Kapitel 10
Trotzdem fielen ihm nach einer Weile die Augen zu. Allerdings nicht, weil er schlief, sondern weil es wahnsinnig anstrengend für ihn war, so viel zu lesen. Aber es half ihm zumindest sich ein wenig abzulenken. „Schmeckt dir das Essen?", fragte er sie und rieb sich die Augen.
„Ja", murmelte sie und aß im Verhältnis zu sonst wirklich sehr viel. „Soll ich dir wirklich nicht vorlesen?"
„Nein, brauchst du nicht. Niemals hätte ich gedacht, dass lesen einmal helfen würde, alles andere für eine Weile zu verdrängen", gestand er und seufzte. Sobald er aufhörte zu lesen, ging der Gedankenkreisel wieder von vorne los, also zwang er sich, die Augen zu öffnen und wieder zu lesen.
„Ich könnte auch dafür sorgen, dass es dir vorliest", bot sie an, verstand aber, was er meinte. Sie ließ sein zweites Buch zu sich fliegen, damit sie dieses lesen konnte.
„Ich brauche etwas zu tun, verstehst du? Meine Gedanken gehen wieder zurück und drehen sich im Kreis, wenn ich nichts tue. Deshalb versuche ich, mich abzulenken", gestand er und fühlte sich auf einmal sehr müde. Er rutschte ein wenig auf der Couch hin und her, um eine bessere Position zu finden.
Haru versuchte gar nicht mehr, seine Augen aufzuhalten, sondern ließ sie geschlossen, ausruhen konnte er sich wenigstens ein bisschen. „Willst du etwas zu essen mit aufs Zimmer nehmen?"
„Wir können auch die Bücher mitnehmen", meinte sie, stimmte ihm aber auch bei dem Essen zu. Dabei betrachtete sie ihn und hoffte, dass er vielleicht einschlief.
„Nein, ich komme lieber wieder her. Es ist schön, wenn das Feuer knistert und man einfach Ruhe hat", sagte er schließlich und stand seufzend auf. „Aber nimm dir mit, was du lesen willst", schlug er vor, während er das eine Buch zurückstellte und zu dem Wagen mit dem Essen ging, um ihn zurück ins Zimmer zu schieben.
„Willst du dann nicht hier bleiben?", fragte sie, weil seine Antwort irgendwie keinen Sinn machte. Aber sie hatte auch schon das Gefühl zu schlafen.
Haru schüttelte den Kopf. „Ich arbeite lieber ein wenig an den Schuppen. Schließlich möchte ich ausprobieren, was ich gelesen habe. Mal sehen, ob ich mich daran noch erinnern kann, wenn ich es brauche", sagte er zu ihr und hielt ihr die Hand hin, damit sie aufstehen konnte.
Sie ergriff diese und ließ sich hochhelfen, bevor sie mit Haru und dem Essenswagen zusammen, zurück zum Zimmer lief.
„Bist du müde?", kam seine Frage, als sie ins Schlafzimmer kamen. „Oder möchtest du ein Bad nehmen?"
„Ja und ja", murmelte sie, obwohl sie nicht wusste, ob sie nicht doch in der Badewanne einschlafen würde.
„Dann Schlaf ein wenig. Baden kannst du auch noch, wenn du nicht mehr so müde bist", schlug Haru ihr vor und lächelte.
„Kommst du dann ins Bett kuscheln?", fragte sie und zog sich aus, um ihre Schlafsachen anzuziehen.
Haru zögerte, denn er wollte vermeiden, wieder in der Dunkelheit gefangen zu sein, von wo er sich selbst nicht befreien konnte. Wo alle Zweifel und Ängste wieder auf ihn einschlugen und ihn nicht in Ruhe ließen. Dennoch stimmte er ihr zu und legte sich zu ihr ins Bett, wobei er seine Kleidung nicht auszog.
„Was passiert eigentlich, wenn du in diesem Zustand einen Schlafzauber benutzen würdest?", wollte sie leise wissen und kuschelte sich an Haru.
„Nichts. Nur, dass meine Magie dagegen ankämpft. Das heißt, sie produziert noch mehr Magie, um zu verhindern, dass ich schlafe. Was letztendlich nur zu einem Ausbruch führen würde", erklärte er ihr und legte seinen Arm um sie und fing an, sie zu streicheln.
„Aber auf meinen Gesang hast du nicht so reagiert. Gut, es war auch kein Schlafzauber", murmelte sie leise.
„Ja, das war anders. Allerdings war ich dann, sobald dein Gesang aufgehört hatte, in die Dunkelheit gezogen wurde, welche mich beinahe zerquetscht hätte. Ich konnte mich auch nicht davon befreien", gab er zu und seufzte leise. Noch einmal wollte er es nicht fühlen.
„Das tut mir leid", gestand sie ehrlich. „Ich hatte gehofft, dass die Melodie ein wenig beruhigt, mehr nicht."
„Das hat sie auch. Ich habe mich so ... friedlich und glücklich gefühlt. Keine Sorgen oder sowas gespürt", versicherte Haru ihr und drückte sie zärtlich. Nur als sie aufgehört hatte, war die Dunkelheit gekommen.
„Trotzdem tut es mir leid, wenn es danach sehr schwer war", murmelte sie noch einmal, denn sie wusste, wie sich so etwas anfühlte.
„Du hast es gut gemeint und dafür danke ich dir. Aber nun schlafe ein wenig. Du scheinst noch nicht ganz erholt zu sein", sagte er und gab ihr einen Kuss auf die Lippen.
„Ich weiß nicht, wie viel ich mich überhaupt erholen werde", gestand sie. „Ich fühlte mich schon wieder recht gut, aber Belynia meint, dass das zu einer Schwangerschaft dazugehört."
„Zumindest von der Reise solltest du dich erholen. Du kannst dich zwar jetzt besser fühlen, aber so richtig erholt wirst du wahrscheinlich noch nicht ganz sein. Es war eine Menge, die dir passiert ist und was du mitgemacht hast. Gebe dir ein wenig Zeit. Vielleicht gehen die Anzeichen wieder weg", schlug er vor und fuhr sich müde über das Gesicht.
„Ja, du hast recht", murmelte sie leise. „Ich würde morgen trotzdem gern in die Stadt."
„Können wir gerne machen", versicherte er ihr und fing an, ihren Arm gedankenverloren rauf und runter zu streicheln.
„Danke", nuschelte sie und entspannte sich zunehmend. Harus Berührungen taten ihr einfach sehr gut.
Erst als Sezuna tief und fest schlief, entwand er sich von ihrem Griff, denn sie hatte ihren Arm um ihn gelegt. Haru ging zurück zu dem Tisch und fing an, die Schuppen zu bearbeiten.
Er arbeitete keine Stunde, als er es im Bett rascheln hörte. „Haru?", murmelte die Rothaarige verschlafen und schien mit der Hand über das Bett zu tasten.
Er erschreckte sich und ließ beinahe etwas aus der Hand fallen, doch gerade noch versteckte er es unter den Dingen, bevor er sich zu ihr umdrehte. „Ja?", fragte er sie.
Sezuna setzte sich ein wenig auf. „Ich vermiss dich", murmelte sie leise und verschlafen, als wäre sie noch gar nicht richtig wach.
„Ich bin da und lasse dich nicht alleine. Ich ... arbeite nur ein kleines bisschen", sagte er stotternd.
„Hm", murmelte sie und legte sich wieder hin. „Komm wieder ins Bett, wenn du fertig bist?", fragte sie, auch wenn es keine wirkliche Frage war.
„Werde ich", versprach er ihr und wartete, bis sie wieder schlief. Dann widmete er sich wieder seiner Arbeit und kam zu ihr ins Bett, als er eine Pause brauchte. Wenigstens schlief sie tief, was sie auch gut gebrauchen konnte.
Das sie aufgewacht war, weil sie ihn scheinbar im Bett vermisste, verwunderte ihn aber doch. Damit hatte er nicht gerechnet und würde es wohl das nächste Mal einplanen müssen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top