Kapitel 71


Aber er hatte auch keine Chance gegen Sarah und ihren Bruder gehabt. Anfangs war er immer wütend geworden, bis er gelernt hatte, sich darauf zu konzentrieren. Er ließ sich Zeit bei seinem Zug und verschränkte die Arme vor der Brust und nagte an der Unterlippe, wie er es sehr oft tat.

Sezuna beobachtete ihn dabei und hoffte, dass er es nicht bemerkte. Sie wusste immerhin, wie wenig er das mochte.

Tatsächlich bemerkte er es nicht, sonder grübelte bei jedem Zug sehr lange. Vor seinem Auge spielten sich verschiedene Möglichkeiten von Ergebnissen ab und er musste entscheiden, was er tat. Nach jedem Zug von Sezuna begann er erneut, alles durchzudenken. Schon längst hatte er gemerkt, dass er keine Chance gegen sie hatte, doch es war gut, wenn er sich auf das hier konzentrierte.

Zug um Zug ging das Spiel immer weiter und Haru machte es Sezuna nicht gerade leicht.

Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen und er seufzte plötzlich. „Schade, hätte ich den einen Zug anders gemacht, hätte ich vielleicht gewonnen", bemerkte er. Ihm war ein Zug eingefallen, wo es zwei Möglichkeiten gegeben hatte und er hatte sich für die falsche entschieden. „Du spielst sehr gut Schach", gab er zu.

„Schach ist etwas, wo ich mein Gehirn ziemlich gut ausnutzen kann", lachte sie und setzte mit ihrem letzten Zug Haru schachmatt.

„Ich merke es. Dein Gehirn ist deine große Stärke. Aber es ist wie das Leben. Wenn du oft falsche Entscheidungen triffst, kann es dich zerstören. Ich meine nicht, dass eine falsche Entscheidung dein ganzes Leben zerstört, sondern eine Reihe von Fehlern", stellte er fest und sammelte die Figuren ein, um sie dem blonden Mädchen wieder zurückzugeben.

„Je nachdem, ob man aus seinen Fehlern lernt, oder nicht", bemerkte Sezuna lächelnd. „Willst du nochmal?"

Haru nickte und wartete, bis alles wieder aufgestellt war. „Ich lerne aus meinen Fehlern und werde sie nicht wiederholen", sagte er, womit er das auf das Leben bezog.

„Auch die Art der Fehler ist manchmal wichtig", murmelte Sezuna leise und dieses Mal ließ sie Haru beginnen.

Der Junge antwortete nicht darauf, sondern begann. Wieder war er konzentriert und plante seine Schachzüge, wobei er nun länger brauchte, um Sezunas Züge eher voraussehen zu können.

Doch sie schien nicht so leicht durchschaubar, wie Haru es gehofft hatte. Manchmal rechnete er mit einem Zug und dann machte sie einen ganz anderen.

Seine Stirn lag in Falten und wieder seufzte er. „Da siehst man mal, ich bin nicht geboren, um die richtigen Entscheidungen zu treffen", sagte er schließlich schulterzuckend, als Sezuna ihn ein weiteres Mal Schachmatt setzte.

„Im Schach bin ich fast unschlagbar", meinte sie belustigt.

„Nicht nur in dem. Alles, was sorgfältige Planung und schwere Theorien voraussetzt, ist gut für dich. Solange du dein Gehirn benutzt", erwiderte er mit einem Lächeln. Haru war nicht böse deswegen, denn es war ihm von Anfang an klar gewesen, dass er sie nicht schlagen konnte.

„Lass uns versuchen noch ein wenig zu schlafen", schlug er vor, als sie noch einmal fragte, ob er spielen wollte.

Sezuna nickte und räumte die Dinge weg. „Willst du einen Schlaftrank?", fragte sie vorsichtig.

Haru schüttelte den Kopf und stand auf. „Ein wenig schlafen wird schon gehen", entgegnete er ihr und legte sich ins Bett, um sich unter die Decke zu kuscheln.

Sezuna krabbelte über ihn drüber, um sich an die Wand zu legen und ebenfalls unter die Decke zu kuscheln.

„Gute Nacht. Versuch, dich noch auszuruhen. Morgen entscheiden wir, wohin wir gehen", sagte er leise.

„Gute Nacht", murmelte Sezuna und kuschelte sich noch weiter in die Decke. Sie hoffte, dass sie noch ein wenig Schlaf bekam.

Haru drehte sich zu ihr um und zögerte, aber seine Hand berührte plötzlich sanft ihre Wange. „Danke, dass du versucht hast, mich abzulenken."

Sezuna schloss genießerisch die Augen. „Ich hoffe es hat geholfen", sagte sie und schlug die Augen wieder ein Stückchen auf.

Er nickte und machte ein bestätigendes Geräusch. „Du bist sehr lieb. Viel zu nett für diese Welt", flüsterte er ihr zu.

„Ich bin nur nett zu Leuten, die es verdient haben", sagte sie sanft. „Ich kann auch anders."

Nun lächelte er leicht. „Das möchte ich sehen. Vielleicht kann ich besser mit einer richtigen Wildkatze umgehen als mit einem Schmusekätzchen", meinte er nachdenklich und hielt in seiner Bewegung inne.

„Vielleicht lernst du mich irgendwann soweit kennen", lachte sie leise und schmiegte sich dann ein wenig an seine Hand.

„Lieber früher als nie", lachte er plötzlich. Er hatte gedacht, das viele nachdenken hatte ihn müde gemacht, aber trotzdem konnte er nich einschlafen. „Ich habe Hunger."

„Im Rucksack sind noch ein paar fertig gekochte Dinge", murmelte Sezuna, doch das Essen war fast alle. Zumindest das, was man bereits essen konnte, weil es nicht mehr roh war.

„Ich bin zu faul, um aufzustehen", gab er zu. „Willst ... du ... zu mir kommen? Nachdem du ab morgen keine Gelegenheit mehr dazu bekommst?", fragte er vorsichtig.

Ohne ein Wort zu sagen krabbelte sie in Harus Richtung und legte sich mit ihren Kopf einfach auf seine Brust. Als würde sie sich so etwas zwei Mal sagen lassen.

Sofort schien er sich zu entspannen. Außer seinem Magenknurren und dem regelmäßigen Atmen der beiden war es still in dem Zimmer. Ihr Kopf fühlte sich so leicht auf seiner Brust an, dass er der Versuchung widerstand, sie fester an sich zu ziehen, nachdem er sie in den Arm genommen hatte.

Er konnte spüren, dass sie ruhig atmete, aber nicht schleif. Trotzdem schien sie die Position und seine Nähe zu genießen.

„Kannst du nicht schlafen?", fragte er sie leise. Es war seine Schuld, dass er sie wachhielt, weil er einfach keine Ruhe fand.

„Ich bin nicht mehr müde", gab sie leise zu.

„Ich bin müde, aber ich kann nicht schlafen", sagte er zu ihr. „Tut mir leid, wenn ich deinen Schlaf raube." Auch wenn er vor kurzem noch so viel geweint hatte, nun schien er sich ein wenig beruhigt zu haben. Sezunas Nähe tat ihm wirklich gut.

„Das ist nicht schlimm", murmelte Sezuna leise und betrachtete ihn kurz.

„Ist es. Du brauchst deinen Schlaf. Hilft es dir, wenn ich dich Fessel?", fragte er grinsend wobei er dachte, dass sie ihn nicht sehen konnte.

Sezuna lachte leise. „Nein, aber wenn du mich festhältst", erklärte sie mit einem leicht belustigten Unterton.

„Tue ich doch gerade", protestierte er. „Was meinst du, was mein Arm sonst macht?", wollte der blonde Junge wissen.

Sezuna lachte ein wenig. „Das ist ja auch in Ordnung", meinte sie und schmiegte sich noch ein wenig mehr an seine Brust.

„Du bist echt unmöglich", schüttelte er seinen Kopf auf dem Kopfkissen. Haru schloss seine Augen und versuchte, zu schlafen, doch das Mädchen in seinem Arm ließ es nicht zu, denn solange er sie berührte, stritten sich sein Herz und sein Verstand.

Das machte es für Haru einfach unmöglich Ruhe zu finden und einzuschlafen.

Aber wie konnte er ihr das beibringen? Sezuna war sehr resistent, wenn er versuchte etwas zu erklären. Sie würde dann bestimmt wieder sagen, dass er es einfach genießen sollte, wie sie es tat. Natürlich hatte er versprochen zu versuchen, dass er den Moment hier und jetzt genoss. Aber es fiel ihm so schwer. Deshalb seufzte er leise und atmete lange aus. Wahrscheinlich schlief Sezuna bereits halb, denn sie war sehr ruhig.

Als würde sie einen Trick kennen, der es ihr erlaubte in wenigen Minuten einzuschlafen oder wenigstens ihren Körper komplett zu entspannen. Ob sie ihm diesen wohl beibringen konnte?

Doch Haru entschloss sich, sie einfach schlafen zu lassen, falls sie schon schlief. Er wollte, dass sie ausgeruht war und tatsächlich schaffte er es nach langer Zeit, in einen leichten Schlaf zu fallen, wobei er Sezuna noch immer im Arm hielt. 

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