Kapitel 12


Es war bereits morgen, als Haru plötzlich aufwachte. Er hatte einen seltsamen Traum gehabt und war schweißnass deswegen. Allerdings konnte er sich nicht mehr daran erinnern, was er geträumt hatte. Sezuna lag schlafend in seinem Arm, während Haru sich versuchte, zu beruhigen. Sein Herz schlug sehr schnell und sein Atem ging heftig. Irgendwie hatte er plötzlich ein ungutes Gefühl und er wünschte sich, dass er sich an den Traum erinnern konnte. Denn so war es schwer, sich überhaupt beruhigen zu können, wenn man nicht einmal wusste, warum man so unruhig war.

„Haru?", murmelte Sezuna leise. „Ist alles in Ordnung?", wollte sie wisse und wirkte noch sehr verschlafen, aber trotzdem besorgt.

Er ließ sie los und richtete sich auf. „Ich weiß nicht", gestand er. Haru zitterte und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Ich habe etwas geträumt, an das ich mich nicht erinnern kann. Aber es war etwas sehr schlechtes, sonst hätte ich kein ungutes Gefühl ..."

Langsam erhob sich Sezuna und rieb sich kurz die Augen, bevor sie Haru von der Seite her umarmte. „Das war nur ein Traum", versuchte sie ihn mit sanfter Stimme zu beruhigen. „Nichts weiter."

„Ich hoffe es. Wenn ich nur wüsste, was ich geträumt habe ... Sonst kann ich wenigstens darüber nachdenken, aber dieses Mal ist es ein schwarzes Loch. Es fühlt sich so an, als würde mich meine Magie fressen und einengen. Ich weiß nicht warum." Haru lehnte sich an sie, zog sich aber wieder zurück, weil er schweißnass war und es sich nicht gut anfühlte, wenn alles klebte. „Ich gehe duschen ..."

Sezuna fuhr ihm über den Rücken und fühlte sich hilflos. Ein Gefühl, das sie wirklich hasste. „Mach das. Danach gehen wir essen", sagte sie und hoffte ihn so vielleicht ein wenig auf andere Gedanken bringen zu können.

Mit einem schnellen Blick auf die Uhr stand er hastig auf und verschwand im Bad. Dort ließ er sich viel Zeit, um sich irgendwie zu beruhigen. Was war nur mit ihm los? Hatte es mit der Angst zu tun, von seinen Eltern gefunden zu werden? Das kalte Wasser rann auf seiner erhitzten Haut herunter und kühlten ihn langsam ab, während er seine Stirn gegen die Fließenwand lehnte.

Er versuchte sich mit dem Gespräch von Sezuna und ihm abzulenken und bei dem Wort Kinder durchzuckte es ihn wie ein Blitz.

Plötzlich sah er Kinder vor sich, die ihn angsterfüllt ansahen und wegrannten. Dabei sahen die Kinder wie eine Mischung aus Sezuna, Sarah und ihm aus. Die Erinnerungen an den Traum kamen langsam zurück. Haru hörte sich selbst nach den Kindern rufen, dass sie zurückkommen sollten, doch sie hörten nicht. Also rannte er hinter ihnen her und er war sauer. Aus einem unbekannten Grund.

Je ärgerlicher er wurde, desto mehr strömte seine Magie aus ihm heraus und es knallte für einen Moment in seinem Kopf. Ein Kind lag tot auf dem Boden, während die anderen Beiden geschockt dastanden und sich nicht bewegen konnten. Erst als Haru ihnen näher kam, wandelte sich das Gesicht des toten Kindes in Sarahs Gesicht und die der anderen Kinder in Sezunas, wobei diese ihn missbilligend ansah. „Du hast es schon wieder getan", hallten ihre Worte in seinem Kopf.

„Nein ... nein ... nicht schon wieder ...", schrie Haru plötzlich weinend los und versuchte sich an den nassen Fließen festzuhalten, doch er rutschte weinend auf den Boden und wurde weiterhin vom Wasser gewaschen. Die Erinnerung an Sarah ließ ihn nicht los. Es war das zweite Mal gewesen, dass sich ein Gesicht plötzlich in ihres verwandelte, nachdem die Person tot war. Schluchzend hatte Haru seine Arme um sich geschlungen und weinte. Würde er seine Kinder wirklich so gefährden, wenn es einmal so weit wäre? Warum war nur eines der Kinder gestorben?

Die Tür zum Bad wurde aufgerissen und Haru spürte, wie jemand das Wasser schnell abstellte und ihm ein Handtuch überlegte, bevor sich schlanke Arme von hinten um ihn schlangen und er fest gedrückt wurde. „Es ist alles gut", hauchte Sezunas Stimme und sie klang sorgenvoll.

„Der Traum ...", schluchzte er und ließ es zu, dass sie ihn so fest umarmte. Ihm war es egal, ob er unbekleidet war oder nicht. Durch die Trauer, den Schmerz und die Angst hatte seine Magie begonnen, ihn einzuhüllen. Anscheinend war er sehr gestresst davon. Haru brauchte ein paar Minuten, bis er endlich erzählen konnte, was er geträumt hatte. Er wollte Kinder mit ihr eines Tages haben, doch der Traum hatte ihm gezeigt, dass er wohl nicht in der Lage war, ein guter Vater zu sein.

Sezuna rieb dabei ihre Wange an seinem Haar, um ihn zu beruhigen und hoffte, dass es half. „Bevor ich kam, hast du auch geglaubt nie wieder so mit einer Frau umgehen zu können. Das sollte dir gezeigt haben, dass alles möglich ist", flüsterte sie leise, tat seine Ängste aber nicht ab, denn es war eine Möglichkeit, die eintreten konnte.

Langsam beruhigte sich Haru, doch seine Magie um ihn blieb, so als wollte sie ihn schützen. Warum war seine Magie nur so schwierig?

„Ich weiß ... Aber was, wenn es passiert? Ich will doch nicht meine eigene Familie schädigen ...", krächzte er und wischte sich trotzig die Tränen aus dem Gesicht.

„Das könnte jedem passieren", murmelte sie. „Niemand will seine eigene Familie schädigen und du wirst dein bestes geben, um genau das nicht zu tun", versicherte sie leise und streichelte ihn weiter.

„Warum habe ich nur solche Träume, wie ich Leben auslösche? Von denen, die mir am Wichtigsten sind?", fragte er sie leise. „Es ist, als würde mein Körper mich vor mir selber warnen." Haru versuchte, sich aus ihrer Umarmung zu befreien, doch ihm fehlte in diesem Moment die Kraft dazu, denn ihre Berührung half ihm zumindest, ein wenig klarer denken zu können.

„Du hast Angst davor. Wenn wir träumen verarbeiten wir unsere Ängste", flüsterte sie und küsste seinen Kopf. „Auch ich habe Albträume von Dingen, die passieren könnten, weil ich Angst davor habe."

„Ist es nur das? Oder steckt Wahrheit in ihnen?", fragte er und riss sich nun doch zusammen, um sich von ihr zu befreien. Ja, er hatte Angst. Haru fühlte sich nicht dazu berufen, eine Familie und Kinder zu haben. Doch mit Sezuna hatte er das Bedürfnis, das eines Tages zu tun. „Vielleicht habe ich auch nur Angst, dass du mich eines Tages alleine lässt ..."

Sezuna gab ihm einen langen, intensiven Kuss, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Erst, als sie sich löste, sagte sie: „Nicht, wenn du mich nicht fortschickst."

Plötzlich brach all der Kummer aus ihm heraus und er erzählte ihr, welche Gedanken er in der letzten Zeit gehabt hatte. Dass er nicht wusste, wie ernst es zwischen ihnen war und wohin es mit ihnen führen würde. Dass er sich oft zurückzog, um zu verhindern, näher zu kommen und dann doch enttäuscht zu werden. Auch wenn er manchmal unbeschwert war und wirklich viel mit ihr herumalberte, nagten die Gedanken tief an ihm, falls sie sich von ihm abwenden würde. Haru wollte sich nicht vor ihr zurückziehen, doch genau das tat er oft, um sich zu schützen, wenn sie sich trennen würde. Er wusste, dass er sie mit diesen Worten vielleicht verletzte, doch er konnte sie nicht länger bei sich behalten. Man spürte, wie groß seine Angst war, dass Sezuna und er sich nicht mehr verstehen würden.

Während sein Kummer aus ihm herausplatzte, hielt Sezuna ihn einfach nur fest im Arm und streichelte ihn. Er war zwar schon alt und in vielen Dingen erfahren, doch mit dem Thema Beziehung schien er noch sehr überfordert zu sein. Genau so, wie mit seinen Gefühlen. „Ich werde nicht fort gehen", sagte sie leise und küsste seine Stirn, bevor sie ihn tief in die Augen sah. „Solange du mich nicht fortschickst, werde ich nicht gehen."

„Wirklich nicht?", fragte er heiser. Haru wusste, wie unsicher er selbst nach ihrem Tod geworden war. Früher war er selbstsicher mit ihr gewesen, aber das war vorbei. Auch wenn er immer wieder sagte, er würde sie zurücklassen, tat er das nur, um sie zu necken. Schon längst würde er sie niemals irgendwo alleine lassen.

„Wahrscheinlich würde ich dir selbst dann noch hinterherlaufen, wenn du mich irgendwo abstellst", murmelte sie gegen sein Haar.

Eine seltsame Erleichterung breitete sich in seinem Herzen aus und er lächelte schief. „Das würde ich nur zu gerne sehen ... Aber das wird nie geschehen ..."

„Weil du mich nicht allein lassen wirst?", fragte Sezuna und wirkte das erste Mal ebenfalls unsicher. Als würde sie diese Angst auch mit sich herumtragen, nur wesentlich besser verstecken.

„Ich werde dich niemals alleine lassen ... Vielleicht wirst du dir dann eines Tages wünschen, dass ich es tue, wenn du mit mir ständig zusammen bist", erwiderte er heiser. Dabei hörte Haru ihre Unsicherheit und fragte sich, ob sie diese Angst schon lange hatte.

„Ich sehe es schon vor mir, wie wir alt und grau sind und uns noch immer gegenseitig necken", lachte sie und versuchte nicht unsicher dabei zu klingen.

„Egal wie alt du jemals sein wirst, du wirst immer die Schönste Frau der Erde für mich sein", flüsterte er. „Aber du kannst dir sicher sein, dass ich dich nie alleine lassen werde."

Sezuna lachte rau. „Ich glaube dir jetzt einfach mal", sagte sie und spürte eine gewisse Beklemmung. Würde es wirklich so bleiben oder würden sie sich irgendwann auseinanderleben? Davor hatte sie wirklich Angst.

„Solltest du ... Ich halte immer mein Wort, egal wie lange es dauert. Versprechen sind wichtig für mich", sagte er ernst und schob sie ein wenig von sich, um sie ernst anzusehen. Haru machte keine Witze über so etwas. Er war sich sicher, dass seine Liebe zu ihr nicht enden würde, aber was, wenn es anders herum war und sie nur noch zusammen lebten, ohne sich zu lieben?

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