ich immer in eurer Schuld stehen."
Haru schüttelte den Kopf. „Es ist die Pflicht, den Prinzen zu beschützen. Dafür wollen wir keine Dankbarkeit. Zudem ... ist Akira ein sehr guter Freund geworden, was man nicht mit Gold aufwiegen kann", erklärte Haru und setzte sich wieder in den Sessel, wobei er Sezuna zu sich wieder auf den Schoß zog.
Akira hatte auf der Sessellehne von Belynia Platz genommen und sprach mit ihr leise, während der König sich auf die Couch setzte und sich sofort an den Plätzchen vergriff.
„Das wird nichts daran ändern, dass ihr meinem Sohn das Leben gerettet habt und Dankbarkeit muss nicht immer in Gold ausgezahlt werden", erklärte Dai, der noch nicht gewillt war, nachzugeben.
„Wir möchten keine Geschenke und kein Gold", wehrte Haru ab und legte seine Arme um Sezuna. „Alles was wir wollen, ist eine glückliche und ruhige Zukunft zusammen", lächelte Haru sie an.
„Und selbst dabei können wir euch helfen", meinte Dai.
Haru schüttelte den Kopf. „Ich weiß Euer Angebot zu schätzen, aber ... ich denke, dass Sezuna und ich lieber alleine diese Dinge schaffen wollen, nicht wahr?"
Sezuna nickte ein wenig. „Wobei ich zugeben muss, dass es schon schön wäre, wenn es eine Möglichkeit gebe das Kind später hier irgendwo in die Schule zu schicken", meinte Sezuna leise und legte sich eine Hand auf den Bauch.
„Natürlich. Es gibt sehr gute Schulen und ich bin mir sicher, dass euch eine zusagen wird", bestätigte der König ihnen. Wollten sie sonst überhaupt nichts? Für Dai war es neu, dass sich die Begleiter seines Sohnes so sehr gegen Hilfe sträubten.
„Ich denke nicht, dass wir etwas für uns wollen, aber für das Kind später vielleicht", lenkte Sezuna ein. Sie als Mutter würde wahrscheinlich genau so reagieren und die Retter ihres Kindes belohnen wollen.
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